OGH vom 15.02.1994, 10ObS34/94

OGH vom 15.02.1994, 10ObS34/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Gottfried Winkler (Arbeitgeber) und Dr.Josef Fellner (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J***** S*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, vertreten durch Dr.Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen 21.760 S (Rückforderung eines Überbezuges an Ausgleichszulage), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 33 Rs 109/91-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 3 Cgs 40/91-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und seine Gattin verpachteten die ihnen je zur Hälfte gehörigen landwirtschaftlichen Liegenschaften im Ausmaß von 15,20 ha für die zum ein Einheitswert von 49.000 S festgestellt war, am an ihren Sohn. Seit bezieht der Kläger von der beklagten Partei die Alterspension, zu der unter Berücksichtigung der Anrechnung gemäß § 140 Abs 7 BSVG eine Ausgleichszulage gewährt wurde. Am kauften der Kläger und seine Ehegattin eine forstwirtschaftlich genutzte Liegenschaft im Ausmaß von 5,8892 ha und verpachteten diese Liegenschaft unter einem an ihren Sohn. Durch den Kauf trat zufolge individueller Bewertung durch das zuständige Finanzamt eine Senkung des Einheitswertes auf 48.000 S ein. Wegen der Geringfügigkeit der Änderung wurde jedoch ein neuer Einheitswertbescheid nicht erlassen. Der Einheitswert aller Liegenschaften, die im Eigentum des Klägers und seiner Gattin standen, betrug zum 43.000 S, nachdem am ein landwirtschaftliches Grundstück im Ausmaß von 0,5931 ha verkauft worden war.

Mit Bescheid vom stellte die beklagte Partei die dem Kläger gebührende Ausgleichszulage rückwirkend neu fest und forderte einen Überbezug für die Zeit vom bis im Betrag von 21.760 S zurück.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zu verpflichten, von der Rückforderung des bescheidmäßig festgesetzten Betrages von 21.760 S Abstand zu nehmen und festzustellen, daß ein Überbezug an Ausgleichszulage nicht stattgefunden habe. Eine Erhöhung der Einheitswerte sei durch den Zukauf nicht eingetreten, sodaß die Voraussetzungen für eine höhere Pauschalanrechnung als vor dem Kauf nicht vorlägen.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe den Zukauf der forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaft vom nicht gemeldet. Aufgrund dieses Zukaufes sei ab von einem Einheitswert von 74.000 S und ab von einem solchen von 73.000 S auszugehen. Im Hinblick auf die Höhe des auf dieser Grundlage pauschal anzurechnenden Einkommens aus der Übergabe errechne sich ein Überbezug an Ausgleichszulage in der vorgeschriebenen Höhe.

Das Erstgericht stellte fest, daß in der Zeit vom bis ein Überbezug an Ausgleichszulage nicht erfolgt sei und die beklagte Partei schuldig sei, von der Rückforderung eines Betrages von 21.760 S abzustehen. Der Berechnung des pauschal zu berücksichtigenden Einkommens aus der Verpachtung der Liegenschaft sei der Einheitswert der Liegenschaft aufgrund individueller Bewertung zugrundezulegen. Dieser Einheitswert habe sich durch den Zukauf der Liegenschaften im Jahr 1984 jedoch nicht erhöht, sondern sich sogar verringert. Für die pauschale Anrechnung eines höheren Betrages bestehe keine Grundlage und es sei daher auch kein Überbezug entstanden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, daß es feststellte, daß die klagende Partei zum Rückersatz von in der Zeit von bis bezogenen Ausgleichszulagenbeträgen von 21.760 S nicht verpflichtet sei. Für die Berechnung des pauschal anzurechnenden Ausgedinges sei der zum geltende Einheitswert vom maßgebend gewesen. Trete eine Änderung in den verpachteten Flächen ein, so sei für die Beurteilung der Frage der Weitergewährung einer Ausgleichszulage ein neuer Einheitswertbescheid Voraussetzung. Ein solcher sei aber zufolge Geringfügigkeit der Änderung nach individueller Bewertung nicht erlassen worden. Für den strittigen Zeitraum sei daher weiterhin von dem zum geltenden Einheitswert von 49.000 S auszugehen. Die beklagte Partei sei nicht berechtigt gewesen, im eigenen Wirkungsbereich fiktive Einheitswerte festzustellen. Dem Umstand, daß der Kläger den Zukauf nicht gemeldet habe, komme keine Bedeutung zu, weil es sich nicht um eine maßgebliche Änderung gehandelt habe, die zu einer Neuberechnung oder zum Entzug von Leistungen führen könnte. Die Unterlassung der Meldung sei daher rechtlich nicht relevant.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht für zulässig erklärte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung in klageabweisendem Sinn abzuändern und den Kläger zur Rückzahlung des Überbezuges von 21.760 S zu verpflichten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig, weil die entscheidungswesentlichen Fragen in der Judikatur des Obersten Gerichtshofes bisher nicht behandelt wurden und daher eine Rechtsprechung hiezu fehlt.

Da der Oberste Gerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken gegen die anzuwendende Bestimmung des § 140 Abs 7 BSVG (aF) hatte, stellte er mit Beschluß vom , 10 Ob S 8/92 gemäß § 89 Abs 3 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, festzustellen, daß § 149 Abs 7 BSVG in der mit außer Kraft getretenen Fassung der

6. BSVGNov BGBl 1982/649 verfassungswidrig war. Mit Erkenntnis vom , GZ 60/92 ua wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag ab; die vom Obersten Gerichtshof aufgeworfenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Frage stehenden Bestimmung träfen nicht zu.

Bei der Entscheidung über die Revision ist daher von der Bestimmung des § 140 Abs 7 BSVG in der mit außer Kraft getretenen Fassung der 6.BSVGNov BGBl 1982/649 auszugehen, zumal der gesamte in Frage stehende Sachverhalt noch vor Inkrafttreten der 6.BSVGNov verwirklicht wurde.

Die beklagte Partei vertritt weiterhin den Standpunkt, daß ungeachtet des Umstandes, daß nach Erwerb von zusätzlichen land(forst)wirtschaftlichen Flächen die Neufeststellung des Einheitswertes unterblieb, eine Neubewertung des für die Bemessung der Ausgleichszulage maßgeblichen Wertes zu erfolgen hatte. Sie verweist dazu auf die Bestimmung des § 23 Abs 3 lit f BSVG, wonach bei Bildung des Versicherungswertes bei Erwerb oder Veräußerung einer land(forst)wirtschatlichen Fläche, wenn gemäß § 21 Abs 1 Z 1 lit a des Bewertungsgesetzes der Einheitswert nicht neu festgestellt wird, ein um den anteilsmäßigen Ertragswert dieser Fläche erhöhter bzw verminderter Einheitswert zu bilden ist. Dies sei zum Unterschied vom finanzrechtlichen der sozialversicherungsrechtliche Einheitswert, der auch für Zwecke der Ausgleichszulage zu berücksichtigen sei.

Der Oberste Gerichtshof hat in SSV-NF 2/99 bereits ausgesprochen, daß der im § 149 Abs 1 GSVG verwendete Begriff des Einheitswertes im Sinne des Bewertungsgesetzes zu verstehen sei, wie dies insbesondere § 149 Abs 10 GSVG iVm § 23 Abs 2 und 4 BSVG deutlich mache. Dies gilt auch für den im § 140 Abs 7 BSVG (aF) verwendeten Begriff des Einheitswertes, weil die letztgenannte Gesetzesstelle wörtlich mit § 149 Abs 7 GSVG (aF) übereinstimmt wie § 149 Abs 10 GSVG (aF) mit § 140 Abs 10 BSVG (aF). Nach § 23 Abs 2 BSVG ist der Versicherungswert ein Hundertsatz des Einheitswertes. Hiebei ist von dem zuletzt festgestellten Einheitswert des Betriebes auszugehen. Abs 4 dieser Gesetzesstelle erwähnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, daß es sich dabei um die von den Finanzbehörden für den land(forst)wirtschaftlichen Betrieb vorzunehmende Feststellung eines Einheitswertes des land(forst)wirtschaftlichen Vermögens gemäß den §§ 29 bis 50 BewG handelt (SSV-NF 4/30, 145). Es ist daher davon auszugehen, daß der Gesetzgeber den Begriff des Einheitswertes in der hier strittigen Bestimmung als terminus technicus im Sinne der Definition des Bewertungsgesetzes verwendet hat. Einheitswert ist danach nur der im Sinne des Bewertungsgesetzes von den Finanzbehörden bescheidmäßig festgelegte Einheitswert eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes.

§ 140 Abs 11 BSVG bestimmt, daß als Einheitswert im Sinne der Abs 7, 9 und 10 der für Zwecke der Sozialversicherung maßgebliche Einheitswert zu gelten hat. Einheitswerte aus der Zeit vor dem sind um den Faktor 1,1575 zu vervielfachen. Diese Bestimmung geht auf die 6.BSVG-Nov BGBl 1982/649 zurück. Die Gesetzesmaterialien (1312 BlgNR 15.GP, 14) führen dazu (damals Abs 10) aus: Im Zusammenhang mit der Ermittlung der durchschnittlichen Einheitswerte komme der Tatsache wesentliche Bedeutung zu, daß die anläßlich der Hauptfeststellung zum festgestellten Einheitswertänderungen für den Bereich des Abgabenrechtes mit wirksam geworden seien, für den Bereich der Sozialversicherung die Wirksamkeit dieser Einheitswertveränderungen jedoch für die Zeit bis nach dem hinausgeschoben worden sei. Wenn daher bei der Ermittlung des durchschnittlichen Einheitswertes die für den land(forst)wirtschaftlichen Betrieb in den einzelnen Zeitabschnitten festgestellten Einheitswerte heranzuziehen seien, so könnten hiebei nur jene Einheitswerte Berücksichtigung finden, wie sie in den Jahren 1980 bis 1982 für Zwecke der Sozialversicherung gegolten hätten. Erst dann könne eine Vervielfachung mit dem Faktor 1,1575 vorgenommen werden. § 140 Abs 10 in der Fassung des Entwurfes nehme auf diese Gegebenheiten Bedacht. Auch aus dieser Bestimmung ergibt sich deutlich, daß nur der finanzbehördlich festgelegte Einheitswert die Grundlage für die Pauschalierung des Ausgedinges bildet. Festgelegt wird hier nur, daß die besonderen Bestimmungen über die spätere Wirksamkeit der neuen Einheitsbewertung für Zwecke der Pauschalierung auch bei Ermittlung des durchschnittlichen Einheitswertes anzuwenden sind. Für eine von der Festsetzung des Einheitswertes durch die Finanzbehörden aufgrund des Bewertungsgesetzes unabhängige, eigenständige Festsetzung eines Einheitswertes durch die beklagte Partei bildet auch diese Bestimmung keine Grundlage.

Aus § 23 Abs 3 BSVG ist für den Standpunkt der beklagten Partei nichts abzuleiten. Diese Bestimmung regelt die Ermittlung des als Beitragsgrundlage maßgeblichen Versicherungswertes. Auch dort wird primär auf den von den Finanzbehörden festgestellten Einheitswert abgestellt. Wie bereits dargestellt, ergibt sich dies deutlich aus der Bezugnahme auf die Bestimmungen des Bewertungsgesetzes in § 23 Abs 4 BSVG. Daneben werden verschiedene Fälle vorgesehen, in denen der Versicherungswert abweichend vom finanzbehördlich festgestellten Einheitswert zu ermitteln ist. Die Argumentation der Revision, es würden damit Regelungen für eine gesondert vom finanzbehördlichen Einheitswert vorzunehmende Ermittlung eines sozialversicherungsrechtlichen Einheitswertes vorgesehen, ist das Ergebnis einer Begriffsverwirrung. § 23 Abs 3 BSVG sieht vielmehr eine Sonderregelung nur für die Bildung des Versicherungswertes vor. Nur für diesen Zweck gilt abweichend von dem von den Finanzbehörden ermittelten Einheitswert der auf die dort bezeichnete Weise ermittelte Wert als Einheitswert. Diese nur für die Ermittlung des Versicherungswertes vorgesehene Sonderregelung fehlt jedoch in § 140 Abs 7 BSVG. Diese Norm knüpft ausdrücklich nur an den Einheitswert und damit an den finanzbehördlich ermittelten Einheitswert an. Dieser Wert hat sich aber unstrittig für den hier maßgeblichen Zeitraum nicht geändert. Auch nach Erwerb weiterer fortwirtschaftlicher Flächen wurde kein neuer Einheitswertbescheid erlassen. Damit trat auch bezüglich der Voraussetzungen für den Bezug der Ausgleichszulage keine Änderung ein. Ein Überbezug an Ausgleichszulage ist daher nicht entstanden. Da der Rückforderungsanspruch schon aus diesem Grund nicht zu Recht besteht, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob dem Kläger ein schuldhafter Verstoß gegen die Meldepflicht vorzuwerfen ist.