OGH vom 22.08.1995, 11Os67/95
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mario P***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 38 Vr 4136/93-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr.Bierlein, und des Verteidigers Dr.Wallner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Ausspruch, daß Mario P***** von der Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen werde, aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt, daß der Angeklagte gemäß § 214 FinStrG wegen Unzuständigkeit der Gerichte freigesprochen wird.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mario P***** von der Anklage, er habe
1. das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG dadurch begangen, daß er in den Jahren 1988 und 1989 als Geschäftsführer der Firma "E*****-HandelsgesmbH" vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Verschweigen der ihm zugeflossenen Einkünfte aus Geschäftsführung, Vermietung und Verpachtung eine Verkürzung von Einkommensteuer in der Höhe von 330.570 S bewirkte,
2. das Finanzvergehen nach § 33 Abs 2 lit a (Abs 3 lit b) FinStrG dadurch begangen, daß er unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen vorsätzlich eine Verkürzung von Umsatzsteuer (-vorauszahlungen) bewirkte, wobei er dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten hat, indem er zu Unrecht folgende Vorsteuern geltend machte, nämlich
a) in der Zeit von Jänner bis Dezember 1988 als Inhaber der Einzelfirma "***** Sportgroßhandel *****" solche in der Höhe von 4,821.338 S,
b) in der Zeit von Jänner bis Dezember 1989 als Geschäftsführer der Firma "E*****-HandelsgesmbH" solche in der Höhe von 1,743.886 S,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen gelangte das Schöffengericht hinsichtlich der oben bezeichneten Abgabenverkürzungen zur Überzeugung, daß dem Angeklagten weder (wenigstens bedingter) Vorsatz (§ 8 Abs 1 FinStrG) bei Begehung der Anklagetat 1 noch das Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) um die Bewirkung der Umsatzsteuerverkürzung durch die Anklagetaten 2 a und b (§ 33 Abs 2 lit a FinStrG) nachgewiesen werden können. Der Schöffensenat folgte insoweit der als glaubwürdig beurteilten Verantwortung des Mario P*****, der die Abgabenverkürzungen auf Unstimmigkeiten mit dem Steuerberater bzw auf Verrechnungsprobleme mit einer Bezugsfirma sowie auf die irrtümliche Vernichtung von Buchhaltungsunterlagen zurückführte (US 4 ff).
Rechtliche Beurteilung
Die Finanzstrafbehörde bekämpft den Freispruch mit einer nominell (allerdings undifferenziert) auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Im Kern wendet sich die Beschwerde aus tatsächlicher und rechtlicher Sicht primär gegen die zur inneren Tatseite getroffenen Urteilsannahmen. Ferner rügt sie, daß der Freispruch auf § 259 Z 3 StPO und nicht auf § 214 FinStrG (wegen Unzuständigkeit der Gerichte) gestützt worden sei.
Nur im zuletzt angeführten Punkt (sachlich Z 9 lit a) ist die Nichtigkeitsbeschwerde - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführt - begründet.
Dem - mangels Nichtigkeitsdrohung in § 252 Abs 2 StPO ziffernmäßig verfehlt - auf § 281 Abs 1 Z 3 StPO, inhaltlich jedoch auf Z 5 gestützten Einwand zuwider bewirkt die Nennung der in der Hauptverhandlung (laut Protokoll ON 17) unterbliebenen - allerdings dort auch nicht beantragten - Verlesung der Anzeige, der Strafregisterauskunft und der Veranlagungsakten bei Aufzählung der Beweisquellen (US 3) keine Urteilsnichtigkeit. Diese Beweismittel wurden nämlich (ungeachtet des insoweit mißverständlichen globalen Hinweises in US 4) vom Schöffensenat ohnehin nicht zur Untermauerung seiner Feststellungen zur subjektiven Tatseite herangezogen, sodaß insoweit keine der Bestimmung des § 258 Abs 1 StPO zuwiderlaufende Verwertung durch das Erstgericht erfolgte (das übrigens den Veranlagungsakt lediglich auszugsweise in Ablichtung zur Verfügung hatte - 21 ff). Das Erstgericht stützte die bezüglichen Annahmen im wesentlichen vielmehr auf die die jeweiligen Abgabenverkürzungen ausdrücklich zugestehenden und nur den Vorsatz bestreitenden Einlassungen des Angeklagten in der Hauptverhandlung und auf die Aussage des Zeugen W***** (US 4 ff iVm 149 ff, 151).
Im übrigen übersieht die Beschwerdeführerin, daß der Ausspruch der Tatsacheninstanz über das Fehlen der hier aktuellen Vorsatzformen keiner weitwendigen Ausführungen bedurfte, weil sich das Erstgericht bei der ihm aufgetragenen gedrängten Darstellung seiner Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) darauf beschränken konnte, unter Berufung auf die Ergebnisse der Hauptverhandlung die leugnende Verantwortung des Angeklagten als nicht widerlegt zu beurteilen. Die dabei vorgenommene Einschätzung der Beweiskraft dieser Erkenntnisquellen und der ihnen logisch nicht entgegenstehenden Verhandlungsergebnisse unterliegt als Akt tatrichterlicher Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) im Nichtigkeitsverfahren keiner Überprüfung.
Die von der Finanzstrafbehörde überdies geltend gemachte Aktenwidrigkeit der Urteilsbegründung (sachlich Z 5) hinwieder läge nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer unrichtigen Wiedergabe des Inhaltes einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil vor (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 185).
Mit dem weiteren - teils unter dem Aspekt von Feststellungsmängeln (Z 9 lit a), teils (inhaltlich) als Mängelrüge (Z 5) ausgeführten - Einwand, das Untätigbleiben des Angeklagten auch nach erlangter Kenntnis der Steuerschuld sei unerörtert geblieben, setzt sich die Finanzstrafbehörde nicht nur prozeßordnungswidrig über die diesbezüglichen Urteilsannahmen und die diesen zugrunde liegende Beweiswürdigung (US 5 bis 7) hinweg; sie übersieht zudem, daß nach den erstrichterlichen Annahmen die bezügliche Information durch den Steuerberater erst am , sohin (lange) nach Abschluß jener Tathandlung, stattfand (US 2 f, 4), die den Gegenstand der Anklage wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG bildeten (Fakten 2 a und b). Da der erforderliche Vorsatz vor oder spätestens bei der Tatausführung vorhanden sein muß, ein erst nach Vollendung der Tat gefaßter Vorsatz (dolus superveniens) indes (auch im Fall nachträglicher Billigung eines zunächst fahrlässig herbeigeführten Erfolges) nicht genügt (vgl Dorazil/Harbich FinStrG § 8 Anm 6; E 22), schlägt die Rechtsrüge fehl, derzufolge (auch) der Tatbestand nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG ab Juni 1990 verwirklicht worden sei. Gleiches gilt für die Hinweise der Rechtsrüge auf weitere erst nach Abschluß des Tatverhaltens laut Punkt 2 a und b gelegene Ereignisse, wie die Vernichtung der Buchhaltungsunterlagen oder den am vom Steuerberater erstellten Entwurf einer Selbstanzeige. Was die Einwände der Mängelrüge betrifft, setzte sich der Schöffensenat mit den monierten Umständen ausreichend auseinander (US 5 ff), zog daraus allerdings mit denkmöglicher Begründung andere als die von der Finanzstrafbehörde reklamierten Schlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten zur Tatzeit.
Auch in Ansehung der Anklagetat laut Punkt 1 (§ 33 Abs 1 FinStrG) wäre selbst unter der Annahme, daß die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1988 und 1989 auch nach der Information des Angeklagten vom Bestehen dieser Abgabenschuld durch den Steuerberater Mag.A***** () nicht vorgelegt worden sein sollten, für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. Denn die diesfalls wenigstens hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 bewirkte Verkürzung (§ 33 Abs 3 lit a zweiter Fall FinStrG) erst nach Mitte Juni 1990 (sohin allenfalls mit wenigstens bedingtem Vorsatz) könnte für sich allein nicht den Gegenstand eines gerichtlichen Schuldspruchs bilden, weil der dem Angeklagten zum Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 StGB angelastete strafbestimmende Wertbetrag die für die Gerichtskompetenz maßgebliche Grenze von einer Million Schilling (§ 53 Abs 1 lit b FinStrG) nicht übersteigt, die Gerichtszuständigkeit für diese Finanzstraftat vielmehr nur zufolge Realkonkurrenz mit dem Finanzvergehen nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (Anklagetaten 2 a und b) begründet wurde (subjektive Konnexität gemäß § 53 Abs 3 FinStrG).
Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde - unsubstantiiert - auf die Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO stützt, genügt die Erwiderung, daß dieser Nichtigkeitsgrund nicht zum Nachteil des Angeklagten geltend gemacht werden kann (§ 281 Abs 2 StPO).
Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Im Recht ist die Beschwerde indes mit dem Einwand (sachlich Z 9 lit a), daß das Erstgericht im Urteilssatz gemäß § 214 Abs 3 FinStrG die Unzuständigkeit der Gerichte zur Ahndung sämtlicher in Rede stehenden Finanzvergehen zum Ausdruck zu bringen gehabt hätte. Nach dem Urteilssachverhalt und dem Akteninhalt (5 ff) ist nämlich nicht auszuschließen, daß sich Mario P***** im Rahmen des Anklagesachverhaltes in die Kompetenz der Finanzstrafbehörden fallender Delikte - des Finanzvergehens der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs 1 FinStrG bzw der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs 1 lit b FinStrG - schuldig gemacht haben könnte. Demzufolge hätte sich der Schöffensenat auf den Ausspruch fehlender Gerichtskompetenz zu beschränken gehabt und nicht abschließend über ein Verhalten absprechen dürfen, dessen Beurteilung der Finanzstrafbehörde vorbehalten ist (Dorazil/Harbich aaO § 214 E 1, 17).
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.