OGH vom 25.11.2014, 8ObA67/14g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch die Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei A***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Robert Galler und Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 1.627,48 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 59/14d 14, mit dem das Endurteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 59 Cga 116/13t 10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger war vom bis bei der Beklagten als Pistenraupenfahrer beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis gelangte der Kollektivvertrag für die Bediensteten der österreichischen Seilbahnen zur Anwendung. Dieser Kollektivvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 6 Arbeitszeit
1. Die normale Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche, die je nach Erfordernis des Betriebs zu leisten sind. Bei Minderleistungen, die im Monat 173 Stunden nicht erreichen, wird der Monatslohn garantiert, außer bei Bediensteten, die innerhalb eines Monats ein- bzw austreten und bei Teilzeitbeschäftigten.
Gemäß § 18 des Arbeitszeitgesetzes in der jeweils gültigen Fassung kann die zulässige Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden verlängert werden. Die Tagesarbeitszeit darf in solchen Fällen 12 und für Jugendliche 9 Stunden nicht überschreiten.
Der Durchrechnung wird ein Monat zugrunde gelegt; die über 173 Stunden hinausgehende Arbeitszeit ist als Überstunde zu vergüten.
...
3. Abweichend von der in § 8 enthaltenen Überstundenregelung kann eine Arbeitszeitflexibilisierung vereinbart werden. Diese kann nur mittels der Betriebsvereinbarung, die im Anhang II vorgegeben ist, geregelt werden.
...
§ 8 Überstunden
1. Überschreitungen der Arbeitszeit von 173 Stunden pro Monat sind Überstunden, wenn sie von hiezu bevollmächtigten Vorgesetzten angeordnet werden.
Bei Arbeitszeiten, die zur Überstundenberechnung herangezogen werden, werden tägliche Überschreitungen ab 10 Minuten als volle halbe Stunde, ab 40 Minuten als volle Stunde gerechnet.
2. Geleistete Überstunden werden wie folgt entlohnt:
a) Tagesüberstunden (in der Zeit von 7:00 Uhr bis 19:00 Uhr) mit dem um 50 % erhöhten, auf eine Stunde entfallenden Lohn (1/173 des Monatslohns) pro Stunde;
b) Nachtüberstunden (in der Zeit von 19:00 Uhr bis 7:00 Uhr) mit dem um 100 % erhöhten, auf eine Stunde entfallenden Lohn (1/173 des Monatslohns) pro Stunde.
3. Überstunden können auch durch Betriebsvereinbarung pauschaliert werden. Für Arbeitsleistungen, die das Ausmaß von 173 Stunden im Monat, vermehrt um die Zahl der pauschalierten Überstunden übersteigen, gelten sinngemäß die vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels.
4. Eine Abgeltung von geleisteten Überstunden durch Zeitausgleich an normalen Arbeitstagen ist im Einvernehmen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer durchzuführen. Werden Überstunden in Freizeit abgegolten, so ist als Stundenzahl für den Freizeitanspruch das Verhältnis 1:1 vorzunehmen. Der gemäß Z 2 zutreffende Überstundenzuschlag ist jedoch in der laufenden Verrechnungsperiode auszuzahlen (gilt nicht, wenn § 6 Abs 3 zur Anwendung kommt).
5. Überstunden, die im Zeitpunkt der Lösung des Dienstverhältnisses nicht durch Freizeit abgegolten waren, sind mit dem Normallohn und den entsprechenden Überstundenzuschlägen zu vergüten, es sei denn, dass diese Zuschläge bereits anlässlich der laufenden Auszahlungen geleistet wurden.
6. Für Mehrarbeitsstunden von Teilzeitbeschäftigten gebührt kein Zuschlag, wenn die Mehrarbeitsstunden innerhalb des Zeitraums vom 1. November bis 30. April bzw 1. Mai bis 31. Oktober eines Jahres durch Zeitausgleich 1:1 ausgeglichen werden.“
Die Lohnverrechnung der Beklagten erfolgte auf Basis der Arbeitsaufzeichnungen des Klägers. Dabei ging die Beklagte wie folgt vor: Bis zur 173. Stunde im Monat erfolgte die Entlohnung als Normalstunde, für Arbeitstätigkeiten in der Zeit von 19:00 Uhr bis 7:00 Uhr wurde (laut Kollektivvertrag) ein Zuschlag von 10 % berechnet. Ab der 174. Stunde wurde ein 50%iger Zuschlag für Tag Überstunden bzw ein 100%iger Zuschlag für Nacht Überstunden gewährt.
Der Kläger begehrte zunächst 2.150,32 EUR brutto sA für restliches Entgelt aus Normalarbeits- und Überstunden, weiters für Überstundenentgelte gemäß Ausfallprinzip für 10 Arbeitstage, für Feiertagsruheentgelt und für Urlaubsersatzleistung. Die Überstunden seien falsch berücksichtigt worden. Die durchschnittlichen Überstundenentgelte seien auch bei der Berechnung der übrigen Ansprüche zu berücksichtigen.
Die Beklagte entgegnete, dass die Ansprüche des Klägers unter Zugrundelegung des § 8 des anzuwendenden Kollektivvertrags richtig berechnet worden seien. Danach seien Überstunden erst bei einer Überschreitung einer Normalarbeitszeit von 173 Stunden pro Monat zu vergüten.
Mit Teilanerkenntnisurteil vom wurde die Beklagte schuldig erkannt, dem Kläger 522,84 EUR brutto sA an Überstundenentgelt gemäß Ausfallprinzip, an Feiertagsruheentgelt und an Urlaubsersatzleistung zu zahlen.
Mit dem zugrunde liegenden Endurteil wies das Erstgericht das restliche Begehren (1.627,48 EUR brutto sA) ab. Das Arbeitszeitgesetz definiere bestimmte Grenzen und Voraussetzungen für die Durchrechnung der Arbeitszeit. Die entsprechenden Regelungen seien aber kollektivvertraglich dispositives Recht. Die Beklagte habe die Abrechnung der Ansprüche des Klägers derart vorgenommen, dass alle Arbeitsstunden bis zur 173. Stunde als Normalstunden gezählt worden seien. Diese Vorgangsweise entspreche der zulässigen kollektivvertraglich vereinbarten Regelung.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Wendung „ zugelassen werden “ in § 18 Abs 2 AZG sei im Sinn einer Berechtigung der Kollektivvertragsparteien zu verstehen, selbst die Abweichungen für die Durchrechnung der Arbeitszeit zu normieren. Entgegen der Ansicht des Klägers sehe der Kollektivvertrag nicht bloß eine Ermächtigung zur Normierung solcher Abweichungen durch nachgeordnete Regelungsinstrumente vor. § 18 Abs 2 AZG ermögliche pauschal und unbegrenzt eine Abweichung sowohl von der wöchentlichen als auch von der täglichen Normalarbeitszeit. Das als Grenze für die monatliche Normalarbeitszeit festgelegte Ausmaß von 173 Stunden entspreche einem wöchentlichen Durchschnitt von 40 Stunden und sei damit im Hinblick auf § 18 Abs 2 AZG unbedenklich. Auch die festgelegte Grenze für die Wochenarbeitszeit von 60 Stunden führe zu keinem Verstoß gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu den kollektivvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 18 Abs 2 AZG sowie zur Auslegung der §§ 6 ff des zugrunde liegenden Kollektivvertrags höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des restlichen Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist im Sinn des subsidiären Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Die Beklagte rechnet die Arbeitsstunden unter Hinweis auf §§ 6 und 8 des zugrunde liegenden Kollektivvertrags derart ab, dass Überstunden erst dann anfallen, wenn im Monat mehr als 173 Arbeitsstunden geleistet werden, wobei zwischen 19:00 Uhr und 7:00 Uhr geleistete Normalarbeitsstunden mit einem Zuschlag von 10 % entlohnt werden.
Über die monatliche Durchrechnung der Arbeitszeit besteht bei der Beklagten keine Betriebsvereinbarung. Auch eine einzelvertragliche Regelung zwischen den Streitteilen besteht nicht.
2.1 Der Kläger vertritt dazu zunächst die Ansicht, dass die in § 6 Z 1 des Kollektivvertrags geregelte wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 60 Stunden den vom Arbeitszeitgesetz zugelassenen Ausweitungsmöglichkeiten widerspreche. Die Durchrechnung der Arbeitszeit sei daher nicht rechtsgültig.
2.2 Ausgangspunkt der Beurteilung ist unstrittig § 18 Abs 2 AZG.
Lässt der anzuwendende Kollektivvertrag eine Durchrechnung der Normalarbeitszeit zu, so ist im Normalfall die tägliche Normalarbeitszeit mit 10 Stunden begrenzt (§ 4 Abs 1 AZG). Diese Begrenzung wird in § 18 Abs 2 AZG für die Betriebe des öffentlichen Verkehrs aufgehoben. Danach darf der Kollektivvertrag bei der Festlegung der Obergrenze der täglichen Normalarbeitszeit die 10 Stunden Grenze überschreiten, soweit dies die Aufrechterhaltung des Verkehrs erfordert ( Heilegger in Heilegger/Klein/Schwarz , AZG³ §§ 18 bis 18k Erl 4).
Für die wöchentliche Arbeitszeit gilt Folgendes: § 18 Abs 2 AZG lässt Abweichungen von § 4 AZG zu, eine Abweichung von der in § 9 Abs 3 AZG festgelegten Obergrenze der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit von 50 Stunden ist jedoch nicht vorgesehen. Auch § 9 Abs 3 AZG zählt unter den dort vorgesehenen Ausnahmen von der 50 Stunden Grenze § 18 Abs 2 AZG nicht auf ( Heilegger aaO Erl 4; Pfeil in Grillberger , AZG³ § 18 Rz 10). Eine Gesetzeslücke in § 9 Abs 3 AZG besteht nicht, zumal § 18 Abs 3 AZG als Ausnahmenorm für Betriebe des öffentlichen Verkehrs ausdrücklich genannt ist und nicht unterstellt werden kann, der Gesetzgeber hätte die Regelung in einem Absatz davor übersehen.
Ohne Vorliegen von Arbeitsbereitschaft worauf sich die Beklagte nicht beruft (in diesem Fall wäre eine Ausdehnung der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit bis zu 60 Stunden iSd § 5 AZG zulässig) darf der Kollektivvertrag die Normalarbeitszeit somit bis zu 50 Stunden ausdehnen. Eine längere Wochenarbeitszeit als 50 Stunden darf aber auch bei einer Durchrechnung nach § 18 Abs 2 AZG nicht erreicht werden ( Pfeil aaO Rz 10). Auch Schrank (AZG² § 18 Rz 5 und 6) erblickt die praktische Bedeutung der „besonderen Verteilungszulassungen“ nach § 18 Abs 2 AZG am ehesten in potentiell längeren Tagesarbeitszeiten. Für erfasste Arbeitnehmer, deren Arbeitsleistung auch Warte- und Bereitschaftszeiten einschließe, könnten auch abweichende Regelungen zum Ausmaß der Wochenarbeitszeit zur Bewertung der Warte und Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit sowie zu Art und Höhe der Abgeltung dieser Zeiten getroffen werden (§ 18 Abs 3 AZG).
2.3 Nach § 6 Z 1 Abs 1 des zugrunde liegenden Kollektivvertrags beträgt die normale Arbeitszeit 40 Stunden pro Woche. Unter Hinweis auf § 18 AZG kann nach Abs 2 leg cit die zulässige Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden verlängert werden. Diese Bestimmung in Abs 2 steht nach den dargestellten Grundsätzen mit dem Arbeitszeitgesetz nicht im Einklang.
3.1 Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes haben zwingenden Charakter. Dieser ergibt sich aus der öffentlich rechtlichen Natur und aus dem klaren Zweck des Gesetzes ( Felten in Grillberger , AZG³ § 20 Rz 1). Eine mit zwingendem Recht in Widerspruch stehende Kollektivvertragsbestimmung ist grundsätzlich nicht rechtsgültig und daher iSd § 879 ABGB nichtig (8 ObA 20/12t), weil der Verbotszweck im Allgemeinen die Ungültigkeit der entgegenstehenden kollektivvertraglichen Regelungen verlangt (vgl 9 ObA 133/12t). Ist eine (kollektiv-)vertragliche Regelung gesetzwidrig, so ist primär der Schutzzweck der Verbotsnorm dafür maßgebend, ob die gesamte Regelung nichtig ist oder von der Restgültigkeit der übrigen Bestimmung auszugehen ist (vgl 9 ObA 2264/96y). Zudem ist für den Umfang der Nichtigkeit auch auf die Trennbarkeit der verschiedenen Regelungen Bedacht zu nehmen (8 ObA 277/01w). Bei Beurteilung der (Teil-)Nichtigkeit ist grundsätzlich der Restgültigkeit der vereinbarten Regelungen der Vorzug zu geben und dafür der von der Gesetzeslage gewährte Spielraum soweit keine zwingenden Interessen entgegenstehen insoweit zu nützen, als die Regelung auf ein nicht zu beanstandendes Maß reduziert werden kann (vgl RIS Justiz RS0016431; 9 ObA 2264/96y). Im Fall einer solchen geltungserhaltenden Reduktion bleiben die Regelungen, die die gesetzlichen Grenzen überschreiten, im nicht gesetzwidrigen Umfang gültig (RIS Justiz RS0016420; 1 Ob 176/98h).
3.2 Die Durchrechnungen der Arbeitszeit pro Monat wird in § 6 Z 1 des zugrunde liegenden Kollektivvertrags normiert. Die Überstundenregelung in § 8 des Kollektivvertrags knüpft an diese Regelung an und steht mit ihr in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang. Beide Bestimmungen haben denselben Regelungsinhalt und sind insoweit Gegenstand einer einheitlichen Regelung. Hauptgegenstand dieser Regelung ist die Anordnung der Durchrechnung der Arbeitszeit pro Monat, sodass erst bei einer Überschreitung der Arbeitszeit von 173 Stunden pro Monat Überstunden anfallen.
Die Durchrechnung der Arbeitszeit in § 6 Z 1 des Kollektivvertrags knüpft an die Verlängerung der zulässigen Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden und die Erstreckung der Tagesarbeitszeit bis zu 12 Stunden (für Jugendliche bis zu 9 Stunden) im vorherigen Absatz an. Dies bedeutet, dass eine Durchrechnung nur stattfindet, wenn zumindest die normale Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche überschritten wird.
Die Überschreitung der zulässigen Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden laut § 6 Z 1 Abs 2 des Kollektivvertrags verstößt wie dargelegt wurde gegen § 9 Abs 3 AZG iVm § 18 Abs 2 AZG. Entgegen der Einleitung in § 6 Z 1 Abs 2 des Kollektivvertrags („ Gemäß § 18 des AZG “) bietet § 18 Abs 2 AZG für eine solche Überschreitung keine Grundlage.
3.3 Der Zweck der Regelung der Arbeitszeit in § 6 Z 1 des Kollektivvertrags besteht eindeutig in der Ermöglichung des Modells einer durchrechenbaren Arbeitszeit pro Monat unter Einhaltung der Prämisse, dass im wöchentlichen Durchschnitt die zulässige wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden nicht überschritten wird. Dieses Modell wird durch die Definition und die Regelungen über die Abgeltung der Überstunden in § 8 des Kollektivvertrags abgerundet.
Abgesehen von der Verlängerung der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit kann das im Kollektivvertrag vorgesehene Modell der durchrechenbaren Arbeitszeit gesetzeskonform umgesetzt werden. Davon ausgehend lässt sich die im Zweifel anzustrebende Aufrechterhaltung kollektivvertraglicher Bestimmungen ohne Beeinträchtigung widerstreitender zwingender Interessen dadurch erzielen, dass die Verlängerung der zulässigen Wochenarbeitszeit nur bis insgesamt 50 Stunden pro Woche, also um höchstens 10 Stunden pro Woche, erfolgt. Die Nichtigkeitssanktion muss nach dem Verbotszweck damit nur insoweit eintreten, als das gesetzliche Ausmaß der zulässigen Wochenarbeitszeit des § 9 Abs 3 AZG überschritten wird. Die Anordnungen in § 6 Z 1 Abs 2 des Kollektivvertrags sind damit auf diesen gesetzeskonformen Inhalt geltungserhaltend zu reduzieren.
4.1 Abgesehen von der Frage der (Teil-)Nichtigkeit der Regelungen in § 6 Z 1 des Kollektivvertrags meint der Kläger, dass das Modell der durchrechenbaren Arbeitszeit gemäß § 6 Z 3 des Kollektivvertrags nur durch dem Kollektivvertrag nachgeordnete Regelungsinstrumente (Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag) umgesetzt werden könne. Dazu gesteht er zu, dass § 18 Abs 2 AZG die Kollektivvertragsparteien berechtige, selbst im Sinn einer Inhaltsnorm die Details des Modells einer durchrechenbaren Arbeitszeit zu regeln. Er steht allerdings auf dem Standpunkt, dass der Kollektivvertrag als formelles Erfordernis für die rechtsgültige Einführung und konkrete Ausgestaltung der durchrechenbaren Arbeitszeit zwingend eine Betriebsvereinbarung nach Anhang II des Kollektivvertrags verlange.
4.2 Wie bereits dargelegt, wird die Anordnung der Durchrechnung der Arbeitszeit pro Monat in § 6 Z 1 des Kollektivvertrags durch die Überstundenregelung in § 8 leg cit abgerundet. § 8 Z 2 leg cit ordnet die Entlohnung der Überstunden unter Berücksichtigung konkreter Zuschläge an. Nach § 8 Z 4 leg cit kann eine Abgeltung geleisteter Überstunden im Einvernehmen auch durch Zeitausgleich erfolgen.
Die Bestimmung des § 6 Z 3 leg cit, auf die sich der Kläger beruft, normiert ausdrücklich die Möglichkeit einer Abweichung von der in § 8 enthaltenen Überstundenregelung durch (im Anhang II des Kollektivvertrags) vorgesehene Betriebsvereinbarung. Eine Abweichung durch eine solche Betriebsvereinbarung setzt eine Grundregel voraus. Diese Grundregel besteht ausdrücklich in der in § 8 des Kollektivvertrags enthaltenen Überstundenregelung, die das Modell der durchrechenbaren Arbeitszeit nach § 6 Z 1 abrundet.
Daraus folgt, dass § 8 iVm § 6 Z 1 des Kollektivvertrags ohne Abweichung und damit auch ohne Betriebsvereinbarung zur Anwendung gelangt. Nur wenn von der Abgeltung der Überstunden nach § 8 Z 2 und Z 4 f leg cit abgewichen werden soll, bedarf es dafür der im Anhang II des Kollektivvertrags vorgesehenen Betriebsvereinbarung.
In der Übereinstimmung mit diesen Überlegungen sieht die erwähnte (Muster )Betriebsvereinbarung in Anhang II des Kollektivvertrags eine Ansparung der geleisteten Überstunden mit einem einjährigen Durchrechnungszeitraum sowie den Verbrauch und die Abgeltung dieses Zeitguthabens vor (vgl dazu §§ 19e und 19f AZG). Die Abweichung von der Überstundenregelung in § 8 des Kollektivvertrags (gemäß § 6 Z 3 leg cit) besteht somit in der Einführung eines einjährigen Durchrechnungszeitraums für den Abbau bzw die Abgeltung angesparter Überstunden. Die Ermöglichung des Modells der durchrechenbaren Arbeitszeit nach § 6 Z 1 iVm § 8 des Kollektivvertrags ist davon zu unterscheiden. Für die Ermöglichung dieses Modells ist entgegen der Ansicht des Klägers kein dem Kollektivvertrag nachgeordnetes Regelungsinstrument, insbesondere keine Betriebsvereinbarung nach Anhang II des Kollektivvertrags, erforderlich.
5.1 Insgesamt ergibt sich:
§ 18 Abs 2 AZG ermöglicht keine Abweichungen von der in § 9 Abs 3 AZG festgelegten Obergrenze der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit von 50 Stunden. Eine längere Wochenarbeitszeit als 50 Stunden darf daher bei einer Durchrechnung der Arbeitszeit nach § 18 Abs 2 AZG nicht erreicht werden. Teilnichtige kollektivvertragliche Bestimmungen sind grundsätzlich geltungserhaltend zu reduzieren. Nach § 6 Z 1 Abs 2 des Kollektivvertrags für die Bediensteten der österreichischen Seilbahnen ist daher die Verlängerung der Wochenarbeitszeit nur bis insgesamt 50 Stunden pro Woche zulässig. Für die in § 8 des Kollektivvertrags enthaltenen Überstundenregelung, die das Modell der durchrechenbaren Arbeitszeit nach § 6 Z 1 leg cit abrundet, bedarf es keiner Betriebsvereinbarung iSd § 6 Z 3 leg cit.
5.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen nicht im Einklang.
Soweit der Kläger das Ausmaß der höchstzulässigen Arbeitszeit pro Woche von 50 Stunden überschritten hat, sind die darüber hinausgehenden Arbeitsleistungen nicht als Normalarbeitszeit abzugelten. Die Abrechnung der Normalarbeitsstunden und der Überstunden durch die Beklagte ist daher nach den dargestellten Grundätzen zu modifizieren. Dazu ist es notwendig, die Berechnung der offenen Ansprüche mit den Parteien zu erörtern. Aus diesem Grund ist eine abschließende Beurteilung der Rechtssache nicht möglich, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben werden müssen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:008OBA00067.14G.1125.000