OGH vom 20.12.2019, 18ONc3/19i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Veith und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Musger und Mag. Painsi als weitere Richter in der Schiedsrechtssache der Antragstellerin N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Horst Pechar, Rechtsanwalt in Weiz, wider die Antragsgegnerin M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Bestellung eines Schiedsrichters, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag der Antragsgegnerin auf Unterbrechung des Verfahrens wird abgewiesen.
Zum Schiedsrichter wird Univ.-Prof. Dr. *****, bestellt.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 2.457,30 EUR bestimmten Kosten des Bestellungsverfahrens (darin 364,72 EUR USt und 269 EUR Barauslagen) zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die beantragt die Bestellung eines Schiedsrichters nach § 587 Abs 2 Z 4 ZPO. Sie sei aufgrund Verschmelzung Rechtsnachfolgerin einer Gesellschaft, die mit der Antragsgegnerin einen Kaufvertrag über zwei Liegenschaften geschlossen habe. Dieser Vertrag habe eine Klausel enthalten, wonach alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Vertrag durch ein Schiedsgericht mit drei Schiedsrichtern zu entscheiden seien. Weiters sei die Geltung der Bestimmungen des 4. Abschnitts des 6. Teils der ZPO vereinbart worden.
Die Antragsgegnerin habe sich im Vertrag zur Errichtung eines Hotels bis verpflichtet. Da sie diese Verpflichtung nicht erfüllt habe, habe die Antragstellerin Schiedsklage erhoben und einen Schiedsrichter benannt. Der Antragsgegnerin seien die Klage und die Aufforderung zur Bestellung eines Schiedsrichters am zugestellt worden. Dennoch habe die Antragsgegnerin bisher keinen Schiedsrichter bestellt.
Der stellte der Antragsgegnerin frei, sich binnen 14 Tagen zum Antrag zu äußern, wobei bei Nichtäußerung angenommen werde, dass die Angaben der Antragstellerin zuträfen und ein Schiedsrichter zu bestellen sei. Weiters teilte der Senat beiden Parteien mit, dass er beabsichtige, gegebenenfalls Univ.Prof. Dr. ***** zum Schiedsrichter zu bestellen. Allfällige Gründe für dessen Befangenheit seien ebenfalls binnen 14 Tagen bekanntzugeben.
Die äußerte sich nicht zur Person des Schiedsrichters.
Die beantragte die „amtswegige Prüfung“ von „möglichen Zweifeln“ an der Unbefangenheit zweier Senatsmitglieder sowie die Abweisung des Antrags auf Schiedsrichterbestellung, hilfsweise die Unterbrechung des Verfahrens. Der in Aussicht genommene Schiedsrichter werde abgelehnt.
Der Antrag auf „amtswegige Prüfung“ der Befangenheit sei keine Ablehnung; vielmehr werde ein Sachverhalt „analog § 22 JN“ vorgebracht. Der Senat habe insofern einen „speziellen“ Charakter, als beide in der Geschäftsverteilung vorgesehenen Berichterstatter enge Beziehungen zur Stadt ***** und „zu den Personen hinter der [Antragstellerin]“ aufwiesen, und zwar zu einem namentlich genannten Anwalt, einem Universitätsprofessor und einem Wirtschaftsprüfer, „wahrscheinlich aber nicht“ zu einem russischen Oligarchen. Bei einem der Berichterstatter spreche eine Entscheidung, die in einer anderen Sache unter seiner Beteiligung ergangen sei, Zweifel an der Unbefangenheit. Hingegen ließen sich beim anderen Berichterstatter mögliche Zweifel an der Unbefangenheit „nicht ausschließen“, weil dessen Tochter im Rahmen eines „Mootcourt“ der Universität ***** einem Team angehört habe, das von einer Rechtsanwaltskanzlei betreut worden sei, der auch der besagte Rechtsanwalt angehöre.
In der Sache bestreitet die Antragsgegnerin weder das Bestehen des Vertrags mit der Schiedsklausel noch die Verschmelzung der seinerzeitigen Vertragspartnerin in die Antragstellerin. Es sei allerdings „denkmöglich ausgeschlossen“, dass die Vertragspartner eine Schiedsvereinbarung geschlossen hätten, wenn der oben genannte Rechtsanwalt „denkmöglicher Gegner“ hätte werden können. Weiters seien durch die Verschmelzung, analog zum Tod einer natürlichen Person, alle „höchstpersönlichen Rechte“ der Vertragspartnerin untergegangen. Darunter falle auch ein Wiederkaufsrecht, das Gegenstand der Schiedsklage sei. Dieses Wiederkaufsrecht sei inzwischen im Grundbuch gelöscht, ein Revisionsrekurs sei anhängig. Durch den Untergang des Wiederkaufsrechts sei auch das „Recht auf ein Schiedsverfahren“ erloschen. Das ebenfalls einen Gegenstand der Schiedsklage bildende Rücktrittsrecht der Verkäuferin (gemeint: nach § 918 ABGB für den Fall des Verzugs mit der Errichtung des Hotels) sei im Vertrag durch die Vereinbarung des Wiederkaufsrechts abbedungen worden; zudem sei insofern nie eine Nachfrist gesetzt worden und Verjährung eingetreten. Die Antragstellerin habe im Übrigen verheimlicht, dass im Verschmelzungsvertrag festgehalten worden sei, dass das Wiederkaufsrecht mit der Verschmelzung untergehe. Es liege ein „Prozessbetrug“ vor, mit dem die Antragsgegnerin in die Insolvenz getrieben werden solle. Dazu seien auch „andere strafbare Maßnahmen“ gesetzt worden, die „Gegenstand“ eines Verfahrens bei der WKStA seien.
Sollte der Antrag nicht aus all diesen Gründen abgewiesen werden, sei das Verfahren zumindest bis zur Beendigung des Grundbuchs- und des Ermittlungsverfahrens zu unterbrechen.
Der in Aussicht genommene Schiedsrichter werde abgelehnt. Zwar habe die Antragsgegnerin keine Zweifel an der Integrität und fachlichen Qualifikation des in Aussicht genommenen Schiedsrichters. Aus „Sicht der demokratischen Öffentlichkeit“ ließen sich aber Zweifel an dessen Unbefangenheit nicht ausschließen, weil er an derselben Universität unterrichte wie ein hinter der Antragstellerin stehender Universitätsprofessor. Die Antragsgegnerin selbst bestelle keinen Schiedsrichter, weil dadurch der Anschein erweckt würde, dass die „Antragstellung“ zivilrechtlich berechtigt und die Sache auch nicht strafrechtlich verpönt sei.
Aufgrund der vorgelegten Urkunden wird folgender festgestellt:
Die Antragsgegnerin erwarb mit Kaufvertrag vom von der B*****gesellschaft m.b.H zwei Liegenschaften und verpflichtete sich, darauf bis Ende 2015 ein Hotel zu errichten. Für den Fall der Nichterrichtung wurde ein Wiederkaufsrecht vereinbart. Der Vertrag enthält folgende Schiedsklausel:
„Alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag einschließlich der Frage seines gültigen Zustandekommens, seiner Erfüllung und Beendigung sowie seiner vor- und nachvertraglichen Wirkungen werden ausschließlich und endgültig durch ein Schiedsgericht entschieden. Dies gilt sowohl für die Ansprüche auf vertraglicher, als auch für solche auf gesetzlicher Grundlage. Die Schiedsklausel unterliegt österreichischem Recht. Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern. Es gelten die Bestimmungen des 4. Abschnittes des 6. Teiles der ZPO. [...]“
Mit Notariatsakt vom wurde die B*****gesellschaft m.b.H als übertragende Gesellschaft mit der Antragstellerin als übernehmender Gesellschaft verschmolzen.
Mit Schiedsklage vom begehrte die die Antragstellerin
a.die Feststellung der Rechtswirksamkeit des von ihr erklärten Wiederkaufs, hilfsweise die Feststellung der Rechtswirksamkeit des von ihr erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag, und
b.die Einwilligung der Antragsgegnerin in die Einverleibung des Eigentumsrechts an den verkauften Liegenschaften für die Antragstellerin.
Weiters forderte sie die Antragsgegnerin zur Benennung eines Schiedsrichters auf. Die Schiedsklage und die Aufforderung gingen der Antragsgegnerin am zu. Sie benannte keinen Schiedsrichter.
Der in Aussicht genommene Schiedsrichter ist Universitätsprofessor für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht. Er kennt weder die Sache noch die nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin hinter der Antragstellerin stehenden Personen. Eine dieser Personen ist Professor an derselben Universität wie der Schiedsrichter, allerdings in einem anderen Fach. Der Schiedsrichter ist mit ihm nicht bekannt.
Diese gründen sich auf die von den Parteien vorgelegten Urkunden und das von der Antragsgegnerin unbestritten gebliebene Tatsachenvorbringen der Antragstellerin. Insbesondere bestehen keine Zweifel an den Angaben des Schiedsrichters, dass er weder die Sache noch die angeblich hinter der Antragstellerin stehenden Personen kenne. Widersprechende Beweisergebnisse gab es nicht.
Rechtliche Beurteilung
Auf dieser Grundlage ist ein zu .
1. Die Antragsgegnerin hat ausdrücklich erklärt, die beiden Berichterstatter des Senats wegen Befangenheit abzulehnen. Eine „amtswegige Prüfung“ hätte nur bei einer Anzeige möglicher Befangenheitsgründe (§ 22 GOG) zu erfolgen. Die Berichterstatter haben keine solche Anzeige erstattet. Auch der zu einer solchen Anzeige ebenfalls befugte Senat (9 Nc 9/12s) sieht dafür keinen Grund:
Zwar liegt ein Grund, die Unbefangenheit eines Richters iSv § 19 Z 1 JN in Zweifel zu ziehen, nach ständiger Rechtsprechung schon dann vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein der Voreingenommenheit – also der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (RS0045975) – entstehen könnte (RS0046052 [T2, T 10]; RS0045949 [T2, T 6]), dies auch dann, wenn der Richter tatsächlich (subjektiv) unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]). Der bloße Umstand der Herkunft aus derselben Stadt wie einige (angeblich) hinter der Antragstellerin stehende Personen ist aber von vornherein nicht geeignet, einen solchen Anschein der Befangenheit zu begründen. Gleiches gilt für einen möglichen, aber nicht einmal konkret behaupteten universitären Kontakt der Tochter eines Senatsmitglieds mit einem angeblich in die Sache involvierten Anwalt. Keiner dieser Umstände lässt bei objektiver Betrachtung auch nur den geringsten Zweifel an der Unbefangenheit der Senatsmitglieder entstehen.
2. Die Antragstellerin ist zufolge Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der seinerzeitigen Verkäuferin (RS0060147). Daher ist sie insbesondere in die Schiedsvereinbarung des Kaufvertrags eingetreten (RS0045386). Die dagegen erhobenen Einwände der Antragsgegnerin haben keinen Erfolg.
2.1. Bei einem Vertragsabschluss mit einer Kapitalgesellschaft muss immer mit einem Gesellschafterwechsel oder einer gesellschaftsrechtlichen Rechtsnachfolge gerechnet werden. Daher ist es schon auf der Tatsachenebene nicht nachvollziehbar, weshalb die konkrete Schiedsvereinbarung „denkmöglich ausgeschlossen“ gewesen sein sollte, wenn ein bestimmter Rechtsanwalt „denkmöglicher Gegner“ der Antragsgegnerin hätte werden können. Auf die (nicht leicht erkennbare) rechtliche Einordnung dieses Einwands kommt es daher nicht an.
2.2. Der Einwand der Antragsgegnerin, durch die Verschmelzung sei das Wiederkaufsrecht erloschen, bezieht sich auf die materielle Berechtigung der Schiedsklage und kann daher nichts an der Bindung beider Seiten an die Schiedsvereinbarung ändern. Gleiches gilt für den Einwand, das Rücktrittsrecht der Verkäuferin sei durch das Wiederkaufsrecht abbedungen oder jedenfalls nicht wirksam ausgeübt worden. Ob diese Einwände zutreffen, wird das Schiedsgericht zu entscheiden haben. Aus diesem Grund kommt auch keine Unterbrechung des Bestellungsverfahrens bis zur Entscheidung über den Revisionsrekurs in der das Wiederkaufsrecht betreffenden Grundbuchsache in Betracht.
2.3. Weshalb unzutreffendes oder unvollständiges Vorbringen in der Schiedsklage zur Unwirksamkeit der Schiedsklausel führen sollte, ist ebenfalls nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin wird ohnehin Gelegenheit haben, dem Schiedsgericht ihre Sicht der Dinge darzulegen. Die Behauptung eines „Prozessbetrugs“ und anderer „strafbarer Maßnahmen“ ist in keiner Weise substantiiert, sodass deren Relevanz für die gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters, die grundsätzlich nur eine Schiedsklausel und die Erfüllung der relevanten Tatbestandsmerkmale des § 587 ZPO voraussetzt, nicht weiter zu prüfen ist. Die Antragsgegnerin legt in diesem Zusammenhang auch nicht nachvollziehbar dar, weshalb das strafrechtliche Ermittlungsverfahren für das Bestellungsverfahren präjudiziell sein sollte. Auch insofern liegt daher kein Unterbrechungsgrund vor.
3. Die Parteien haben keine bestimmte Vorgangsweise für die Bildung des aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsgerichts vereinbart. Daher sind die Schiedsrichter nach § 587 Abs 2 Z 2 ZPO zu bestellen. Da die Antragsgegnerin den danach von ihr zu bestellenden Schiedsrichter nicht binnen vier Wochen benannt hat, liegen die Voraussetzungen für eine gerichtliche Bestellung nach § 587 Abs 2 Z 4 ZPO vor. Eine nachträgliche Benennung, die nach § 587 Abs 7 ZPO zur Abweisung des Antrags führte, ist nicht erfolgt. Daher ist ein Schiedsrichter zu bestellen, die unbegründeten Unterbrechungsanträge sind abzuweisen.
4. Die Auswahl des Schiedsrichters liegt im gebundenen Ermessen (§ 587 Abs 8 ZPO) des Gerichts. Da die Schiedsklausel keine besonderen Voraussetzungen für den Schiedsrichter vorsieht, ist ein nicht mit der Sache befasster Universitätsprofessor für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht zu bestellen. An dessen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bestehen keine Zweifel. Dass er an derselben Universität lehrt wie ein angeblich hinter der Antragstellerin stehender Professor eines anderen Faches, kann den von der Antragsgegnerin behaupteten Anschein der Befangenheit nicht einmal ansatzweise begründen. Andere Befangenheitsgründe nennt die Antragsgegnerin nicht.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 616 Abs 1 ZPO iVm § 78 Abs 1 Satz 1 AußStrG. Der Klägerin sind die der Höhe nach jedenfalls zutreffend verzeichneten Antragskosten zuzusprechen.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:018ONC00003.19I.1220.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.