OGH vom 15.04.2015, 13Os14/15f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Silvia K***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 11 Hv 36/11x 58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Silvia K***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1), ferner der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG sowie nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (2) schuldig erkannt.
Danach hat sie in Graz und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift
(1) in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus und eingeführt, indem sie von Frühjahr 2009 bis durch Bereitstellung des für sie ausgestellten Reisepasses zu den Schmuggelfahrten der gesondert verfolgten Kerstin B***** beitrug, die in vier Angriffen insgesamt zumindest 4.000 Gramm Cannabisharz (Reinsubstanz 600 Gramm Delta-9-THC [US 4]) und 40 Gramm Heroin (Reinsubstanz 24 Gramm Diacetylmorphin [US 4 f]) von Indien nach Deutschland und „zum größten Teil“ weiter nach Österreich schmuggelte;
(2) erworben, besessen und anderen überlassen, indem sie von März 2009 bis Mitte November 2014 unbekannte Mengen an (THC hältigen) Cannabisprodukten erwarb und konsumierte sowie im Dezember 2009 zumindest 10 Gramm (THC hältigen) Cannabisharzes zum Preis von 150 Euro der gesondert verfolgten Davina D***** überließ.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
Nach dem (ungerügt gebliebenen) Protokoll über die Hauptverhandlung am gab „die Verteidigerin bekannt“, „dass die Angeklagte nunmehr behauptet habe, dass Kerstin B***** auch mit einer Sandra zusammen in Haft gewesen wäre, diese hätte sie zunächst gefragt, ob sie ihr den Reisepass borgen könne“ (ON 47 S 5). Ein Antrag auf „Ausforschung der Zeugin Sandra N.“ zum Beweis dafür, dass Kerstin B***** auch dieser abverlangt habe, ihr „den Reisepass zu borgen“, wurde der „hilfsweise“ erhobenen Verfahrensrüge (Z 4) zuwider damit nicht gestellt (zur Obliegenheit deutlicher und bestimmter Formulierung von Anträgen RIS Justiz RS0118060; Ratz , WK StPO § 281 Rz 311). Ein solcher wäre abgesehen davon, dass das angesprochene Beweisthema für die Beurteilung des Tatverdachts ohnedies nicht von Bedeutung war (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO) durch die am erfolgte Wiederholung der Hauptverhandlung nach § 276a StPO (ON 57 S 1 verso) zudem gegenstandslos geworden (RIS Justiz RS0099049, RS0098869).
Welche (vom Erstgericht angeblich übergangenen) „Verfahrensergebnisse“, denen zufolge Kerstin B***** „möglicherweise auch andere Reisedokumente von anderen Personen verwendet hat“, welchen Feststellungen über entscheidende Tatsachen aus welchem Grund erörterungsbedürftig entgegenstünden, sagt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht.
Inwieweit von der Beschwerde (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) vermisste Feststellungen zur Frage, ob „für den Zeitraum März 2009 bis November 2009 im Reisepass der Angeklagten Visaeinträge vorhanden sind“, zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollten, macht das Rechtsmittel nicht klar.
Der Kritik am Unterbleiben amtswegiger Beischaffung des vom Zollfahndungsamt München sichergestellten Reisepasses der Angeklagten, um anhand darin (allenfalls) angebrachter Sichtvermerke objektivieren zu können, ob, bejahendenfalls wann und wie oft dieser „für die Reisetätigkeit der Kerstin B*****“ verwendet worden sei (nominell auch Z 5, inhaltlich nur Z 5a), fehlt es schon an einem Vorbringen, wodurch die Beschwerdeführerin an entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS Justiz RS0114036, RS0115823).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) bekämpft ausschließlich Feststellungen zur Einfuhr von Suchtgiften nach Österreich . Damit berührt sie angesichts der Konstatierung der (durch den Beitrag der Angeklagten unterstützten und von deren Vorsatz getragenen) Grenzübertritte von Indien bis nach Deutschland mit das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquanten durch die unmittelbare Täterin (US 3 bis 5) keinen entscheidenden, nämlich für die Schuld oder die Subsumtionsfrage bedeutsamen Aspekt.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) reklamiert das Fehlen konkreter Feststellungen zu den nach Österreich eingeführten Suchtgiftmengen und dazu, ob Kerstin B***** „den Reisepass bei ihrer Einreise nach Österreich verwendet hat“. Sie leitet dabei nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb „nach dem SMG nur bestraft werden“ könne, wer „Suchtgift nach Österreich, und nicht etwa nach Deutschland, einführt“, und bringt damit den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS Justiz RS0116565).
Bleibt anzumerken (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), dass unter Einfuhr und Ausfuhr im Sinn der §§ 27 Abs 1 Z 1 fünfter und sechster Fall, 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG die Verbringung von Suchtgift über eine (beliebige) Staatsgrenze zu verstehen ist; auch ein Verkehr zwischen zwei ausländischen Staaten wird davon erfasst (RIS Justiz RS0088172). Die vom Erstgericht zutreffend angenommene inländische Gerichtsbarkeit und die Anwendbarkeit der österreichischen Strafgesetze (§ 62 StGB) folgt fallbezogen schon daraus, dass die Angeklagte ihren vom Schuldspruch 1 umfassten Beitrag zu den von der unmittelbaren Täterin (überdies nur zum Teil) im Ausland begangenen Tathandlungen des als rechtliche Einheit zu wertenden (vgl RIS Justiz RS0123909) Gesamtgeschehens nach den Urteilskonstatierungen im Inland (US 3 f) geleistet hat (RIS Justiz RS0091842).
Mit dem auf eigenständig entwickelte Überlegungen zu einzelnen Tatumständen gestützten Vorwurf, das Schöffengericht habe „die Diversionsvoraussetzungen nach § 198 StPO nicht hinreichend geprüft“, argumentiert die gegen den Schuldspruch 2 gerichtete Diversionsrüge (Z 10a) nicht auf Basis des Urteilssachverhalts und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0124801, RS0116823). Im Übrigen steht diversionelles Vorgehen sei es nach §§ 198 ff StPO, sei es nach §§ 35, 37 SMG (zum Verhältnis zwischen beiden Diversionsformen siehe Litzka/Matzka/Zeder , SMG 2 § 35 Rz 5 mwN) (auch) insoweit vorliegend schon deshalb außer Betracht, weil die vom Schuldspruch 1 erfasste, gleichfalls dem SMG zu unterstellende Straftat in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fällt und unter mehreren dem SMG zu unterstellenden Handlungen eine unterschiedliche Behandlung im Sinn einer Kombination von diversionellem Vorgehen einerseits und Schuldspruch andererseits nicht zulässig ist ( Schroll , WK StPO § 198 Rz 47 mwN; idS 12 Os 43/14m mwN, RIS Justiz RS0113621 [T5]; § 198 Abs 2 Z 1 StPO,§ 35 Abs 2 Z 1 SMG).
Soweit darüber hinaus „alle von Amtswegen aufzugreifenden Nichtigkeitsgründe gerügt“ werden, ohne konkreten Anfechtungskategorien unterliegende Sachverhalte zu behaupten, versäumt es die Rechtsmittelwerberin, Nichtigkeit begründende Umstände deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) zu bezeichnen (vgl Ratz , WK StPO § 285d Rz 10).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00014.15F.0415.000