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OGH vom 23.03.2010, 8ObA7/10b

OGH vom 23.03.2010, 8ObA7/10b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. H***** P*****, vertreten durch Dr. Robert Galler und Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1) E***** Gesellschaft mbH Co KG, *****, und 2) E***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr. Philipp Lettowsky, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 113.528,73 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 82/09x-41, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Schon das Erstgericht gelangte in seiner rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, dass mit den beiden Vereinbarungen vom und ein Vergleich über die Abgeltung der Überstundenforderungen des Klägers zustande gekommen sei. Der nunmehr behauptete Erörterungsmangel zum Vorliegen eines Vergleichs wurde in der Berufung des Klägers nicht geltend gemacht. Entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision kann dem Berufungsgericht nicht der Vorwurf gemacht werden, seine Entscheidung auf einen bisher unbeachtet gebliebenen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt und daher eine Überraschungsentscheidung gefällt zu haben (vgl RIS-Justiz RS0043111; 3 Ob 82/08t).

Damit und mit seinen Überlegungen zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens durch die (aus rechtlichen Überlegungen) teilweise unterbliebene Behandlung der Tatsachenrüge vermag der Kläger die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision nicht zu begründen.

1.2 Der Kläger hat die beiden erwähnten Vereinbarungen auf die Abgeltung von Überstunden bezogen. Die Beklagten bezeichneten die Zahlungsverpflichtung der Erstbeklagten über 7.000 EUR laut Vereinbarung vom als Sonderpauschalbetrag für Überstunden- und Mehrarbeit. Die Zahlungsverpflichtung aus der Vereinbarung vom bezogen sie eindeutig erkennbar deshalb auf eine „Sondervergütung“ bzw auf einen „Bonus“ für erbrachte Leistungen, weil sie den Standpunkt vertraten, dass im Bruttogehalt des Klägers - in Form einer Pauschale - an sich sämtliche geleisteten Überstunden inkludiert gewesen seien.

Der Entscheidungsspielraum des Gerichts wird durch den vorgetragenen Sachverhalt und die dafür angegebenen Tatsachen bestimmt. Dass das Berufungsgericht die zu den beiden Vereinbarungen getroffenen Feststellungen nicht als überschießende Feststellungen qualifiziert hat, ist keinesfalls unvertretbar und vermag die Zulässigkeit der Revision nicht zu rechtfertigen (vgl 10 Ob 29/01i; 3 Ob 73/01h).

2. Die Auslegung einer Vereinbarung und ebenso die sich daraus ergebende Qualifikation als Vergleich stellt regelmäßig eine Beurteilung im Einzelfall dar (vgl RIS-Justiz RS0042776; RS0113785).

Die Vereinbarung vom betrifft ausdrücklich die Abgeltung von Überstunden des Klägers (bis ). In der Vereinbarung vom wurde ebenfalls festgehalten, dass das Bruttogehalt eine Überstunden- und Mehrpauschale enthalte. Nach der Formulierung und ebenso aufgrund der Vorgeschichte besteht kein Zweifel daran, dass auch der Betrag von 10.000 EUR zur Abgeltung von Überstunden des Klägers (bis ) gezahlt wurde. Selbst wenn die Erstbeklagte trotz ihres prinzipiellen Standpunkts, dass sämtliche Überstunden des Klägers im Bruttogehalt inkludiert gewesen seien und ihm daher an sich kein Anspruch auf eine gesonderte Abgeltung zustehe, bereit war, seinen Forderungen in einem gewissen Umfang nachzukommen, konnte bis zum Abschluss der beiden Vereinbarungen zu dieser Frage keine Einigung erzielt werden. Entgegen den Argumentationsversuchen des Klägers war die Frage der Überstunden immer wieder Gegenstand von Gesprächen der Parteien, wobei die Beklagte nie von einem Zurechtbestehen des Betrags von 35.207,70 EUR, der ihr jedenfalls zu hoch erschien, ausgegangen ist. Die Rechtsauffassung der zweiten Instanz, dass die Frage der Abgeltung der vom Kläger wiederholt an die Erstbeklagte herangetragenen Überstundenforderungen zwischen den Streitteilen strittig war, ist daher vertretbar. In der Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass die zu beurteilenden Vereinbarungen der Abgeltung der Überstunden des Klägers dienten und sämtliche an einen Vergleich nach § 1380 ABGB gestellten Anforderungen erfüllten, ist jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung gelegen.

3.1 Mit seinen Ausführungen zur „Drucktheorie“ stellt der Kläger wiederum nur die Beurteilung der Vorinstanzen zum Vorliegen eines Vergleichs in Frage.

Soweit er die Ansicht vertritt, er habe gar keine andere Möglichkeit gehabt, als die beiden Vereinbarungen zu unterschreiben, um nicht seines Dienstverhältnisses verlustig zu gehen, weicht er von den Feststellungen und letztlich auch von seinem Vorbringen (vgl ON 20, 7) ab.

3.2 Wie die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, kann sich ein Dienstnehmer schon während des aufrechten Dienstverhältnisses auch über an sich unverzichtbare Ansprüche wirksam vergleichen, wenn dadurch strittige oder zweifelhafte Ansprüche bereinigt werden. Dies war hier der Fall, wobei der Kläger durch diesen Vergleich gegenüber seiner Rechtsposition Einbußen erlitt, andererseits aber trotz einer keineswegs eindeutigen Rechtslage (vgl nur die für den behaupteten Anspruch des Klägers nicht unwesentliche und zwischen den Parteien ebenfalls strittige Frage, ob der Kläger leitender Angestellter iSd AZG war), eine zumindest teilweise Klärung seiner bestrittenen Ansprüche erreichte. Ein solcher Vergleich kann nach ständiger Rechtsprechung nur nach den allgemeinen Regeln angefochten werden (RIS-Justiz RS0029958). Stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, so betrifft diese Beurteilung ebenso wie die Auslegung des Parteivorbringens den Einzelfall, weshalb ihr im Allgemeinen keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828).

In der Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe mit seinem allgemeinen Hinweis auf eine angebliche wirtschaftliche Drucksituation, derzufolge er vor die Alternative gestellt worden sei, den Betrag nur dann zu erhalten, wenn er die beiden Erklärungen unterfertige, und wonach er zum damaligen Zeitpunkt auf die angebotenen Beträge wirtschaftlich angewiesen gewesen sei (ON 20, 7), in Wirklichkeit keinen Willensmangel iSd §§ 870 f ABGB geltend gemacht, ist ebenfalls keine grobe Fehlbeurteilung zu erkennen. Auch in seinem Rechtsmittel legt er einen solchen Willensmangel, konkret das Vorliegen einer rechtswidrigen und gegründeten Furcht iSd § 870 ABGB, nicht schlüssig dar.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.