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VfGH vom 02.10.1984, B528/80

VfGH vom 02.10.1984, B528/80

Sammlungsnummer

10168

Leitsatz

EStG 1972; Verweigerung der Anerkennung der Zinsen eines Darlehens zur Erfüllung von Pflichtteilsforderungen als Betriebsausgaben des im Erbweg erworbenen Unternehmens iS des § 4 Abs 4; keine Unterstellung eines gleichheitswidrigen Inhalts, keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Am wurde dem Bf. der Nachlaß seines am verstorbenen Bruders eingeantwortet. Er bestand im wesentlichen aus einem Fotoatelier im Wert von rund 6 Millionen Schilling, das der Bf. weiter betreibt. Zur Erfüllung der Pflichtteilsforderungen der mj. Kinder des Erblassers in der Höhe von rund 3 Millionen Schilling hatte der Bf. im Mai 1975 ein Darlehen aufgenommen. Der im Instanzenzug ergangene Bescheid der Finanzlandesdirektion Tirol vom verweigert (für die Jahre 1975 bis 1977) die Anerkennung der Zinsen dieses Darlehens als Betriebsausgaben.

Die gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz. Die Aufnahme des Darlehens sei betrieblich begründet gewesen. Die Behörde behandle wirtschaftlich gleiche Sachverhalte verschieden: Hätte der Bf. die Pflichtteile aus dem Nachlaß ausbezahlt, hätte er mit dem halben Vermögenseinsatz einen entsprechend geringeren Ertrag erzielt, er hätte dann Fremdmittel aufnehmen und die Zinsen gewinnmindernd verrechnen können; schließlich hätten die Pflichtteilsansprüche auch durch Rentenleistungen befriedigt und zumindestens die Zinsenanteile abgerechnet werden können. Die Darlehensaufnahme zur Erfüllung der Pflichtteilsansprüche sei wirtschaftlich gleichwertig. Das Erfordernis eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhanges der Verpflichtung mit dem Betrieb führe zu einem verfassungswidrigen Ergebnis.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Betriebsausgaben sind nach der - aus der Sicht des Beschwerdefalles - verfassungsrechtlich unbedenklich und in der Beschwerde auch nicht bekämpften Bestimmung des § 4 Abs 4 EStG 1972 Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind.

Der VwGH hat bereits im Erk. Z 122/77 vom 8. Feber 1977 die Auffassung vertreten, Pflichtteilszahlungen seien keine Betriebsausgaben, da diese Aufwendungen nicht durch den Betrieb veranlaßt würden und außerhalb der betrieblichen Sphäre lägen. Im Erk. Z 1085, 1217/76 vom sprach er - an diese Entscheidung anknüpfend - aus, Pflichtteilsschulden beruhten weder ursächlich noch unmittelbar auf Vorgängen, die den Betrieb betreffen, sondern auf dem außerhalb der betrieblichen Sphäre liegenden Erbfall; daß sie nur durch Entnahmen aus dem Betrieb getilgt werden könnten, begründe den erforderlichen Zusammenhang ebensowenig wie der Umstand, daß sie auf der Betriebsliegenschaft sichergestellt seien. Auf das Erk. aus 1978 wiederum nimmt das Erk. des VwGH Z 1535, 1747, 1748/79 vom 1. Feber 1980 folgendermaßen bezug:

"Die Beschwerde ist der Meinung, der Grundsatz jenes Erkenntnisses wäre im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die Beschwerdeführerin und ihre Söhne vertraglich die Pflichtteilsforderungen in Darlehensforderungen gemäß § 1376 ABGB umgeändert hätten ...

Selbst wenn ... die Pflichtteilsschuld der Beschwerdeführerin in eine Darlehensschuld umgewandelt worden wäre, könnte dies an der abgabenrechtlichen Beurteilung nichts ändern. Für diese ist allein maßgebend, daß die Schuld, in einem Fall wie dem vorliegenden, wirtschaftlich nicht mit dem Betrieb zusammenhängt, und zwar gleichgültig, ob der zivilrechtliche Rechtsgrund in der Folge durch einen anderen ersetzt wird. Denn der durch den Erbfall bedingte und somit der Privatsphäre zuzurechnende Grund für das ursprüngliche Entstehen der Schuld bleibt auch weiter ausschlaggebend, ...

... Das gilt jedenfalls, solange nicht dargetan ist, daß die entsprechenden Mittel auch ohne Zusammenhang mit dem außerbetrieblichen, zur Schuldbegründung führenden Ereignis als Fremdkapital für betriebliche Zwecke hätten aufgenommen werden müssen. Ein derartiger Fall wurde von der Beschwerdeführerin nicht behauptet."

Aus dieser Formulierung meint die Beschwerde ableiten zu können, daß Zinsen für Darlehen zur Abdeckung von Pflichtteilsschulden selbst nach der Rechtsprechung des VwGH dann Betriebsausgaben seien, wenn die Mittel aus dem Betrieb gezogen werden müssen und dafür Fremdkapital als Ersatz aufgenommen wird. Es sei verfehlt, wenn die Behörde ein solches Ergebnis vom Vorliegen eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhanges zwischen Verpflichtung und betrieblicher Sphäre abhängig mache. Das konstitutive Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verlange eine Beschränkung des Steuereingriffs auf den Nettonutzen. Bei Auszahlung der Pflichtteile aus dem Nachlaßvermögen würde von vornherein eine geringere Ertragsbasis verbleiben und nur der geringere Nutzen dieses Vermögens zu versteuern sein.

Dem Einwand der Gegenschrift, die in Beschwerde gezogenen Vergleichsfälle würden nicht anders zu behandeln sein als der Beschwerdefall, weil die Fremdmittelaufnahme doch immer nur privat veranlaßt wäre, begegnet der Bf. mit der zusammenfassenden Behauptung, es sei die Häufung von fehlerhaften Auslegungen, die insgesamt zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis führe.

2. Der VfGH hält es nicht für erforderlich, allgemein zum Begriff des Betriebsvermögens und zur Frage Stellung zu nehmen, wann eine Betriebsausgabe vorliegt. Es steht außer Zweifel, daß der Erwerb im Erbweg und die Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten nicht der betrieblichen Sphäre zugehören. Die von der Beschwerde aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage geht vielmehr dahin, ob der Gesetzgeber berechtigt wäre, eine Darlehensaufnahme zur Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen aus dem zum Erwerb des Betriebes führenden Erbgang gleichfalls als ein Ereignis der Privatsphäre zu behandeln und den auflaufenden Zinsen gewinnmindernde Wirkung zu versagen.

Diese Frage meint der VfGH bejahen zu müssen. Wohl soll die Aufnahme eines solchen Darlehens den Auswirkungen der Pflichtteilslast auf den Betrieb begegnen und den Entzug von Mitteln verhindern oder doch ausgleichen. Diese Zielsetzung verleiht der Maßnahme auch den Charakter einer betriebsbezogenen Handlung. Es ist aber eine Frage gesetzgeberischer Bewertung, ob die außerbetriebliche Ursache oder der betriebliche Anlaß entscheidet. Jede Privatentnahme kann ausgleichende Maßnahmen auslösen. Sollen anders nicht alle Vorgänge der Privatsphäre steuerlich wirksam werden, müssen betriebliche oder außerbetriebliche Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei zeichnet die Verfassung dem Gesetzgeber kein bestimmtes Modell vor.

Daß der Spielraum gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit überschritten wäre, wenn ein zur Begleichung der Pflichtteile aufgenommenes Darlehen nicht als Betriebsausgabe gewertet würde, kann der Gerichtshof den Ausführungen der Beschwerde nicht entnehmen. Ein Blick auf den vergleichbaren Fall einer Abgeltung von Pflichtteilsansprüchen zu Lebzeiten des Erblassers durch diesen selbst (etwa im Rahmen eines Erbverzichtes) macht deutlich, daß die Erfüllung solcher Ansprüche sich von sonstigen privaten Aufwendungen aus dem Betriebsvermögen nicht derart unterscheidet, daß die Aufnahme von ausgleichenden Darlehen als betrieblich veranlaßt steuerlich berücksichtigt werden müßte. Mag auch der hier zu beurteilende Erbgang sich davon deshalb unterscheiden, weil er dem Erben den Betrieb überhaupt erst verfügbar macht (wie die Abgeltung des Pflichtteils durch den Erblasser ihm selbst freie Hand gibt), so ist der Gesetzgeber doch nicht schon von Verfassungs wegen verhalten, die betriebliche Auswirkung stärker zu berücksichtigen, als die private Ursache der Vorgänge.

Ein gleichheitswidriger Inhalt wurde § 4 Abs 4 EStG 1972 also nicht unterstellt. Da Willkür nicht behauptet wurde und auch im Verfahren nicht hervorgekommen ist, kann eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz nicht vorliegen. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.