OGH vom 07.06.2016, 10ObS34/16x

OGH vom 07.06.2016, 10ObS34/16x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Andreas Hach (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei DI I*****, vertreten durch Ganzert Partner Rechtsanwälte OG in Wels, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15 19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wochengeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 125/15m 18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 18 Cgs 61/15d 14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei für den Zeitraum von bis ein weiteres Wochengeld in Höhe von 56,35 EUR täglich binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 648,04 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 108 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 544,13 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 90,69 EUR USt) und die mit 418,78 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 69,80 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das erste Kind der Klägerin wurde am geboren. Die Klägerin bezog aus Anlass dieser Geburt vom 5. 3. bis Wochengeld in Höhe von täglich 126,81 EUR und anschließend vom bis ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld von täglich 66 EUR. Aufgrund einer rechtzeitig getroffenen arbeitsrechtlichen Vereinbarung befand sich die Klägerin ab diesem Zeitpunkt weiterhin in Karenz, es bestand aber keine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung mehr.

Der voraussichtliche Geburtstermin für das zweite Kind der Klägerin war der , die Geburt fand am statt. Die Klägerin bezog für den Zeitraum bis Wochengeld gemäß § 162 Abs 3a Z 2 ASVG in der Höhe von täglich 26,15 EUR (pauschales Kinderbetreuungsgeld von 14,53 EUR plus 80 %).

Im Verfahren ist allein die Rechtsfrage zu lösen, ob die Klägerin nach der Geburt ihres zweiten Kindes im Zeitraum von bis gegenüber der Beklagten Anspruch auf Wochengeld in einer täglichen Höhe von 26,15 EUR (Standpunkt der beklagten Partei) oder in einer täglichen Höhe des um 25 % erhöhten einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes (Standpunkt der Klägerin) hat. Strittig ist, ob § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG für den Fall, dass die Mutter wie hier zuvor einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld bezogen hatte, entgegen dem Gesetzeswortlaut auszulegen sei (Standpunkt der Klägerin) oder nicht (Standpunkt der beklagten Partei).

Mit Bescheid vom wies die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines höheren Wochengeldes als 26,15 EUR täglich aus Anlass des am eingetretenen Versicherungsfalls der Mutterschaft ab.

Mit der dagegen fristgerecht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung eines Wochengeldes anlässlich des am eingetretenen Versicherungsfalls der Mutterschaft auf Basis des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes im Sinn des § 162 Abs 3 ASVG iVm § 162 Abs 3a Z 3 ASVG im gesetzlichen Ausmaß. Richtig sei, dass ihr nach dem Wortlaut des § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG nur Wochengeld nach § 162 Abs 3a Z 2 ASVG in der im angefochtenen Bescheid auch zugestandenen Höhe gebühren würde. § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG müsse jedoch gegen seinen Wortlaut ausgelegt werden. Denn der Gesetzgeber habe im Zuge der Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes übersehen, diese Bestimmung anzupassen. In § 162 Abs 3a ASVG sei für Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens die Z 3 angefügt worden, die ein Wochengeld in Höhe des um 25 % erhöhten Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens vorsehe. § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG sei aber nicht geändert worden und verweise nur wie bisher auf § 162 Abs 3a Z 2 ASVG. Zweck des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes sei, den Eltern die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards zu ermöglichen. Es könne daher nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass eine Mutter, die sich für ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld entschieden habe, nur Wochengeld auf Basis des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes gemäß § 162 Abs 3a Z 2 ASVG erhalte. Der Gesetzeszweck könne nur durch Gewährung von Wochengeld gemäß § 162 Abs 3a Z 3 ASVG erreicht werden. Bei einem offenkundigen Redaktionsversehen sei es zulässig, eine Vorschrift gegen ihren eindeutigen Wortsinn zu verstehen und das Redaktionsversehen im Wege der Gesetzesauslegung zu beseitigen.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass der Klägerin ein Anspruch auf Wochengeld gemäß § 122 Abs 3 ASVG zustehe, weil eine aufrechte Krankenversicherung bei Beginn der 32. Woche vor Eintritt des Versicherungsfalls bestanden habe. Dessen Höhe bestimme sich gemäß § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG iVm § 162 Abs 3a Z 2 ASVG und sei der Klägerin mit dem angefochtenen Bescheid zuerkannt worden. Für die von der Klägerin gewünschte Auslegung des § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG bestehe weder nach dem Gesetz noch nach den Gesetzesmaterialien eine Grundlage. Die von der Klägerin gewünschte Erhöhung ihres bisherigen einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes um 25 % sei nur dann vorgesehen, wenn der Versicherungsfall der Mutterschaft während des Bezugs des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes eintrete, was hier nicht der Fall sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seine ausführliche Begründung lässt sich dahin zusammenfassen, dass eine Auslegung des § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG gegen seinen Wortlaut hier nicht in Frage komme, weil kein offenkundiges Redaktionsversehen vorliege. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass die Zielgruppe für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld Eltern seien, die nur für eine kurze Zeit aus dem Erwerbsleben ausscheiden und – bei möglichst geringfügigen Einkommensverlusten – bald wieder in das Berufsleben zurückkehren wollten. Der Gesetzgeber habe bei der Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes aber nicht Eltern als Zielgruppe vor Augen gehabt, die für die Maximaldauer bis zum vollendeten 12. Lebensmonat einkommensabhängiges Kinderbetreuungs–geld beziehen und dann über diese Zeit hinaus weiter in Elternkarenz bleiben. Es erscheine daher schlüssig und konsequent, wenn der Gesetzgeber von der parallel beschlossenen günstigeren Variante eines Wochengeldanspruchs nach § 162 Abs 3a Z 3 ASVG in der Höhe des jeweiligen um 25 % erhöhten Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens nur Mütter umfasst sehen wolle, bei denen der (erneute) Versicherungsfall der Mutterschaft während des Bezugs des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes eintrete. In den Gesetzesmaterialien seien als Fälle für Mehrkosten im Bereich des Wochengeldes auch nur solche genannt, „in denen es zu einer Folgegeburt innerhalb eines Jahres komme“. Es sei bei einer gewählten Karenzzeit von zwei Jahren auch nicht sachlich gerechtfertigt, beim Wochengeldbezug für eine Folgeschwangerschaft diejenigen, die ein auf ein Jahr befristetes einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld gewählt haben, gegenüber denjenigen besserzustellen, die im zweijährigen Karenzzeitraum pauschaliertes Kinderbetreuungsgeld bezogen haben.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Ein wahrer Wille des Gesetzgebers in dem Sinn, dass in § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG auch auf § 162 Abs 3a Z 3 ASVG verwiesen werden sollte, sei aus den bereits vom Erstgericht genannten Gründen nicht ersichtlich. Fälle wie jener der Klägerin, in denen nach dem Ende des Kinderbetreuungsgeldbezugs, aber noch vor Ende der Karenzzeit und damit vor erneuter Aufnahme einer Beschäftigung ein weiteres Kind geboren werde, seien von der Günstigkeitsregel des § 24a Abs 1 Z 5 KBGG erfasst. Über die danach durchzuführende Vergleichsrechnung gelange man wiederum zu den Einkünften, die im letzten Kalenderjahr vor der Geburt erzielt wurden, in der kein Kinderbetreuungsgeldbezug vorlag, und damit wiederum zum einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld. Der Gesetzgeber halte in den Gesetzesmaterialien in diesem Zusammenhang fest, dass das Heranziehen dieses Kalenderjahres im Rahmen der Günstigkeitsregelung bewirken solle, dass Eltern, die sich für mehrere Kinder in knappen Abständen entscheiden, kein Nachteil erwachse. Dieser Ausführungen in den Materialien hätte es aber nicht bedurft, wenn – wie von der Klägerin begehrt – ohnehin Wochengeld nach § 162 Abs 3a Z 3 ASVG zu gewähren wäre. Ein offenkundiges Redaktionsversehen des Gesetzgebers liege nicht vor. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, im Wege einer allzu weitherzigen Interpretation rechtspolitische Aspekte zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Berechnung von Wochengeld im Falle des Eintrittes des Versicherungsfalls der Mutterschaft nach dem Ende des Bezugs von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld, aber noch vor dem Ende der zweijährigen Karenzzeit fehle. Die Lösung dieser Rechtsfrage habe über den Einzelfall hinaus Bedeutung, weil Folgeschwangerschaften nach dem Bezug von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld wie im Fall der Klägerin keineswegs selten seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Stattgebung ihrer Klage anstrebt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsansicht der Vorinstanzen von der mittlerweile vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht. Sie ist auch berechtigt.

1. Die Klägerin vertritt auch in ihrer Revision den Standpunkt, dass es dem wahren Willen des Gesetzgebers entspreche, ein auf Basis des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes ermitteltes und damit höheres Wochengeld zu gewähren. Es sei übersehen worden, die Verweisungsnorm in § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG an das neu eingeführte einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld anzugleichen.

Diesem Standpunkt kommt im Ergebnis Berechtigung zu, wozu auf die Ausführungen in der erst jüngst – nach Fällung der Entscheidung des Berufungsgerichts – ergangenen Entscheidung 10 ObS 99/15d (RIS Justiz RS0130645) verwiesen werden kann, die den vergleichbaren Fall einer Mutter betraf, bei der der Versicherungsfall der (weiteren) Mutterschaft erst nach dem Ende der Pflichtversicherung eintrat. Daraus ist Folgendes zusammengefasst hervorzuheben:

„ 5.5. Aus dem Gesetzeswortlaut und der dargestellten Entwicklung der Gesetzeslage unter Bedachtnahme auf die Intentionen des Gesetzgebers ist daher der Schluss zu ziehen, dass § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG generell das im Beobachtungszeitraum bezogene Kinderbetreuungsgeld in die Wochengeldberechnung einbezieht … .

6. Damit stellt sich die weitere … Frage, ob das Fehlen des auf § 162 Abs 3a Z 3 ASVG gerichteten Verweises in § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG zur Folge hat, dass auch bei Beziehern eines einkommensabhängigen Kinderbetreuungs-geldes als Berechnungsgrundlage nur das um 80 % erhöhte pauschale Kinderbetreuungsgeld bei der längsten Bezugsvariante dh mit der betraglich geringsten Höhe heranzuziehen ist.

6.1. Drs (in SV Komm [Stand ] § 162 Rz 53) folgt dem Gesetzeswortlaut: § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG verweise nur auf § 162 Abs 3a Z 2 ASVG, nicht aber auch auf Z 3.

6.2. Diese Ansicht hat zur Folge, dass hinsichtlich der Höhe des Wochengeldes danach zu differenzieren ist, ob der neuerliche Versicherungsfall spätestens am letzten Bezugstag des Kinderbetreuungsgeldes eintritt: Ist das der Fall, kommt die Sonderregel des § 162 Abs 3a ASVG zum Tragen: Das Gesetz unterscheidet dann danach, ob eine schwangere Frau pauschales Kinderbetreuungsgeld (Z 2) oder einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld (Z 3) bezogen hat. Im erstgenannten Fall ist Berechnungsgrundlage – unabhängig von der gewählten Pauschalvariante – der in § 3 Abs 1 KBGG genannte Betrag von 14,53 EUR, was aufgrund der Erhöhung um 80 % zu einem täglichen Wochengeld von 26,15 EUR führt (Drs in SV Komm [Stand ] § 162 Rz 74). Bezieherinnen von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld gebührt das Wochengeld dagegen in Höhe des jeweiligen um 25 % erhöhten Kinderbetreuungsgeldes.

6.3. Gerade eine solche Unterscheidung zwischen Frauen, die bei Eintritt des Versicherungsfalls noch im Kinderbetreuungsgeldbezug stehen, und solchen, bei denen dies nicht mehr der Fall ist, wird vom Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zum SRÄG 2005, BGBl I 2005/71, aber abgelehnt, weswegen in § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG der Verweis auf § 162 Abs 3a Z 2 ASVG eingefügt wurde (zu den diesbezüglichen gesetzgeberischen Intentionen siehe ErläutRV 944 BlgNR 22. GP 6).

6.4. Bei Einführung der (pauschalen) Kurzvarianten des Kinderbetreuungsgeldes mit dem Bundesgesetz BGBl I 2007/76 hat der Gesetzgeber in § 162 Abs 3a ASVG bewusst keine Unterscheidung nach den einzelnen Varianten vorgenommen (siehe dazu die … Gesetzesmaterialien, ErläutRV 229 BlgNR 23. GP 8). Angesichts der mit Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes dann doch durchgeführten Differenzierung in § 162 Abs 3a ASVG (zwischen der Z 2 einerseits und der Z 3 andererseits) wäre aber zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber – auch in Fortführung der dem SRÄG 2005 zugrunde liegenden Gedanken – die bewusst getroffene Unterscheidung zwischen den Pauschalvarianten des Kinderbetreuungsgeldes einerseits und der einkommensabhängigen Variante andererseits nicht nur in § 162 Abs 3a ASVG, sondern auch in § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG umsetzt: Es ist kein Grund erkennbar, dass eine Frau, die bei Eintritt des Versicherungsfalls im aktuellen Bezug einer Leistung nach dem KBGG steht, in Bezug auf den Wochengeldanspruch bewusst verschieden behandelt wird, je nachdem ob das Kinderbetreuungsgeld in Form einer Pauschalvariante oder in Form von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, während nach dem Gesetzeswortlaut dann, wenn der in den Beobachtungszeitraum fallende Kinderbetreuungsgeldbezug vor dem Eintritt des (neuen) Versicherungsfalls infolge Aufnahme einer Erwerbstätigkeit geendet hat, der Bezug der Leistung nach dem KBGG undifferenziert berücksichtigt würde.

Der Gesetzgeber hat zwar mit dem Bundesgesetz BGBl I 2009/116 eine Anpassung des Abs 3a des § 162 ASVG an das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld vorgenommen, aber offensichtlich auf die entsprechende Adaptierung des Abs 3 Satz 4 vergessen, worauf auch hindeutet, dass er trotz erkennbarer Klärungsbedürftigkeit in den Gesetzesmaterialien keinen Grund angibt, warum die in Abs 3a einerseits und in Abs 3 Satz 4 andererseits genannten Fälle unterschiedlich zu behandeln seien. Würden die Gesetzesmaterialien zum Bundesgesetz BGBl I 2009/116 (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 21 f) so verstanden, dass sie beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld diejenigen Frauen bevorzugen wollen, die im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls noch im Leistungsbezug stehen, würden sie sich in Widerspruch zu den nachvollziehbaren Intentionen setzen, die der Novellierung des § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG mit dem SRÄG 2005 zugrunde gelegt wurden.

Schließlich legt gerade der aus § 162 Abs 3a Z 3 ASVG hervorleuchtende Zweck, im Fall des vorherigen Bezugs von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld auch ein (indirekt) einkommensabhängiges Wochengeld zu gewähren, eine Gleichbehandlung der Fälle nahe.

Nach zutreffender Rechtsansicht der Klägerin bringt die Regelung des § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG auch unter Berücksichtigung der bereits zitierten Gesetzesmaterialien (ErläutRV 944 BlgNR 22. GP 6) ganz allgemein den Grundsatz zum Ausdruck, dass für Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG jenes Wochengeld gebühren soll, welches gebührt hätte, wenn der Versicherungsfall der Mutterschaft bereits während des Leistungsbezugs des Kinderbetreuungsgeldes eingetreten wäre. Wäre der Versicherungsfall der Mutterschaft bei der Klägerin während des Leistungsbezugs des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes eingetreten, hätte die Klägerin nach § 162 Abs 3a Z 3 ASVG Anspruch auf Wochengeld in der Höhe des jeweiligen um 25 % erhöhten einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes gehabt.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist eine planwidrige Gesetzeslücke zu bejahen, die dadurch zu schließen ist, dass in § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG auch ein Verweis auf Abs 3a Z 3 hineinzulesen ist.“

2. Diese Ausführungen sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden. Mit dieser Auslegung wird auch dem Grundsatz Rechnung getragen, dass das Wochengeld den durch die Mutterschaft erlittenen Entgeltverlust nach den in der Vergangenheit bezogenen durchschnittlichen Einkünften ersetzen soll. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher dahin abzuändern, dass der Klägerin im Sinn des gemäß § 82 Abs 3 Z 1 ASGG ausreichend bestimmten Klagebegehrens (vgl nur Neumayr in ZellKomm II² § 82 ASGG Rz 6 mwH) Wochengeld für den Zeitraum bis in Höhe des um 25 % erhöhten Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens (§ 162 Abs 3a Z 3 ASVG) gebührt. Dieses errechnet sich ausgehend von den unstrittigen Berechnungsgrundlagen mit dem Betrag von 82,50 EUR täglich (66 EUR + 25 %), sodass der Klägerin unter Einrechnung des für den Zeitraum bis bereits bezahlten Wochengeldes ein weiteres Wochengeld von 56,35 EUR täglich zuzuerkennen war.

3 . Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Den fristgerecht von der Beklagten gegen das Kostenverzeichnis der Klägerin gemäß § 54 Abs 1a ZPO erhobenen Einwendungen kommt teilweise Berechtigung zu. Der Schriftsatz vom war mangels Vorliegens der Voraussetzungen zwar nicht gemäß TP 3A RATG zu honorieren. Allerdings handelt es sich bei diesem Schriftsatz auch nicht um eine bloße Vollmachtsbekanntgabe gemäß TP 1.I.a RATG, sodass er nach dem Auffangtatbestand gemäß TP 2.I.1.e RATG zu honorieren ist. Die Anzeige der Änderung der Adresse der Klägerin ist jedenfalls zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich und daher nach TP 1.I.a RATG zu honorieren. Dies ergibt sich schon daraus, dass im Verfahren erster Instanz keine Anwaltspflicht besteht (§ 39 Abs 3 ASGG), sodass – etwa im Fall der Kündigung der Prozessvollmacht des Rechtsvertreters der Klägerin – Zustellungen wiederum an die Klägerin notwendig sein könnten. Nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war hingegen die Vertagungsbitte vom , weil die Verhinderung des Parteienvertreters einen allein im Bereich dieser Partei gelegenen Umstand darstellt, der nicht zu einer Kostenbelastung des Prozessgegners führen darf (RIS Justiz RS0121621).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00034.16X.0607.000