OGH vom 07.05.2019, 10ObS32/19g

OGH vom 07.05.2019, 10ObS32/19g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Werner Pletzenauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei DI H*****, vertreten durch Mag. Claus Marchl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15–19, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 103/18b-11, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Tochter des Klägers, V*****, wurde am geboren. Die Mutter von V***** bezog einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld von bis . Im Anschluss daran beantragte der Kläger die Gewährung von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld von bis .

Der Kläger hat am mit Wirkung vom selben Tag den Austritt aus seinem unbefristeten Dienstverhältnis zur B***** GesmbH gemäß § 25 IO wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieser Gesellschaft erklärt. Von bis erhielt er von der IEF Service GesmbH eine Kündigungsentschädigung ausgezahlt. Vom bis stand er in einem Dienstverhältnis zu einer anderen Gesellschaft. Mit begann er für eine weitere Gesellschaft zu arbeiten, bei der er nach wie vor beschäftigt ist.

Mit vom lehnte die beklagte Wiener Gebietskrankenkasse den Antrag des Klägers auf Gewährung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes mit der Begründung ab, dass der Bezug einer von der IEF Service GesmbH geleisteten Kündigungsentschädigung im Zeitraum vom bis keine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 24 Abs 2 KBGG darstelle.

Das wies die dagegen gerichtete Klage ab.

Das gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass keine durchgehende Beschäftigung in der Dauer von sechs Monaten vor der Geburt des Kindes vorliege. Infolge des vorzeitigen Austritts nach § 25 IO und der daraus resultierenden Beendigung der Erwerbstätigkeit könne zwischen (Beginn des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums) und dem (Beginn des neuen Dienstverhältnisses) nicht von einer tatsächlichen Ausübung der Erwerbstätigkeit iSd § 24 KBGG idF BGBl I 2013/117 ausgegangen werden. Zur Erfüllung des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums würden mehr als 14 Kalendertage fehlen.

Rechtliche Beurteilung

In seiner gegen dieses Urteil erhobenen macht der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend.

1. Gemäß § 24 Abs 1 Z 2 KBGG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2013/117 besteht Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, wenn der Elternteil in den letzten sechs Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß § 24 Abs 2 KBGG war sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken. Gemäß § 24 Abs 2 KBGG versteht man unter Erwerbstätigkeit im Sinne des KBGG „die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit“.

1.2 Das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens soll somit nur vor der Geburt tatsächlich erwerbstätigen Eltern offenstehen. Die Erwerbstätigkeit muss durchgehend in den letzten sechs Monaten vor der Geburt tatsächlich ausgeübt werden, wobei geringfügige Unterbrechungen (das sind solche bis zu 14 Kalendertagen) zulässig sind, um Härtefälle zu vermeiden (RISJustiz RS0128183; ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16).

2.1 Der Kläger hat am gemäß § 25 IO seinen gerechtfertigten Austritt aus dem Arbeitsverhältnis erklärt. Der gerechtfertigte Austritt beendet das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung (Pfeil in Neumayr/Reissner, ZellKomm³ § 29 AngG Rz 10), sodass ab dem Beginn des maßgeblichen sechsmonatigen Beobachtungszeitraums (hier ab ) bis zum Beginn des neuen Dienstverhältnisses am keine tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit vorlag.

2.2 Dass der Kläger in diesem Zeitraum eine Kündigungsentschädigung bzw Schadenersatzleistung bezogen hat und infolgedessen lohnsteuerpflichtig und pflichtversichert war, kann zu keinem für ihn günstigeren Ergebnis führen:

Da sich der begünstigte Austritt nach § 25 IO in seinen Rechtsfolgen nicht von einem begründeten Austritt nach allgemeinem Arbeitsrecht unterscheidet (8 ObS 4/12i SSV-NF 26/57 mwN) hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadenersatz in der Art der Kündigungsentschädigung. Er soll wirtschaftlich so gestellt werden, als wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß durch Zeitablauf oder durch „ordnungsgemäße Kündigung“ beendet worden (RS0120259; RS0119684; RS0028397).

2.3 Der Umstand, dass der sozialversicherungsrechtliche Entgeltanspruch sowie die daraus resultierende Beitragspflicht erst mit dem Ende jenes Zeitraums enden, für den Kündigungsentschädigung/Schadenersatzleistung zusteht, ändert aber nichts daran, dass das Dienstverhältnis (und damit die Erwerbstätigkeit) durch den Austritt beendet wurde. In der Entscheidung 10 ObS 164/17s wurden (mit ähnlicher Begründung) Zeiten des Bezugs einer Urlaubsersatzleistung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 KBGG nicht gleich gehalten und dazu ausgeführt, der Umstand, dass die Urlaubsersatzleistung einen während des Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchten Urlaub abgelten solle und die Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs 2 ASVG für die Zeit des Bezugs Urlaubsersatzleistung weiter bestehe, ändere nichts daran, dass der Anspruch gemäß § 10 UrlG die vorherige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit der Erwerbstätigkeit voraussetzt.

3.1 Nach § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG gelten als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt nur Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, weiters Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit zum Zweck der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder dem VKG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes.

3.2 Mit seinem Vorbringen, auch Zeiträume des Bezugs der Kündigungsentschädigung bzw einer Schadenersatzleistung nach einem Austritt nach § 25 IO müssten der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt sein bzw sei für die Dauer dieser Zeiträume eine tatsächliche Erwerbstätigkeit zu fingieren, möchte der Revisionswerber zu seinen Gunsten einen Analogieschluss zu § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG erreichen. Auch mit diesem Vorbringen wird aber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt, kann doch die Meinung, eine Regelung sei wünschenswert, die Annahme einer Gesetzeslücke nicht rechtfertigen und für sich allein keinen Grund für einen Analogieschluss abgeben (RS0008757 [T2]).

4. Die Ansicht der Vorinstanzen, Zeiträume des Bezugs einer Kündigungsentschädigung nach einem Austritt gemäß § 25 IO stellten keine tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 KBGG dar, entspricht somit der Rechtslage.

Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00032.19G.0507.000

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