OGH vom 01.10.2019, 18OCg5/19p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten Dr. Veith sowie die Hofräte Hon.Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Musger und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Mag. Günter Novak-Kaiser Rechtsanwalt GmbH in Murau, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Erich Moser und Dr. Martin Moser, Rechtsanwälte in Murau, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs, hilfsweise Feststellung des Nichtbestehens eines Schiedsspruchs (Streitwert 20.000 EUR), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Das Begehren auf Aufhebung des Schiedsspruchs vom , womit das Begehren des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses des Vorstands der Beklagten vom abgewiesen wurde, sowie das hilfsweise gestellte Begehren auf Feststellung des Nichtbestehens dieses Schiedsspruchs werden abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.849,84 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin 641,64 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist eine Genossenschaft, deren Satzung für Streitigkeiten zwischen ihr und ihren Mitgliedern die Entscheidung eines nach den Regeln der Zivilprozessordnung gebildeten Schiedsgerichts vorsieht. Der Kläger war von 1985 bis 2007 Mitglied (zuletzt Vorsitzender) des Aufsichtsrats der Beklagten, danach gehörte er der Beklagten als einfaches Mitglied an. Aufgrund einer gegenüber Mitgliedern eines Prüfungsausschusses geäußerten Kritik an Organen der Beklagten schloss ihn der Vorstand am aus der Genossenschaft aus, der Aufsichtsrat bestätigte diesen Beschluss. Mit Schiedsspruch vom wies das Schiedsgericht das Begehren des Klägers, die Unwirksamkeit dieses Beschlusses festzustellen, ab.
Der begehrt die Aufhebung dieses Schiedsspruchs, hilfsweise die Feststellung des Nichtbestehens. Er stützte sich auf folgende Gründe:
Zum Aufhebungsbegehren:
(i) Verletzung der Vorschriften über die Besetzung des Schiedsgerichts: Ein aktiver Richter habe entgegen § 63 Abs 5 RStDG an der Entscheidung des Schiedsgerichts mitgewirkt. Da der Kläger diese Bestimmung nicht gekannt habe, habe er den Schiedsrichter im Schiedsverfahren nicht ablehnen können. Weiters seien zwei Schiedsrichter aufgrund ihres persönlichen Naheverhältnisses zum Vorstand der Beklagten von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen gewesen. Diese hätten weder unparteilich noch unabhängig agiert. Sie hätten versucht, im Interesse der Beklagten auf die Kinder des Klägers Einfluss zu nehmen. Sie hätten eine Stattgebung der Schiedsklage „in Aussicht gestellt, wobei 'dann' vom Vorstand ein neuerlicher Ausschluss des Schiedsklägers geplant sei“. Darüber gebe es ein Gedächtnisprotokoll der Kinder.
(ii) Verstoß gegen den formellen ordre public:
Das Schiedsgericht habe dem Kläger nicht ausreichend Möglichkeit gegeben, zu den unberechtigten Vorwürfen der Beklagten Stellung zu nehmen. Zusammengefasst habe im Schiedsverfahren keine Waffengleichheit geherrscht. Das Schiedsgericht hätte die maßgeblichen Protokollbücher beischaffen müssen.
(iii) Verstoß gegen den materiellen ordre public:
Das Schiedsgericht lege dem Kläger ausschließlich einen Angriff auf die Berufsehre der Vorstandsmitglieder zur Last, und zwar dadurch, dass er ihnen vorgeworfen habe, „die Unterschriften auf dem Jahresbericht nach Fertigstellung der Jahresrechnung 2013, erst Mitte 2014 geleistet zu haben, womit die Generalversammlung für 2013 bewusst getäuscht oder belogen wurde“. Dass die Unterschriften erst am geleistet worden seien, habe auch die Staatsanwaltschaft festgehalten. Der Kläger berufe sich auf die Meinungsäußerungsfreiheit. Das Schiedsgericht habe hier willkürlich gegen den Kläger entschieden, indem es die insofern erforderliche „Interessenabwägung im konkreten Einzelfall“ zum Nachteil des Klägers vorgenommen habe. Das Fehlen einer umfassenden Information habe später auch die Staatsanwaltschaft festgestellt. Die versuchte Einflussnahme zweier Schiedsrichter auf die Kinder des Klägers stelle darüberhinaus einen grundrechtsrelevanten Verstoß gegen das Recht auf Privat- und Familienleben dar, welches durch Art 8 EMRK geschützt sei.
(iv) Ohne erkennbaren Bezug auf einen Aufhebungsgrund brachte der Kläger weiters vor: Ihm sei nie ein begründeter Vorstandsbeschluss über seinen Ausschluss „zugestellt“ worden; vielmehr sei er davon nur vom Rechtsvertreter der Beklagten informiert worden. Darin liege eine in die Grundrechtssphäre reichende Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Der Kläger habe ein Recht auf gleichartige Auslegung einer generellen Norm in diesem Fall des § 6 Abs 2 der Satzung der [Beklagten]. Gleiches gelte für das seinerzeitige Einschreiten des Beklagtenvertreters als Mitglied der Beklagten. Dieser sei nach dem Gleichbehandlungsgebot der Satzung nicht berechtigt gewesen, gegen den Schiedskläger im Rahmen einer unberechtigten Einleitung des Ausschlussverfahrens bei der [Beklagten] einzuschreiten und in diesem persönlich in den Streit zu ziehen. Schließlich seien der Vorstand und der Aufsichtsrat nicht zum Ausschluss befugt gewesen, weil sich die Vorwürfe des Klägers gegen diese Organe gerichtet hätten. Daher hätten diese Organe nicht unparteiisch entscheiden können, was zum Übergang der Zuständigkeit auf die Generalversammlung geführt habe.
Zum Feststellungsbegehren:
Diese Umstände würden auch zur Begründung der Feststellung des Nichtbestehens eines Schiedsspruchs gemäß § 612 ZPO herangezogen. Der dem Schiedsverfahren zugrunde liegende – angebliche – Beschluss des Vorstands sei bislang „nicht zu Tage getreten“. Der Kläger habe „mangels eines Ausschlussbeschlusses“ ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens eines Schiedsspruchs über seinen angeblichen Ausschluss aus der Beklagten. Nach Hinweis auf die die Unschlüssigkeit dieses Vorbringens führte der Klagevertreter aus, dass sich dieses Vorbringen „insbesondere“ auf die unterbliebene Zustellung des Ausschlussbeschlusses beziehe; auch der Kläger gehe jedoch davon aus, dass es einen Schiedsspruch gebe.
In einem nach Ablauf der Frist des § 611 Abs 4 ZPO eingebrachten Schriftsatz brachte der weiters vor:
(i) Verletzung der Vorschriften über die Besetzung des Schiedsgerichts: Die Mitwirkung eines aktiven Richters begründe einen krassen Mangel bei der Bildung des Schiedsgerichts, der nach der Rechtsprechung auch noch nachträglich geltend gemacht werden könne. Die Parteilichkeit der Schiedsrichter, die auf die Kinder des Klägers mit dem Ziel eines Vergleichsabschlusses eingewirkt hätten, habe zu willkürlicher Rechtsanwendung geführt.
(ii) Verstoß gegen den formellen ordre public: Das Schiedsgericht habe seine Entscheidung nur floskelhaft begründet. Der vom Kläger kritisierte Sachverhalt sei wahr; die Beklagte habe den Ausschluss wider besseres Wissen auf einen unwahren Sachverhalt gestützt. Auf dieser Grundlage hätte das Schiedsgericht ausführlich darlegen müssen, aus welchen Gründen eine Schädigung der Interessen oder des Ansehens der Genossenschaft vorgelegen sei.
(iii) Verstoß gegen den materiellen ordre public: Bei der Kritik des Klägers am Verhalten des Vorstands der Beklagten habe es sich um eine nach Art 10 EMRK zulässige Kritik aufgrund eines wahren Tatsachenkerns gehandelt. Der Vorwurf der bewussten Täuschung oder Lüge beziehe sich auf die Unterschriften unter dem Lagebericht für 2013, der erst am unterfertigt worden sei. Es sei unerträglich, wenn die kritische Meinungsäußerung eines Genossenschaftsmitglieds zu einem Ausschluss aus der Genossenschaft führe.
Die beantragt die Abweisung der Klage und wendet zum Aufhebungsbegehren ein:
(i) Bei § 63 RStDG handle es sich um eine Ordnungsvorschrift, die keine Auswirkungen auf das Schiedsverfahren habe; zudem habe der Kläger selbst den aktiven Richter als Schiedsrichter benannt. Die Behauptungen zur allfälligen Befangenheit zweier Schiedsrichter seien verfristet. Zudem sei das Hinwirken auf einen Vergleich auch im staatlichen Gerichtsverfahren vorgesehen und begründe daher keine Befangenheit.
(ii) und (iii) Bei der Nichtbeischaffung der „Protokollbücher“ handle es sich allenfalls um einen Stoffsammlungsmangel, dessen Relevanz der Kläger nicht dargetan habe; zudem habe es sich dabei um einen Erkundungsbeweis gehandelt. Dem Ausschluss sei eine Anhörung des Klägers vorangegangen, er habe auch die Möglichkeit gehabt, ihn vor dem Schiedsgericht anzufechten. Ein Verstoß gegen den materiellen ordre public liege nicht vor, wenn ein Genossenschaftsmitglied ausgeschlossen werde, weil es Organe der Genossenschaft gegenüber Dritten ohne Tatsachengrundlage als Lügner bezeichnet habe. Der Ordre-public-Einwand erlaube keine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung; ein Verstoß gegen Grundwertungen des österreichischen Rechts liege nicht vor.
Ein Vorbringen zum Eventualbegehren erstattete die Beklagte nicht.
wurde erhoben durch Einsicht in die vom Kläger vorgelegten Urkunden. Auf dieser Grundlage steht folgender fest:
Ein Mitglied der Beklagten kann unter anderem wegen eines „Verhaltens, das geeignet ist, wichtige Interessen oder das Ansehen der Genossenschaft zu schädigen,“ durch Beschluss des Vorstands ausgeschlossen werden (§ 6 Abs 1 Z 8 der Satzung). Dieser Beschluss ist dem ausgeschlossenen Mitglied mit „eingeschriebenen Brief“ mitzuteilen (§ 6 Abs 2 der Satzung); über eine allfällige Beschwerde des Mitglieds entscheidet der Aufsichtsrat „endgültig“ (§ 6 Abs 3 der Satzung).
In Streitigkeiten zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern ist nach der Satzung in einem Schiedsverfahren nach den Regeln der Zivilprozessordnung zu entscheiden (§ 44 Abs 1 der Satzung). Das Schiedsgericht besteht aus fünf Mitgliedern, von denen jede Seite zwei bestellt; diese wählen den Obmann (§ 44 Abs 2 der Satzung). Die vier von den Parteien bestellten Schiedsrichter müssen Mitglieder der Genossenschaft sein (§ 44 Abs 4 der Satzung).
Der Kläger wurde vom Vorstand ausgeschlossen. Nach abschlägiger Erledigung seiner Beschwerde an den Aufsichtsrat erhob er Schiedsklage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschlusses. Als Schiedsrichter benannte er unter anderem einen aktiven Richter, der in weiterer Folge am Schiedsverfahren mitwirkte.
Das Schiedsgericht wies das Begehren des Klägers mit Entscheidung vom ab. Dabei ging es (zusammengefasst) von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
Der Kläger hat Anfang 2014 vom einem am abgegebenen Kaufangebot der Beklagten für eine Liegenschaft erfahren. Dieses Angebot war zunächst – entgegen der Satzung – nicht von zwei Vorstandsmitgliedern, sondern nur von einem Vorstandsmitglied und vom Geschäftsführer der Beklagten unterfertigt worden. Die Gegenseite hat das Angebot bis annehmen können, bis dahin musste sie die Liegenschaft auch lastenfrei stellen. Die Annahme ging der Beklagten innerhalb dieser Frist zu; die fehlende Unterschrift wurde nachgeholt. Allerdings gelang dem Verkäufer die Lastenfreistellung nicht, einer von ihm erbetenen Fristerstreckung hat die Beklagte nicht zugestimmt. Weitere Verhandlungen sind im April 2014 gescheitert. Im Bericht an die Generalversammlung vom stellte der Vorstand dies nicht näher dar, sondern erwähnte lediglich Gespräche über den Ankauf der Liegenschaft. Erst im Jahr 2016 kam es im Zuge eines Rechtsstreits zwischen der Beklagen und dem Verkäufer zum Ankauf der Liegenschaft.
Auf Betreiben des Klägers wurde bei der Generalversammlung vom ein Prüfungsausschuss eingesetzt, dem dieser Geschäftsfall nicht bekannt war. Der Ausschuss erstattete Beanstandungen und Verbesserungsvorschläge, die in einer Sitzung am erörtert wurden und denen die Organe der Beklagten in weiterer Folge im Wesentlichen entsprachen. Im Juni 2015 rügte der Kläger gegenüber den Mitgliedern des Prüfungsausschusses das Unterlassen der Darstellung des gescheiterten Ankaufs und verlangte dessen Einbeziehung in die Prüfung. Organe der Beklagten informierten den Prüfungsausschuss daraufhin über das Nichtzustandekommen des Vertrags, was der Ausschuss dem Kläger mitteilte.
Der Kläger wandte sich daraufhin mit eMail an zwei Mitglieder des Ausschusses und ein weiteres Genossenschaftsmitglied. Das Grundstück sei „sehr wohl bankmäßig-lastenfrei“ gewesen; die Darstellung der Beklagten gegenüber dem Ausschuss sei „ein Märchen“ gewesen. Weiter schrieb er: „Übrigens, die VIER Unterschriften wurden erst nach Fertigstellung der Jahresrechnung 2013 – Mitte 2014 gegeben, womit die Generalversammlung für 2013 bewusst getäuscht oder belogen wurde. Die Verantwortung für den Untergang [des Unternehmens der Beklagten] werden bei diesen maßlosen und erkennbaren Lügen jene zu tragen haben, die diese Vorgänge zur Kenntnis nehmen.“
In der folgenden Generalversammlung wurde dieses eMail erörtert, worüber auch eine Tageszeitung berichtete. Der Vertreter der Beklagten stellte daraufhin dem Kläger den Ablauf des Angebotsverfahrens dar, teilte ihm mit, dass sein Verhalten als ehrenbeleidigend und kreditschädigend empfunden werde, und forderte ihn im Hinblick auf einen möglichen Ausschluss zur Äußerung auf. Der Kläger beharrte auf seinen Vorwürfen und bestritt ein beleidigendes oder kreditschädigendes Verhalten. Daraufhin schloss ihn der Vorstand am aus. Der Aufsichtsrat gab der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde nicht Folge.
Rechtlich folgerte das Schiedsgericht, dass die unberechtigten Vorwürfe des Klägers eine negative Auswirkung auf die Wahrnehmung der Beklagten in der Öffentlichkeit gehabt hätten, wodurch deren im Wettbewerb stehendes Unternehmen belastet worden sei. Damit sei der Ausschlussgrund des § 6 Abs 1 Z 8 der Satzung erfüllt. Zwar seien zur Frage der Berichtspflicht über den (zunächst) gescheiterten Ankauf unterschiedliche Ansichten möglich; insofern habe sich der Kläger im Rahmen vertretbarer Kritik bewegt. Dies gelte aber nicht mehr für den Vorwurf von Täuschungsabsicht; dies insbesondere deswegen, weil der Kläger diesen Vorwurf nach Information über den Ablauf des Angebotsverfahrens aufrecht erhalten habe. Weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den Verfahrensergebnissen hätten sich Anhaltspunkte für ein unredliches Verhalten der Vorstandsmitglieder ergeben; der Vertragsschluss sei bereits mit Ablauf der Frist für die Lastenfreistellung (also sechs Monate vor der Generalversammlung) „geplatzt“ gewesen. Zwar sei dem Kläger das Gedeihen des Unternehmens immer ein wesentliches Anliegen gewesen. Dies reiche jedoch nach „mehrheitlicher Ansicht des Schiedsgerichts“ nicht aus, den Ausschluss als ungerechtfertigt anzusehen.
In einem „Gedächtnisprotokoll“ halten ein Sohn und eine Tochter des Klägers fest, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts und ein weiterer Schiedsrichter im Dezember 2018 zu einem Vergleich geraten und sie gebeten hätten, auf den Kläger in diesem Sinn einzuwirken. Dabei hätten sie eine stattgebende Entscheidung des Schiedsgerichts als wahrscheinlich bezeichnet, der aber wohl ein neuerlicher Ausschluss folgen würde. Daher sei ein Vergleich sinnvoll. Die Kinder geben an, dies als „Nötigung“ empfunden zu haben.
Diese gründen sich auf die vom Kläger . Widersprechende Beweisergebnisse gab es nicht.
Rechtliche Beurteilung
Auf dieser Grundlage sind das Haupt- und das Eventualbegehren :
A. Ein Aufhebungsgrund liegt nicht vor.
1. Zusammensetzung des Schiedsgerichts (§ 611 Abs 2 Z 4 ZPO):
1.1. Richtig ist, dass ein aktiver Richter entgegen § 63 Abs 5 RStDG an der Entscheidung des Schiedsgerichts mitgewirkt hat. § 63 Abs 5 RStDG ist allerdings eine Regelung mit dienstrechtlichem Charakter, deren Verletzung nach der Absicht des Gesetzgebers nicht zur Mangelhaftigkeit des Schiedsverfahrens führen sollte (Erläut zur RV des SchiedsRÄG 2006, 1158 BlgNR 22. GP 31). Diese Auffassung wird im Schrifttum einhellig geteilt (Hausmaninger in Fasching/Konecny, ZPO3§ 587 Rz 116; Rechberger/Hofstätter in Rechberger/Klicka, ZPO5§ 587 Rz 3; Deixler-Hübner in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Schiedsrecht [2018] Rz 9.56). Aus der Dienstpflichtverletzung des Richters kann daher kein Aufhebungsgrund abgeleitet werden.
1.2. Auch die angebliche Befangenheit von Schiedsrichtern führt nicht zur Aufhebung des Schiedsspruchs.
(a) Die Befangenheit von Schiedsrichtern ist grundsätzlich im Schiedsverfahren geltend zu machen (§ 589 ZPO). Bei nachträglich hervorgekommenen Befangenheitsgründen ließ der OGH bisher ein Geltendmachen in der Aufhebungsklage nach § 611 Abs 2 Z 4 und Z 5 ZPO in „krassen“ Fällen zu, die wertungsmäßig einem Ausschließungsgrund iSv § 20 JN nahekommen (2 Ob 112/12b; 2 Ob 155/13b; RISJustiz RS0128994; so auch Hausmaninger in Fasching/Konecny ZPO3§ 611 Rz 131; Liebscher in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht II [2016] Rz 11/212). Diese Beschränkung diene Rechtsfrieden und Rechtssicherheit; auch im Zivilprozess könne mit Nichtigkeitsklage nur die Ausgeschlossenheit eines Richters geltend gemacht werden.
(b) Die Beschränkung auf „krasse“ Fälle wurde allerdings im Schrifttum kritisiert: Das Hauptargument („gefährdete Rechtssicherheit“) gehe fehl, da die Aufhebungsklage – anders als die Nichtigkeitsklage nach § 529 ZPO – ohnehin nur innerhalb von drei Monaten möglich sei. Die Rechtssicherheit wäre vielmehr gerade dann beeinträchtigt, wenn es im Einzelfall tatsächlich auf das Vorliegen einer im Aufhebungsverfahren zu prüfenden „krassen“ Befangenheit ankäme. Art 6 EMRK (unparteiliches Gericht) spreche für die Möglichkeit des Wahrnehmens einer nachträglich (aber noch rechtzeitig innerhalb der Klagefrist) bekannt gewordenen Befangenheit noch mit Aufhebungsklage. Die Gefahr, dass sich eine Partei einen Ablehnungsgrund für das Aufhebungsverfahren vorbehalte, bestehe wegen § 579 ZPO nicht. Richtigerweise könne daher jeder Ablehnungsgrund, der im Schiedsverfahren mangels Kenntnis nicht geltend gemacht werden konnte, nach § 611 Abs 2 Z 4 ZPO zur Begründung einer Aufhebungsklage herangezogen werden (Rechberger/Hofstätter in Rechberger/Klicka, ZPO5§ 611 Rz 7; Reiner, Gerichte und Schiedsgerichte, ÖJZ 2009, 302 [304]; Riegler/Petsche in Liebscher/Oberhammer/ Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I [2012] Rz 5/238; Reiner/Vanovac, Entscheidungsanmerkung zu 2 Ob 112/12bGesRZ 2014, 130; Lovrek/Musger in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Schiedsrecht Rz 16.51). Allerdings werde dieser Aufhebungsgrund wegen des Vorrangs des Verfahrens nach § 589 ZPO nur dann schlüssig dargetan, wenn der Aufhebungskläger vorbringe, dass und aus welchem Grund er die Befangenheit im Schiedsverfahren nicht geltend machen konnte (Lovrek/Musger in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Schiedsrecht Rz 16.51).
(c) Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Angesichts der nur beschränkten Möglichkeit, einen Schiedsspruch inhaltlich zu überprüfen, hat die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts besondere Bedeutung. Das spricht dafür, die Befangenheit von Schiedsrichtern nicht nur in krassen Fällen, sondern ganz allgemein als Besetzungsmangel zu qualifizieren. Die Rechtssicherheit ist dadurch nicht beeinträchtigt, weil die Aufhebungsklage – von strafbarem Verhalten des Schiedsrichters iSv § 611 Abs 2 Z 6 iVm § 530 Abs 1 Z 4 ZPO abgesehen (§ 611 Abs 4 S 3 ZPO) – nur innerhalb von drei Monaten ab Zustellung des Schiedspruchs zulässig ist. Allerdings darf die Möglichkeit der Aufhebungsklage nicht dazu führen, dass sich eine Partei das Geltendmachen eines Aufhebungsgrundes für dieses Verfahrensstadium – abhängig vom Ausgang des Schiedsverfahrens – „vorbehalten“ kann. Vorrang hat daher die Ablehnung im Verfahren nach § 589 ZPO. Ein Geltendmachen in der Aufhebungsklage setzt aus diesen Gründen voraus, dass eine Ablehnung vor Erlass des Schiedsspruchs nicht möglich war. Der Aufhebungsgrund ist auf dieser Grundlage nur schlüssig dargetan, wenn schon in der Klage ein diesbezügliches Vorbringen erstattet wird.
(d) Im vorliegenden Fall hat der Aufhebungskläger nicht behauptet, im Schiedsverfahren an der Ablehung der von ihm nun als befangen bezeichneten Schiedsrichter gehindert gewesen zu sein. Damit war dieser Aufhebungsgrund nicht schlüssig behauptet. Dies war in der Verhandlung nicht zu erörtern: Die Unschlüssigkeit des Vorbringens zu einem bestimmten Aufhebungsgrund ist kein Fall für eine Verbesserung (18 OCg 1/18y; RS0036173 [T18]), was auch ein Schlüssigstellen in der Verhandlung ausschließt. Einen neuen Aufhebungsgrund konnte der Kläger nicht mehr geltend machen, weil die Klagefrist im Zeitpunkt der mündlichen Streitverhandlung bereits abgelaufen war (Hausmaninger in Fasching/Konecny ZPO3§ 611 Rz 167, 184 mwN; Liebscher in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht II Rz 11/63). Abgesehen davon besteht ohnehin kein Zweifel, dass der Kläger als langjähriger Funktionär die Nähe der beiden nun als befangen bezeichneten Schiedsrichter zur Beklagten kannte.
2. Formeller ordre public (§ 611 Abs 2 Z 5 ZPO):
2.1. Der Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 5 ZPO ist nur erfüllt, wenn gegen tragende Grundsätze eines geordneten Verfahrens verstoßen wurde. Einen Anhaltspunkt bilden dabei die Nichtigkeitsgründe des Zivilprozessrechts. Nur ein Mangel des Schiedsverfahrens, der diesen Gründen gleichkommt, kann zur Aufhebung führen (18 OCg 3/16i mwN; zuletzt etwa 18 OCg 2/18w). Die Ablehnung eines Beweisantrags erfüllt den Tatbestand für sich allein im Regelfall nicht (18 OCg 2/16t; RS0131051).
2.2. Auf dieser Grundlage kann die „Nichtbeischaffung der Protokollbücher“, deren Relevanz die Aufhebungsklage im Übrigen nicht dartut, für sich allein keinen Aufhebungsgrund bilden. Die weiteren Ausführungen sind nicht substantiiert.
2.3. Richtig ist, dass ein Begründungsmangel unter bestimmten Umständen als Ordre-public-Verstoß angesehen werden kann (18 OCg 3/16i SZ 2016/102 = ecolex 2017, 130 (Peters 127; Hausmaninger/Remp 318; RS0131052). Auf diesen Aufhebungsgrund hat sich der Kläger aber erst in einem nach Ablauf der Klagefrist des § 611 Abs 4 ZPO erstatteten Schriftsatz gestützt. Daher ist darauf nicht weiter einzugehen.
3. Materieller ordre public (§ 611 Abs 2 Z 8 ZPO):
3.1. Die Aufhebung nach § 611 Abs 2 Z 8 ZPO setzt voraus, dass der Schiedsspruch im Ergebnis den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung widerspricht. Dabei handelt es sich um unverzichtbare Wertvorstellungen, die das österreichische Recht prägen. Schutzobjekt sind nicht die subjektiven Rechtspositionen der Verfahrensparteien, sondern die inländische Rechtsordnung, die vor dem Eindringen mit ihr vollkommen unvereinbarer Rechtsgedanken und vor der unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen geschützt werden soll (RS0110743; RS0110125; Hausmaninger in Fasching/Konecny ZPO3 § 611 Rz 160). Dieser Aufhebungsgrund bietet daher keine Handhabe für die Prüfung der Frage, ob und wie weit das Schiedsgericht die im Schiedsverfahren aufgeworfenen Tat- und Rechtsfragen richtig gelöst hat (RS0045124). Auch Fehlentscheidungen müssen grundsätzlich hingenommen werden (18 OCg 3/15p, 18 OCg 1/19z).
3.2. Hier liegt – wie der Kläger selbst ausführt – eine Einzelfallentscheidung vor. Zwar ist beim Ausschluss aus einer Genossenschaft nach der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzulegen (RS0059669); ein dem Vorstand gemachter Vorwurf einer Pflichtverletzung reicht jedenfalls dann nicht aus, wenn er nach den festgestellten Umständen nicht „von vornherein abwegig, unsachlich oder mutwillig“ ist (5 Ob 5/02z). Im Hinblick auf Art 10 EMRK könnte daher erwogen werden, dass ein Ausschluss wegen sachlicher Kritik, die im Interesse der Genossenschaft geäußert wurde, gegen den materiellen ordre public verstieße. Im vorliegenden Fall hat das Schiedsgericht aber ohnehin differenziert: Kritik an der mangelhaften Berichterstattung an die Generalversammlung sei zulässig gewesen, nicht aber der auch nach Aufklärung über die Sachlage aufrecht erhaltene Vorwurf der „maßlosen und erkennbaren Lügen“ und der „bewussten Täuschung“. Diese Beurteilung des Einzelfalls verstößt jedenfalls nicht gegen Grundwertungen des österreichischen Rechts.
4. Das weitere Vorbringen des Klägers ist unter keinen Aufhebungsgrund zu subsumieren. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ausschließlich die Frage, ob (rechtzeitig geltend gemachte) Aufhebungsgründe in Bezug auf den Schiedsspruch vorliegen. Diesem Schiedsspruch vorgelagerte Fragen wie die die Befugnis des Vorstands der Beklagten zum Ausschluss des Klägers oder die wirksame Zustellung des Ausschlussbeschlusses sind insofern nicht von Belang. Damit ist das Hauptbegehren abzuweisen.
B. Das Eventualbegehren ist ebenfalls unberechtigt:
Der Kläger hat trotz – hier mangels Frist für die Feststellungsklage möglicher – Erörterung in der Verhandlung kein schlüssiges Vorbringen erstattet, weshalb kein Schiedsspruch vorliegen soll. Vielmehr gab er selbst an, dass seiner Auffassung nach ein Schiedsspruch vorliege. Das Eventualbegehren ist daher ebenfalls abzuweisen.
C. Das vollständige Obsiegen der Beklagten führt zur Kostenersatzpflicht des Klägers (§ 41 ZPO).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:018OCG00005.19P.1001.000 |
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