OGH vom 05.12.2000, 10ObS328/00h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Norbert Nischkauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef H*****, vertreten durch Dr. Brigitte Weiser, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 142/00d-88, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 12 Cgs 205/97t-82, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Obgleich diese Beurteilung nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung bedürfte, ist den Revisionsausführungen kurz zu erwidern, dass die Feststellung oder Nichtfeststellung bestimmter Tatsachen aufgrund der aufgenommenen Beweise aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen resultiert, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (RIS-Justiz RS0043061 [T11]). Die Ausführungen der Mängelrüge stellen daher den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der das Leistungskalkül betreffenden Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar (10 ObS 409/98i; 10 ObS 3/99k).
Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich, als es die vom Rechtsmittelwerber begehrten Feststellungen nicht getroffen habe, nicht mängelfrei mit den im Akt befindlichen Unterlagen auseinandergesetzt und nur so zum Ergebnis gelangen können, dass das Leistungskalkül des Klägers (vom Erstgericht) fehlerfrei festgestellt worden sei, und die angeblich vorhandenen Widersprüche bzw Mängel nicht vorlägen, geht aber auch deshalb ins Leere, weil angebliche Mängel erster Instanz, die schon das Berufungsgericht verneint hat, nach ständiger Rechtsprechung - auch in Verfahren nach dem ASGG - im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg gerügt werden können (Kodek in Rechberger2 Rz 3 Abs 2 zu § 503 ZPO; SSV-NF 11/15; 7/74 ua; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061).
Auch der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (§ 503 Z 4 ZPO) liegt nicht vor. Die Rechtsrüge zieht offenbar nicht mehr in Zweifel, dass dem Kläger nach den getroffenen Feststellungen keine Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs 1 ASVG zusteht, vertritt jedoch den Standpunkt, die Vorinstanzen hätten sich nach "Umstellung der Klage" in der Verhandlung vom nicht nur mit dem Berufsschutz der Berufsunfähigkeitspension sondern auch mit dem Tätigkeitsschutz einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit auseinandersetzen müssen und über diese abzusprechen gehabt, weil der bekämpfte Bescheid zu einem Zeitpunkt ergangen sei, in welchem "dieser noch in § 273 Abs 3 ASVG geregelt war", sodass der abweisende Bescheid auch den "Unterfall des Abs 3" umfasst habe. Dem kann aber nicht gefolgt werden:
Im vorliegenden Fall wurde mit dem der Klage zugrundeliegenden Bescheid über den Antrag des am geborenen (damals 43jährigen) Klägers vom auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs 1 ASVG abgesprochen. In der Verhandlung vom hat er ergänzend vorgebracht, dass er das 55. Lebensjahr (im Jahr) 1999 vollendet habe. Er hat dabei auf seinen Antrag aus dem Jahr 1987 sowie auf die damalige Rechtslage verwiesen und beantragt, ihm "Berufsunfähigkeitspension" zuzuerkennen (AS 272).
Der Kläger hat in erster Instanz eine Änderung seines auf Leistung der Berufsunfähigkeitspension gerichteten Klagebegehrens somit gar nicht vorgenommen. Auch eine solche nach § 273 Abs 3 ASVG konnte ihm aber nicht zuerkannt werden, weil er am Stichtag seiner Antragstellung () das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (§ 273 Abs 3 lit a ASVG). Es entspricht der Judikatur des erkennenden Senates, dass dann, wenn eine Änderung des Gesundheitszustandes, einer Gesetzesänderung oder einer sonstigen Änderung der Anspruchsvoraussetzungen (etwa auch die Erreichung eines bestimmten Lebensjahres, wenn dies zur Anwendung geänderter Voraussetzungen für den Anspruch auf die die begehrte Leistung führt) während des Verfahrens eintritt, die sich daraus ergebende Änderung bei der Entscheidung zu berücksichtigen ist. Es wird durch diese Änderungen, sofern sie für den erhobenen Anspruch von Bedeutung sind, ein neuer Stichtag ausgelöst und die Anspruchsvoraussetzungen sind zu diesem Stichtag zu prüfen (SSV-NF 3/134 ua). Hier hat der Kläger das 55. Lebensjahr am vollendet, woraus sich der als Stichtag ergäbe (§ 223 Abs 2 ASVG). Zu diesem Zeitpunkt gehörte allerdings § 273 Abs 3 ASVG, aus dem der Kläger seinen Anspruch abzuleiten scheint, dem Rechtsbestand nicht mehr an.
Mit der durch die 51. ASVG-Novelle ab eingeführten vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) wurde eine neue Leistung der Pensionsversicherung geschaffen (SSV-NF 10/42; 10 ObS 2391/96g; RIS-Justiz RS0102464) und der § 273 Abs 3 ASVG gleichzeitig ersatzlos aufgehoben.
Selbst wenn aber eine "Umstellung des Klagebegehrens" dahin, dem Kläger eine "vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit" (Seite 4 der Revision) zuzusprechen, erfolgt wäre, hätte diese Änderung des Klagebegehrens nicht zugelassen werden dürfen:
Die Zulässigkeit des Rechtsweges für eine Bescheidklage setzt nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG (und § 69 ASGG) voraus, dass der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat. Liegt eine meritorische Entscheidung des Versicherungsträgers über den geltend gemachten Anspruch des Versicherten nicht vor, ist der Rechtsweg - von § 68 ASGG und anderen hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - ausgeschlossen. Auch der Austausch des Versicherungsfalls oder der Art der begehrten Leistungen im gerichtlichen Verfahren ist nicht zulässig, weil es für solche Begehren an einer "darüber" ergangenen Entscheidung des Sozialversicherungsträgers fehlt (10 ObS 335/99h; SSV-NF 12/65 mwN ua).
Da im Fall einer Klageänderung für das neue Begehren alle Prozessvoraussetzungen gegeben sein müssen (Rechberger/Frauenberger in Rechberger2 Rz 5 zu § 235 ZPO), bei bescheidmäßiger Entscheidung über eine Berufsunfähigkeitspension jedoch der Rechtsweg für das auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension geänderte Begehren unzulässig wäre, sind die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 235 ZPO nicht erfüllt (SSV-NF 12/65 mwN): Wenngleich Sinn und Zweck sowohl der Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension auf der einen Seite und der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit auf der anderen Seite darin liegen mag, den Ersatz des während der Arbeitsunfähigkeit bzw eingeschränkten Arbeitsfähigkeit weggefallenen Erwerbseinkommens zu bilden, kann doch nicht daran vorbeigegangen werden, dass es sich dabei um zwei verschiedene Versicherungsfälle handelt, die in einem Verfahren nicht gegeneinander ausgetauscht werden können. In jedem Fall hat das Erstgericht zutreffend die Sachentscheidung über das ursprüngliche, nur auf Berufsunfähigkeitspension gerichtete Klagebegehren getroffen (SSV-NF 12/65 mwN).
Der richtige Weg der Anspruchsverfolgung hinsichtlich der nunmehr begehrten "vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Ewerbsfähigkeit" (Seite 6 der Revision) besteht hier in der Stellung eines neuen Antrags im vorgeschalteten Verwaltungsverfahren (Fink,
Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen, 279 mwN bei FN 131; RIS-Justiz RS0107802).
Auf die Frage des Tätigkeitsschutzes und auf das im Abänderungsantrag der Revision erstmals ausdrücklich erhobene Begehren, dem Kläger eine Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit zuzuerkennen, ist daher nicht weiter einzugehen (10 ObS 335/99h).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.