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OGH vom 18.08.2010, 8Ob57/10f

OGH vom 18.08.2010, 8Ob57/10f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. K***** D*****, als Masseverwalter der R***** AG, gegen die beklagte Partei Dr. J***** Z*****, vertreten durch Graf Pitkowitz, Rechtsanwälte GmbH in Graz, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. C***** M*****, vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. KR Mag. S***** P*****, vertreten durch Mag. Michael Löb, Rechtsanwalt in Wien, 3. H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, 4. S***** M*****, vertreten durch Mag. Elisabeth Moser Marzi, Rechtsanwältin in Wien, 5. Dr. G***** F*****, vertreten durch Mag. Richard Strobl, Rechtsanwalt in Wien, 6. J***** Z*****, vertreten durch Mag. Daniela Karollus Bruner, Rechtsanwältin in Wien und 7. Dr. M***** M*****, vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ablehnung der Mitglieder des Senats 3 des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht, ***** Dr. G***** J***** (Vorsitzender), Dr. B***** H***** und KR Dr. K***** T*****, über den Rekurs des 7. Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Ablehnungssenats des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 13 Nc 7/10v 6, womit der Ablehnungsantrag des 7. Nebenintervenienten zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom wies das Handelsgericht Wien das Klagebegehren auf Zahlung von 7.267.283,42 EUR sA im wiederaufgenommenen Verfahren ab. Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung, in deren Rahmen er auch eine Beweisrüge ausführte. Zur Begründung (unter anderem) auch des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung legte der Kläger mit der Berufung ein Gutachten vor, das der vom Straflandesgericht Wien beauftragte Sachverständige für Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung ***** im Zuge eines gegen den Beklagten geführten Strafverfahrens erstattet hatte. Dieses Gutachten war im Verfahren erster Instanz noch nicht vorgelegt worden.

Der zuständige Senat des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht führte in der Besetzung der nunmehr abgelehnten Richter am eine mündliche Berufungsverhandlung durch. In dieser Verhandlung wurde mit den Parteien erörtert, ob sie mit einer Unterbrechung des Verfahrens einverstanden seien und ob sie in Vergleichsgespräche eintreten wollten. Der Berufungssenat nahm eine Beweiswiederholung in Aussicht.

Mit Beschluss vom ordnete der Vorsitzende des Berufungssenats die mündliche Berufungsverhandlung für den an. Er setzte der Ladung folgenden Beisatz hinzu: „ Es wird Ihnen freigestellt, zu dem mit der Berufung vorgelegten und bereits zugestellten Gutachten von ***** über die bisherigen Berufungsbeantwortungen hinaus bis Stellung zu nehmen, da beabsichtigt ist, dieses Gutachten im Rahmen der Beweiswiederholung zu verlesen. “

Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des 7. Nebenintervenienten am zugestellt.

Mit Antrag vom erklärte der 7. Nebenintervenient, die Mitglieder des Berufungssenats als befangen abzulehnen. Der Senat habe in der Berufungsverhandlung vom dargelegt, dass sich der Beklagte ein Vergleichsanbot aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen ***** überlegen solle. Die Situation könne sich allerdings ändern, wenn das Strafverfahren eingestellt werde. Erstmals mit Ladung vom habe der Berufungssenat seine Absicht mitgeteilt, das im Strafverfahren erstellte Gutachten *****s zu verlesen. In der beabsichtigten Verlesung liege eine grobe Verletzung der Prozessordnung. Das Gutachten sei erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erstellt worden, eine Wiederaufnahmsklage sei nicht eingebracht worden. Seine Verlesung verstoße gegen das Neuerungsverbot. Sie sei auch im Rahmen einer Beweisergänzung gemäß § 488 Abs 3 ZPO nicht zulässig. Die beabsichtigte Verlesung verstoße schließlich auch gegen § 281a ZPO. Der 7. Nebenintervenient erklärte, der Verlesung des Gutachtens ausdrücklich nicht zuzustimmen. Er sei am Strafverfahren nicht beteiligt gewesen. Ohne Verwendung des Strafakts sei eine Überprüfung des Gutachtens weder für den 7. Nebenintervenienten noch für die abgelehnten Richter möglich. Aus der angekündigten Absicht, dieses Gutachten zu verlesen, ergebe sich die Voreingenommenheit der abgelehnten Mitglieder des Berufungssenats.

Die abgelehnten Richter äußerten in ihren Stellungnahmen zum Ablehnungsantrag, dass eine Befangenheit nicht vorliege. Der Vorsitzende führte in seiner Stellungnahme aus, dass die Verwertung des Gutachtens im Zusammenhang mit der Behandlung der Verfahrensrüge ebenso wenig wie seine allfällige Verlesung im Rahmen einer Beweisergänzung gegen das Neuerungsverbot verstoße - vorausgesetzt, die Parteien sprächen sich nicht iSd § 281a ZPO gegen die Verlesung aus.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien den Ablehnungsantrag zurück. Das Wesen der Befangenheit iSd § 19 JN bestehe in einer Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive. Im Interesse des Ansehens der Justiz sei für die Beurteilung der Frage, ob Befangenheit vorliege, ein strenger Maßstab anzuwenden. Umgekehrt solle es durch die Regelungen über das Ablehnungsrecht nicht ermöglicht werden, sich nicht genehmer Richter entledigen zu können. In der beabsichtigten Verlesung und Verwertung des Gutachtens des im Strafverfahren beigezogenen Sachverständigen könne keine Befangenheit der Mitglieder des Berufungssenats erblickt werden. Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen seien nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen. Das Vertreten einer bestimmten Rechtsansicht auch zum Verfahrensrecht begründe in der Regel keinen Ablehnungsgrund. Ob allenfalls durch die Verlesung und Verwertung dieses Gutachtens im Berufungsverfahren eine Mangelhaftigkeit begründet werde, sei nicht im Ablehnungsverfahren zu beurteilen. Durch das Lesen des Gutachtens allein könne die Objektivität der Mitglieder des Berufungssenats nicht in Zweifel gezogen werden, denn dies sei Voraussetzung, um sich überhaupt eine Meinung zu bilden. Hinweise für die Verletzung des Parteiengehörs lägen nicht vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des 7. Nebenintervenienten.

Der Kläger hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), jedoch nicht berechtigt .

Auf die zutreffende rechtliche Begründung des angefochtenen Beschlusses kann gemäß § 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO verwiesen werden. Ergänzend ist dem Rekurswerber entgegenzuhalten:

1. Nach ständiger bereits im angefochtenen Beschluss dargestellter Rechtsprechung begründen Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen keinen Ablehnungsgrund und sind nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen (RIS Justiz RS0111290; RS0045916; RS0046019 ua). Verfahrensmängel als solche vermögen in der Regel nicht die Befangenheit des Gerichts darzutun, es sei denn, sie sind so schwerwiegend, dass sie die mangelnde Objektivität des Richters erkennen lassen (RIS Justiz RS0046090 [T1, T 7]).

2. Schwerwiegende Verstöße oder Fehler in der Verfahrensführung oder Rechtsanwendung, die Rückschlüsse auf eine allfällig mangelnde Objektivität der Richter zuließen (vgl 6 Ob 290/06z) können aus dem Vorbringen des Rekurswerbers nicht abgeleitet werden. Dies muss umso mehr gelten, als das mit der Berufung vorgelegte Gutachten noch gar nicht verlesen wurde. Dass - wie der Rekurswerber besonders hervorhebt der abgelehnte Senat das Gutachten gelesen hat, kann die Annahme einer vorgefassten Meinung der abgelehnten Richter, von der diese nicht mehr abzuweichen bereit seien, von vornherein nicht rechtfertigen. Vielmehr stellt sich das Vorbringen des Rekurswerbers als Versuch dar, Auffassungsunterschiede in (verfahrensrechtlichen) Rechtsfragen im Ablehnungsverfahren abzuhandeln.

Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.