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OGH vom 28.06.1989, 11Os54/89

OGH vom 28.06.1989, 11Os54/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sanda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ing. Joze M*** wegen des Vergehens des versuchten Schmuggels nach den §§ 13, 35 Abs. 1 FinStrG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom , GZ 18 Vr 273/87-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, auch gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO im gesamten Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ing. Joze M*** der Finanzvergehen des versuchten Schmuggels nach den §§ 13, 35 Abs. 1 FinStrG und des versuchten vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols nach den §§ 13, 44 Abs. 1 lit. c FinStrG schuldig erkannt (strafbestimmender Wert: 2,650.164 S). Laut Schuldspruch versuchte der Angeklagte am beim Zollamt Loibltunnel, I./ im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten (und inzwischen rechtskräftig verurteilten) Martin D*** 1,720.000 Stück Zigaretten unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren zu entziehen und II./ durch diese Tathandlung zu seinem oder eines anderen Vorteil die genannten Monopolgegenstände einem monopolrechtlichen Einfuhrverbot zuwider einzuführen. Den hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen zufolge bestand sein Tatbeitrag (§ 11, dritter Fall, FinStrG) zu dem von Martin D*** unternommenen Schmuggelversuch darin, daß er sich in Kenntnis des geplanten Schmuggels bereit erklärte, für die Möglichkeit eines Transportes der Zigaretten von Jugoslawien nach Österreich bei der Grenzübertrittstelle Loiblpaß zu sorgen, hiezu Ratschläge erteilte und bei der Beschaffung veränderter Fracht- und Zollpapiere, sowie bei der Ausreise nach Österreich (zumindest mittelbar durch Vermittlung des "I***-E***"-Angestellten "Martin") behilflich war. Der Angeklagte wurde nach dem § 35 Abs. 4 FinStrG in Bedachtnahme auf § 28 StGB (unter Vorhaftanrechnung) zu einer gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB (richtig: § 26 Abs. 1 FinStrG) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten und zu einer Geldstrafe von 500.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Ferner wurde gemäß dem § 19 Abs. 1 und Abs. 2 FinStrG, "da der Verfall des (zum Schmuggeltransport verwendeten) Lastkraftwagens infolge Rechte Dritter unvollziehbar ist", auf eine Wertersatzstrafe von 60.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit ein Monat Ersatzfreiheitsstrafe, erkannt.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit einer auf die Z 4, 5 und 5 a, der Sache nach auch auf den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Beschwerdeführer, es sei über seinen in der Hauptverhandlung am gestellten und in der Hauptverhandlung am wiederholten Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Dragan P***, des Vasco M***, des Martin S*** und des Otto D*** zum Beweis, daß er dem P*** nur einen "Freundschaftsdienst" habe erweisen wollen und vom beabsichtigten Zigarettenschmuggel keine Kenntnis gehabt habe (vgl. S 387, 415 dA), nicht entschieden worden. Der Angeklagte verabsäumte es indes, diese Anträge in der einer Urteilsfällung unmittelbar vorangehenden (wegen Zeitablaufs und Änderung der Senatszusammensetzung neu durchgeführten) Hauptverhandlung am zu wiederholen und die Fällung eines Zwischenerkenntnisses zu begehren (vgl. S 428 dA), sodaß aus dem Unterbleiben der Beweisaufnahmen eine Nichtigkeit (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO) nicht abgeleitet werden kann (vgl. Mayerhofer-Rieder, II/22, ENr. 30, 31).

Rechtliche Beurteilung

Unzutreffend ist der Vorwurf, der Ausspruch des Gerichtes über entscheidungswesentliche Tatsachen sei aktenwidrig oder unbegründet:

Die Urteilsfeststellungen, wonach sich (a) Dragan P***, Roberto C*** und Martin D*** bei dem ersten Zusammentreffen mit dem Angeklagten erkundigten, ob er den LKW allenfalls über Spielfeld "ausschleusen" könne und ob die Möglichkeit bestünde, die Papiere auf die Grenzübertrittstelle Loiblpaß abzuändern, (b) der Angeklagte sodann spätestens seit dem Gespräch in Kranj am wußte, daß der LKW zum Zweck des Schmuggels mit Zigaretten beladen sei, (c) den Kontakt mit Vasilje M***, mit dessen Mithilfe die Fracht- und Zollpapiere geändert wurden, herstellte und (d) am von Marin D*** vereinbarungsgemäß angerufen wurde und bei einem nachfolgenden Treffen erklärte, ein Angestellter der "I***-E***" namens Martin werde ihm bei der Ausreise behilflich sein, sind in den Angaben des umfassend geständigen Martin D*** gedeckt (vgl. S 43 bis 47, 71, 73, 79 bis 83, 133 bis 137, 377 bis 385 dA). Die detaillierte Sachverhaltsdarstellung, die Martin D*** als Beschuldigter (Angeklagter) sowohl im Vorverfahren als auch in der Hauptverhandlung gab und die er auch als Zeuge in der den Angeklagten betreffenden Hauptverhandlung ausdrücklich aufrecht hielt (vgl. S 411 iVm 429 dA), erachtete das Erstgericht mit schlüssiger und zureichender Begründung für glaubwürdig und zur Widerlegung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten geeignet (vgl. S 438 dA).

Zwischen seinen Angaben als Beschuldigter (Angeklagter) und seiner Zeugenaussage bestehen aber auch keine erörterungsbedürftigen Widersprüche. So bestätigte der Zeuge Martin D*** in der Hauptverhandlung am keineswegs das Vorbringen des Angeklagten, er sei ausschließlich deshalb um Intervention ersucht worden, weil der Begleitschein datumsmäßig ablief. Abgesehen davon, daß dies allein nicht erklären könnte, warum der Transport über den Grenzübergang Loiblpaß umdirigiert werden sollte, bekräftigte der Zeuge in diesem Zusammenhang ausdrücklich, daß auch der "Empfänger" (gemeint: das Empfängerland) in den Fracht- und Zollpapieren geändert wurde und der LKW mit dem Schmuggelgut mit Hilfe eines gewissen Martin über den Loiblpaß "geschleust" werden sollte. Wenngleich der Zeuge seine früheren belastenden Angaben in der Hauptverhandlung in der weiteren Folge seiner Befragung dahin abschwächte, er könne "heute nicht mehr 100 %ig sagen", ob der Angeklagte über das Ladegut informiert gewesen sei, und es als richtig bezeichnete, daß der Beschwerdeführer das Innere des Fahrzeugs selbst nicht sah, hielt er doch daran fest, daß der Angeklagte "die Angelegenheit mit Martin" arrangiert und vorgeschlagen habe, in die Begleitpapiere Billigware aufzunehmen und zu laden, damit es nicht zu einer Kontrolle des Doppelbodens komme (vgl. S 413, 414 dA). Daß der Angeklagte den mit der Beschaffung der geänderten Papiere betrauten Vasilje M*** kannte, ergibt sich (zwanglos) aus dessen vom Zeugen Martin D*** bekundeter Mitteilung, er könne die gewünschten Änderungen über Gültigkeitsdauer, Grenzübertrittstelle und Empfangsland erst vornehmen, wenn er vom Angeklagten "grünes Licht" bekomme, und aus der nachfolgenden Anweisung des Angeklagten an M***, die für den Grenzübertritt erforderlichen Dokumente vorzubereiten (vgl. S 45, 439 dA).

Den bekämpften Urteilsfeststellungen haften darum entscheidungswesentliche Begründungsmängel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht an.

Soweit der Beschwerdeführer aber ausschließlich auf die in der Hauptverhandlung am abgelegte Zeugenaussage des Martin D*** Bezug nimmt und daraus nur jene (bereits angeführten) Passagen herausgreift, aufgrund deren, isoliert betrachtet, eine vorsätzliche Beteiligung des Angeklagten an dem Schmuggelversuch in Zweifel gezogen werden könnte, ergeben sich aus seinem Vorbringen bei Gesamtbeurteilung aller in den Entscheidungsgründen verwerteten Verfahrensergebnisse keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachengrundlagen des Schuldspruchs und gegen die Überzeugungskraft der hiefür herangezogenen Beweisumstände. Es versagt daher auch die Tatsachenrüge (§ 281 Abs. 1 Z 5 a StPO).

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde formelle Nichtigkeitsgründe geltend macht, war sie sohin als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO).

Begründet ist hingegen der sachlich materielle Nichtigkeit gemäß der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO relevierende Einwand, daß zur Höhe des Wertersatzes für den zum Transport verwendeten LKW die gemäß dem § 19 Abs. 3 FinStrG erforderlichen Feststellungen nicht getroffen worden seien. Nach dieser Bestimmung hat die Höhe des Wertersatzes dem gemeinen Wert zu entsprechen, den die dem Verfall unterliegenden Gegenstände im Zeitpunkt der Begehung des Finanzvergehens hatten. Dieser Wert wurde nicht festgestellt, obwohl der beschlagnahmte LKW offenbar noch vorhanden ist (vgl. S 191, 201 dA) und für die Ermittlung seines Wertes zur Tatzeit beweismäßige Anhaltspunkte in Form der zwischen der "ITAG" Intertrading und Transport AG und Giovanni P*** (gegen Ratenzahlung und unter Eigentumsvorbehalt) getroffenen Kaufpreisvereinbarung gegeben waren (vgl. S 191 f, 201, 231 dA). Demgemäß mangelt es an den beim Ausspruch eines Wertersatzes unabdingbaren Feststellungen über die maßgebende Bemessungsgrundlage, welche die Strafbefugnis des Gerichtes in Ansehung dieser Strafe begrenzt (vgl. ÖJZ-LSK 1982/11). Im Hinblick auf die Mehrzahl von Tatbeteiligten und die rechtskräftige Verurteilung des Martin D*** zu einer Wertersatzstrafe von (gleichfalls) 60.000 S (vgl. S 392 dA) hätte es überdies auch der Anführung der angewendeten Aufteilungsgrundsätze bedurft. Im zweiten Rechtsgang wird daher neuerlich über den Wertersatz zu entscheiden und hiebei der Grundsatz zu beachten sein, daß die Summe der von den Tatbeteiligten zu leistenden Wertersätze nicht jenen Betrag übersteigen darf, der dem gemeinen Wert des Verfallsgegenstandes entspricht; Beteiligte mit ausländischer Staatsangehörigkeit und ausländischem Wohnsitz, die nach der derzeitigen Aktenlage in Österreich voraussichtlich niemals vor Gericht gestellt werden können, haben hiebei außer Betracht zu bleiben (vgl. Dorazil-Harbich-Reichel, § 19 FinStrG, ENr. 33, 39, 40). Hinzuweisen ist auch darauf, daß vorliegend im Hinblick auf das Eigentum schuldloser Dritter kraft Eigentumsvorbehalt (vgl. S 231 dA) nur auf Wertersatz gemäß dem § 19 Abs. 1 lit. b FinStrG (statt auf Verfall) erkannt werden kann.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war ferner von Amts wegen gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil auch insofern mit - einer vom Angeklagten nicht geltend gemachten - Nichtigkeit nach dem dritten Fall der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist, als das Schöffengericht beim Ausspruch der Unrechtsfolgen nach dem § 35 Abs. 4 FinStrG in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstieß. Obwohl das Gesetz im § 35 Abs. 4 FinStrG den Schmuggel grundsätzlich mit einer Geldstrafe geahndet wissen will und daneben die Verhängung einer Freiheitsstrafe nur zuläßt, wenn dies aus Gründen der Spezial- oder Generalprävention geboten ist, machte das Schöffengericht, ohne auf diese Einschränkung seiner Befugnis zur Verhängung einer Freiheitsstrafe durch § 15 Abs. 2 FinStrG Bedacht zu nehmen, unter Punkt a) seines Strafausspruches sofort von der erst subsidiär vorgesehenen Möglichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe Gebrauch und verhängte - in Verkehrung der offensichtlichen Intentionen des Gesetzes - "darüberhinaus" - obwohl an sich als erste Sanktion bei der Anwendung der Strafbestimmung des § 35 Abs. 4 FinStrG vorgesehen - unter Punkt b) des Strafausspruches eine Geldstrafe.

Da das Schöffengericht zu den ausgemessenen Unrechtsfolgen nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle - wenn auch ohne Überschreitung seiner Strafbefugnis - somit u.a. aus Erwägungen gelangte, die den angewendeten Strafvorschriften grundlegend widersprechen, war - wie bereits dargelegt - nicht nur der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, soweit sie sich gegen den Ausspruch einer Wertersatzstrafe gemäß dem § 19 Abs. 1 und Abs. 2 FinStrG wendet, Folge zu geben, sondern das angefochtene Urteil gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO auch im übrigen Strafausspruch (einschließlich der Anrechnung der Vorhaft) aufzuheben und die Sache - zwecks Ermöglichung eines einheitlichen Strafbemessungsvorganges - zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.