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OGH vom 25.08.2020, 8ObA64/20z

OGH vom 25.08.2020, 8ObA64/20z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei H***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Stephan Hemetsberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 128 EUR, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 5/20a-14, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 23 Cga 71/19g8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 125,40 EUR (darin 20,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten von bis als Mietwagenfahrer vollzeitbeschäftigt. Die vom Kläger unterfertigte Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses lautete:

Einvernehmliche Auflösung

Das Dienstverhältnis zwischen der H[der Beklagten] [dem Kläger]

Die Papiere und die Abrechnung werden am Monatsende September 2018 mit der Post [dem Kläger]

Der Betrag von 128 EUR der vom Dienstgeber auch bei einer einvernehmlichen Auflösung für die Auflösungsabgabe bezahlt werden muss, wird … [vom Kläger] ersetzt und bei der Endabrechnung einbehalten. Bei einer Dienstnehmerkündigung wäre keine Auflösungsabgabe zu bezahlen.

Mit den obigen Vereinbarungen einverstanden:

Der begehrte von der Beklagten die Zahlung von 128 EUR. Die in der Auflösungsvereinbarung enthaltene Erklärung sei eine bloße Wissenserklärung. Darüber hinaus sei die Überwälzung der den Dienstgeber treffenden Auflösungsabgabe auf den Dienstnehmer grundsätzlich unzulässig, weil sie wirtschaftlich den Verzicht des Dienstnehmers auf zwingend zustehende Ansprüche bedeute.

Die bestritt.

Das gab dem Klagebegehren statt.

Das bestätigte diese Entscheidung. Die Pflicht zur Zahlung der Auflösungsabgabe treffe nach § 2b Abs 1 AMPFG den Dienstgeber allein. Eine vertragliche Überwälzung der Auflösungsabgabe auf den Dienstnehmer sei im Sinne von Kraft/Risak(AMPFG § 2b, 44 und 66) und Schrank (RdW 2012, 480) grundsätzlich unzulässig. Die Ausnahmefälle nach § 2b Abs 2 Z 3 lit a bis g AMPFG würden sich daran orientieren, dass die Auflösungserklärung der Sphäre des Dienstnehmers zuzuordnen sei. Hingegen stelle der Gesetzgeber bei den Ausnahmefällen nach § 2b Abs 2 Z 3 lit e und f AMPFG, in denen die Beendigungsentscheidung nicht allein der Sphäre des Dienstnehmers zugeordnet werden könne, darauf ab, dass es nicht zur Arbeitslosigkeit und damit auch nicht zu einer Belastung des Arbeitsmarktbudgets komme. Die Regelung des § 2b AMPFG sei daher sachlich gerechtfertigt, zumal es der Dienstgeber in der Hand habe, ob das Dienstverhältnis durch einvernehmliche Auflösung ende. Der Grundsatz des § 539 ASVG sei analog auch auf Vereinbarungen zur Überwälzung der Auflösungsabgabe auf den Dienstnehmer durch Abzug von dessen Endabrechnungsansprüchen zu übertragen. Die Vereinbarung sei hier daher infolge Sittenwidrigkeit im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB unwirksam.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage der Zulässigkeit der Überwälzung der Auflösungsabgabe nach § 2b AMPFG auf den Dienstnehmer noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit dem Antrag, das Klagebegehren abzuweisen. Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision der Gegenseite zurück- bzw abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund , sie ist aber .

1. Die mit dem 2. Stabilitätsgesetz 2012 mit Wirkung ab eingeführte Bestimmung des § 2b AMPFG ist gemäß BGBl I 2017/154 mit Ablauf des außer Kraft getreten.

Nach dieser Bestimmung hatte der Dienstgeber zum Ende jedes arbeitslosenversicherungspflichtigen (freien) Dienstverhältnisses eine Abgabe in Höhe eines jährlich aufgewerteten Betrags von ursprünglich 110 EUR zu entrichten, sofern kein Ausnahmefall nach § 2b Abs 2 AMPFG vorlag. Unter anderem war die Abgabe nach Abs 2 Z 3 leg cit nicht zu entrichten, wenn der Dienstnehmer a) gekündigt hatte oder d) im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses einen Anspruch auf eine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension hatte oder e) bei einvernehmlicher Auflösung des Dienstverhältnisses das Regelpensionsalter vollendet hatte und die Anspruchsvoraussetzungen für eine Alterspension erfüllte oder f) bei einvernehmlicher Auflösung des Dienstverhältnisses die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Sonderruhegeldes nach Art X des Nachtschwerarbeitsgesetzes erfüllte.

Nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 1685 BlgNR 24. GP 59) sollte die nach dem Muster der Dienstgeberabgabe konzipierte Auflösungsabgabe in die Arbeitsmarktrücklage fließen, damit das Arbeitsmarktservice erforderliche Maßnahmen für durch die Beendigung des (freien) Dienstverhältnisses arbeitslos gewordene Personen finanzieren konnte. In jenen Fällen, in denen die Auflösung des (freien) Dienstverhältnisses einseitig vom Arbeitnehmer oder freien Dienstnehmer erfolgte oder wie im Falle der gerechtfertigten Entlassung verursacht wurde, sollte keine Abgabe zu entrichten sein. Dasselbe sollte gelten, wenn die Auflösung einvernehmlich anlässlich der Inanspruchnahme einer Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension, einer Alterspension nach Erreichung des Regelpensionsalters oder eines Sonderruhegeldes nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz erfolgte. Weiters sollte der Ablauf von auf längstens sechs Monate befristeten Dienstverhältnissen oder auch deren einvernehmliche vorzeitige Auflösung zu keiner Abgabepflicht führen. In sonstigen Fällen einer einvernehmlichen Auflösung wie auch bei Ablauf eines auf eine längere Dauer als sechs Monate befristeten Dienstverhältnisses sollte die Abgabe jedoch zu entrichten sein. Bei einer Pflicht zur Leistung der Abgabe auch nach nur auf kurze Dauer befristeten Dienstverhältnissen käme es zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Dienstgeber.

2.1 Die Parteien ziehen nicht in Zweifel, dass nach dem Gesetz hier die Beklagte die Auflösungsabgabe für die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum zu tragen hat, weil kein Ausnahmetatbestand greift. Die Revisionswerberin stützt sich allerdings darauf, dass die Regelung des § 2b AMPFG insgesamt unsachlich sei, weil der Besteuerung des Tatbestands „Ende eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses“ und den Ausnahmetatbeständen ein kohärentes Konzept nicht zu entnehmen sei. Ungeachtet der Frage, inwieweit dieser Einwand der Beklagten zum Erfolg gegen den Kläger verhelfen könne, ist ein näherer Blick auf das Regelungsziel geboten.

2.2 Kraft/Risak(AMPFG § 2b, 44) führen aus, dass die Regelung über die Auflösungsabgabe neben der Vermeidung von Arbeitslosigkeit und damit zusammenhängenden Aufwendungen erkennbar auch eine Sanktionierung jener Dienstgeber bezwecke, die durch die Beendigung von (echten oder freien) Dienstverhältnissen für das Entstehen von Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Belastungen des Arbeitsmarktbudgets (mit)verantwortlich seien. Diese Regelungszwecke könnten als Auslegungshilfe bei Zweifelsfragen herangezogen werden.

Sauer/Furtlehner (in Pfeil, Der AlV-Komm, § 117 AMPFG Rz 16 ff) gehen davon aus, dass sich im Gesetz kleine Ansätze in Richtung eines „experience ratings“ finden würden, nach dem Dienstgeber, welche die Arbeitslosenversicherung vermehrt durch „Auflösungen“ belasten, mehr zu den Kosten beitragen. Als Zweck der Norm bei der Auslegung der Ausnahmetatbestände sei stets auch die potentielle Möglichkeit von „Arbeitslosigkeit“ und eines „Leistungsbezugs“ der beendeten arbeitslosen-versicherungspflichtigen (freien) Dienstverhältnissen mitzubedenken.

Diesen Gesetzeszweck legen hingegen Aubauer/Enzelsberger (ZAS 2013/2, 5 f) ihren verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht zugrunde.

2.3 Ein Zusammenhang zwischen dem Entstehen der Abgabenpflicht und einem Arbeitslosengeldbezug ist nicht nur bei den Ausnahmen des § 2b Abs 2 Z 3 lit a, d bis f AMPFG, sondern auch bei den von der Beklagten in ihrer Revision genannten Tatbeständen des § 2b Abs 2 Z 3 lit g (Entlassung) und Z 7 (Lösung gemäß § 25 IO) AMPFG zu erkennen: Arbeitslose, deren Dienstverhältnis in Folge eigenen Verschuldens beendet worden ist oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig gelöst haben, unterliegen der vierwöchigen Sperrfrist des § 11 Abs 1 AlVG. Nach § 16 Abs 1 lit d AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Zeitraums, für den Schadenersatz nach § 25 Abs 2 IO gebührt. Bei der Auflösung innerhalb des Probemonats (§ 2b Abs 2 Z 2 AMPFG) wiederum mag die Anwartschaft gemäß § 14 AlVG für den Bezug von Arbeitslosengeld in einigen Fällen gar noch nicht erfüllt sein. Jedenfalls aber greift angesichts der kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses hier die den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Erwägung, dass es zu keiner unverhältnismäßigen Belastung des Dienstgebers kommen soll.

Es ist daher richtig, wie die Beklagte meint, dass die Ausnahmetatbestände sich nicht allein damit erklären lassen, „auf wessen Entscheidung die Beendigung des Dienstverhältnisses zurückgeht“. Vielmehr sind – wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat – die Ausnahmebestimmungen des § 2b AMPFG von unterschiedlichen Motiven getragen, die nicht zuletzt auch Dienstgeberinteressen berücksichtigen. In dem Zusammenhang hat das Berufungsgericht hervorgehoben, dass es dem Dienstgeber offen steht, in eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses nicht einzuwilligen, um eine Abgabenpflicht gar nicht erst entstehen zu lassen.

3.1 Damit ist die Frage zu klären, ob die Abgabe mit einer Vereinbarung vom Dienstgeber auf den Dienstnehmer überwälzt werden kann.

3.2 In der Entscheidung 9 ObA 22/19d hat der Oberste Gerichtshof die dortige Beurteilung der Vorinstanzen gebilligt, dass der Text einer im Zuge einer einvernehmlichen Auflösung errichteten Urkunde, wonach der Betrag für die Auflösungsabgabe bei der Endabrechnung vom Dienstgeber einbehalten werde, als bloße Wissenerklärung zu werten sei. Auch im Anlassfall hat sich der Kläger auf das Vorliegen einer reinen Wissenserklärung berufen. Dem ist die Beklagte allerdings mit dem Vorbringen entgegengetreten, ihr Fuhrparkleiter habe mit dem Kläger ausführlich besprochen, dass bei einer Dienstnehmerkündigung die Auflösungsabgabe nicht anfalle, bei einer einvernehmlichen Lösung der Dienstgeber aber die Auflösungsabgabe abzuführen habe. Aus diesem Grund sei die Beklagte zur einvernehmlichen Auflösung nur bereit gewesen, weil der Kläger „im Gegenzug“ die Auflösungsabgabe übernommen habe.

Das Erstgericht hat keine Feststellungen zu den näheren Umständen des Abschlusses der Auflösungsvereinbarung getroffen, womit nicht beurteilt werden kann, ob eine bloße Wissens- oder doch eine Willenserklärung vorliegt. Die Klagsstattgebung erweist sich jedoch schon aus einem anderen Grund als berechtigt, sodass es auf die fehlenden Feststellungen nicht ankommt.

3.3 Nach Kraft/Risak(AMPFG § 2b, 44, 66) stünde eine Überwälzung der Auflösungsabgabe vom Dienstgeber an den (echten oder freien) Dienstnehmer (zB Abzug der Auflösungsabgabe von den Dienstnehmerbezügen in der Endabrechnung) mit dem Regelungszweck im Widerspruch und sei daher unzulässig. Diesbezügliche Vereinbarungen wären rechtsunwirksam. Auch wenn der Dienstgeber dem Wunsch des Dienstnehmers nach einer einvernehmlichen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nachkomme, falle die Auflösungsabgabe an. Eine Überwälzung derselben auf den Dienstnehmer sei auch in diesem Fall unzulässig.

Schrank (Die neue Auflösungsabgabe, RdW 2012, 480 Fn 5) meint ebenfalls, dass die vom Dienstgeber zu tragende Auflösungsabgabe nicht auf den Dienstnehmer überwälzbar sei. Die alleinige Abgabepflicht des Dienstgebers folge aus § 2b Abs 1 erster Satz AMPFG und werde in Abs 4 durch die Anknüpfung an das für „Dienstgeberbeiträge“ geltende Verfahren bestätigt. Dies und die in Abs 5 festgelegte Entrichtungspflicht durch den Abgabepflichtigen stehe in Verbindung mit dem unzweifelhaft zwingenden Charakter der Abgabe vertraglichen Überwälzungen auf den Dienstnehmer wohl auch dort entgegen, wo eine zB einvernehmliche Auflösung anstelle einer Selbstkündigung in seinem Interesse läge (Entfall einer Arbeitslosengeldsperre).

3.4 Auf die – von der Beklagten bekämpfte – Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass sich die Unwirksamkeit der gegenständlichen Vereinbarung aus einer analogen Anwendung des § 539 ASVG ergebe, für die sprechen könnte, dass die Auflösungsabgabe nach dem Muster der Dienstgeberabgabe konzipiert wurde und gemäß § 2b Abs 5 AMPFG gemeinsam mit den Sozialversicherungsbeiträgen fällig und vom Dienstgeber unaufgefordert zu entrichten war, braucht nicht weiter eingegangen zu werden, gebietet doch schon die vom Gesetz verfolgte Sanktionierung der Beendigung von Dienstverhältnissen zu Lasten des Arbeitsmarktbudgets die Unwirksamkeit der Vereinbarung. Dieser Zweck könnte unterlaufen werden, sollte der (hier für die Beendigung mitverantwortliche) Dienstgeber die Abgabe auf den Dienstnehmer überwälzen können. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fragestellung schon im Ansatz von der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung 9 ObA 148/13k, in der es als zulässig angesehen wurde, die Provisionshöhe unter Berücksichtigung der vom Arbeitgeber zu tragenden Dienstgeberanteile zu bestimmen, oder auch der Entscheidung 9 ObA 5/08p zur Sonderunterstützung.

4. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG50, 41 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00064.20Z.0825.000

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