OGH vom 16.09.1992, 9ObA206/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Pipin Henzl und Ferdinand Rodinger in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde M***** Betriebsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei F***** C*****, Gemeindebeamter, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 58.049 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 34 Ra 148/91-12, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 24 Cga 414/91-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Beklagte ist seit Beamter der Stadtgemeinde M*****. Vorher war er Vertragsbediensteter dieser Gebietskörperschaft. Der Beklagte wurde auf Grund einer Vereinbarung zwischen der Klägerin, die eine BetriebsgesellschaftmbH der Stadtgemeinde M***** ist, und der Stadtgemeinde M***** vom der Klägerin zu 95 % des Vollbeschäftigungsausmaßes zur Verfügung gestellt. Die Diensthoheit der Stadtgemeinde M***** blieb aufrecht. Der Beklagte erhält seine Dienstbezüge weiterhin von der Stadtgemeinde M*****. Die Klägerin ist verpflichtet, der Stadtgemeinde diese Bezüge zu refundieren. Der Beklagte arbeitet bei der Klägerin in der Städtischen Bestattung, die bei Begräbnissen auch Darbietungen eines Gesangsvereins anbietet. Rudolf R***** legt (im Namen des Gesangsvereins bzw der Sänger) der Klägerin für die jeweiligen Gesangsleistungen eine Rechnung. Der Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag (aus Mitteln der Klägerin) an Rudolf R***** aus, der über die volle Summe quittierte, kassierte aber von diesem eine Provision von 20 %. Wegen dieser Vorfälle leitete die Stadtgemeinde M***** gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren ein; die zunächst verfügte Dienstenthebung wurde nach kurzer Zeit wieder aufgehoben.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte sei bei ihr angestellt gewesen und habe Tätigkeiten im Sinne des § 2 AngG verrichtet. Sie habe erst bei Nachforschungen festgestellt, daß der Beklagte ohne ihre Einwilligung von den an Rudolf R***** ausgezahlten Rechnungsbeträgen eine Provision von 20 % für sich einbehalten habe. Als Angestellter der Klägerin dürfe er von Dritten eine Provision oder sonstige Belohnung nicht annehmen; gemäß § 13 Abs 2 AngG begehre die Klägerin die Herausgabe der unrechtmäßig empfangenen Provisionen oder Belohnungen in der Gesamthöhe von S 58.049 sA.
Der Beklagte beantragte die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs, da er als Beamter in Vollziehung der Gesetze tätig gewesen sei, oder die Abweisung der Klage. Er sei nie Angestellter der Klägerin gewesen. Der Abzug einer Provision von 20 % des Gesangshonorars gehe auf eine Vereinbarung zurück, die vor ca 35 bis 40 Jahren zwischen Beamten der Bestattungsabteilung der Stadtgemeinde (- damals existierte eine selbständige BetriebsgesellschaftmbH noch nicht -) und einem Gesangsverein abgeschlossen worden sei. Die Vermittlung von Gesangsleistungen durch die Beamten sei allgemein und insbesondere dem jeweiligen Leiter der Bestattungsabteilung bekannt gewesen. Die Klägerin begehre die Ausfolgung einer Provision für Leistungen, die sie nicht erbracht habe; die Gesangsvermittlung sei von Vorgängern des Klägers ins Leben gerufen und aufgebaut worden, ohne daß die Klägerin dafür irgendeine Leistung erbracht habe.
Das Erstgericht wies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und das Klagebegehren ab. Der Beklagte sei bei der Durchführung von Bestattungen nicht in Vollziehung der Gesetze, also im Rahmen der Hoheitsverwaltung, sondern der Privatwirtschaftsverwaltung tätig geworden.
Durch die Überlassung des Beklagten an die Klägerin sei zwischen dem in einem öffentlichen Dienstverhältnis stehenden Beklagten und der Klägerin kein Dienstverhältnis begründet worden. Auf die Überlassung von Arbeitskräften durch Gemeinden komme das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) nicht zur Anwendung. Im übrigen entstünden auch nach diesem Gesetz zwischen dem Beschäftiger und der überlassenen Arbeitskraft nur gesetzliche Pflichten, aber kein Dienstverhältnis. Der Kläger stütze seinen Anspruch ausschließlich auf § 13 AngG und beschränke sich daher auf die Geltendmachung eines bestimmten Rechtsgrundes. Da dieser nicht vorliege, sei das Klagebegehren abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge; es hob das Ersturteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Aus der Berufung der Klägerin auf § 13 AngG ergebe sich noch nicht, daß sie sich auf diesen Rechtsgrund beschränken wollte und die Herausgabe der Provision nur für den Fall begehre, daß ihr Rechtsverhältnis zum Beklagten dem Angestelltengesetz unterliege. Das Gericht sei an den vom Kläger geltend gemachten Rechtsgrund nicht gebunden, wenn er den Sachverhalt ausführlich vorbringe und sich daraus ergebe, daß er diesen offenbar unrichtig qualifiziere. Wenn der Beklagte von der Klägerin damit beauftragt war, das Honorar für die Gesangsdarbietungen an Rudolf R***** auszuzahlen, so bestehe der Klagegrund darin, daß der Beklagte der Klägerin als Gewalthaber im Sinne des § 1009 ABGB nicht allen aus den ihm übertragenen Geschäft entspringenden Nutzen überlassen habe (§ 1013 ABGB). Da die Klägerin ihren Anspruch nur unrichtig qualifiziert habe, sei die Abweisung des Klagebegehrens aus den vom Erstgericht angeführten Gründen verfehlt.
Diese Entscheidung bekämpft der Beklagte mit Revisionsrekurs (richtig Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO iVm § 45 Abs 3 ASGG) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, seinem Rechtsmittel Folge zu geben, in der Sache selbst zu entscheiden und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Ansicht des Beklagten, die Klägerin habe sich auf die Geltendmachung eines Herausgabeanspruches nach § 13 Abs 2 AngG beschränkt, ist nicht zu folgen. Die Klägerin hat zwar die Klage darauf gestützt, daß der Beklagte bei ihr als Angestellter im Sinne des Angestelltengesetzes tätig war und daher ein Herausgabeanspruch nach § 13 Abs 2 AngG bestehe; sie hat aber in der Folge außer Streit gestellt, daß der Beklagte in der Zeit, in der er für sie tätig war (bis ) Beamter der Stadtgemeinde M***** war. Sie hat wegen der Eingliederung des Beklagten in ihren Betrieb auf Grund einer Reihe von Merkmalen (Weisungs- und Kontrollunterworfenheit; Tätigkeit ausschließlich mit den Produktionsmitteln der Klägerin; Refundierung des Gehalts des Beklagten an die Stadtgemeinde M*****; siehe Vorbringen S 20f) den Schluß gezogen, daß zwischen ihr (als Beschäftigerin) und dem Beklagten (als überlassenem Arbeitnehmer) ein Angestelltenverhältnis bestanden habe. Das trifft zwar, wie noch auszuführen sein wird, nicht zu, schließt aber nicht die Prüfung aus, ob der geltend gemachte Anspruch bei richtiger rechtlicher Beurteilung des insgesamt vorgetragenen Sachverhalts ganz oder zum Teil begründet ist (SZ 46/109 = JBl 1975, 34 uva; zuletzt 1 Ob 557/91). Es ist nämlich nicht erforderlich, daß der Kläger die anspruchsbegründenden Rechtsnormen nennt; es genügt vielmehr, daß er die Tatsachen so anführt, daß dadurch sein Anspruch substantiiert und begründet erscheint (JBl 1950, 342 uva). Aus einer unrichtigen rechtlichen Qualifizierung des Sachverhalts durch den Kläger ist somit im Zweifel nicht darauf zu schließen, daß er sein Klagebegehren ausschließlich auf den von ihm fälschlich angegebenen Rechtsgrund stützen will (SZ 46/109 = JBl 1975, 34 uva).
Ein Angestelltenverhältnis zwischen den Streitteilen besteht allerdings nicht. Der Kläger wurde auf Grund eines Vertrages zwischen der Stadtgemeinde M***** und ihrer BetriebsgesmbH vom dieser zu 95 % des Vollbeschäftigungsausmaßes zur Dienstleistung als Mitarbeiter im Büro der Bestattung zur Verfügung gestellt. Es liegt daher eine Arbeitskräfteüberlassung vor, auf die gemäß § 1 Abs 2 Z 1
AÜG nur der Abschnitt I dieses Bundesgesetzes (= §§ 1 bis 4 AÜG),
nicht aber die Abschnitte II bis IV (= §§ 5 bis 22 AÜG) Anwendung
finden, da es sich um eine Überlassung von Arbeitskräften durch eine Gemeinde handelt. Aus den auf Arbeitskräfteüberlassungen durch Gebietskörperschaften anwendbaren §§ 1 und 3 AÜG ergibt sich, daß der Gesetzgeber im Beschäftiger einen "Dritten" erblickt. Daher entsteht zwischen diesem und der Arbeitskraft mangels besonderer Vereinbarungen kein (weiteres) Arbeitsverhältnis, das neben das zwischen Überlasser und Arbeitskraft bestehende Arbeitsverhältnis tritt (Geppert, AÜG 65 ff mit ausführlichen Erörterungen zur dogmatischen Einordnung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Beschäftiger und der überlassenen Arbeitskraft).
Der Mangel einer direkten Beziehung hindert freilich nicht, daß der Vertrag zwischen dem Überlasser und dem Beschäftiger sowohl für diesen wie für den überlassenen Arbeitnehmer zur Grundlage von Schutzpflichten zugunsten des jeweiligen Dritten wird. Daher treffen den Arbeitnehmer Verschwiegenheits- und sonstige Sorgfaltspflichten sowie die Treuepflicht des Arbeitnehmers (auch) gegenüber dem Überlasser. Soweit der überlassene Arbeitnehmer für den Beschäftiger Arbeiten zu verrichten hat, die mit einer Geschäftsbesorgung verbunden sind, sind in sinngemäßer Anwendung des § 1151 Abs 2 ABGB auch die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag zu beobachten (vgl Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 121 zu § 1151). Auch der überlassene Arbeitnehmer ist daher bei Geschäftsbesorgungen verpflichtet, dem Beschäftiger als Geschäftsherrn allen aus dem Geschäft entspringenden Nutzen zu überlassen (§ 1009 ABGB). Es ist dem Gewalthaber (hier: überlassener Arbeitnehmer) nicht erlaubt, ohne Willen des Machthabers in Rücksicht auf die Geschäftsverwaltung von einem Dritten Geschenke anzunehmen. Die erhaltenen werden zur "Armenkasse" (an deren Stelle der Bezirksfürsorgeverband getreten ist [Strasser in Rummel aaO Rz 10 zu § 1013; SZ 31/154]) eingezogen (§ 1013 ABGB). Nach JBl 1983, 55 = ZfRV 1984, 59 (Liebscher) hat auch eine Provision für den Vertreter, die bei der Preiskalkulation des Dritten nicht berücksichtigt wurde, weil sie vom Dritten unter Verzicht auf einen Teil des Gewinns gewährt wurde, die Bedeutung eines versteckten Preisnachlasses und ist damit ein aus dem Geschäft entspringender Nutzen, auf dessen Herausgabe der Geschäftsherr Anspruch hat. Hiebei geht der Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn dem Anspruch der Armenkasse gemäß § 1013 ABGB vor (Strasser in Rummel aaO Rz 23 zu § 1009 und Rz 10 zu § 13; Schwimann/Apathy, ABGB IV/2 § 1013 Rz 3; vgl auch Stanzl in Klang2 IV/1, 845 f; GlUNF 4987; EvBl 1969/11; Krejci in Krejci-Ruppe-Schick, Unerlaubte Provisionen 82 ff). Die Geltendmachung des Herausgabeanspruches durch den Geschäftsherrn in bezug auf die erfolgte Zuwendung ist regelmäßig nicht als Sanierung der Treuepflichtverletzung des Geschäftsbesorgers zu werten (Strasser in Rummel aaO Rz 9 zu § 1013).
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann das durch ein entsprechendes Tatsachenvorbringen substantiierte Klagebegehren darin begründet sein, daß der Beklagte der Klägerin nicht allen aus der übertragenen Geschäftsbesorgung entspringenden Nutzen überlassen hat. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist aber noch nicht möglich. Da der Beklagte eine (konkludente) Zustimmung der Klägerin zum Provisionsabzug behauptet und die Provisionshöhe sowie das Vorliegen eines dem Machthaber zu überlassenden Nutzens bestreitet, ist die Rechtssache nicht spruchreif. Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ist daher zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.