OGH vom 04.03.2013, 8Ob45/12v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** G*****, vertreten durch Dr. Rupert Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Gemeinde G*****, vertreten durch Kreuzberger, Stranimaier Vogler Rechtsanwälte OG in Bischofshofen, wegen Herausgabe (Streitwert 15.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 229/11v 34, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 3 Cg 97/10m 30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Beklagte ist aufgrund eines im Jahre 1972 geschlossenen Kaufvertrags Eigentümerin des Schlosses G*****, in dessen Rittersaal das Gemälde „Die Heiligen Drei Könige mit Dorf und Schloss G*****“ hängt. Der Kläger brachte vor, dieses Gemälde befinde sich lediglich als Leihgabe im Schloss, es sei im Eigentum seiner im Jahre 2000 verstorbenen Verwandten gestanden und ihm als Vermächtnis zugedacht worden. Der eingeantwortete Alleinerbe habe ihm in Erfüllung des Legats sämtliche Rechte an dem Bild abgetreten. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe des Gemäldes.
Die Beklagte wandte ein, sie sei selbst Eigentümerin des Bildes, weil sie mit dem Kauf des Schlosses im Jahr 1972 auch die gesamte Einrichtung des Rittersaals erworben habe. Das strittige Gemälde sei in dessen hölzerne Renaissance-Wandvertäfelung eingepasst. Jedenfalls lägen aber die Voraussetzungen für eine Ersitzung des Gemäldes durch die Beklagte vor. Auf keinen Fall sei die Erblasserin im Jahre 1972 oder später Eigentümerin des Gemäldes gewesen.
Als Legatar habe der Kläger lediglich einen obligatorischen Anspruch, der gegenüber dem eingeantworteten Erben geltend zu machen sei. Mangels wirksamer Übergabe habe der Kläger keinesfalls Eigentum an dem Gemälde erworben und könne es von der Beklagten als redlicher und rechtmäßiger Besitzerin nicht herausverlangen. Im Übrigen stünden dem Klagebegehren Denkmalschutzgründe entgegen.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Zusammengefasst kam es zu dem Ergebnis, dem Kläger stehe als Legatar kein dinglicher, sondern nur ein obligatorischer Anspruch gegen den Alleinerben zu. Zwar habe er nachgewiesen, dass ihm der Erbe sämtliche möglicherweise bestehenden Rechte an dem Gemälde abgetreten habe, dies allein berechtige den Kläger aber noch nicht zur Eigentumsklage. Es fehle an der erforderlichen sachenrechtlichen Übertragung. Eine Besitzanweisung komme dafür nach den Umständen nicht in Frage, weil die Beklagte sich selbst als Eigentümerin des Gemäldes betrachte und dem Ansinnen widerspreche. Eine wirksame Besitzanweisung erfordere zwar nicht notwendig die Zustimmung des innehabenden Dritten, sie sei aber dann nicht möglich, wenn der Dritte selbst Besitzer sei und sich der Anweisung äußerlich erkennbar widersetze. Die Bejahung einer Besitzanweisung trotz strittiger Eigentumsverhältnisse würde zu einer unzulässigen Übertragung der bloßen Prozessführungsbefugnis führen und sei zu unterbinden. Da es dem Kläger schon nach seinem eigenen Vorbringen an der Aktivlegitimation mangle, sei eine Aufklärung der strittigen Eigentumsverhältnisse nicht erforderlich.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge und billigte die dargelegten Rechtsausführungen des Erstgerichts.
Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg auf einen Widerruf des behaupteten Prekariums und den daraus resultierenden obligatorischen Herausgabeanspruch berufen, weil die Klage dann gegen die falsche Beklagte gerichtet wäre. Die im Jahr 1960 geschlossene Vereinbarung zwischen der Erblasserin und der Erzdiözese als damaliger Schlosseigentümerin sei nie auf die Beklagte übertragen worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die Beklagte hat nach Freistellung gemäß § 508a ZPO eine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die rechtliche Begründung der Vorinstanzen iSd § 502 Abs 1 ZPO einer Korrektur bedarf; sie ist im Sinne ihres Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Revisionswerber stellt zunächst und zu Recht nicht mehr in Frage, dass die letztwillige Anordnung der Erblasserin nur den Titel für einen schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung des Legats gegenüber dem eingeantworteten Erben bildete. Nur dieser ist mit dem Legat beschwert, selbst wenn er nicht Inhaber oder Besitzer der vermachten Sache ist (RIS Justiz RS0012586; Eccher in Schwimann ³ ABGB § 684 Rz 1; Apathy in KBB³ § 684 Rz 3).
Entgegen den Revisionsausführungen ist auch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, eine wirksame Übergabe des Gemäldes an den Kläger durch Besitzanweisung des Erben iSd §§ 427 bzw 428 ABGB müsse an der Behauptung der Beklagten scheitern, selbst Eigentümerin zu sein, im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung eine Besitzanweisung als gültiger Modus der Eigentumsübertragung möglich ist, wenn der Dritte schlichter Inhaber der Sache ist, aber auch wenn er selbst Rechtsbesitz ausübt. Jedenfalls muss aber dem Übergeber zum Zeitpunkt der Erklärung zumindest noch mittelbarer Besitz zukommen, weil die Anweisung an den Dritten, die Sache nicht mehr für den Übergeber, sondern für den Übernehmer zu halten, andernfalls ins Leere gehen würde. Eine zur Gänze verlorene Sachherrschaft kann nicht nur durch Worte wiederhergestellt werden; auf die Frage der Redlichkeit des Dritten kommt es nicht an.
Nichts anderes wollte aber offenkundig auch das Berufungsgericht mit seiner Formulierung, der Besitz eines Dritten schließe die Übergabe durch Besitzanweisung aus, zum Ausdruck bringen. Die in der Revision bemängelte Formulierung gründet sich auf ein etwas verkürzt wiedergegebenes Literaturzitat ( Spielbüchler in Rummel ³ I, § 425 ABGB Rz 6), das jedoch auf den Fall eines ausschließlichen Drittbesitzers abzielt, zumal im selben Absatz des Kommentars der mittelbare Besitz des Anweisenden für genügend erachtet wird. Entgegen den Revisionsausführungen ist das Berufungsgericht damit nicht von einer bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen.
Die Revision macht ferner geltend, es könne einem Erben nicht verwehrt werden, sich von der Verpflichtung zur körperlichen Übergabe eines nicht in seinem Besitz befindlichen Vermächtnisgegenstands im Einvernehmen mit dem Legatar durch Abtretung des Herausgabeanspruchs zu befreien. Es gehe nicht an, dass ein Dritter die Durchsetzung der abgetretenen Ansprüche des Legatars mit der bloßen Behauptung eigener Rechte von vornherein verhindern könnte.
Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.
Eine selbstständige, vom Eigentumsrecht losgelöste Übertragung einzelner daraus entspringender Rechte, insbesondere des Vindikationsanspruchs, wird nach herrschender Lehre und Rechtsprechung wegen der untrennbaren Verbindung zwischen Recht und Anspruch abgelehnt ( Thöni in Klang ³ § 1393 Rz 69 mwN; Ertl in Rummel ³, § 1393 ABGB Rz 1; Heidinger in Schwimann , ABGB³, § 1393 Rz 1; Neumayr in KBB³ § 1393 Rz 4; aA SZ 6/114). Dingliche Rechte gehören grundsätzlich nicht zu den in § 1393 ABGB genannten „veräußerlichen Rechten“, die durch Zession übertragen werden können, weil ihr Erwerb aus Publizitätsgründen speziellen Regeln unterliegt. Mit einer Abtretung nur des Herausgabeanspruchs nach § 366 ABGB, ohne weitere Rechtsbeziehungen zwischen Zedent und Zessionar in Ansehung der Sache, würde im Ergebnis eine unzulässige bloße Prozessführungsbefugnis begründet (ua Thöni aaO § 1392 Rz 8; § 1393 Rz 58).
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die im Verfahren vorgelegte Abtretungserklärung des Erben beschränkt sich nicht auf den Herausgabeanspruch, sondern umfasst alle Rechte an der vermachten Sache. Der Erbe tritt darin seine Rechte nicht abstrakt, sondern in der Erfüllung seiner Verpflichtung zur Herausgabe des Legats an den Kläger ab. Der Kläger soll damit nicht etwa nur berechtigt werden, das Bild für den Erben herauszuverlangen, sondern für sich selbst. Es wird damit keine vom dinglichen Recht selbst losgelöste Verfügung getroffen, weil der Legatar aufgrund seines eigenen Erwerbstitels unmittelbar Eigentümer werden soll, sobald der belangte Dritte den Herausgabeanspruch erfüllt (vgl auch Thöni aaO § 1393 ABGB Rz 6 mwN). Der Kläger ist daher zur unmittelbaren Geltendmachung des behaupteten Herausgabeanspruchs aktiv legitimiert.
Ausgehend von ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht haben sich die Vorinstanzen mit der materiellen Berechtigung des klägerischen Anspruchs nicht abschließend auseinandergesetzt. Die bisher getroffenen Tatsachenfeststellungen reichen für eine Beurteilung der Frage, ob das Gemälde im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin noch in deren Eigentum stand (§ 662 ABGB) und daher im Wege der Universalsukzession auf den Alleinerben übergegangen ist, nicht aus. Die in der Überlassungsvereinbarung vom dokumentierte Ansicht, das Gemälde verbleibe auch nach dem Verkauf des Schlosses im Eigentum der späteren Erblasserin, stellt nicht mehr als eine Wissenserklärung der Vertragsteile zum damaligen Zeitpunkt dar. Zur Prüfung, ob die Erblasserin jemals Eigentümerin des Gemäldes war, werden auch nähere Feststellungen bezüglich der ältesten vorgebrachten, auf eine Schenkung des 19. Jahrhunderts gegründeten Ansprüche des Salzburg Museums unumgänglich sein.
Abhängig vom Ergebnis des ergänzten Beweisverfahrens wird auf die weiteren Einwendungen der Beklagten einzugehen sein.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.