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OGH vom 23.07.2020, 18ONc1/20x

OGH vom 23.07.2020, 18ONc1/20x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten Dr. Vogel und Dr. Veith sowie die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth und Mag. Painsi als weitere Richter in der Schiedsrechtssache der Antragstellerin (schiedsbeklagte Partei) S.***** S.R.L., *****, Rumänien, vertreten durch Mag. Anne-Karin Grill, MA, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin (schiedsklagende Partei) P***** S.R.L., *****, Rumänien, vertreten durch KNOETZL HAUGENEDER NETAL Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Ablehnung des Schiedsrichters Univ.-Prof. ***** P***** (§ 589 Abs 3 ZPO), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Ablehnung des Schiedsrichters Univ.-Prof. ***** P***** wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 4.146,12 EUR (darin 691,02 EUR USt und 2.641,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des gerichtlichen Ablehnungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind die Parteien eines bei der Internationalen Schiedsinstitution der Wirtschaftskammer Österreich (Vienna International Arbitral Centre, „VIAC“) unter der Fallzahl ARB-5585 anhängigen Schiedsverfahrens.

Die Antragsgegnerin benannte in ihrer Schiedsklage vom gemäß Art 7 Abs 2.5 der Wiener Regeln 2018 Univ.-Prof. ***** P***** als Schiedsrichter.

Die Antragstellerin erhob mit Schriftsatz vom Einwendungen gegen die Benennung dieses Schiedsrichters, dies mit folgender Begründung: Zwischen dem Rechtsvertreter der Antragsgegnerin, Mag. F*****, dessen Kanzlei K***** GmbH und dem benannten Schiedsrichter bestünden – näher dargestellte – persönliche Verbindungen, die auf eine enge Beziehung permanenter Natur hindeuteten. Der benannte Schiedsrichter habe keinen dieser Umstände offengelegt. Mit seiner Entscheidung vom bestätigte das Präsidium des VIAC die Bestellung des von der Antragsgegnerin benannten Schiedsrichters. Die Voraussetzungen des Art 19 Abs 1 der Wiener Regeln 2018 seien erfüllt und es bestünden keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Schiedsrichters. [Entscheidung des VIAC Präsidiums über die Ablehnung der Antragstellerin vom , Blg ./10]

Mit Schriftsatz vom lehnte die Antragstellerin den von der Antragsgegnerin benannten Schiedsrichter nach Art 20 der Wiener Regeln 2018 ab. Es bestünden gerechtfertigte Zweifel an dessen Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. Zwischen dem bestellten Schiedsrichter, dem Rechtsvertreter der Antragsgegnerin, Mag. F*****, und dessen Kanzlei bestehende Verbindungen deuteten auf eine enge, laufende und langfristig bestehende Beziehung zwischen dem Schiedsrichter und dem Rechtsvertreter hin. Der bestellte Schiedsrichter habe diese Beziehungen nicht offen gelegt.

Mit seiner Entscheidung vom wies das Präsidium des VIAC die Ablehnung zurück. Die Antragstellerin habe keine weiteren Gründe neben denen vorgebracht, die sie in ihrem Antrag auf Ablehnung der Bestätigung der Benennung des Schiedsrichters angeführt gehabt habe. Nach Ansicht des Präsidiums des VIAC sei keiner der vorgebrachten Umstände geeignet, berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Schiedsrichters zu wecken. Aufgrund der vorgelegten Informationen könne keine enge, über das berufliche Niveau hinausgehende persönliche Beziehung zwischen dem benannten Co-Schiedsrichter und dem Rechtsvertreter der Antragsgegnerin, Mag. F*****, oder dessen Kanzlei festgestellt werden. Die gemeinsam verbrachte Zeit habe ausschließlich berufliche Verpflichtungen betroffen und falle demnach unter die „Grüne Liste“ der IBA Richtlinien zu Interessenkonflikten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit („IBA-Richtlinie“), ebenso wie der Umstand, dass der Schiedsrichter in der Vergangenheit einmal von der Kanzlei der Antragsgegnerin bestellt und in den vergangenen drei Jahren zweimal gemeinsam mit Mag. F***** als Schiedsrichter in einem Verfahren fungiert habe. Eine Nicht-Offenlegung bedinge nicht per se, dass der Schiedsrichter oder die Schiedsrichterin parteiisch oder abhängig sei. [Entscheidung des VIAC Präsidiums über die Ablehnung der Antragstellerin vom , Blg ./10]

Am teilte der von der Antragsgegnerin benannte Schiedsrichter den Parteienvertretern per E-Mail unter Hinweis auf die von VIAC geübte Praxis mit, dass er für die mit dem Jahr 2020 beginnende Periode zum Mitglied des VIAC-Präsidiums bestellt wurde. Laut Art 2 Abs 3 der Wiener Regeln dürften Mitglieder des Präsidiums bei den Erörterungen und den Entscheidungen von Angelegenheiten eines von der VIAC verwalteten Verfahrens, an dem sie in irgendeiner Weise beteiligt sind oder waren, weder anwesend sein noch mitwirken. Daher bestehe kein Konflikt zwischen seiner Funktion als Mitglied des VIAC-Präsidiums und als Schiedsrichter im vorliegenden Fall. Der Schiedsrichter wies zudem daraufhin, dass Mag. P***** [Anm: Partnerin der von der Antragsgegnerin bevollmächtigten Rechtsanwaltskanzlei] ebenfalls zum Mitglied VIAC-Präsidiums bestellt wurde. Das habe zur Konsequenz, dass er sie im Rahmen der VIAC-Präsidiumssitzungen jeden zweiten Monat treffen könnte. Das VIAC-Präsidium bestehe aus 17 Mitgliedern. Er halte fest, dass diese Tatsache nichts an seiner Unparteilichkeit und Unabhängigkeit als Schiedsrichter im gegenständlichen Fall ändere. [E-Mail Univ.-Prof. ***** P***** vom , Blg ./B].

Mit Schriftsatz vom lehnte die Antragstellerin den von der Antragsgegnerin benannten Schiedsrichter neuerlich gemäß Art 20 der Wiener Regeln ab. Es bestünden berechtigte Zweifel an dessen Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. Sowohl der Schiedsrichter als auch Mag. P*****, eine Partnerin der die Antragsgegnerin vertretenden Kanzlei, seien Mitglieder des VIAC-Präsidiums, wodurch eine „genuine“ Verbindung zwischen dem Schiedsrichter und der Antragsgegnervertreterin entstehe. Der Schiedsrichter habe damit außerdem eine Funktion in der benennenden Stelle im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits inne. Die in der ersten Ablehnung der Antragstellerin genannten Ablehnungsgründe seien angesichts der neuen Umstände und den sich häufenden Verbindungen zwischen dem Schiedsrichter und den Rechtsvertretern der Antragsgegnerin neu zu evaluieren.

Mit seiner Entscheidung vom lehnte das Präsidium des VIAC auch den zweiten Ablehnungsantrag ab. Keiner der angeführten Umstände – weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit – eigne sich, iSd Art 20 Abs 1 der Wiener Regeln 2018 berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des abgelehnten Schiedsrichters zu wecken oder den Anschein zu geben, dass dieser bei seiner Entscheidungsfindung von anderen Faktoren als den von den Parteien vorgebrachten entscheidungserheblichen Umständen beeinflusst werde. In ihrer zweiten Ablehnung beziehe sich die Antragstellerin auf mehrere Ablehnungsgründe, die in der ersten Ablehnung angeführt seien. Was diese Gründe betreffe, verweise das Präsidium des VIAC auf die detaillierte Begründung seiner Entscheidung vom , die keiner Wiederholung bedürfe. Jedoch habe das Präsidium bei der Entscheidung über die zweite Ablehnung alle angeführten Gründe (wieder) berücksichtigt und evaluiert, mit besonderem Fokus auf den neu eingebrachten Aspekt der Mitgliedschaft des abgelehnten Schiedsrichters im Präsidium des VIAC. Die Tatsache, dass der Schiedsrichter damit eine Funktion in der benennenden Stelle im Rahmen dieses Rechtsstreits innehabe, wecke aufgrund der durch die einschlägigen Bestimmungen der Wiener Regeln 2018 geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingungen keine berechtigten Zweifel an seiner Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. Die bloße Tatsache, dass auch eine Partnerin der die Antragsgegnerin vertretenden Anwaltskanzlei Mag. P*****, Mitglied des VIAC-Präsidiums sei und der abgelehnte Schiedsrichter sie bei der Ausübung ihrer Funktionen im Rahmen der Präsidialtreffen des VIAC treffe, falle nicht unter Art 3.3.3. zweiter Satz der IBA Richtlinien. Kontakte zwischen Personen im Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit aus wirtschaftlichen und beruflichen Gründen seien häufig. Es gebe daher keinen Anlass zu berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit eines Schiedsrichters, wenn die Beziehung zwischen diesem und dem Rechtsvertreter einer Partei peripher sei und nicht über die berufliche Beziehung hinausgehe. Die Funktion im Präsidium des VIAC verstärke nicht die Verbindung zwischen dem Schiedsrichter und der Antragsgegnervertreterin in einem Maße, das über eine berufliche Beziehung hinausgehe; sie verfolgten auch keine gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen, die sich aus der Funktion ergeben. In welcher beruflichen Beziehung der Schiedsrichter mit einem Kollegen aus seiner Rechtsanwaltskanzlei und weiterem Präsidiumsmitglied stehe, sei nicht relevant, da dieser Umstand keine Auswirkung auf dieses Verfahren habe. Die vermeintlich „neue Ebene von Verbindungen“ zwischen dem Schiedsrichter und Mag. P*****, die Mitgliedschaft im VIAC Präsidium, könnte weder per se noch kumulativ mit den anderen bereits in der Entscheidung des VIAC-Präsidiums vom behandelten Aspekten der Beziehung des Schiedsrichters zu einem weiteren Antragsgegnervertreter, Mag. F*****, aus der ersten Ablehnung den Anschein erwecken, dass der Schiedsrichter voreingenommen sei. Es bestehe kein Anlass zu berechtigten Zweifeln an dessen Unparteilichkeit und Unabhängigkeit, auch wenn alle von der Antragstellerin angeführten Umstände in ihrer Gesamtheit betrachtet würden [Entscheidung des VIAC Präsidiums über Ablehnung der Antragstellerin vom ,Blg ./C].

Mit dem – hier zu beurteilenden – Antrag nach § 589 Abs 3 ZPO beantragte die Antragstellerin, der Oberste Gerichtshof möge ihrer Ablehnung stattgeben und den abgelehnten Schiedsrichter für die Fortführung des zwischen den Streitparteien geführten Schiedsverfahrens für befangen erklären. Die Antragstellerin stützt diesen Ablehnungsantrag darauf, dass der abgelehnte Schiedsrichter und ein Mitglied des Anwaltsteams der Antragsgegnerin, Mag. P*****, Mitglieder des VIAC-Präsidiums sind. Mit einem weiteren Mitglied des Anwaltsteams der Antragsgegnerin, Mag. F*****, „kollaboriere“ der abgelehnte Schiedsrichter auf diversen Ebenen eng und regelmäßig, sodass ein enger persönlicher Kontakt naheliege. Der abgelehnte Schiedsrichter als Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und Mag. F***** als Präsident der Österreichischen Schiedsvereinigung Arbitration Austria – Arb|Aut verfolgten gleichgeschaltete berufliche Interessen, die Kanzlei von Mag. F***** und Mag. P***** habe den Schiedsrichter in den vergangenen drei Jahren bereits als Schiedsrichter in einem Schiedsverfahren nominiert; zwei Mal sei er in den vergangenen drei Jahren mit Mag. F***** als Co-Schiedsrichter in Schiedsverfahren tätig gewesen. Mag. F***** sei als Lektor am Institut für Zivilverfahrensrecht der juridischen Fakultät der Universität Wien tätig, dem auch der Schiedsrichter angehöre; beide seien als Coaches der Universität Wien im Zusammenhang mit dem alljährlich in Wien stattfindenden Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot Court, einem renommierten internationalen Studentenwettbewerb im Bereich des Schiedsverfahrensrechts, engagiert, der ua von Mag. P***** federführend organisiert werde. Diese „vielschichtigen und öffentlich wahrnehmbaren“ Verbindungen zwischen dem abgelehnten Schiedsrichter und den Bevollmächtigten der Antragsgegnerin seien zwingend nicht nur für sich genommen, sondern auch in einer Gesamtschau zu beurteilen. Die Kumulation der individuellen Aspekte der Beziehung zwischen dem abgelehnten Schiedsrichter und den Bevollmächtigten der Antragsgegnerin erwecke im hier zu prüfenden Einzelfall – auch unter Berücksichtigung der Überschaubarkeit der „Schiedsszene“ in Österreich – berechtigte Zweifel an der Neutralität des abgelehnten Schiedsrichters. Der vom Schiedsrichter nachträglich offengelegte Umstand, dass sowohl er als auch Mag. P***** seit Mitglieder des VIAC Präsidiums sind, rechtfertige für sich alleine, aber insbesondere auch in Zusammenschau mit den offenkundig „engen und vielschichtigen Kollaborationen“ zwischen dem abgelehnten Schiedsrichter und Mag. F***** Zweifel an dessen Neutralität.

Der Senat räumte dem abgelehnten Schiedsrichter und der Antragsgegnerin die Möglichkeit ein, zu diesem Ablehnungsantrag Stellung zu nehmen.

Die Antragsgegnerin bestritt das Bestehen auch nur eines Anscheins einer Befangenheit und beantragte die Zurückweisung des Ablehnungsantrags. Der Schiedsrichter nahm zum Tatsachengehalt des Vorbringens der Antragstellerin ausführlich Stellung und stellte die persönlichen Kontakte zu den genannten Parteienvertretern in einen Gesamtzusammenhang mit seiner Tätigkeit. Er beantragte, den offensichtlich unbegründeten Ablehnungsantrag abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

Der Ablehnungsantrag ist unbegründet und daher (im Sinne der Diktion des § 24 Abs 2 JN) zurückzuweisen.

1.1. Ein Schiedsrichter kann nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt (§ 588 Abs 2 ZPO; Art 20 Abs 1 Wiener Regeln 2018).

1.2. Die Partei, die einen Schiedsrichter ablehnt, hat – mangels einer Vereinbarung über das Ablehnungsverfahren – binnen vier Wochen, nachdem ihr die Zusammensetzung des Schiedsgerichts oder ein Umstand iSd § 588 Abs 2 ZPO bekannt geworden ist, dem Schiedsgericht schriftlich die Ablehnungsgründe darzulegen. Tritt der abgelehnte Schiedsrichter von seinem Amt nicht zurück oder stimmt die andere Partei der Ablehnung nicht zu, so entscheidet das Schiedsgericht einschließlich des abgelehnten Schiedsrichters über die Ablehnung (§ 589 Abs 2 ZPO). Die hier maßgebliche VIAC Schiedsordnung („Wiener Regeln“) regelt das Verfahren zur Ablehnung von Schiedsrichtern in Art 20. Nach dessen Abs 2 ist der Ablehnungsantrag einer Partei gegen einen bestellten Schiedsrichter innerhalb von 15 Tagen, nachdem die Partei vom Ablehnungsgrund Kenntnis erlangt hat, unter Angabe des Ablehnungsgrundes sowie etwaiger beigeschlossener Bescheinigungsmittel einzureichen. Tritt der abgelehnte Schiedsrichter von seinem Amt nicht zurück, entscheidet das Präsidium über die Ablehnung.

1.3. Bleibt eine Ablehnung nach dem von den Parteien vereinbarten Verfahren oder nach dem in § 589 Abs 2 ZPO vorgesehenen Verfahren erfolglos, so kann die ablehnende Partei binnen vier Wochen, nachdem ihr die Entscheidung, mit der die Ablehnung verweigert wurde, zugegangen ist, bei Gericht eine Entscheidung über die Ablehnung beantragen (§ 589 Abs 3 ZPO).

1.4. Die Frist für die Anrufung des staatlichen Gerichts beträgt zwingend vier Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem die ablehnende Partei – gleichgültig auf welche Art und Weise – Kenntnis von der die Ablehnung verweigernden Entscheidung im außergerichtlichen Vorverfahren gemäß Abs 1 oder 2 erhalten hat. Mit Fristablauf ist der Ablehnungsgrund präkludiert. Die neuerliche Geltendmachung der Ablehnungsgründe insbesondere im Aufhebungsverfahren oder im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ist unzulässig (ErläutRV 1158 BlgNR 22. GP 14, 27; Hausmaninger in Fasching/Konecny³ § 589 ZPO Rz 85; Weber in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Handbuch Schiedsrecht Rz 14.53; Rechberger/Hofstätter in Rechberger/Klicka, ZPO5§ 589 ZPO Rz 4; Nueber in Höllwerth/Ziehensack, ZPO-Praxiskommentar § 589 ZPO Rz 7; Riegler/Petsche in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht [2011] Rz 5/227). Bleibt eine Ablehnung im Schiedsverfahren iSd § 589 Abs 2 ZPO erfolglos und wurde das Gericht nicht (fristgerecht) angerufen, kann der Schiedsrichter daher aus diesen Gründen auch nicht neuerlich abgelehnt werden. Ein ausschließlich auf bereits erfolglos gebliebenen Gründe gestützter Ablehnungsantrag ist unzulässig und daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen (zum Ablehnungsverfahren: im Verfahren vor dem staatlichen Gericht; 1 Ob 108/74 = RIS-Justiz RS0046075; 8 Ob 25/17k = RS0131343). Die neuerliche Würdigung eines bereits für ungerechtfertigt erkannten Ablehnungsgrundes setzt daher voraus, dass – wie hier – neue Umstände geltend gemacht werden, die in den inhaltlichen Rahmen des gleichen fallen und wenigstens abstrakt geeignet sind, eine andere (Gesamt)Beurteilung zu bewirken.

2.1. Der Gesetzestext des § 588 ZPO idF des SchiedsRÄG 2006 verweist zwar anders als die Bestimmung des früheren § 586 ZPO nicht mehr auf die Bestimmungen über die Befangenheit und die Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN). Ungeachtet dessen sind die Gründe für die Ablehnung staatlicher Richter – unter spezieller Berücksichtigung der Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit – weiterhin als Richtlinien heranzuziehen (18 ONc 2/19t; 18 ONc 1/19w mwN).

2.2. Nach der Rechtsprechung zur Befangenheit und Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN) sollen Ablehnungsregeln den Parteien nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RS0046087; RS0109379). Dennoch ist bei der Prüfung der Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 JN im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949; RS0109379; RS0046052 [T12]). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss, auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte, oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RS0109379 [T4, T 7]; RS0046052 [T10]). Bei der Beurteilung der Fairness eines Verfahrens ist auch der äußere Anschein von Bedeutung. Gerechtigkeit soll nicht nur geübt, sondern auch sichtbar geübt werden (RS0109379 [T4]; RS0046052 [T15]). Daher soll schon der Anschein, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, jedenfalls vermieden werden (RS0046052).

2.3. Dem Ansehen der staatlichen Gerichtsbarkeit, in deren Interesse an die Beurteilung einer allfälligen Befangenheit dieser strenge Maßstab anzulegen ist, ist das Ansehen der Schiedsgerichtsbarkeit gleichzuhalten, setzt doch auch die Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit nicht nur Fachkompetenz, sondern auch das Vertrauen der Rechtssuchenden in unabhängige, unparteiische und frei von Interessenkollisionen agierende Schiedsrichter voraus. Die zitierte Rechtsprechung zur Prüfung der Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 JN verdient daher auch im Fall der Ablehnung eines Schiedsrichters Beachtung (18 ONc 2/19t mwN).

2.4. Auch die von der IBA erlassenen Richtlinien zu Interessenkonflikten in Internationalen Schiedsverfahren (IBA-Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration; „IBA Guidelines“) können – ungeachtet dessen, dass sie keinen normativen Charakter haben und zu ihrer unmittelbaren Wirksamkeit der Vereinbarung durch die Parteien bedürfen – bei der Beurteilung von Befangenheitsgründen als Orientierungshilfe dienen (18 ONc 1/19w mwN; RS0132687).

2.5. Die IBA Guidelines knüpfen den Interessenkonflikt ebenso bereits an das Vorliegen von Fakten oder Umständen, die aus der Sicht eines vernünftigen Dritten in Kenntnis der relevanten Fakten Grund zu berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters geben. Zweifel werden dann als berechtigt erachtet, wenn eine vernünftige und informierte dritte Person auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit schließt, dass der Schiedsrichter bei seiner Entscheidungsfindung von anderen Faktoren als dem von den Parteien präsentierten Sachverhalt beeinflusst werden könnte (IBA-Guidelines I.2.b. und c.; 18 ONc 1/19w mwN).

3.1. Die Antragsstellerin leitet – aus ihrer Sicht berechtigte – Zweifel an der Unparteilichkeit des abgelehnten Schiedsrichters aus dessen Beziehungen zu zwei Mitgliedern jener Rechtsanwaltskanzlei ab, die zur Vertretung der Antragsgegnerin im Schiedsverfahren bevollmächtigt ist.

3.2. Ausgehend von der insoweit übereinstimmenden oder zumindest miteinander in Einklang stehenden Darstellung im wechselseitigen Vorbringen der Parteien, den Stellungnahmen des abgelehnten Schiedsrichters, und den zur Vorlage gebrachten in Bezug auf ihre Echtheit unbedenklichen Urkunden ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:Der Schiedsrichter Univ.-Prof. ***** P***** (in der Folge P*****) ist Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.

Die zur Vertretung der Antragsgegnerin im Schiedsverfahren bevollmächtigte Kanzlei hat diesen einmal als Schiedsrichter in einem Schiedsverfahren nominiert. Dieser Fall wurde im April 2018 mit einem Schiedsspruch abgeschlossen.

Dieser in der Rechtsform einer GmbH organisierten Rechtsanwaltskanzlei gehören auch Mag. F***** und Mag. P***** an, die im Schiedsverfahren als aktführende Anwälte auftreten. Mag. F***** ist Präsident der Österreichischen Schiedsvereinigung Arbitration Austria – Arb Aut. P***** ist einfaches Mitglied von Arb Aut und übt keinerlei Funktionen in der Vereinigung aus. Arb Aut organisiert allerdings regelmäßig Veranstaltungen im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit, wobei einige dieser Veranstaltungen am Wiener Juridicum und im Hauptgebäude der Universität Wien abgehalten wurden. Im Rahmen dieser Veranstaltungen war P***** gelegentlich Vortragender oder Moderator. Im Zusammenhang mit der Organisation solcher Veranstaltungen hatten Mag. F***** und P***** bis ca Anfang 2019 vereinzelt kurze Kontakte (Telefonate und E-Mails), seit etwa mehr als einem Jahr hatten sie weder persönlich noch auf irgendeine andere Weise solche Kontakte.

Mag. F***** und P***** waren in den letzten drei Jahren zwei Mal gemeinsam Schiedsrichter eines aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsrichtersenats.

Mag. F***** war in den vergangenen Jahre als Lektor einer als Blockveranstaltung gehaltenen Vorlesung der Universität Wien zum Thema Internationale Schiedsgerichtsbarkeit tätig. Der von Mag. F***** abgehaltene Teil der Blockveranstaltung findet einmal pro Jahr am Juridicum statt und dauert vier Stunden. Eine Reihe anderer Schiedspraktiker sind ebenfalls Vortragende im Rahmen der selben Lehrveranstaltung – Mag. F***** hatte mit P***** im Rahmen dieser Lehrveranstaltung abgesehen von einem Gespräch vor der erstmaligen Übernahme der Lehrveranstaltung im Jahr 2013 – keinen persönlichen Kontakt.

Mag. F***** ist seit dem Jahr 2017/2018 als „Coach“ des Studententeams der Universität Wien bei einem internationalen Studentenwettbewerb, dem „Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot“ (dem „Vis Moot“), tätig. Als solcher ist er Teil eines aus Universitätsassistenten und anderen Schiedspraktikern bestehenden sechsköpfigen Coaching Teams. P***** nahm an den Coaching-Stunden – abgesehen von einer Einführungsveranstaltung – nicht teil. Mag. F***** hat im akademischen Jahr 2019/2020 P***** kein einziges Mal im Rahmen des Vis Moot persönlich getroffen noch kam es sonst zu einem Kontakt.

P***** und Mag. P***** wurden vom Erweiterten Präsidium der Wirtschaftskammer Österreich in dessen Sitzung am mit Wirkung zum für die Funktionsperiode von drei Jahren in das Präsidium des VIAC bestellt. Eine solche Bestellung erfolgt auf Empfehlung des VIAC-Präsidenten (Art 2 Abs 1 der Wiener Regeln 2018). Mit der Annahme der Bestellung verpflichten sich die Mitglieder des Präsidiums dazu, ihre Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen und bei der Ausübung ihrer Funktion unabhängig und an keine Weisungen gebunden zu sein (Art 2 Abs 4 der Wiener Regeln 2018). Seit besteht das Präsidium des VIAC aus 15 Mitgliedern, einem Ehrenpräsidenten und einem Ehrenmitglied, die sich regelmäßig treffen, um fallbezogene Angelegenheiten und Maßnahmen zur Förderung des VIAC und Wiens als Schiedsort sowie zur Stärkung der Schiedsgerichtsbarkeit in Österreich zu diskutieren. Die Funktion eines Präsidiumsmitglieds wird ehrenamtlich ausgeführt, ohne direkte oder indirekte Entlohnung. Mitglieder des Präsidiums der VIAC sind über alles, was ihnen in dieser Funktion bekannt geworden ist, zur Verschwiegenheit verpflichtet (Art 2 Abs 4 der Wiener Regeln 2018). Mitgliedern des Präsidiums, die in irgendeiner Eigenschaft an einem Schiedsverfahren beteiligt sind, ist bei Entscheidungen in Zusammenhang mit einem solchen Verfahren das Stimmrecht entzogen. Es ist den betroffenen Präsidiumsmitgliedern auch explizit untersagt, an der Erörterung und der Entscheidung über solche Verfahren teilzunehmen oder mitzuwirken (Geschäftsordnung des VIAC Präsidiums, Abs 5 in Anhang 2 zu den Wiener Regeln 2018).

4. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich rechtlich:

4.1. Aus Beziehungen des Schiedsrichters zu den Bevollmächtigten einer der Schiedsparteien können sich Umstände ergeben, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit von Schiedsrichtern wecken (RS0132687 [T1]). Zweifel sind aber nicht berechtigt, wenn die Beziehung zur Kanzlei des Parteienvertreters peripherer Natur ist und nicht über ein sachliches Verhältnis beruflicher Natur hinaus geht (18 ONc 1/19w mwN). Kontakte von Personen, die im Bereich der privaten Schiedsgerichtsbarkeit tätig sind, sind häufiger und durch wirtschaftliche oder berufliche Gegebenheiten bedingt. Sie sind deshalb nicht ohne weiteres ein Ablehnungsgrund. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass fachliche Kontakte mit nicht aktenführenden Anwälten der Parteienvertreter eine Ablehnung nicht rechtfertigen können. Würde sich jeder prominente Jurist, der sich in Fachkreisen engagiert, über diverse Umwege und Bekanntschaften berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit aussetzen, wären Schiedsverfahren in der durchaus „vernetzten“ juristischen Szene Österreichs weitgehend ausgeschlossen (18 ONc 1/19w mwN).

4.2. Ungeachtet des von der Rechtsprechung angewandten restriktiven Maßstabs vermittelt der hier zu beurteilende Sachverhalt einem verständigen Dritten im Hinblick auf die Gegebenheiten der Schiedsgerichtsbarkeit und der „vernetzten“ juristischen Szene in Österreich nicht den Anschein eines solchen Ausmaßes an Vertrautheit, das für gewöhnlich einer unvoreingenommenen Beurteilung der Schiedssache entgegensteht. Die festgestellten Kontakte zwischen dem abgelehnten Schiedsrichter und zwei Partnern der von der Antragsgegnerin bevollmächtigten Rechtsanwaltskanzlei gehen über Kontakte peripherer Natur nicht hinaus. Aus der Sicht eines vernünftigen Dritten in Kenntnis der relevanten Fakten ist keine dieser Tätigkeiten und Gelegenheiten, die zu einem Zusammentreffen führen, in zeitlicher oder inhaltlicher Hinsicht so intensiv, dass der Eindruck einer engen Zusammenarbeit und persönlichen Beziehung entsteht. Das Verhältnis zwischen dem Schiedsrichter und den Rechtsanwälten ist ungeachtet der mehrfachen Berührungspunkte jeweils ein sachliches Verhältnis beruflicher Natur und im Umfeld der Schiedsgerichtsbarkeit nicht ungewöhnlich. Auch die Grüne Liste der IBA Guidelines, eine nicht erschöpfende Aufzählung bestimmter Situationen, in denen objektiv betrachtet weder der Anschein eines Interessenkonflikts noch ein tatsächlicher Interessenkonflikt besteht (IBA Guidelines, II.7) erklärt vergleichbare Umstände für unbedenklich (vgl Punkte 4.3.1 bis 4.3.3). Das Präsidium des VIAC betonte in seiner Entscheidung zu Recht, dass die parallele Mitgliedschaft im Präsidium des VIAC die Verbindung zwischen dem Schiedsrichter und der Antragsgegnervertreterin nicht in einem Maße verstärkt, das sie damit über eine berufliche Beziehung hinausgeht. Die mit dieser Funktion verbundene Zusammenarbeit im Präsidium des VIAC bedeutet insbesondere keine anderweitige Verbindung iSd Punktes 3.3.3. der „Orangen Liste“ der IBA Richtlinien. Selbst dann wäre dies hier aber eine Situation, die im Einzelfall keinen Grund zu berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters gibt (vgl IBAGuidelines, II.3).

5. Ergebnis:

5.1. Der Ablehnungsantrag ist daher zurückzuweisen.

5.2. Die Entscheidung über die Verpflichtung der Antragstellerin zum Ersatz der Kosten des gerichtlichen Ablehnungsverfahrens beruht auf § 616 Abs 1 ZPO iVm § 78 Abs 1 Satz 1 AußStrG. Der abgelehnte Schiedsrichter hat für seine Äußerung keine Kosten ersetzen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:018ONC00001.20X.0723.000

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