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OGH vom 11.01.2000, 10ObS353/99f

OGH vom 11.01.2000, 10ObS353/99f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Michael Zerdik (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei DI Leopold B*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, als Fortsetzungsberechtigter nach der am verstorbenen Stephanie B*****, zuletzt wohnhaft in *****, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. Christian Preschitz und Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 201/99s-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 5 Cgs 166/98y-11, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am geborene Stephanie B*****, die Mutter des Klägers, bezog seit von der beklagten Partei ein Pflegegeld der Stufe 3.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde der Antrag der Stephanie B***** auf Erhöhung des Pflegegeldes abgelehnt.

Nach Einbringung der Klage gegen diesen Bescheid verstarb Stephanie B***** am . Das Verfahren wurde gemäß § 19 BPGG mit ihrem Sohn, dem nunmehrigen Kläger, der für die Kosten der Pflege aufgekommen war, fortgesetzt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren dahin statt, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, dem Kläger das anteilige Pflegegeld der Stufe 5 für den Zeitraum vom 1. 8. bis zu zahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung eines die Stufe 3 übersteigenden Pflegegeldes für die Zeit vom 1. 6. bis wurde abgewiesen.

Gegen die Gewährung des Pflegegeldes für den Zeitraum vom 1. 8. bis erhob die beklagte Partei Berufung. Das Berufungsgericht gab der Berufung keine Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, dem Kläger als Fortsetzungsberechtigten ein anteiliges Pflegegeld der Stufe 5 für die Zeit vom 1. 8. bis in Höhe von S 4.636,-- abzüglich bereits geleisteter Zahlungen an Pflegegeld der Stufe 3 zu zahlen. Es verwies auf die Bestimmung des § 9 Abs 1 BPGG (idF Art 21 Z 3 des StrukturanpassungsG 1996), wonach der Anspruch auf Pflegegeld mit dem Todestag des Anspruchsberechtigten erlischt und in diesem Kalendermonat nur der verhältnismäßige Teil des Pflegegeldes gebührt. Der anteilige Pflegegeldanspruch für den Sterbemonat betrage S 4.636,--. Davon sei das gemäß § 47 Abs 4 BPGG im Jänner 1997 vorschussweise gezahlte Pflegegeld der Stufe 3 in Abzug zu bringen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes eingebrachte und unbeantwortet gebliebene Revision ist unzulässig.

Voraussetzung jeder Rechtsmittelzulässigkeit ist das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses. Jedes Rechtsmittel setzt eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus, da es nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen ist, rein theoretische Fragen zu entscheiden (SZ 67/230; SZ 61/6 ua). Der Rechtsmittelwerber muss nach herrschender Auffassung grundsätzlich formell beschwert sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrundeliegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweicht. Als materielle Beschwer ist dagegen jede Beeinträchtigung der materiellen oder prozessualen Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers anzusehen. So kann der Beklagte einen prozessualen Nachteil etwa dadurch erleiden, dass das Klagebegehren nicht als unbegründet abgewiesen, sondern die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen wird (SZ 57/23; JBl 1951, 574 ua), weil die rechtlichen Auswirkungen verschieden sind. Es ist auch einhellige Rechtsprechung, dass nur der durch den Urteilsspruch Beschwerte ein Rechtsmittel ergreifen kann. Allein aus den Gründen einer Entscheidung kann - außer bei Aufhebungsbeschlüssen und bei Zwischenurteilen - eine Beschwer hingegen nicht abgeleitet werden. Es reicht daher nicht aus, wenn sich die Entscheidung auf andere und sogar auch vom Rechtsmittelwerber abgelehnte rechtliche Erwägungen stützt (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 9 f vor § 461 mwN ua; Fasching, ZPR2 Rz 1716 ua).

Der Rechtsmittelwerber muss also durch sein Rechtsmittel eine Entscheidung erzielen wollen, deren Spruch für ihn günstiger ist als der Spruch der angefochtenen Entscheidung. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die beklagte Partei schuldig erkannt, dem Kläger als Fortsetzungsberechtigten für den allein noch strittigen Zeitraum vom 1. 8. bis ein anteiliges Pflegegeld der Stufe 5 in Höhe von S 4.636,-- abzüglich bereits geleisteter Zahlungen an Pflegegeld der Stufe 3 zu bezahlen. Zutreffend verweist die beklagte Partei in ihrer Revision darauf, dass dieser Urteilsspruch des Berufungsgerichtes einen negativen Saldo für den Kläger ergibt, da einer nach dem Urteilsspruch von der beklagten Partei zu leistenden Zahlung von S 4.636,-- ein bereits bezahlter Vorschuss an Pflegegeld der Stufe 3 von S 5.690,-- gegenübersteht. Damit wurde vom Berufungsgericht - im Gegensatz zum Erstgericht - ein im Rechtsmittelverfahren allein noch strittiges Begehren auf Zahlung eines Pflegegeldes für den Zeitraum vom 1. 8. bis im Ergebnis abgewiesen. Eine günstigere Entscheidung ist für die beklagte Partei nicht denkbar. Der Lösung der Frage, ob dieses Begehren im Ergebnis deshalb nicht berechtigt ist, weil das im Jänner 1997 vorschussweise gezahlte Pflegegeld der Stufe 3 höher ist als der anteilige Pflegegeldanspruch für den Sterbemonat oder deshalb, weil im Hinblick auf diese Vorschusszahlung gemäß § 47 Abs 4 BPGG kein anteiliges Pflegegeld für den Sterbemonat gebühre, kommt somit im vorliegenden Fall nur eine theoretische Bedeutung zu.

Die Revision der beklagten Partei, die sich somit nur gegen die Begründung der angefochtenen Berufungsentscheidung richtet, war daher als unzulässig zurückzuweisen.