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OGH vom 20.10.1998, 10ObS348/98v

OGH vom 20.10.1998, 10ObS348/98v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Bayer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Land Tirol, vertreten durch das Amt der Tiroler Landesregierung, 6010 Innsbruck, Eduard Wallnöfer-Platz, dieses vertreten durch Dr. Jörg Lindpaintner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 23 Rs 48/98z-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 48 Cgs 192/97i-18, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit S 4.058,88 (hierin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom anerkannte die beklagte Partei den Anspruch auf Pflegegeld für die am geborene Irma K***** ab in Höhe der Stufe 3. Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage stellte die Genannte das Begehren auf Zuerkennung eines Pflegegeldes der Stufe 6 ab . Am , sohin während der Anhängigkeit des gerichtlichen Verfahrens in erster Instanz, verstarb Irma K*****.

Mit Schriftsatz vom stellte das Land Tirol unter Hinweis darauf, daß es für die Verstorbene vom bis die ungedeckten Pflegekosten im Malfattiheim in Innsbruck gemäß § 5 Abs 1 lit d des Tiroler Sozialhilfegesetzes getragen und in diesem Zeitpunkt für die überwiegenden Kosten aufgekommen sei, gemäß § 19 BPGG den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens. In der Folge wurde der tatsächlich geleistete Sozialhilfeaufwand auch betraglich aufgeschlüsselt (ON 7).

Die beklagte Partei bestritt die Aktivlegitimation des Landes zur Fortsetzung des Verfahrens.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei Land Tirol "für Irma K*****" ab das Pflegegeld der Stufe 4 bis , das Pflegegeld der Stufe 5 ab bis und das Pflegegeld der Stufe 6 ab zu bezahlen. Es traf hiezu detaillierte Feststellungen über das sich kontinuierlich verschlechternde medizinische Zustandsbild der Klägerin, welche an Gebärmutterkrebs erkrankt war, während der Zeit ihrer Aufnahme im Malfattiheim bis zum Tod am und führte hiezu in rechtlicher Hinsicht aus, daß die Genannte in den aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Zeiträumen aufgrund der eingetretenen Verschlechterungen die Anspruchsvoraussetzungen für die Pflegegeldstufen 4, 5 und 6 erfüllt habe. Da das Land Tirol als Sozialhilfeträger der beklagten Partei keine Verständigung im Sinne des § 13 Abs 2 BPGG habe zukommen lassen, richte sich seine Fortsetzungsberechtigung ausschließlich nach § 19 BPGG, zumal das Land Tirol auch die überwiegende Pflegeleistung im maßgeblichen Zeitraum für Irma K***** "verrichtet" habe, so daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Fortsetzungsberechtigung gemäß § 19 Abs 1 Z 2 und Abs 3 BPGG erfüllt seien.

Das Berufungsgericht verwarf die von der beklagten Partei mit der Begründung mangelnder Aktivlegitimation erhobene Nichtigkeitsberufung, gab jedoch im übrigen der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß die beklagte Partei schuldig erkannt wurde, der klagenden Partei Land Tirol "für Irma K*****" das Pflegegeld in der gesetzlichen Höhe zu bezahlen, und zwar für den Stufe 4, vom 1. 5. bis Stufe 5 und vom 1. 8. bis Stufe 6; das Mehrbegehren auf Leistung des Pflegegeldes der Stufe 6 vom bis und ab wurde (unbekämpft und damit rechtskräftig) abgewiesen.

Das Berufungsgericht vertrat in rechtlicher Hinsicht die Ansicht, daß ein Träger der Sozialhilfe auch dann nach § 19 Abs 1 Z 2 BPGG fortsetzungs- und bezugsberechtigt sei, wenn es zu keiner vorangegangenen Legalzession nach § 13 Abs 2 leg cit gekommen sei. Allerdings sei der Pflegegeldanspruch mit dem Todestag der Irma K***** zu begrenzen gewesen.

Gegen den stattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin beharrt - zusammengefaßt - auf dem bereits in den Vorinstanzen eingenommenen Rechtsstandpunkt, daß eine Fortsetzungsberechtigung des Landes Tirol nach § 19 BPGG nicht zum Tragen komme, weil diesem die Stellung eines Legalzessionars als Sozialhilfeträger zukomme und es daher nach § 13 Abs 2 BPGG von der Verständigung an den Entscheidungsträger Gebrauch machen hätte müssen. Unter diesen Voraussetzungen komme eine Fortsetzung des Verfahrens durch die klagende Partei iSd § 19 BPGG nicht in Frage. Bei Fortsetzung des Verfahrens käme der klagenden Partei nämlich das gesamte Pflegegeld zu, während ihr im Fall der Legalzession nur der gemäß § 13 Abs 1 BPGG verminderte Betrag zustünde. Die Bejahung der Fortsetzungsberechtigung gemäß § 19 BPGG durch die klagende Partei würde daher zu einem unbilligen Ergebnis führen.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:

Wird eine pflegebedürftige Person auf Kosten oder unter Kostenbeteiligung eines Landes etc ua in einem Pflegeheim stationär gepflegt, so geht für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH, auf den jeweiligen Kostenträger über, und zwar mit dem auf das Einlangen der Verständigung beim Entscheidungsträger folgenden Monat (§ 13 Abs 1 und 2 BPGG). Ist im Zeitpunkt des Todes einer pflegebedürftigen Person eine fällige Geldleistung noch nicht ausgezahlt, so ist nach § 19 Abs 1 BPGG auf Antrag ua die Person, die für den Zeitraum, für den die fällige Geldleistung gebührt, überwiegend für die Pflege aufgekommen ist (Z 2), bezugsberechtigt, sofern (Abs 2) innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod ein Antrag auf Auszahlung gestellt wurde; ist im Zeitpunkt des Todes des Anspruchswerbers oder Anspruchsberechtigten ein Verfahren auf Gewährung oder Neubemessung des Pflegegeldes noch nicht abgeschlossen, so sind diese Personen auf Antrag - ebenfalls binnen sechs Monaten - zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt (Abs 3). Wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat (SSV-NF 11/32; 10 ObS 387/97b), enthält das Gesetz in § 19 Abs 1 Z 2 BPGG (anders als nach Z 1 dieser Gesetzesstelle) keine Einschränkung auf natürliche Personen (im bezugs- und fortsetzungsberechtigten Personenkreis), sodaß auch juristischen Personen (wie hier dem Land Tirol), welche pflegebedürftige Mehraufwendungen überwiegend getragen haben, die Berechtigung zum Bezug und damit zur Fortsetzung des Verfahrens einzuräumen ist; auch darauf, ob der Pflegebedürftige eigentlich selbst in der Lage gewesen wäre, diese Kosten auch aus eigenem Vermögen zu tragen, kommt es nicht an (10 ObS 270/97x). Daß das Land Tirol "überwiegend" für die Pflege aufgekommen ist, hat das Erstgericht jedoch (wenngleich in seine rechtliche Beurteilung eingebettet: letzte Seite des Urteils) - vom Berufungsgericht übernommen (Seite 7 der Entscheidung) - festgestellt - was im übrigen von der beklagten Partei auch gar nicht in Abrede gestellt wird, zumal von ihr auch nie eine weitere (natürliche oder juristische) Person genannt werden konnte, hinsichtlich welcher das Land Tirol nunmehr bezüglich der Kostentragung zur Beurteilung des Überwiegens (nach § 19 Abs 1 Z 2 BPGG) in Konkurrenz stehen sollte.

In der Entscheidung 10 ObS 387/97b hat der Senat darüber hinaus erkannt, daß die Bestimmungen des § 19 BPGG über die Bezugsberechtigung oder die Fortsetzung des Verfahrens insoweit nicht zur Anwendung kommen können, als der Anspruchsübergang nach § 13 leg cit (Legalzession) wirksam wird, sodaß in einem solchen Fall dem Träger der Sozialhilfe eine Berechtigung im Sinne des § 19 leg cit lediglich für das durch den Anspruchsübergang gemäß § 13 BPGG nicht erfaßte Taschengeld (seit aufgrund des StrukturanpassungsG 1996 BGBl 201 10 vH des Pflegegeldes der Stufe 3) zukommt (so auch Gruber/Pallinger, BPGG Rz 4 zu § 19; Pfeil, BPGG 189 f). Insoweit ist daher von einer Subsidiarität der Regelung des § 19 gegenüber jener des § 13 BPGG auszugehen (Gruber/Pallinger,. aaO bezeichnen § 13 insoweit als lex specialis gegenüber § 19). Daraus folgt aber, daß jedenfalls hinsichtlich des Taschengeldes die Fortsetzungsberechtigung nach § 19 BPGG besteht, sodaß dem Land letztlich auch in diesem Fall das gesamte Pflegegeld (des verstorbenen Betroffenen) zukäme.

Nach dem bereits wiedergegebenen Wortlaut des § 13 Abs 2 BPGG hängt der Anspruchsübergang nach dieser Gesetzesstelle freilich vom Vorliegen einer Verständigung (sei es der pflegebedürftigen Person, sei es des Trägers der Sozialhilfe: Gruber/Pallinger, aaO Rz 10 zu § 13) an den Entscheidungsträger des Pflegegeldes (hier also die beklagte Partei) ab. Eine solche ist hier - wie bereits in erster Instanz ausdrücklich außer Streit gestellt wurde (ON 17) - niemals erfolgt. Die beklagte Partei hält in ihrer Revision diese Vorgangsweise des Sozialhilfeträgers für sachlich nicht gerechtfertigt und als mit den Wertungen des Gesetzgebers in Widerspruch stehend.

Dabei wird zunächst übersehen - worauf in der Revisionsbeantwortung zutreffend hingewiesen wird - , daß § 19 BPGG keinen Ausschluß in der Bezugs- und Fortsetzungsberechtigung für einen Kostenträger für den Fall vorsieht, daß diesem (bereits) ein Anspruchsübergang nach § 13 BPGG zustand bzw er solche Ansprüche nach § 13 Abs 2 BPGG (durch Verständigung des Entscheidungsträgers) geltend machen hätte können. Daß § 76 ASGG, welcher die Prozeßnachfolge in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Bundesgesetz regelt, für Ansprüche nach dem BPGG in seinem Abs 4 lediglich die sinngemäße Anwendung des § 19 Abs 3, nicht aber auch des § 13 BPGG anordnet, kann der Fortsetzungsberechtigung des Landes deshalb nicht entgegengehalten werden, weil § 76 ASGG ja nur die Fortsetzungsberechtigung hinsichtlich jener Ansprüche regelt, bezüglich derer dem Verstorbenen (selbst) die aktive Anspruchslegitimation zustand; da bei Eintritt der Legalzession dieser Anspruch bereits zu Lebzeiten vom Verstorbenen nicht mehr geltend gemacht werden konnte, bedurfte es im Rahmen der Bestimmungen über die Fortsetzungsberechtigung (nach Tod) diesbezüglich auch keiner besonderen Regelung bzw Erwähnung. Fehlt es nun an der Übermittlung einer solchen Verständigung nach § 13 Abs 2 BPGG, so war (zumal eine solche auch bis zum Todestag am nicht erfolgt war) die Betroffene (später Verstorbene) für den gesamten Pflegegeldanspruch aktiv allein klagelegitimiert (SSV-NF 11/32) und ist daher die Prozeßnachfolge des nunmehr als Kläger auftretenden Landes auch ausschließlich nach § 19 BPGG zu beurteilen. Wesentlich ist jedoch - worauf bereits weiter oben hingewiesen wurde - , daß eine Fortsetzungsberechtigung des Landes nach § 19 BPGG selbst im Falle einer stattgefundenen Legalzession nach § 13 BPGG jedenfalls bezüglich des Taschengeldes bestünde - was auch von der Revisionswerberin nicht in Abrede gestellt wird; da ihr in diesem Fall aber ebenfalls das gesamte Pflegegeld (teils gemäß § 13, teils gemäß § 19) zukäme, also in Summe nicht mehr als im Falle eines Gesamtüberganges nach § 19 BPGG, kann das gefundene Ergebnis nach Auffassung des Senates auch unter diesem Gesichtspunkt keineswegs (wie in der Revision formuliert) "nicht gerechtfertigt und vom Gesetzgeber nicht gewünscht" bezeichnet werden.

Dies führt aber zum Ergebnis, daß zwar zufolge der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen durch die inzwischen verstorbene Irma K***** die Voraussetzungen für die Legalzession des § 13 BPGG vorgelegen wären, diese jedoch mangels Verständigung nach § 13 Abs 2 BPGG gegenüber dem hier beklagten Entscheidungsträger nicht eintreten und wirksam werden konnte, dieser Umstand jedoch - zumal die weiteren Voraussetzungen hiefür nicht (mehr) bestritten sind und auch aus § 76 ASGG nichts Gegenteiliges abgeleitet werden kann - dem Sozialhilfeträger als gleichzeitig überwiegendem Kostenträger nach § 19 BPGG bezüglich seiner bestrittenen Anspruchs- und Fortsetzungsberechtigung nach dieser letztgenannten Gesetzesstelle im Ergebnis jedoch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden kann.

Aus allen diesen Erwägungen war der Revision daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG iVm § 66 ASGG.