OGH vom 16.11.1994, 9ObA201/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Eva-Maria Sand und Winfried Kmenta als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei Wilhelm T*****, Versicherungsangestellter, ***** vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert S 1,104.000) sowie des aufrechten Gruppenversicherungsverhältnisses (S 51.000) und Zahlung von S 1,700.249 sA, im Revisionsverfahren Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert S 1,104.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 31 Ra 156/93-75, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 4 Cga 1109/88-58, zum Teil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 23.022 (darin S 3.837 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde am als Sachbearbeiter in der KFZ-Schadensabteilung der beklagten Partei angestellt. Trotz einer eher negativen Dienstbeschreibung (etwa Überheblichkeit, Anpassungsschwierigkeiten) wurde das ursprünglich befristete Dienstverhältnis weiter verlängert. Aufgrund der Besserung des Verhaltens des Klägers empfahl der Abteilungsleiter seine Weiterverwendung. Nach Umwandlung seines Dienstverhältnisses in ein unbefristetes legte der Kläger wieder ein überhebliches Verhalten, das sich im Dozieren gegenüber Mitarbeitern und Kunden sowie in mangelnder Unterordnung äußerte, an den Tag. Die Leitung der Schadensabteilung reagierte darauf mit einer unterdurchschnittlichen Dienstbeurteilung und stellte den Kläger zur Verfügung. Mit Wirkung vom wurde der Kläger von der Schadensabteilung in die Landesdirektion N***** versetzt. Er wurde dort in der Organisation Sachversicherung tätig und führte Schulungen durch.
Sein Aufstieg ebnete sich sukzessive dadurch, daß er auf den dort beschäftigten Sohn des damaligen Generaldirektors der beklagten Partei, mit dem es ständig "Probleme" gab, "aufpaßte" und diesem behilflich war. Der Kläger bekam dadurch auch einen guten Zugang zum Landesdirektor und er erhielt auch gewisse Personalkompetenzen. Mit Wirkung vom wurde der Kläger zum "leitenden Koordinator" bestellt. Seine Tätigkeit sollte im Rahmen einer sachgebietsmäßigen Umschreibung (Administration, Personalwesen, Sachaufwand-Bestandsangelegenheiten) erfolgen. Um dieser Position auch das nötige Gewicht zu verleihen, wurde der Kläger von der Gehaltsstufe 19 in die Gehaltsstufe 25 vorgereiht. Am erlangte der Kläger das sogenannte Definitivum. Der Kläger hatte den Landesdirektor in seinen sämtlichen Aufgaben zu unterstützen und war diesem gegenüber unmittelbar verantwortlich. Insbesondere hatte der Kläger Überwachungs- und Kontrollfunktionen wahrzunehmen und für Entscheidungen im Personalbereich die Vorarbeit zu leisten. Die Beförderung des Klägers und das Überspringen von sechs Gehaltsstufen stellte die ganze Landesdirektion "auf den Kopf". Die Mitarbeiter wurden neidisch und beschwerten sich über das zynische, herablassende und belehrende Verhalten des Klägers. Dieser berief sich darauf, daß er im Auftrag des Landesdirektors handle. Der Kläger war unbeliebt und die übrigen Mitarbeiter leisteten Widerstand. Der Landesdirektor meinte dazu, daß der Kläger seine Tätigkeit "halt 150 %ig" ausübe.
Im Juni 1985 wurde ein neuer Organisationsleiter für die Landesdirektion bestellt. Es schwirrten damals eine Unmenge von Anschuldigungen gegen den Kläger herum, die der Organisationsleiter nicht klären konnte. Er suchte diesbezüglich kein Gespräch mit dem Kläger, sondern entschloß sich, ein Disziplinarverfahren zur näheren Untersuchung einleiten zu lassen. Am verzichtete die beklagte Partei ab sofort bis auf jederzeitigen Widerruf auf die Dienstleistung des Klägers und auf seine Präsenzpflicht. Mit Schreiben vom teilte die beklagte Partei dem Kläger die Einleitung eines Disziplinarverfahrens "wegen Verdachtes der Kenntnis bzw Mitwirkung an vorsätzlichen Handlungen, die geeignet sind, sich oder dritten Personen Vorteile zuzuwenden, um dadurch sich oder dritte Personen unrechtmäßig zu bereichern", mit. Mit der Durchführung der Vorerhebungen wurde ein Angestellter der beklagten Partei und der Beklagtenvertreter als Stellvertreter betraut. Mit Schreiben vom dehnte die beklagte Partei die Vorerhebungen auch auf die Dienstvergehen unfreundliches, ironisches und herablassendes Verhalten gegenüber Kunden sowie Unfreundlichkeit, Besserwisserei und Anschwärzen gegenüber Mitarbeitern aus. Zugleich verfügte der Vorstand die Suspendierung des Klägers. Der Vorsitzende der Disziplinarkommission lud den Kläger für den , 9.00 Uhr, zur mündlichen Disziplinarverhandlung vor. In der Ladung machte er den Kläger darauf aufmerksam, daß dieser gemäß § 25 Abs 6 des Kollektivvertrags für Angestellte der Versicherungsunternehmungen, Innendienst (kurz KVI) das Recht habe, sich einen Beistand aus dem Kreis der Angestellten des Unternehmens oder aus den Funktionären der Berufsorganisation zu wählen. Die Wahl eines nicht diesen beiden Personenkreisen angehörenden Beistandes sei unzulässig. Als der Kläger mit seinem Rechtsanwalt zur Verhandlung erschien, erklärte ihm der Vorsitzende der Kommission, daß ihn ein Rechtsanwalt im Disziplinarverfahren nicht vertreten dürfe. Da der Kläger das Disziplinarverfahren aber nicht ohne Rechtsbeistand über sich ergehen lassen wollte, entfernte er sich mit seinem Rechtsvertreter.
Der Kläger blieb auch den Verhandlungen vom 13.6. und fern. Mit Disziplinarerkenntnis vom erkannte die Disziplinarkommission den Kläger folgender Verletzungen des KVI schuldig:
1. Der Kläger hat durch sein unfreundliches, ironisches und spitzelhaftes Verhalten die Bestimmung des § 8 Abs 1 und 2 KVI verletzt und somit den Betriebsfrieden sowie den Arbeitsablauf empfindlichst gestört.
2. Der Kläger hat seine Obsorgepflichten göblichst verletzt, weil er als unmittelbarer Vorgesetzter des Hausarbeiters Gerhard R***** diesen zu Deckenreinigungsarbeiten unter persönlicher Bereitstellung eines gefährlichen und nicht im freien Handel erhältlichen Mittels anhielt, was eine nachhaltige gesundheitliche Schädigung des Hausarbeiters (10 Tage Krankenstand, ein Jahr Beschwerden) zur Folge hatte.
3. Der Kläger hat sich trotz schriftlicher Weisung eines Vorstandsmitglieds bzw des zuständigen Landesdirektors geweigert, eine Zeitkarte zu verwenden und damit eine Verletzung des § 7 Abs 1 KVI begangen.
4. Der Kläger hat sich eine Dokumentation über seine Tätigkeit in der beklagten Partei angelegt, was eine Verletzung der Vorschrift des § 7 Abs 6 KVI darstellt.
5. Der Kläger hat sich durch den Ankauf eines PKW um einen weit unter dem Zeitwert liegenden Preis einen unmittelbaren Vorteil zuwenden lassen, was einen Verstoß gegen die Vorschriften des § 7 Abs 5 KVI bedeutet.
6. Obwohl im Disziplinarverfahren keine strafrechtlich relevanten Handlungen des Klägers im Zusammenhang mit den Malversationen Dris.R***** nachgewiesen wurden, bleibt seitens der beklagten Partei zumindest das subjektiv begründete Mißtrauen gegenüber dem Kläger bestehen. Der Kläger ist daher auch aus der Sicht jedes anderen objektiven Dienstgebers als vertrauensunwürdig zu bezeichnen.
Die Kommission legte der Direktion den einstimmig beschlossenen Strafantrag gemäß § 23 Abs 2 Z 4 KVI zur Beschlußfassung vor, wobei die vorgeschlagene Disziplinarstrafe auf "strafweise Kündigung" lautete; um Beschlußfassung gemäß § 28 Abs 5 KVI wurde ersucht.
Am kündigte daraufhin die beklagte Partei den Kläger unter Hinweis auf dieses Disziplinarerkenntnis zum . Die Suspendierung des Klägers wurde aufgehoben und dieser bis zum Ende des Dienstverhältnisses vom Dienst freigestellt.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Aufhebung dieses Disziplinarerkenntnisses infolge Nichtigkeit und materieller Unbegründetheit und die Feststellungen, daß sein Dienstverhältnis sowie sein Zusatzkrankenversicherungsvertrag ungeachtet dieser Kündigung weiter aufrecht seien. Zu 4 Cga 506/90 des Erstgerichts erhob der Kläger überdies ein Leistungsbegehren mit dem er die bisher aufgelaufenen Entgelte fordert.
Da die beklagte Partei ihre Zusagen vorerst nicht eingehalten habe, habe er wiederholt beim Arbeitsgericht Wien auf die Zuerkennung der Stelle eines "leitenden Koordinators" klagen müssen. Das letzte Verfahren habe mit einem Vergleich geendet, in dem die beklagte Partei die Position des Klägers mit genauer Umschreibung der Dienstpflichten anerkannt habe. Dennoch habe die beklagte Partei keine Anstalten gemacht, diesen Vergleich in die Realität umzusetzen, sondern habe mit Schreiben vom auf die Dienstleistung des Klägers verzichtet. Ungeachtet der Dienstfreistellung habe die beklagte Partei aber plötzlich gegen jede Logik die Verwendung von Zeitwertkarten zum Nachweis der Dienstzeit verlangt. Dagegen habe der Kläger durch seinen Anwalt protestiert und darauf hingewiesen, daß es sich beim Vergleich um einen Sondervertrag im Sinne des Kollektivvertrags handle und Dienstnehmer mit Sondervertrag von der Verwendung der Zeitwertkarten ausgenommen seien. Er sei zwar dieser Anordnung letztlich freiwillig nachgekommen, habe aber beim Arbeitsgericht Wien zu 4 Cr 1030/86 neuerlich eine Klage auf Erfüllung des Vergleiches angebracht. Auch dieses Verfahren habe mit einem Vergleich dahingehend geendet, dem Kläger den gewünschten Dienstzettel auszustellen, auf Gehaltszetteln den Titel eines "leitenden Koordinators" zu verwenden und diesen Titel auch im internen Telefonbuch anzuführen. Das Angebot der beklagten Partei, das Gehalt in dieser Funktion bis zur Pensionierung weiter zu zahlen, das aber mit der Auflage eines Hausverbots verbunden gewesen wäre, habe der Kläger als ehrabschneidend abgelehnt. Daraufhin habe die beklagte Partei das Disziplinarverfahren eingeleitet.
Dieses Disziplinarverfahren habe nur dazu gedient, das Dienstverhältnis ohne sachliche Rechtfertigung irgendwie zu beenden. Es sei mit einer Fülle von Mängeln und Nichtigkeiten behaftet. Abgesehen davon, daß ein Disziplinarverfahren die gemäß § 105 ArbVG erforderliche und nicht erfolgte Verständigung des Betriebsrats nicht ersetzen könne, habe die beklagte Partei nichts unversucht gelassen, die Verteidigung des Klägers zu behindern. Der ausgewiesene Anwalt des Klägers sei zur mündlichen Disziplinarverhandlung nicht zugelassen worden und sei bereits im Vorverfahren durch ähnliche Versuche behindert gewesen. § 25 Abs 6 KVI lege zwar fest, daß der Beschuldigte das Recht habe, sich einen Beistand aus dem Kreis der Angestellten des Unternehmens oder aus den Funktionären der Berufsorganisation zu wählen, doch könne diese Bestimmung das gesetzliche Vertretungsrecht der Rechtsanwaltschaft gemäß § 8 RAO nicht einschränken. Durch die Nichtzulassung des Anwalts habe die beklagte Partei die Absicht verfolgt, den Rechtsschutz des Klägers gegen eine ungerechtfertigte Kündigung zu verschlechtern, obwohl sie keine Bedenken dagegen gehabt habe, ihren Anwalt mit den Vorerhebungen zu betrauen. Da die beklagte Partei solcherart kein faires Verfahren durchgeführt habe, sei das Disziplinarverfahren schon aus diesem Grunde nichtig.
Ein weiterer gravierender Mangel des Verfahrens liege darin, daß die Disziplinarkommission mit drei Dienstnehmern der beklagten Partei besetzt gewesen sei, die bereits einer "Rückstufungskommission" angehört hätten, welche die Ernennung des Klägers zum "leitenden Koordinator" wieder rückgängig hätten machen sollen. Die Rückstufung habe zu den erwähnten Verfahren 4 Cr 1136/84 und 4 Cr 1011/85 des Arbeitsgerichtes Wien geführt. Diese drei Kommissionsmitglieder hätten damit bereits zu erkennen gegeben, daß es ihnen an der erforderlichen Objektivität ermangle. Trotz einer schriftlichen Ablehnung habe die beklagte Partei die Zusammensetzung der Kommission nicht geändert. Auch der abgelehnte Vorsitzende der Kommission habe sich in einer Weise geäußert, aus der geschlossen werden müsse, daß der Ausgang des Disziplinarverfahrens von vorneherein festgestanden sei. Auch diesem Ablehnungsantrag habe die beklagte Partei nicht Rechnung getragen.
Die beklagte Partei habe selbst nicht genau gewußt, welche Dienstvergehen sie dem Kläger anlasten sollte. Das Disziplinarerkenntnis enthalte Dienstvergehen, die in den unsubstantiierten Einleitungsbeschlüssen nicht aufgeschienen seien. Damit sei die (vergleichbare) Anklage überschritten worden, was ebenfalls einen Nichtigkeitsgrund darstelle (§ 25 Abs 1 KVI). Mangels Bekanntgabe eines konkreten Dienstvergehens sei dem Kläger eine sinnvolle Verteidigung (wogegen?) unmöglich gemacht worden. Im Zuge der Vorerhebungen sei ihm keine einzige konkrete Vorhaltung gemacht worden. Die Erledigung der vom Klagevertreter im Vorverfahren eingebrachten Beweisanträge sei entgegen § 25 Abs 2 KVI der mündlichen Verhandlung vorbehalten worden. In dieser sei aber lediglich einer der vom Kläger beantragten Zeugen vernommen worden. Das Disziplinarerkenntnis sei aber nicht nur von formellen Mängeln und Unrichtigkeiten behaftet, sondern auch in der Sache unrichtig.
Der zu Punkt 1 erhobene Vorwurf entspreche nicht dem Einleitungsbeschluß und enthalte lediglich Pauschalanschuldigungen und Unterstellungen. Der Kläger sei während seiner ganzen Dienstzeit nie wegen angeblicher Unfreundlichkeit, Ironie oder spitzelhaften Verhaltens ermahnt worden. Er habe lediglich die ihm aufgetragenen Tätigkeiten in Entsprechung der Weisungen seines Vorgesetzten ausgeführt. Da dazu auch Disziplinarsachen gehört hätten, habe er sich dabei naturgemäß nicht nur Freunde gemacht.
Auch der in Punkt 2 enthaltene Vorwurf scheine erstmals im Disziplinarerkenntnis auf, ohne daß der Kläger jemals dazu befragt worden wäre. Dieser habe dem Hausarbeiter nie einen Auftrag zu Deckenreinigungsarbeiten erteilt. Die Landesdirektion habe vielmehr die Kosten eines ursprünglich beauftragten Reinigungsunternehmens sparen wollen und mit dem Hausarbeiter einen Werkvertrag abgeschlossen. Dazu habe dieser über Vermittlung des Verwaltungsleiters der beklagten Partei in Salzburg ein "Zwei-Komponenten-Präparat" erhalten, mit dem der Hausarbeiter an Samstagen und Sonntagen gearbeitet habe, da an diesen Tagen die Klimaanlage abgeschaltet gewesen sei. Dem neuen Verwaltungsleiter der beklagten Partei sei die Wochenendarbeit zu teuer gewesen; er habe angeordnet, daß der Hausarbeiter während der Dienstzeit arbeiten müsse. Zu dieser Zeit sei die Klimaanlage jedoch in Betrieb gewesen. Der Kläger sei bereits dienstfrei gestellt und es sei eine Nachrichtensperre über ihn verhängt gewesen. Er habe somit mit dieser Angelegenheit nichts zu tun gehabt.
Der Vorwurf der Nichtverwendung einer Zeitwertkarte (Punkt 3) sei ebenfalls vom Einleitungsbeschluß nicht umfaßt und es sei auch in den Vorerhebungen nie davon die Rede gewesen. Der Kläger habe ursprünglich eine Zeitwertkarte benützt, er sei aber als "leitender Koordinator" von dieser Verpflichtung ausdrücklich entbunden worden. Im Lauf der arbeitsgerichtlichen Verfahren habe er plötzlich wieder den Auftrag erhalten, eine Zeitwertkarte zu verwenden. Da es in der Landesdirektion N***** noch keine diesbezügliche Betriebsvereinbarung gegeben habe, sei eine solche im Mai 1986 nachgeholt worden. Der Kläger sei der neuerlichen Weisung sodann unter Protest nachgekommen. Der Anwalt des Klägers habe jedoch schriftlich darauf hingewiesen, daß es eine reine Schikane sei, einen vom Dienst suspendierten Dienstnehmer sinnloserweise dazu zu verhalten, eine Stechuhr zu betätigen.
Der zu Punkt 4 erhobene Vorwurf sei weder im Einleitungsbeschluß erwähnt worden noch sei im gesamten Verfahren davon die Rede gewesen. Der Vorwurf sei auch unzutreffend, weil der Kläger ohne Ermächtigung weder Geschäftsbücher noch Akten aus den Büroräumlichkeiten mitgenommen habe. Er habe sich lediglich eine kleine Dokumentation über alle Briefe, die er im Zuge der Auseinandersetzung mit der beklagten Partei geschrieben habe, angelegt. Dies sei nach dem Kollektivvertrag nicht verboten.
Weder im Einleitungsbeschluß noch in den Vorerhebungen sei vom PKW-Kauf die Rede gewesen (Punkt 5). Dieser Vorwurf sei an den Haaren herbeigezogen. Der Kläger habe von einem pensionierten Generaldirektor der beklagten Partei einen gebrauchten Privatwagen privat gekauft. Der Wert des PKW sei von einem Sachverständigen auf S 10.000 geschätzt worden und der Kläger habe S 11.000 dafür gezahlt. Dabei handle es sich um eine reine Privatangelegenheit.
Den Gipfel der Unverständlichkeit stelle der unter Punkt 6 erhobene Vorwurf dar, zumal er sich darauf beschränke, daß keine strafrechtlich relevanten Handlungen mit den Malversationen Dris.R***** nachgewiesen hätten werden können. Die beklagte Partei hätte zumindest bekanntgeben müssen, worauf sie ihr "subjektiv begründetes Mißtrauen" überhaupt stütze. Dazu fehle es aber an jeglichen Fakten.
Die beklagte Partei beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger, der vorerst nur eine äußerst mangelhafte Arbeitsleistung erbracht habe, sei in besonderer Beziehung zu Dr.R***** gestanden. Er habe den Auftrag gehabt, für den Sohn des ehemaligen Generaldirektors Dr.Herbert C***** Sorge zu tragen und ihn vor den Folgen unüberlegter und strafbarer Handlungen zu bewahren. Dazu habe er vom ehemaligen Direktor der Landesdirektion N***** Geld erhalten, um die strafbaren Handlungen des Sohnes des ehemaligen Generaldirektors zu bereinigen. Diese Beträge stammten aber aus dem von Dr.R***** fingierten Schadensfällen. Dr.R***** habe den Kläger auch beauftragt, für ihn eine Wohnung als Absteige zu mieten. Der Kläger habe sich seiner Nahebeziehung zu Dr.R***** auch berühmt und gegenüber den Mitarbeitern ein untragbares Verhalten an den Tag gelegt. Er habe diese beschimpft, verhöhnt, bedroht, angeschwärzt und unfreundlich behandelt. Es habe immer größere Beschwerden gegeben, welche der Direktor der Landesdirektion im Sand habe verlaufen lassen. Der Kläger habe den Betriebsfrieden und den Arbeitsablauf auf das Empfindlichste gestört.
Der Kläger habe dem Hausarbeiter Gerhard R***** aufgetragen, zur Deckenreinigung gefährliche Mittel zu verwenden, so daß dieser einen gesundheitlichen Schaden davongetragen habe. Er habe diesem Reinigungsmittel übergeben, zu der es nur eine Gebrauchsanweisung in englischer Sprache gegeben habe. Im vollen Bewußtsein, daß der Hausarbeiter der englischen Sprache nicht mächtig ist, habe ihm der Kläger - ohne Übersetzung - erklärt, er müsse sich an die Gebrauchsanweisung halten. Der Kläger habe sich damit zynisch und menschenverachtend verhalten.
Als der Vorstand ausgewechselt wurde, seien alle Angestellten auch mit Sonderverträgen angewiesen worden, Zeitwertkarten zu verwenden. Der Kläger habe sich als einziger geweigert, so daß diese Weigerung "natürlich" ein Dienstvergehen darstelle.
Zufolge seiner Spitzeltätigkeit sei der Kläger darauf geschult gewesen, Firmenunterlagen zu fotokopieren und nach Haus mitzunehmen. Damit habe er offenbar Druck auf Dr.R***** ausüben wollen. Es sei daher verständlich, daß die neue Führung der beklagten Partei begründetes Mißtrauen gegen den Kläger gehabt habe, auch wenn die Wirtschaftspolizei bisher kein strafbares Verhalten des Klägers habe entdecken können.
Auch der Ankauf des PKW von Dr.C***** zu einem unverhältnismäßig niedrigen Preis und eine Schadensablöse, die den Zeitwert überstiegen habe, sei äußerst bedenklich und bedürfe noch einer weiteren Untersuchung. Jedenfalls habe der Kläger dadurch erheblich gegen seine Treueverpflichtung verstoßen.
Da der Kläger überall Unruhe stifte, sei es für die Geschäftsleitung als auch für die Mitarbeiter unzumutbar, mit dem Kläger weiter zusammenzuarbeiten. Alle im Disziplinarerkenntnis angegebenen Gründe seien als erwiesen anzunehmen. Es bestehe weiterhin der berechtigte Verdacht, daß der Kläger die erheblichen Schwächen Dris.R***** gekannt und zumindest von dessen Malversationen gewußt habe. Dadurch sei er vertrauensunwürdig geworden. Das Disziplinarverfahren sei korrekt abgewickelt worden. Es seien keine Verfahrensvorschriften verletzt worden, zumal ein Rechtsanwalt in Disziplinarverfahren nicht vertretungsbefugt sei. Dem Kläger sei es unbenommen geblieben, das Gericht anzurufen und sich dabei eines Anwalts zu bedienen. Nach dem KVI sei eine Verurteilung möglich, wenn der Beschuldigte auch ohne sein Verschulden trotz Ladung zum zweiten Termin nicht erscheine.
Die Fristen des § 105 ArbVG seien eingehalten worden. Der Betriebsrat habe seine ausdrückliche Zustimmung zur Kündigung des Klägers erteilt. Es bestehe keine Klagelegitimation gemäß § 105 ArbVG.
Der Kläger brachte dazu ergänzend vor, daß er vom damaligen Vorstandsdirektor Dr.R***** zwar den Auftrag zu einer "begleitenden Kontrolle" erhalten habe, daß dieser Auftrag aber wenig sinnvoll geworden sei, als die Betroffenen davon Kenntnis erhalten hätten. Er habe seine Aufgabe, an der Entscheidungsbildung des Landesdirektors mitzuwirken, zu dessen vollster Zufriedenheit ausgeführt. Es sei richtig, daß er versucht habe, Probleme des Sohnes des damaligen Generaldirektors zu aplanieren. Dafür habe er vom Landesdirektor auch Geld erhalten, von dem er nicht wisse, woher dieses Geld stamme. Bei dieser Betreuung habe es sich nicht um ausschließlich dienstliche Belange gehandelt. Alle Vorgänge, welche die beklagte Partei dem Kläger vorwerfe, lägen bereits Jahre zurück und hätten für die Kündigung nicht mehr herangezogen werden dürfen.
Das Erstgericht gab sämtlichen Klagebegehren statt. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende Feststellungen:
Als "leitender Koordinator" drohte der Kläger einem Mitarbeiter, der zu spät zur Arbeit gekommen war, mit Konsequenzen. Er überprüfte das Kundenbüro der beklagten Partei in B*****. Aufgrund seiner Recherchen mußte eine nebenberufliche Mitarbeiterin der beklagten Partei ihre Maklerkonzession zurücklegen. Im Kundenbüro S***** stellte er fest, daß eine Mitarbeiterin einen Brief für einen Kunden geschrieben hatte, was sie vorher abgestritten hatte. Der Kläger war zum Teil sehr unfreundlich. Wenn er zB in der Früh zum Landesdirektor ging, grüßte er dessen Sekräterinnen fast nie, sondern war zu ihnen unhöflich. Wenn sich die Sekräterinnen beim Landesdirektor beschwerten, erwiderte dieser, daß sie das nicht so tragisch nehmen sollten. Der Kläger hat Kollegen "angeschwärzt" und es handelt sich bei ihm um einen "Besserwisser". 1981 oder 1982 erklärte der Kläger dem Personalchef, daß wichtige Personalangelegenheiten in der Landesdirektion N***** über seinen Schreibtisch gingen und ohne ihn nichts laufe; er berief sich dabei auf einen (höheren) Auftrag Dris.R*****. Dr.R***** verneinte dem Personalchef gegenüber aber einen solchen Auftrag. Es lag aber im Wesen der Tätigkeit des Klägers als "leitender Koordinator", daß er damit zumindest bei vielen Mitarbeitern anecken mußte. Soweit der Kläger von der beklagten Partei in eine solche Position gehoben wurde, um Mißstände zu beseitigen, hatte er auch durchzugreifen, die Mißstände aufzuspüren und abzustellen. Die beklagte Partei dürfe sich nicht darüber wundern, daß jemand, der in den "Krieg geschickt" werde, auch etwas abbekomme. Der Kläger hat sein ironisches, unfreundliches und spitzelhaftes Verhalten nicht aus eigenem Antrieb an den Tag gelegt, sondern die beklagte Partei hat ihm dieses Verhalten durch die Verleihung der Befugnisse eines "leitenden Koordinators", dessen Aufgaben erst mühsam erfunden wurden, geradezu aufgezwungen.
Im Jahre 1984 oder 1985 war Gerhard R***** Hausarbeiter bei der beklagten Partei und der Kläger für ungefähr ein 3/4-Jahr sein Vorgesetzter. Der Hausarbeiter erklärte sich bereit, die Deckenreinigungsarbeiten um ein Dritttel des Preises zu machen, den ein Reinigungsunternehmen verlangte. Die Reinigungsmittel erhielt der Hausarbeiter von der Direktion. Der Kläger machte den Hausarbeiter darauf aufmerksam, daß gewisse Vorschriften einzuhalten seien; er müsse etwa bei seiner Arbeit eine Maske sowie Handschuhe tragen und die Lüftung abschalten. Die Aufschrift auf dem Kanister war zwar in englischer Sprache, doch konnte der Hausarbeiter so viel Englisch, daß er die Gebrauchsanweisung verstand. Solange der Hausarbeiter nur an Samstagen und Sonntagen arbeitete, spürte er nichts. Nachdem ihm die Samstags- und Sonntagsarbeit vom Verwaltungsleiter untersagt worden war, mußte er die Reinigungsarbeiten während der Dienstzeit verrichten. Da während dieser Zeit die Lüftung lief, verspürte der Hausarbeiter ein Kratzen in der Brust, das zu einem Krankenstand führte. Diese Erkrankung kann nicht dem Kläger angelastet werden.
Das Vorstandsmitglied Dr.R***** erteilte dem Verwaltungsleiter der Landesdirektion N***** den Auftrag, daß alle Dienstnehmer eine Zeitwertkarte haben müssen. Der Kläger wies darauf hin, daß er "leitender Koordinator" sei und daher keine Zeitwertkarte verwenden müsse. Daraufhin wies ihn der Landesdirektor mit Schreiben vom darauf hin, daß aufgrund einer Betriebsvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit auch er ab sofort eine Zeitwertkarte zu verwenden habe. Die beklagte Partei hatte aber bereits am auf die Dienstleistungen des Klägers und seine Präsenzpflicht verzichtet. Da der Kläger aber trotz der Dienstfreistellung weiterhin seinen Arbeitsplatz aufsuchte, erklärte er sich am bereit, die Stechuhr zu benützen.
Im Februar 1981 kaufte der Kläger von Dr.Herbert C***** privat einen 9 bis 10 Jahre alten PKW mit einer Kilometerleistung von etwa 100.000 um den Schätzpreis, den der Sachverständige der beklagten Partei ermittelt hatte. Es handelte sich dabei um kein Fahrzeug der beklagten Partei.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß § 25 Abs 6 KVI das Vertretungsrecht der Rechtsanwälte in unzulässiger Weise einschränke. Da auch Funktionäre der Berufsorganisation, sohin Außenstehende, als Beistand gewählt werden dürften, müsse dies auch für Rechtsanwälte gelten. Spätestens seit dem Inkrafttreten des ASGG seien Funktionäre den Rechtsanwälten gleichgestellt (§ 40 ASGG). Das Disziplinarverfahren sei daher mit einem Mangel behaftet, weil der Kläger keinen Beistand seiner Wahl habe zuziehen dürfen.
Die Vorwürfe im Disziplinarerkenntnis seien auch nicht berechtigt. Der Kläger sei seiner Obsorgepflicht gegenüber dem Hausarbeiter nachgekommen, weil er ihm Anweisungen gegeben habe, wie das Reinigungsmittel zu verwenden sei. Der Kläger habe sich nach der schriftlichen Weisung des Landesdirektors ohnehin bereit erklärt, eine Zeitwertkarte zu benutzen. Selbst wenn er sich geweigert hätte, wäre dies keine Dienstverfehlung, weil der Kläger dienstfrei gestellt gewesen sei und die beklagte Partei auf seine Präsenz verzichtet habe. Der Vorwurf, daß der Kläger einen PKW unter dem Zeitwert angekauft habe, um sich daraus einen unmittelbaren Vorteil zuwenden zu lassen, gehe völlig ins Leere. Der Kläger habe lediglich privat einen PKW zum Schätzwert erworben. Welchen Verstoß der Kläger begangen haben soll, sei unklar. Auch dem letzten Vorwurf könne nicht gefolgt werden. Es stelle kein Verschulden des Klägers dar, wenn die beklagte Partei ihn zum "leitenden Koordinator" bestellt habe und er in dieser Funktion in unmittelbarer Unterstellung unter den Landesdirektor für N***** auch Berichte an Dr.R***** erstattet habe. Selbst ein - gar nicht festgestelltes - "Naheverhältnis" zu Dr.R***** könne noch nicht anrüchig sein, da sonst alle Dienstnehmer, die unter Dr.R***** tätig gewesen seien, ein solches "Naheverhältnis" zu ihrem Chef gehabt hätten und somit vertrauensunwürdig wären. Daß dies wohl zu weit hergeholt wäre, habe der Vorsitzende der Disziplinarkommission selbst eingeräumt.
Mit Ausnahme des Punktes 1 des Disziplinarerkenntnisses seien sohin keinerlei Verfehlungen hervorgekommen. Das unfreundliche, ironische und spitzelhafte Verhalten des Klägers sei in der Funktion des Klägers als "leitender Koordinator" begründet gewesen. Es wäre erforderlich gewesen, den Kläger vorerst in einem Vier-Augen-Gespräch auf die Störung des Betriebsfriedens hinzuweisen. Es wäre auch zu erwarten gewesen, daß die beklagte Partei zumindest einmal eine schriftliche Verwarnung oder einen Verweis erteilt, bevor sie in einem Disziplinarverfahren gleich die strafweise Kündigung des Klägers beschließe. Diesbezüglich hätte mit einer Ordnungsstrafe gemäß § 22 KVI, nämlich mit einer mündlichen Verwarnung durch den Vorgesetzten oder die Direktion bzw mit einer schriftlichen Rüge durch die Direktion das Auslangen gefunden werden können. Die strafweise Kündigung sei als Disziplinarstrafe unangemessen hoch; dies insbesondere dann, wenn man den Strafenkatalog des § 23 KVI (Kürzung oder Entzug der nächsten Remuneration, Aufschub der Vorrückung um ein Jahr, Rückversetzung in die nächstniedrigere Gehaltsstufe und schließlich die strafweise Entlassung mit und ohne Abfertigung) in Betracht ziehe.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung durch Teilurteil mit der Maßgabe, daß es die Unwirksamkeit des Disziplinarerkenntnisses vom feststellte und soweit das Erstgericht die Feststellung traf, daß das Dienstverhältnis des Klägers ungeachtet des Disziplinarerkenntnisses und der Kündigung vom über den hinaus aufrecht fortbestehe. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige. Im übrigen hob es das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß ein Disziplinarerkenntnis sowohl verfahrensmäßig als auch meritorisch in jeder Richtung überprüft werden könne. Im Disziplinarverfahren sei das rechtliche Gehör des Klägers durch den Ausschluß seines Rechtsbeistandes in gröblicher Weise verletzt worden. § 25 Abs 6 KVI könne nicht dahin interpretiert werden, daß damit die Bestimmung des § 8 Abs 2 RAO außer Kraft gesetzt worden wäre. Der Sinn des § 25 Abs 6 KVI sei vielmehr, den Kreis der Verteidiger über die Angestellten der beklagten Partei hinaus zu erweitern und dem Beschuldigten die Möglichkeit zu geben, allenfalls Kosten zu sparen. Dem Beschuldigten solle dadurch keineswegs ein Verteidiger aufgenötigt werden, dem er nicht vertraue und den er gar nicht wolle. Gerade im vorliegenden Fall sei der Ausschluß des Rechtsanwalts des Beschuldigten von der Verteidigung völlig unverständlich, da dieser den Kläger ständig vertreten habe und mit der Sache bestens vertraut gewesen sei. Da § 25 Abs 6 KVI die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht ausschließe und die Disziplinarkommission die Beiziehung des Rechtsbeistandes des Klägers als Verteidiger abgelehnt habe, habe der Kläger seine Teilnahme mit Recht verweigern können. Damit habe die Disziplinarkommission den Grundsatz des fairen Verfahrens in einer Weise verletzt, daß dieses Verfahren keine Grundlage für eine Disziplinarstrafe sein könne. Dies umso mehr als sich die beklagte Partei bei der Durchführung der Vorerhebungen ihres Rechtsvertreters bedient habe, so daß keine Waffengleichheit gegeben gewesen sei.
Inhaltlich seien die Vorwürfe gegen den Kläger wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht gegenüber dem Hausarbeiter, der Nichtverwendung der Zeitwertkarte sowie des PKW-Kaufes unberechtigt. Der Sachverhalt sei aber noch darüber ergänzungsbedürftig, ob sich der Kläger eine Dokumentation von Unterlagen der beklagten Partei angelegt habe. Dieser Vorwurf könne nicht isoliert von Punkt 1 des Disziplinarerkenntnisses gesehen werden. Das Aufsichtsrecht über Untergebene und die Pflicht zur Kritik an deren Tätigkeit habe den Kläger nicht berechtigt, die Mitarbeiter in "menschenverachtender Weise" von oben herab zu behandeln. Der Vorwurf, eine Dokumentation angelegt zu haben, sei zwar gravierend aber noch zu unbestimmt. Das Erstgericht habe sich zwar auf eine Aussage des verstorbenen Landesdirektors bezogen, wonach er den Eindruck gehabt habe, daß der Kläger Unterlagen über seine Arbeit zu Hause haben müsse, es habe den Vorwurf aber nicht weiter geprüft und in der rechtlichen Beurteilung dazu nicht Stellung genommen. Diesbezüglich wäre die beklagte Partei noch zu einem präziseren Vorbringen anzuleiten gewesen.
Im Hinblick auf die Mangelhaftigkeit des Disziplinarerkenntnisses werde aber von einer Beweisergänzung vorerst abgesehen. Es wäre nicht ökonomisch, ein umfangreiches Beweisverfahren durchzuführen, ohne vorher die Frage zu klären, ob die Rechtsvertretung des Klägers im Disziplinarverfahren grob behindert wurde und schon diese Behinderung mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens nicht zu vereinbaren sei. Hinsichtlich der übrigen klagestattgebenden Teile der Entscheidung sei das erstgerichtliche Urteil mangelhaft, weil es dazu keine Feststellungen enthalte und die Begründung fehle.
Gegen dieses Teilurteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Klage "auch" in den Punkten 1 und 2 des Urteils erster Instanz abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, daß die Erlassung eines Teilurteils durch das Berufungsgericht (§ 60 ASGG) nicht gerügt wurde (vgl Kuderna, ASGG § 60 Erl 3). Soweit eine Mängelrüge erhoben wurde, betrifft diese eine allfällige Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz (unterlassene Einholung eines Gutachtens), die vom Berufungsgericht bereits verneint wurde. Derartige Mängel können nach ständiger Rechtsprechung nicht neuerlich als Mängel des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden (vgl SZ 27/4; SZ 60/157; ÖBl 1984, 109; RZ 1989/16; RZ 1992/57; DRdA 1991/10; infas 1994 A 49 uva).
In der Sache selbst ist davon auszugehen, daß eine Kündigung und somit auch eine "strafweise Kündigung" im Sinne des § 23 Abs 2 Z 4 KVI keine Disziplinarmaßnahme gemäß § 102 ArbVG ist (Arb 9.894, 9.895 ua). Ist jedoch in einem Kollektivvertrag die (strafweise) Kündigung eines Dienstnehmers als Disziplinarmaßnahme vorgesehen und darf diese nur im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ausgesprochen werden, sind derartige Regelungen vom Dienstgeber zu beachten, widrigenfalls eine Beendigungserklärung rechtsunwirksam ist (Strasser in Floretta/Spielbüchler/Strasser, ArbR3 II 348 f mwH; Arb 9.175, 10.410, 10.433, 10.606 = DRdA 1990/9 [krit Jabornegg] ua). Es ist daher nicht zu prüfen, ob die betriebliche Disziplinarkommission den Vorschriften des § 102 ArbVG entsprach; zu prüfen ist aber, ob das Disziplinarverfahren im Sinne des Kollektivvertrags Mängel aufweist, bei deren Vermeidung die Disziplinarkommission zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, und ob dem Kläger tatsächlich eine Verletzung von Dienstpflichten angelastet werden kann (Arb 9.649, 9.860, 9.893 mwH ua).
Nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen weist das von der beklagten Partei durchgeführte Disziplinarverfahren derart gravierende Mängel auf, daß das darauf gegründete Erkenntnis als nichtig angesehen werden muß. Gemäß § 25 Abs 6 KVI hat der Disziplinarbeschuldigte das Recht, sich einen Beistand aus dem Kreis der Angestellten der Anstalt oder aus den Funktionären der Berufsorganisation zu wählen. Mangels ausdrücklicher gegenteiliger Anordnung läßt diese Bestimmung, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, ohne weiteres die Auslegung zu, daß der Beschuldigte zwar das Recht habe, sich durch die genannten Personen vertreten zu lassen, dies jedoch unbeschadet des ihm sonst gesetzlich gewährten Rechts auf Vertretung durch einen Rechtsanwaltes seines Vertrauens. In diesem Sinn hat der Verfassungsgerichtshof bereits erkannt, daß auch die Parteien aus § 8 RAO ein subjektives Recht auf Bestellung eines Rechtsanwalts in allen ihre Rechte und rechtlichen Interessen betreffenden gerichtlichen und außergerichtlichen, öffentlichen und privaten Angelegenheiten ableiten können (JBl 1932, 68). Die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt zur umfassenden Vertretung zu bestellen, ist der Rechtsordnung so immanent, daß etwa die Vertretungsbefugnis der Rechtsanwälte in § 40 Abs 1 Z 1 ASGG nur aus Gründen der leichteren Lesbarkeit und Vollständigkeit angeführt ist (vgl Kuderna, ASGG § 40 Erl 3). Soweit ohnehin Außenstehende, wie Funktionäre von Berufsorganisationen, zu Beiständen gewählt werden können, muß dies umso mehr auch für die gemäß § 9 Abs 2 RAO zur Verschwiegenheit verpflichtete Rechtsanwaltschaft gelten (vgl etwa § 118 DO.A für die Sozialversicherungen). Der Sinn und Zweck eines Ausschlusses von Rechtsanwälten könnte sohin nur in einer Verschlechterung der Position des Disziplinarbeschuldigten liegen. Eine solche unsachliche Verschlechterung des Rechtschutzes ist aber den Kollektivvertragsparteien nicht zu unterstellen (Arb 10.480, 10.447 uva).
Richtig ist, daß Art 6 Abs 3 lit c MRK auf Disziplinarverfahren nicht unmittelbar anwendbar ist (ÖJZ 1992, 162; ÖJZ 1994, 710). Es ist aber ein weiterer Gesichtspunkt zu beachten. Auch die Kollektivvertragsparteien sind bei der Gestaltung des Kollektivvertrags an die Grundrechte, insbesondere an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gebunden (Strasser aaO 141 f mwH). Mangels Zugehörigkeit der normativen kollektivvertraglichen Rechtsetzung zur Hoheitsverwaltung ist zwar nicht von einer unmittelbaren aber doch von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auszugehen. Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte auf die Rechtsverhältnisse zwischen Privatrechtssubjekten im Wege der Konkretisierung der Generalklauseln des Zivilrechts (insbesondere § 879 ABGB) gebietet eine Differenzierung der Schutzintensität je nach der konkreten Unterlegenheitssituation des Trägers der gefährdeten Interessen (SZ 65/163 mwH; auch Binder, Arbeitsrechtliche Schieds- und Disziplinargerichte, DRdA 1985, 259 ff). Den Kollektivvertragsparteien wäre es daher ebenso verwehrt, einem Disziplinarbeschuldigten normativ ein Recht abzuerkennen, das unter sonst gleichen Verhältnissen nach der uneingeschränkten Fassung des § 8 Abs 1 und 2 RAO jedermann zusteht (JBl 1932, 68), oder etwa eine Verfahrensordnung festzulegen, die den elementaren Grundsätzen eines fairen Verfahrens widerspricht. § 25 Abs 6 KVI ist demnach auch verfassungskonform so auszulegen, daß der Beschuldigte sich zwar bestimmte Personen als Beistand wählen kann, daß aber dadurch die allgemeine Vertretungsbefugnis der Rechtsanwaltschaft nicht ausgeschlossen ist. Die Disziplinarkommission hat daher dadurch, daß sie den mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt des Klägers nicht zur Vertretung in der Disziplinarverhandlung zuließ, gegen § 25 Abs 6 KVI und im weiteren Sinn auch gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör verstoßen. Der Kläger war aufgrund dieses Verstoßes nicht gehalten, sich unvertreten einer Disziplinarkommission zu stellen, die seiner Ansicht nach nur dazu bestimmt war, das Dienstverhältnis aus disziplinären Gründen zu lösen.
Mit ihrem Einwand, Disziplinarverfahren und Disziplinarerkenntnis seien ohnehin in einem gerichtlichen Verfahren nachprüfbar, so daß durch den Ausschluß eines Verteidigers von vornherein kein unwiederbringlicher Schaden entstehen könne, übersieht die Revisionswerberin den pönalen Charakter solcher Verfahren. Die Verhängung einer Disziplinarstrafe enthält ein Unwerturteil, nämlich die öffentliche Feststellung eines Fehlverhaltens, eines damit verbundenen Tadels und eine Warnung an alle übrigen Dienstnehmer, daß sie bei gleichem Fehlverhalten mit gleichartigen Sanktionen zu rechnen haben (vgl Tomandl, Einschränkungen des Entlassungsrechts durch kollektivvertragliche Disziplinarordnungen - dargestellt am Beispiel des KVI, RdW 1983, 108 ff, 112). Abgesehen davon, daß eine gerichtliche Rehabilitierung erst nach Jahren erfolgen kann, ist die strafweise Kündigung inzwischen längst vollzogen, das Dienstverhältnis ist vorerst beendet und der betroffene Dienstnehmer hat den schwerwiegenden Eingriff in sein Berufsleben sowie den Entfall des Entgelts hinzunehmen. Es trifft auch nicht zu, daß der Mangel der Vertretung keine nachteiligen Folgen für den Ausgang des Verfahrens gehabt hätte. Dagegen spricht schon, daß sich die im Disziplinarerkenntnis erhobenen Vorwürfe im wesentlichen als haltlos herausgestellt haben.
Gemäß § 25 Abs 1 KVI ist der Beschuldigte von der Einleitung des Disziplinarverfahrens unter Bezeichnung des ihm zur Last gelegten Dienstvergehens schriftlich zu verständigen. Nach § 25 Abs 2 KVI hat der mit der Durchführung der Vorerhebungen betraute Funktionär den Beschuldigten zu vernehmen und alle zur vollständigen Klarstellung der Sachlage erforderlichen Umstände zu erheben. Die im Disziplinarerkenntnis festgestellten Dienstvergehen entsprechen mit Ausnahme des Punktes 1 nicht den dem Kläger anläßlich der Einleitung des Disziplinarverfahrens bekanntgegebenen Vorwürfen (Schreiben vom und ). Der Kläger hatte demnach keine Möglichkeit, sich gegen die ihm letztlich angelasteten Verfehlungen zur Wehr zu setzen, zumal er auch während der Disziplinarverhandlung durch die Verweigerung eines Rechtsbeistandes an einer zielführenden Verteidigung behindert wurde. Damit wurde ein weiterer elementarer Verfahrensgrundsatz verletzt, weil zufolge der nicht bekanntgegebenen Ausdehnung der Anschuldigungen eine Verhandlung in Abwesenheit des Klägers (§ 25 Abs 7 KVI) nicht zulässig gewesen wäre.
Es liegt auf der Hand, daß ohne die Ausschließung eines rechtskundigen Beistandes auch das Ergebnis des Disziplinarverfahrens für den Kläger günstiger gewesen wäre. Der zu Punkt 1 des Disziplinarerkenntnisses erhobene Vorwurf erschöpft sich in allgemeinen Feststellungen, ohne zu berücksichtigen, daß der Kläger als "leitender Koordinator" bei vielen Mitarbeitern zwangsläufig "anecken" mußte. Wie das Erstgericht feststellte, habe ihm die beklagte Partei dieses Verhalten geradezu aufgezwungen. Der Kläger wurde deshalb auch nie gerügt. Der Vorwurf der Verletzung von Obsorgepflichten gegenüber einem Hausarbeiter (Punkt 2) stellte sich zur Gänze als haltlos heraus. Die Ausführungen der Revisionswerberin verlassen den Rahmen der dazu getroffenen Feststellungen. Die Einführung der Zeitwertkarten (Punkt 3) erfolgte im Rahmen einer Gleitzeitregelung zur Feststellung der jeweiligen Arbeitszeit (Beilage 4 und 5). Abgesehen davon, daß sich der Kläger dieser Anordnung fügte, ist es offen geblieben, warum der Kläger, der keine Arbeitszeit mehr einzuhalten hatte, dennoch eine Stechuhr benützen hätte sollen. Der Vorwurf, eine Dokumentation von Unterlagen angelegt zu haben (Punkt 4), wurde dem Kläger bei Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht gemäß § 25 Abs 1 KVI als ein ihm zur Last gelegtes Dienstvergehen bezeichnet. Die Disziplinarkommission hätte daher nicht ohne vorherige Bekanntgabe auch dieser Anschuldigung in Abwesenheit des Klägers und seines Rechtsbeistandes darüber verhandeln und entscheiden dürfen. Der private Ankauf eines Privat-PKW von einem ehemaligen Generaldirektor der beklagten Partei (Punkt 5) ist ohne jede rechtliche Relevanz. Soweit die Revisionswerberin ausführt, es habe sich dabei um eine Geschenkannahme für treuwidriges Verhalten gehandelt, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Die letzte Anschuldigung (Punkt 6) entbehrt jeden konkreten Hinweises, woraus das nur "subjektiv begründete" Mißtrauen gegenüber dem Kläger abgeleitet wurde. Wie das Erstgericht feststellte, sollte damit das Bild des Klägers lediglich "abgerundet" werden, wobei klar gewesen sei, daß das "juristisch nicht sehr viel" sei. Soweit sich die Revisionswerberin in Vermutungen darüber ergeht, daß der Kläger von den kriminellen Handlungen Dris.R***** gewußt haben müsse, ist ihr entgegenzuhalten, daß ein Naheverhältnis des Klägers zu Dr.R***** nicht festgestellt wurde (S 401 dA). Diese Ausführungen erschöpfen sich sohin in einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß das Disziplinarverfahren gegen den Kläger von so schweren Mängeln behaftet ist, weil einerseits die im Kollektivvertrag enthaltenen Verfahrensvorschriften nicht eingehalten wurden und andererseits die Disziplinarkommission bei Vermeidung dieser Mängel zu einer anderen Entscheidung hätte kommen müssen, daß das Erkenntnis nicht als Grundlage der strafweisen Kündigung herangezogen werden kann (vgl Binder aaO 267; Arb 9.860, 9.893 uva). Da die beklagte Partei aber die Kündigung des Klägers allein auf § 33 Abs 4 iVm § 28 Abs 1 und 5 KVI und den Strafantrag der Disziplinarkommission im Sinne des § 23 Abs 2 Z 4 KVI gestützt hat, ist diese ebenfalls rechtsunwirksam. Auf die Frage der Berechtigung des vom Berufungsgericht als ergänzungsbedürftig angesehenen Vorwurfs des Disziplinarerkenntnisses, ob sich der Kläger eine Dokumentation über seine Tätigkeit bei der beklagten Partei angelegt habe, kommt es sohin nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.