OGH vom 30.11.2018, 18ONc2/18s

OGH vom 30.11.2018, 18ONc2/18s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin A***** ZT GmbH, *****, vertreten durch Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Gänserndorf, wider den Antragsgegner Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der M***** GmbH, *****, wegen Bestellung eines Schiedsrichters gemäß § 587 Abs 2 Z 4 ZPO, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird fortgesetzt.

Zum Schiedsrichter wird *****, bestellt.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 255,41 EUR bestimmten Kosten des Fortsetzungsantrags (darin 42,57 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters nach § 587 Abs 3 ZPO. Die Schiedsklausel lautet auszugsweise wie folgt:

„Zur Entscheidung über sämtliche sich aus dem vorliegenden Vertrag zwischen den Vertragsteilen ergebenden Rechtsstreitigkeiten [...] ist unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit ein zu diesem Zweck im Einzelfall zusammentretendes – aus drei Schiedsrichtern bestehendes – Schiedsgericht berufen. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist endgültig und für beide Vertragsteile gültig. Die drei Gutachter werden wie folgt nominiert:

  • ein Gutachter vom Auftraggeber

  • ein Gutachter vom Auftragnehmer

  • ein Gutachter von der Wirtschaftskammer Österreich

Sitz des Schiedsgerichts ist der Ort des Kanzleisitzes des Auftragnehmers, sofern nicht ein anderer Gerichtsstand gemäß § 14 KSchG zwingend zur Anwendung kommt. Das Schiedsgericht entscheidet mit Stimmenmehrheit.

Ansonsten finden die § 577 ff ZPO Anwendung.

Sollte das Schiedsgericht, aus welchen Gründen immer, nicht zustande kommen, oder einer Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs stattgegeben werden, wird für alle Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis der Kanzleisitz des Auftragnehmers als Gerichtsstand vereinbart, sofern nicht ein anderer Gerichtsstand gemäß § 14 KSchG zwingend zur Anwendung kommt.“

Die beantragte am die Bestellung eines Schiedsrichters für die säumige Antragsgegnerin. Die zur Äußerung aufgeforderte Antragsgegnerin beteiligte sich nicht am Verfahren. Am wurde über ihr Vermögen zu AZ ***** des ***** der Konkurs eröffnet; zum Masseverwalter wurde Rechtsanwalt ***** bestellt. Der Senat stellte daraufhin mit Beschluss vom , ON 5, fest, dass das Verfahren nach § 7 IO unterbrochen sei. Die Schiedsklägerin habe ihre Forderung im Konkursverfahren anzumelden; ob sie im Fall der Bestreitung die Prüfungsklage beim Konkursgericht einzubringen oder das Schiedsverfahren nach § 113 IO fortzusetzen hätte, sei noch nicht zu entscheiden.

Im insolvenzrechtlichen bestritt der Masseverwalter die angemeldete Forderung.

Die beantragt die Fortsetzung des Bestellungsverfahrens. Das Schiedsverfahren sei nach § 113 IO als Prüfungsverfahren fortzusetzen. Zu diesem Zweck sei für die noch immer säumige Schuldnerin ein Schiedsrichter zu bestellen. Die vom Masseverwalter gegen die Fortsetzung erhobenen Einwände träfen nicht zu.

Der beantragt die Abweisung, hilfsweise die Zurückweisung des Antrags auf Schiedsrichterbestellung. Aus § 111 IO ergebe sich die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts; andere Prüfungsverfahren seien nur zulässig, wenn sie – anders als hier – nicht auf den Rechtsweg gehörten. Dies folge auch aus der Rechtskrafterstreckung nach § 112 IO, die bei Schiedssprüchen nicht möglich sei. Abgesehen davon betreffe das vorliegende Verfahren nur die Schiedsrichterbestellung. Dabei handle es sich um einen eigenen, nicht auf Geldleistung gerichteten Anspruch, der nach § 14 IO zu bewerten und anzumelden gewesen wäre. Sollte das Verfahren dennoch fortzusetzen sein, wäre jedenfalls kein Schiedsrichter zu bestellen. Denn aus der Schiedsklausel folge, dass der Rechtsstreit vor staatlichen Gerichten auszutragen sei, wenn das Schiedsgericht aus welchen Gründen immer nicht zustande komme. Damit sei das Bestellungsverfahren nach § 587 Abs 3 ZPO nicht anwendbar.

Rechtliche Beurteilung

Aufgrund des berechtigten Fortsetzungsantrags ist ein Schiedsrichter zu bestellen.

1. Die Entscheidung über den Fortsetzungsantrag hängt nicht von einer vorherigen Anmeldung und Prüfung des „Anspruchs“ auf Schiedsrichterbestellung ab.

1.1. Aus der Rechtsprechung des Senats (18 ONc 6/14y SZ 2015/18 = ecolex 2015/231 [Fremuth-Wolf]; RIS-Justiz RS0130016) ergibt sich, dass

-ein Schiedsverfahren mit dem ersten schiedsverfahrensrechtlichen Schritt, den der Schiedskläger zur Durchsetzung seines Anspruchs zu setzen hat, iSd § 7 IO anhängig wird,

-die Unterbrechung nach § 7 IO auch ein so anhängig gewordenes Schiedsverfahren erfasst, und

-der Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters nach § 587 Abs 2 oder Abs 3 IO zu einem Zwischenverfahren im Schiedsverfahren führt, das durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ebenso wie dieses nach § 7 IO unterbrochen wird.

1.2. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Aus ihr folgt zunächst, dass es keinen „Anspruch“ auf Schiedsrichterbestellung gibt, der getrennt vom im Schiedsverfahren verfolgten Anspruch zu beurteilen wäre und daher eigenständig bewertet (§ 14 IO) und angemeldet werden müsste. Vielmehr handelt es sich beim Verfahren nach § 587 Abs 2 oder Abs 3 ZPO um ein Hilfsverfahren vor staatlichen Gerichten, das der Umsetzung der Schiedsvereinbarung und damit der Durchsetzung des materiellen Anspruchs dient. Dieses Verfahren teilt das Schicksal des Schiedsverfahrens: Es wird mit diesem unterbrochen, aber auch – bei Vorliegen der Voraussetzungen – mit diesem fortgesetzt.

2. Entscheidend ist daher, ob die Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Schiedsverfahrens vorliegen. Dabei ist von folgenden Erwägungen auszugehen:

2.1. Insolvenzgläubiger haben ihre Forderungen nach den § 102 ff IO im Verfahren anzumelden. Erkennt der Insolvenzverwalter eine Forderung nicht an oder wird ihr Bestehen von hiezu berechtigten Insolvenzgläubigern bestritten, so hat – sieht man vom Sonderfall einer nicht auf den Rechtsweg gehörenden Forderung ab (§ 110 Abs 3 IO) – eine Klärung durch ein Gericht zu erfolgen. Dabei differenziert die Insolvenzordnung für die Zuständigkeit: War noch kein Verfahren anhängig, so ist, abgesehen von Arbeitsrechtssachen und nicht auf den streitigen Rechtsweg gehörenden Angelegenheiten, das Insolvenzgericht ausschließlich zuständig (§ 111 IO). Hingegen ist ein nach § 7 Abs 1 IO unterbrochenes Verfahren beim jeweiligen Gericht fortzusetzen (§ 7 Abs 3 und § 113 IO).

2.2. Hier ist zu klären, ob ein bereits eingeleitetes Schiedsverfahren beim Schiedsgericht fortzusetzen ist oder ob eine neue Klage beim Insolvenzgericht erforderlich ist. Rechtsprechung dazu gibt es nicht, das Schrifttum ist gespalten:

(a) Lange Zeit überwog die Auffassung, dass die Forderungsfeststellung nur in einem staatlichen Verfahren erfolgen könne, was nicht nur das Erheben der Klage bei einem Schiedsgericht, sondern auch die Fortsetzung eines dort anhängigen Schiedsverfahrens ausschließe (Konecny in Konecny/Schubert, § 110 KO Rz 6 [mwN zur älteren Lehre] sowie § 113 KO Rz 7; Schubert in Konecny/Schubert, § 7 KO Rz 10; ausführlich, jedoch nicht ausdrücklich auch zur Fortsetzung nach § 7 Abs 3 KO [IO]Fremuth, Schiedsverfahren und Konkurs, ÖJZ 1998, 848 [849 ff]; zweifelnd, aber noch von einer insofern herrschenden Lehre ausgehend G. Kodek in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht IV [2006] § 110 KO Rz 7).

Begründet wurde das einerseits mit der unter Umständen fehlenden Bindung potentieller Parteien des Prüfungsprozesses an die Schiedsvereinbarung: Diese könne zwar allenfalls beim Insolvenzverwalter (Masseverwalter) zu bejahen sein, nicht aber bei anderen Insolvenzgläubigern, die nach einer Bestreitung ebenfalls aktiv oder passiv legitimiert sein könnten. Da der Prüfungsprozess einheitlich geführt werden müsse, schließe die potentielle Parteistellung von nicht an die Schiedsvereinbarung gebundenen Gläubigern eine Forderungsprüfung im Schiedsverfahren von vornherein aus.

Weiters sei die umfassende Rechtskraftwirkung des § 112 Abs 1 KO (IO) mit der bloß auf die Parteien Bezug nehmenden Regelung des § 594 ZPO aF (nunmehr § 607 ZPO) nicht vereinbar. Zuletzt spreche gegen eine Forderungsprüfung im Schiedsverfahren, dass dort die Nebenintervention eines nicht bestreitenden Insolvenzgläubigers grundsätzlich nur mit Zustimmung der Parteien (vgl Deixler-Hübner/Meisinger in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Schiedsrecht [2018] Rz 8.129 ff mwN) möglich sei (so insb Fremuth, ÖJZ 1998, 853 ff; vgl dazu aber 8 Ob 115/06d = RISJustiz RS0121644, wonach nicht bestreitenden Insolvenzgläubigern ohnehin das rechtliche Interesse für eine Nebenintervention fehlt).

(b) Die jüngere Lehre vertritt demgegenüber die Auffassung, dass eine Forderungsprüfung im Schiedsverfahren jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen ist (Schumacher/Köchl, Insolvenzeröffnung unterbricht Schiedsverfahren: Fortsetzung als Prüfungsprozess? RdW 2012, 388 ff; Koller in Liebscher/ Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I [2012] Rz 3/308; Fremuth-Wolf, Zur Unterbrechung des Schiedsverfahrens bei Insolvenzeröffnung, ecolex 2015, 564; Aschauer, Anmerkungen zur schiedsgerichtlichen Zuständigkeit nach Insolvenzeröffnung, Jahrbuch Insolvenzrecht und Sanierungsrecht 2016, 177 [181 ff]; Weber in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Schiedsrecht [2018] Rz 14.18). Dabei zeigen sich aber Unterschiede im Detail: Schumacher/Köchl, Fremuth-Wolf und (wohl auch) Weber nehmen das nur für die Fortsetzung eines bereits eingeleiteten Schiedsverfahrens an, Koller und Aschauer hingegen ganz generell; bestreitende Insolvenzgläubiger werden teils als an die Schiedsvereinbarung gebunden angesehen (Koller, Aschauer), teils nicht (Schumacher/Köchl, Weber). Letzteres hat nach den genannten Autoren zur Folge, dass bei Bestreitung auch oder nur durch einen Gläubiger eine Fortsetzung des Schiedsverfahrens als Prüfungsverfahren ausgeschlossen wäre.

2.3. Im deutschen Recht ist unstrittig, dass der Insolvenzverwalter an eine vom Schuldner getroffene Schiedsvereinbarung gebunden ist, soweit er nicht insolvenz-spezifische Rechte – etwa eine Insolvenzanfechtung – geltend macht (BGH VII ZR 204/56 NJW 1957, 791; III ZB 59/10 NZI 2011, 634; zuletzt I ZB 60/16 NZI 2018, 62 [Bryant] mwN). Daher hat der Verwalter auch den Feststellungsstreit nach § 180 InsO vor dem Schiedsgericht zu führen (III ZB 88/07 BGHZ 179, 304 = NJW 2009, 1747; Jungmann in K. Schmidt, Insolvenzordnung19 [2016] § 180 Rz 4; Leithaus in Andres/Leithaus/Dahl, Insolvenzordnung4 [2018] § 180 Rz 4), und zwar jedenfalls dann, wenn nur der Bestand der Forderung und nicht etwa (auch) deren Rang, Anmeldbarkeit oder insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit strittig ist (Schumacher in MüKo InsO3 § 120 Rz 10 f, Rz 31). Ob auch bestreitende Insolvenzgläubiger an die Schiedsvereinbarung gebunden sind, ist noch nicht entschieden (dafür mit ausführlicher Argumentation Jestaedt, Schiedsverfahren und Konkurs [1985] 126 ff; ihm folgend Schumacher in MüKo InsO3 § 180 Rz 11; dagegen unter Bezugnahme auf eine angeblich herrschende Meinung Longrée/Gantenbrink, Insolvenz des Beklagten im Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2014 21 [23]; den Meinungsstand in Deutschland allerdings gegenteilig bewertend G. Kodek in Buchegger, Insolvenzrecht § 110 KO Rz 7).

3. Nach Ansicht des Senats ist ein bereits anhängiges Schiedsverfahren jedenfalls dann als Prüfungsverfahren fortzusetzen, wenn das Bestehen der Forderung nur vom Insolvenzverwalter bestritten wurde.

3.1. Wie oben (Punkt 2.1) dargestellt, ist die Zuständigkeit für Prüfungsverfahren differenziert geregelt:

(a) Ist bereits ein Verfahren anhängig, so bleibt das angerufene Gericht zuständig; das Verfahren ist daher dort gegen den oder die Bestreitenden fortzusetzen (§ 7 Abs 3 IO). Sowohl der Verwalter als auch bestreitende Insolvenzgläubiger sind damit an die vom klagenden Insolvenzgläubiger in Anspruch genommene Zuständigkeit gebunden. Das gilt – mangels Differenzierung im Gesetz – auch dann, wenn sich der Gläubiger auf eine mit dem Schuldner getroffene Gerichtsstandsvereinbarung gestützt hatte. Grund für diese Regelung ist offenkundig die Wertung, dass bereits entstandener Verfahrensaufwand nicht verloren sein soll.

(b) Ist hingegen ein Verfahren über die Insolvenzforderung noch nicht – oder nicht mehr – anhängig, so ist das Insolvenzgericht „ausschließlich“ zuständig (§ 111 IO). Eine Ausnahme gilt hier nur für nicht auf den streitigen Rechtsweg gehörende Sachen (§ 110 Abs 3 IO), also etwa für außerstreitige Aufteilungsverfahren nach den § 81 ff EheG (so schon vor der Einfügung des Wortes „streitig“ in § 110 Abs 3 KO mit der GIN 2006, BGBl I 2006/8 RISJustiz RS0008507), und für Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG (§ 111 IO).

(c) Ob diese „ausschließliche“ Zuständigkeit durch eine vom Schuldner getroffene Gerichtsstandsvereinbarung verdrängt wird, ist nicht abschließend geklärt. Im Schrifttum wird das nach allgemeinen Grundsätzen (§ 104 Abs 2 JN) für Vereinbarungen über die örtliche Zuständigkeit mehrheitlich bejaht, für solche über die „sachliche“ Zuständigkeit hingegen verneint (Fink, Das Verfahren in Arbeitsrechtssachen vor dem Konkurs- und Ausgleichsgericht, DRdA 1988, 205 [214 f]; Konecny in Konecny/Schubert, § 111 KO Rz 2; G. Kodek in Buchegger,§ 111 KO Rz 3; aA Simotta in Fasching/Konecny3§ 104 JN Rz 162 unter Bezugnahme auf § 251 Abs 2 IO [vgl aber § 263 Z 3 IO]). Dabei verstehen diese Autoren unter „sachlicher“ Zuständigkeit offenkundig – je nach der Zuständigkeit für das Insolvenzverfahren – die Zuständigkeit des Gerichtshofs oder des Bezirksgerichts.

3.2. Schiedsgerichte werden zwar nicht hoheitlich tätig (Grabenwarter/Ganglbauer in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Schiedsrecht Rz 1.5 ff mwN), ihre Entscheidungen sind aber nach § 607 ZPO jenen staatlicher Gerichte gleichgestellt. Das Verhältnis zwischen staatlicher und Schiedsgerichtsbarkeit wird auf dieser Grundlage als solches prorogabler Unzuständigkeit angesehen (3 Ob 155/57 JBl 1957, 647; RIS-Justiz RS0039844; zuletzt etwa 4 Ob 29/18w mwN; ausführlich Rechberger in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 6/20 mwN). Während das Schrifttum in diesem Zusammenhang den Begriff der „Unzulässigkeit des Rechtswegs“ verwendet (Nachweise bei Rechberger in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 6/14), lehnt die Rechtsprechung diese Einordnung ab und qualifiziert die Einrede einer Schiedsvereinbarung als solche der sachlichen, wenngleich prorogablen, Unzuständigkeit (6 Ob 195/17w mwN; RIS-Justiz RS0039844 [T1]). Im Kern steht eine Schiedsvereinbarung daher aus Sicht des staatlichen Zivilprozessrechts einer Gerichtsstandsvereinbarung gleich: Sie verschiebt die Zuständigkeit von einem an sich zuständigen zu einem gewählten Gericht, wobei das Schiedsgericht aufgrund der Wertung des § 607 ZPO als dem staatlichen Gericht gleichwertig angesehen wird.

3.3. Ist ein Verfahren bei Insolvenzeröffnung vor einem nach § 104 Abs 1 JN gewählten Gericht anhängig, ist es nach Prüfung und Bestreitung der Forderung jedenfalls dort fortzusetzen; gleiches würde bei einer Heilung der Unzuständigkeit nach § 104 Abs 3 JN gelten. Da das Verfahrensrecht einer Schiedsvereinbarung grundsätzlich dieselbe Wirkung zuerkennt wie einer Gerichtsstandsvereinbarung, hat dasselbe auch für ein Schiedsverfahren zu gelten. Der Ablauf dieses Verfahrens kann sich zwar in mehrfacher Hinsicht – Verfahrensregeln, Überprüfungsmöglichkeiten, Kosten – von jenem eines staatlichen Verfahrens unterscheiden. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Gesetz durch die Gleichstellung von Schiedssprüchen mit staatlichen Urteilen von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der jeweiligen Verfahren ausgeht, ohne dass für insolvenzrechtliche Prüfungsverfahren eine Ausnahme gemacht würde. Auf dieser Grundlage ist jedenfalls bei einer Bestreitung durch den Verwalter anzunehmen, dass er – wie auch sonst (7 Ob 172/11m SZ 2011/134) – an die Schiedsvereinbarung gebunden ist. Denn nur dadurch kann der Zweck des § 113 IO umgesetzt werden, die Vernichtung von Verfahrensaufwand zu vermeiden. Eine entgegenstehende Regelung ist der Insolvenzordnung nicht zu entnehmen.

3.4. Die dagegen im älteren Schrifttum erhobenen Einwände können letztlich nicht überzeugen.

(a) Das Problem der Nebenintervention durch nicht bestreitende Insolvenzgläubiger stellt sich nicht, wenn man entgegen einer früheren Auffassung (vgl Konecny in Konecny/Schubert, § 110 KO Rz 13 mwN) ohnehin deren rechtliches Interesse verneint (8 Ob 115/06d = RISJustiz RS0121644; G. Kodek in Buchegger, Insolvenzrecht § 110 KO Rz 24; Deixler-Hübner, Die Nebenintervention im Zivilprozess [1993] 207).

(b) Die in § 112 iVm § 113 IO vorgesehene Rechtskrafterstreckung ist auch bei Schiedssprüchen möglich: Dass diese nach § 607 ZPO „zwischen den Parteien“ die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils haben, schließt es nicht aus, dass sich aus anderen gesetzlichen Anordnungen eine Erstreckung dieser Rechtskraft auf Dritte ergibt (Hausmaninger in Fasching/Konecny3§ 607 ZPO Rz 41 ff; vgl die Rsp zu Beschlussmängelstreitigkeiten im Schiedsverfahren: 6 Ob 84/14t mwN). Eine solche Rechtskrafterstreckung setzt allerdings voraus, dass sich (auch) die betroffenen Dritten am Verfahren beteiligen konnten. Das wird bei der insolvenzrechtlichen Forderungsprüfung grundsätzlich dadurch erreicht, dass auch andere Insolvenzgläubiger – als von der Feststellung Betroffene – die Forderung bestreiten und so Parteistellung im Verfahren nach den § 110 ff IO erreichen können. Diese Möglichkeit rechtfertigt es auch, das rechtliche Interesse eines nicht bestreitenden Insolvenzgläubigers an einer Nebenintervention im Prüfungsprozess zu verneinen (oben [a]).

(c) Diese Überlegungen sind auf anhängige Schiedsverfahren zu übertragen: Nimmt man an, dass auch ein bestreitender Insolvenzgläubiger an die Schiedsvereinbarung gebunden ist (Koller in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 3/308; Aschauer, Jahrbuch Insolvenzrecht und Sanierungsrecht 2016, 181 ff), müsste der Insolvenzgläubiger den Fortsetzungsantrag im Schiedsverfahren auch gegen ihn richten. Ein alle Parteien erfassendes und damit auch die Rechtskrafterstreckung rechtfertigendes Schiedsverfahren wäre daher möglich. Vertritt man hingegen die gegenteilige Ansicht (Schumacher/Köchl, RdW 2012, 388 ff; Weber in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Schiedsrecht Rz 14.18), so wäre wegen der Notwendigkeit eines einheitlichen Prüfungsverfahrens trotz des anhängigen Schiedsverfahrens ein Prüfungsprozess beim staatlichen Gericht zu führen. In diesem Fall stünde daher die Rechtskrafterstreckung einer Fortsetzung des Schiedsverfahrens entgegen. Das würde aber nur bei tatsächlicher Bestreitung (auch) durch einen Gläubiger gelten; aus der bloß abstrakten Möglichkeit einer solchen Bestreitung kann die generelle Unmöglichkeit einer Forderungsprüfung im Schiedsverfahren nicht abgeleitet werden.

(d) Im vorliegenden Fall hat ohnehin nur der Insolvenzverwalter bestritten, sodass das Verfahren jedenfalls vor dem Schiedsgericht fortgesetzt werden kann. Damit kann die Frage, ob eine Schiedsvereinbarung auch bestreitende Insolvenzgläubiger bindet, letztlich offen bleiben. Allerdings sprechen überwiegende Gründe für diese Auffassung: Bestreitende Insolvenzgläubiger wären bei einem bereits anhängigen staatlichen Verfahren an eine Gerichtsstandsvereinbarung des Schuldners gebunden; aufgrund der nach der Wertung des Gesetzes zu unterstellenden grundsätzlichen Gleichwertigkeit von staatlichem und schiedsgerichtlichem Verfahren ist nicht erkennbar, warum sie hier anders behandelt werden sollten als dort. Sie machen auch nicht eigene „insolvenzspezifische“ Rechte geltend (vgl oben 2.3.), sondern handeln ebenso wie der Verwalter jedenfalls nicht losgelöst von der Stellung des Schuldners, dem (erst) mit der Insolvenzeröffnung die Dispositionsbefugnis über sein Vermögen entzogen wurde. Sie werden ebenso wie der Verwalter im Interesse der Gläubigergemeinschaft tätig. Damit liegt nahe, dass sie ebenfalls wie der Verwalter an die vom Schuldner vor der Insolvenzeröffnung getroffenen prozessualen Dispositionen gebunden sind (Koller in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 3/308; ausführlich Jestaedt, Schiedsverfahren 128 ff: auch der bestreitende Gläubiger sei insofern „prozessualer Rechtsnachfolger“ des Schuldners; aA in diesem Punkt Fremuth, ÖJZ 1998, 851, und Schumacher/Köchl, RdW 2012, 391).

(e) Ebenfalls nicht zu entscheiden ist die Frage, ob auch bei Insolvenzeröffnung noch nicht anhängige Verfahren über das Bestehen bestrittener Insolvenzforderungen aufgrund einer vom Schuldner vereinbarten Schiedsklausel vor dem Schiedsgericht zu führen sind. Die Antwort wird ebenfalls davon abhängen, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen eine Gerichtsstandsvereinbarung Vorrang gegenüber der „ausschließlichen“ Zuständigkeit des Insolvenzgerichts hat.

4. Aufgrund dieser Erwägungen ist das hier bereits vor Insolvenzeröffnung anhängig gewesene Schiedsverfahren nach Bestreitung in der Prüfungstagsatzung vor dem Schiedsgericht weiterzuführen. Daraus folgt, dass auch das (Hilfs-)Verfahren über den Antrag auf Schiedsrichterbestellung fortzusetzen ist (oben Punkt 1.).

5. Aufgrund des Antrags der Schiedsklägerin ist ein Schiedsrichter zu bestellen.

5.1. Die Schiedsklausel sieht die Bestellung je eines Schiedsrichters durch die Parteien vor. Den Regelungen über die Bildung des Schiedsgerichts und den Ablauf des Verfahrens folgt ein Verweis auf die § 577 ff ZPO. Dieser Verweis erfasst auch das subsidiäre staatliche Verfahren zur Bestellung eines Schiedsrichters nach § 587 Abs 3 ZPO. Erst auf diesen Verweis folgt die Vereinbarung eines staatlichen Gerichts für den Fall, dass „das Schiedsgericht, aus welchen Gründen immer, nicht zustande kommen“ sollte. Aus dieser Systematik ergibt sich, dass die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts erst dann eintreten soll, wenn auch das Verfahren nach § 587 Abs 3 ZPO nicht zur Bildung eines Schiedsgerichts geführt hat. Tragfähige Argumente für eine gegenteilige Auslegung zeigt der Masseverwalter nicht auf.

5.2. Es ist unstrittig, dass die Antragstellerin die Schuldnerin zur Bestellung eines Schiedsrichters aufgefordert hat und dass diese säumig geblieben ist. Damit sind die Voraussetzungen des § 587 Abs 3 Z 1 ZPO erfüllt.

5.3. Der im Schiedsverfahren geltend gemachte Anspruch beruht auf einem Vertrag über Generalplanerleistungen und die örtliche Bauaufsicht. Aus diesem Grund hatte der Senat den Parteien bereits vor der Unterbrechung des Verfahrens bekanntgegeben, dass er die Bestellung eines – namentlich bezeichneten – Ziviltechnikers beabsichtige. Dieser ist nun als Schiedsrichter zu bestellen.

6. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

War bereits vor Insolvenzeröffnung ein Schiedsverfahren über eine Insolvenzforderung anhängig, so ist dieses Verfahren jedenfalls dann als Prüfungsverfahren iSv § 113 IO fortzusetzen, wenn nur der Insolvenzverwalter, nicht aber auch andere Insolvenzgläubiger das Bestehen der Forderung bestritten haben.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 616 Abs 1 ZPO iVm § 78 Abs 1 AußStrG. Die Masse hat allerdings nur die Kosten jener Verfahrenshandlungen zu ersetzen, die die Antragstellerin nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzt hat (§ 113 iVm § 112 Abs 2 IO;Konecny in Konecny/Schubert, § 113 KO Rz 28). Kosten hat die Antragstellerin hier nur für den Fortsetzungsantrag verzeichnet.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:018ONC00002.18S.1130.000

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