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OGH vom 24.10.2012, 8ObA64/11m

OGH vom 24.10.2012, 8ObA64/11m

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Schleinzer und Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** J*****, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grassl Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 31.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 45/11f 13, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.751,04 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 291,84 EUR USt) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezieht aufgrund eines zwischen ihrem früheren Arbeitgeber und der Beklagten abgeschlossenen Pensionskassenvertrags eine Rente aus einem beitragsorientierten Pensionskassensystem.

Mit ihrer Klage begehrt sie die Herausgabe eines Teilbetrags des auf ihrem von der Beklagten geführten Pensionskonto vorhandenen Deckungskapitals mit der Begründung, sie sei zur Auflösung des Pensionskassenvertrags aus wichtigen Gründen berechtigt. Das vertraglich festgelegte Veranlagungsziel werde laufend verfehlt, sodass es zu einer ständigen Verringerung der Pensionsleistungen gekommen sei. Eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses sei der Klägerin unter diesen Umständen nicht zumutbar.

Die Beklagte verweigere die Herausgabe des Guthabens und beziehe sich dabei auf § 1 Abs 2 PKG, der die Abfindung einer Pensionsleistung nur unter sehr eingeschränkten, unstrittig auf die Klägerin nicht zutreffenden, Bedingungen erlaube. Diese Gesetzesbestimmung verstoße gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, weil sie die Möglichkeit, das im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erwirtschaftete Kapital nach eigenen Gutdünken anzulegen, unzulässig einschränke.

Das in der Klage enthaltene Tatsachenvorbringen über die in der Vergangenheit von der Beklagten erreichten Veranlagungsergebnisse und die bisherigen Pensionseinbußen der Klägerin ist unbestritten geblieben.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Klägerin begehre eine Pensionsabfindung, die in § 1 Abs 2 PKG normierten Voraussetzungen dafür lägen aber nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage für nicht zulässig. Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, dass die geltende Gesetzeslage die begehrte Abfindung der Pensionskassenleistung nicht zulasse.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die Bestimmung des § 1 Abs 2 PKG seien nicht zu teilen. Der Verfassungsgerichtshof habe bereits mit Beschluss vom , GZ G 245/09, einen auf die Aufhebung einer Wortfolge des § 1 Abs 2 PKG gerichteten Drittelantrag gemäß Art 140 Abs 1 zweiter Satz B VG mit der Begründung zurückgewiesen, diese Aufhebung würde zu einer tiefgreifenden Veränderung des gesamten Gesetzesinhalts führen, andererseits könnte die behauptete Verfassungswidrigkeit damit insoweit nicht beseitigt werden, als sie im Antrag im Fehlen von gesetzlichen Regelungen über das Ausscheiden oder den Wechsel der Pensionskasse durch den Anspruchsberechtigten erblickt würde.

Angesichts dieser bereits ergangenen Entscheidung sehe sich das Berufungsgericht nicht veranlasst, der Anregung auf Einleitung eines neuerlichen Normenprüfungsverfahrens nachzukommen.

In ihrer von der Beklagten nach Freistellung gemäß § 508a Abs 2 ZPO beantworteten Revision führt die Klägerin ins Treffen, das Berufungsgericht habe übersehen, dass sich ihre verfassungsrechtlichen Bedenken nur zum Teil mit jenen des im Urteil zitierten Gesetzesprüfungsantrags deckten. Die Klägerin beziehe sich keineswegs nur auf das Fehlen einer Regelung über eine ordentliche Kündigung des Pensionskassenvertrags durch die Leistungsberechtigten, sondern vor allem auf die Möglichkeit einer vorzeitigen Auflösung des Vertrags aus wichtigen Gründen. Diese Möglichkeit sei nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aber grundsätzlich jedem Dauerschuldverhältnis immanent und müsse daher schon bei verfassungskonformer Interpretation des geltenden Rechts auch auf Pensionskassenverträge angewendet werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig , weil die darin angesprochenen Rechtsfragen angesichts einer sehr großen Zahl von Anwartschafts- und Leistungsberechtigten von über den Anlassfall hinausgehender Bedeutung sind und einer Klarstellung bedürfen. Die Revision ist aber nicht berechtigt .

1. Zu den in der Revision neuerlich angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beschränkung der Möglichkeit einer Pensionsabfindung nach § 1 Abs 2 PKG kann auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Revisionswerberin bringt keine neuen Argumente vor und führt auch nicht aus, gegen welche konkrete, vom Verfassungsgerichtshof noch nicht geprüfte Wortfolge des § 1 Abs 2 PKG sich ihre Bedenken richten. Da ein Normenprüfungsverfahren jedenfalls nur zur Aufhebung einer bestimmten Regelung wegen Verfassungswidrigkeit führen kann, aber nicht zur Ergänzung oder Änderung eines als unbefriedigend empfundenen Gesetzes, ist der Anregung der Revisionswerberin nicht näherzutreten.

2. Zu Recht macht die Revision aber geltend, dass das Berufungsgericht in seiner Entscheidungsbegründung auf einen Teil des Klagsvorbringens nicht eingegangen ist.

Die Frage, ob Leistungsberechtigte iSd § 5 Z 2 PKG aus wichtigem Grund einseitig die vorzeitige Beendigung des Pensionskassenvertrags erklären können und welche Folgen eine solche Auflösung nach sich ziehen würde, steht in keinem rechtlichen Zusammenhang mit dem Regelungsgegenstand des § 1 Abs 2 PKG, der die bei aufrechtem Vertragsverhältnis zu erbringenden Leistungen determiniert.

Die herrschende Lehre und Rechtsprechung leitet aus §§ 1162, 1117 und 1118 ABGB den allgemeinen Grundsatz ab, dass alle Dauerschuldverhältnisse bei Vorliegen wichtiger Umstände, aus denen einem Teil die Vertragsfortsetzung unzumutbar wäre, vorzeitig aufgelöst werden können (ua Binder in Schwimann , ABGB³ V, § 1117 Rz 2; 9 ObA 229/97k; Reischauer in Rummel ³, Vor §§ 918 933 Rz 7; Rummel in Rummel ³, § 859 Rz 27; RIS Justiz RS0018368; RS0018305; vgl auch RS0018864 [nicht typisierte Vertragsverhältnisse]; RS0013376 [Gesellschaft bürgerlichen Rechts]; RS0027780 [Abbauvertrräge]; 5 Ob 607/88).

Die Zusage und Abwicklung einer betrieblichen Pensionszusage, die auf periodisch wiederkehrende, einander wechselseitig bedingende und auf unbestimmte Zeit zu erbringende Leistungen gerichtet ist, begründet im Sinne der herrschenden Terminologie ein Dauerschuldverhältnis (ua Apathy/Riedler in Klang ³ § 859 ABGB Rz 21; Rummel aaO § 859 Rz 28). Mit der Übertragung von individuellen Pensionszusagen des Arbeitgebers an eine überbetriebliche Pensionskasse entsteht ein mehrpersonales, aus jeweils differenziert zu betrachtenden Rechtsbeziehungen zusammengesetztes Dauerschuldverhältnis.

Der Pensionskassenvertrag als solcher wird nach § 15 Abs 1 PKG zwischen dem beitretenden Arbeitgeber und der Pensionskasse abgeschlossen. Die Arbeitnehmer gelangen im Regelfall, von dem nach den Klagsangaben auszugehen ist, als Normunterworfene einer Betriebsvereinbarung oder eines Kollektivvertrags lediglich in den Kreis der Begünstigten (§ 3 Abs 1 BPGG). Beim Pensionskassenvertrag handelt es sich nach herrschender Auffassung um einen echten Vertrag zugunsten Dritter iSd § 881 ABGB, der den Leistungsberechtigten (§ 5 Z 2 lit a PKG) die unmittelbare Durchsetzung des Auszahlungsanspruchs gegenüber der Pensionskasse eröffnet, sobald ein Leistungstatbestand verwirklicht ist ( Apathy/Riedler in Schwimann ³ § 882 ABGB Rz 1; Schrammel , Betriebspensionsgesetz, Erl 5.2. zu § 3 BPG, Anm zu § 15 PKG; Farny/Wöss , BPG-PKG, § 1 PKG E 4, § 15 PKG E 1, 2; Schrammel , Aktuelle Fragen des Betriebspensions und Pensionskassenrechts, DRdA 2004, 211 ff).

Das Einlösungsverhältnis allein begründet aber keine Vertragsbeziehung zwischen der Pensionskasse und dem Leistungsberechtigten ( Kalss in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 §§ 881, 882 Rz 12). Vertragliche Gestaltungsrechte, wie Wandlung, Anfechtung, Widerruf oder die von der Revision reklamierte Auflösung des Dauerschuldverhältnisses, bestehen auch beim echten Vertrag zu Gunsten Dritter nur zwischen den jeweiligen Vertragsparteien ( Apathy/Riedler aaO Rz 4; Rummel in Rummel ³, § 882 Rz 2). Einwendungen zwischen den Beteiligten sind nur aus ihren jeweiligen Rechtsbeziehungen möglich.

Gemäß § 17 Abs 1 PKG können nur der Arbeitgeber oder die Pensionskasse den Pensionskassenvertrag kündigen oder einvernehmlich auflösen, überdies nur für alle erfassten Anwartschafts und - mangels anderweitiger Vereinbarung - Leistungsberechtigten gemeinsam. Die tragenden, aus Abs 1 hervorgehenden Grundsätze der Kündigung eines Pensionskassenvertrags sind jene der Vermögenssicherung und des Kollektivismus (9 ObA 147/11z; s auch Resch , Der Wechsel von einer Pensionskasse in eine betriebliche Kollektivversicherung bei aufrechtem Arbeitsvertrag, JBl 2010, 765, 768).

Die Konsequenz einer Auflösung des Pensionskassenvertrags durch Kündigung ist aber auch nicht, wie es die Klägerin anstrebt, die Rückzahlung des eingezahlten Kapitals an Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, sondern die Übertragung der Rückstellungen auf eine andere Pensionskasse oder eine gleichgehaltene Einrichtung. Die Sicherstellung dieser Übertragung ist gesetzliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Auflösungserklärung.

Die Leistungsberechtigten können ihrerseits alle Ansprüche aus dem Einlösungsverhältnis gegen die Pensionskasse geltend machen, insbesondere die vertraglich vereinbarte Zahlung verlangen (7 Ob 48/86; Kolmasch in Schwimann , ABGB TaKomm § 882 Rz 3), es kommen ihnen als begünstigten Dritten jedoch keine Gestaltungsrechte in Bezug auf den Pensionskassenvertrag zu. Ein individuelles Auflösungsrecht verbietet sich zwangsläufig, weil jede Ausübung durch den Einzelnen in die Rechte aller anderen Mitglieder der Veranlangungs und Risikogemeinschaft (§ 12 PKG) eingreifen würde.

Ob im Valutaverhältnis, also zwischen den Parteien des (ehemaligen) Arbeitsvertrags, nach Eintritt in das Erfüllungsstadium des Pensionskassenvertrags noch Gestaltungs oder Auflösungsrechte ausgeübt werden könnten, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu untersuchen. Gegenüber der Beklagten steht der Klägerin als Leistungsberechtigter jedenfalls kein Auflösungsrecht zu. Ob eine unzutreffende Einschätzung der künftigen Veranlagungsergebnisse dafür überhaupt einen gerechtfertigten Grund bieten könnte, muss dahingestellt bleiben (vgl 7 Ob 542/81 = RIS Justiz RS0018368 [T7]; RS0027780 [T30]).

Die Revisionswerberin unterliegt im Übrigen einem grundsätzlichen Missverständnis des Wesens einer Betriebspensionszusage, wenn sie die eingezahlten Arbeitgeberbeiträge als in ihrem Eigentum stehendes Kapital betrachtet, dessen Verwaltung ihr nicht aus der Hand genommen werden dürfe. Mangels gegenteiliger Vereinbarung verschafft die betriebliche Pensionszusage den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten nur das Recht auf Auszahlung laufender Rentenbeträge vom Leistungsanfall bis zum Lebensende, gegebenenfalls auf Hinterbliebenenleistungen. Das durch die laufenden Beiträge angesparte, versicherungsmathematisch errechnete Deckungskapital für die Renten fließt in die gesamte Veranlagungs und Risikogemeinschaft ein, die einzelnen Leistungsberechtigten erwerben daran kein Eigentum, sondern nur ein dem Fruchtgenuss ähnliches, mit dem Ableben (bzw Wegfall etwaiger Hinterbliebenenansprüche) endendes Recht.

Diese Beschränkung steht nicht im Widerspruch dazu, dass die Beiträge des Arbeitgebers zur Pensionskasse im Anwartschaftsstadium ihrem Wesen nach eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit bilden. Der Arbeitnehmer hat auch während des aufrechten Dienstverhältnisses keinen Anspruch auf Auszahlung der vereinbarten Pensionskassenbeiträge an sich selbst, sondern nur darauf, dass diese an die Pensionskasse geleistet werden. Diese Beiträge verschaffen ihm dann als berechtigten Dritten die aus dem Pensionskassenvertrag und dessen Grundlagen sich ergebenden Pensionsansprüche. Nur die Einbringung dieser Beitragsleistung in die Pensionskasse, nicht aber die Beitragssumme selbst sind die im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Gegenleistung.

Das nach § 18 PKG für jeden Arbeitnehmer zu führende Pensionskonto dokumentiert entgegen der Meinung der Revisionswerberin kein persönliches Sondervermögen, sondern dient nur der Berechnung der Deckungsrückstellung und der Pensions- und Unverfallbarkeitsbeträge.

Der Revision kommt daher im Ergebnis keine Berechtigung zu.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 ASGG.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2012:008OBA00064.11M.1024.000