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OGH vom 26.08.2009, 9ObA175/08p

OGH vom 26.08.2009, 9ObA175/08p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras, und die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat T*****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei T*****, vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Dr. Johannes Hiebler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 168,43 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 62/08b-17, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 44 Cga 114/07m-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts in der Hauptsache wiederhergestellt wird.

Ein Kostenersatz findet im erstgerichtlichen und im Berufungsverfahren nicht statt.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 164,16 EUR (darin enthalten 27,60 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Krankenhausgesellschaft stellte dem klagenden Betriebsrat zwei Büroräumlichkeiten zur Verfügung. Im Betriebsratsbüro befindet sich unter anderem ein versperrbarer Rollcontainer und zwei versperrbare Schiebetürenschränke. Auch im Betriebsratssitzungszimmer befinden sich fünf versperrbare Schiebetürenschränke. Die Schlüssel für diese versperrbaren Schränke hat ausschließlich der Betriebsratsvorsitzende. Die in den Betriebsratsräumlichkeiten befindlichen PC sind passwortgeschützt.

Im Jahr 2006 wurde ein neues Zutrittssicherungssystem im Landeskrankenhaus eingerichtet und es wurden dabei in Absprache mit dem klagenden Betriebsrat auch die beiden Räumlichkeiten des Betriebsrats mit diesem neuen Zutrittssicherungssystem versehen. Die Beklagte folgte an fünf der sechs Mitglieder des klagenden Betriebsrats Schlüssel für die Räumlichkeiten des Betriebsrats aus. Das sechste Betriebsratsmitglied hatte daran kein Interesse.

Der Vorsitzende des Betriebsrats war jedoch mit der Ausfolgung der Schlüssel an eines der fünf anderen Mitglieder des Betriebsrats nicht einverstanden. Daraufhin versuchte der Verwaltungsdirektor dieses Betriebsratsmitglied dazu zu bewegen, den Schlüssel zurückzugeben. Dieser war aber dazu nicht bereit.

Mit Schreiben vom setzte der Vorsitzende des Betriebsrats dem Verwaltungsdirektor eine sechstägige Frist, innerhalb derer vom Verwaltungsdirektor der Schlüssel des fünften Betriebsratsmitglieds dem Betriebsratsvorsitzenden zu übergeben sei. In diesem Mail teilte der Betriebsratsvorsitzende dem Verwaltungsdirektor auch mit, dass andernfalls der Betriebsrat auf Kosten der Beklagten die Schlösser für die Betriebsräumlichkeiten austauschen lassen werde. Er berief sich auf die Verschwiegenheitspflichten des Betriebsrats.

In einem weiteren E-Mail vom forderte der Betriebsratsvorsitzende den Verwaltungsdirektor auf, dem anderen Betriebsratsmitglied eine Weisung zu erteilen, den Schlüssel für die Betriebsratsräumlichkeiten zurückzugeben. Dabei stützte sich der Betriebsratsvorsitzende darauf, dass der Verwaltungsdirektor den Schlüssel ohne Rücksprache mit dem Betriebsrat ausgegeben habe. Erneut drohte er als Konsequenz für die Nichterteilung der Weisung den Austausch der Schlösser an. Der Verwaltungsdirektor, der keinen Einbau neuer Schlösser wollte, war sich nicht sicher, ob er die begehrte Weisung erteilen dürfe. Er erteilte diese dann nicht.

Bereits am kaufte der klagende Betriebsrat Ersatzschlösser um 168,43 EUR. Nach dem Einbau dieser neuen Schlösser haben nur vier Mitglieder des Betriebsrats die Möglichkeit, die Betriebsratsräumlichkeiten zu betreten. Das fünfte Betriebsratsmitglied, das bisher einen Schlüssel hatte, hat nunmehr keinen Zugang mehr.

Mit seiner Klage begehrt der Betriebsrat die aufgewendeten 168,43 EUR und stützt dies zusammengefasst darauf, dass es ausschließlich Sache des Betriebsrats im Rahmen der Geschäftsführung sei, zu bestimmen, welche Mitglieder einen Schlüssel zu den Betriebsratsräumlichkeiten erhalten. Danach sollten hier nur die operativ tätigen Funktionäre, und zwar der Betriebsratsvorsitzende, der Stellvertreter, der Kassier und der Schriftführer Schlüssel erhalten, nicht aber das fünfte Betriebsratsmitglied, das auch auf einer anderen Liste kandidiert habe. Die Ausfolgung des Schlüssels durch den Verwaltungsdirektor an dieses fünfte Betriebsratsmitglied sei rechtswidrig. Sie sei Teil einer Mobbing-Strategie gegen den Betriebsratsvorsitzenden. Im Einzelnen stellte dann der Kläger umfangreich dar, auf welchen Grundlagen das schlechte Verhältnis zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Verwaltungsdirektor - teilweise noch aus Auseinandersetzungen vor dessen Bestellung zum Verwaltungsdirektor - beruhe. Dabei nahm der klagende Betriebsrat auf bis in die 90er Jahre zurückreichende „Wurzeln der Aggressionen des Verwaltungsdirektors gegen die Person des Betriebsratsvorsitzenden" Bezug und führte auch zahlreiche nicht im Zusammenhang stehende Aktivitäten des Verwaltungsdirektors als „Mobbing-Handlungen" gegen den Betriebsvorsitzenden an.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass das Auswechseln des Türschlosses eigenmächtig erfolgt und weder notwendig noch nützlich gewesen sei. Es sei auch nicht zulässig, einzelne Betriebsratsmitglieder von anderen Listen vom Zugang zu den Räumlichkeiten auszuschließen. Im Übrigen bestünden durch die versperrbaren Schränke und Schreibtische ohnehin Aufbewahrungsmöglichkeiten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass für alle Mitglieder des Betriebsrats der Zugang zu den Räumlichkeiten des Betriebsrats und Sachmitteln möglich sein müsse. Auch könne ein Ersatz der Schlösser zu den Betriebsratsräumlichkeiten nur im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag verlangt werden. Derartiges scheide aus, wenn dies nicht zum klaren und überwiegenden Vorteil erfolge oder gar gegen den ausdrücklichen Willen. Hier könne von einem klaren und überwiegenden Vorteil schon deshalb nicht ausgegangen werden, da allen Betriebsratsmitgliedern der Zugang zu den Betriebsratsräumlichkeiten zu ermöglichen sei. Auch habe die Beklagte dem Betriebsratsvorsitzenden ausdrücklich mitgeteilt, dass sie gegen den Austausch der Schlösser sei. Den Verschwiegenheitspflichten der Betriebsratsmitglieder werde durch die versperrbaren Schränke ausreichend Rechnung getragen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil im klagsstattgebenden Sinne ab. Es folgerte rechtlich ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, dass von dem Anspruch auf sachliche Ausstattung auch versperrbare Räumlichkeiten umfasst seien.

Das einzelne Betriebsratsmitglied habe zwar das Recht auf Einbringung einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse des Betriebsrats oder die Möglichkeit mit dem Arbeitgeber oder anderen Arbeitnehmern Kontakt aufzunehmen, sei aber nicht Vertreter des Betriebsrats. Diese Funktion komme grundsätzlich allein dem Betriebsratsvorsitzenden zu. Die interne Willensbildung des Betriebsrats sei von Einflussnahmen durch den Arbeitgeber freizuhalten. Auch dem Verwaltungsdirektor habe klar sein müssen, dass das einzelne Betriebsratsmitglied keine Empfangslegitimation habe. Der aus der direkten Schlüsselübergabe resultierende Kostenaufwand müsse daher von der Beklagten, die sich das Fehlverhalten des Verwaltungsdirektors zurechnen lassen müsse, getragen werden.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig, da ohnehin bereits eine einheitliche Lehre und Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil unter anderem zur Frage, inwieweit der Betriebsrat Anrecht auf versperrbare Räumlichkeiten hat und selbst gegen den Willen des Arbeitgebers Veränderungen vornehmen kann, keine die Entscheidung des Berufungsgerichts deckende Rechtsprechung vorliegt.

Die Revision der Beklagten ist auch berechtigt.

1.) Nach § 72 Arbeitsverfassungsgesetz sind dem Betriebsrat zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben unter anderem Räumlichkeiten in einem der Größe des Betriebs und den Bedürfnissen des Betriebsrats angemessenen Ausmaß vom Betriebsinhaber unentgeltlich zur Verfügung zu stellen (vgl auch § 22 der Betriebsratsgeschäftsordnung). Bei der Interessenabwägung für den Umfang der Beistellungspflicht sind die Bedürfnisse des Betriebsrats objektiv zu beurteilen. Dabei ist auch auf die Erfüllung der gesetzlichen Betriebsratstätigkeiten abzustellen (RIS-Justiz RS0123845 = 9 ObA 89/07i). Dass diese Räumlichkeiten „dem Betriebsrat" zur Verfügung zu stellen sind, spricht dafür, dass der Betriebsrat im angemessenen Ausmaß auch die Möglichkeit haben muss, zu bestimmen, wer Zutritt zu diesen Räumlichkeiten hat.

2.) Die vom Betriebsinhaber nach § 72 ArbVG zur Verfügung zu stellenden Sacherfordernisse sind von den gemäß § 73 ArbVG aus dem Betriebsratsfonds zu deckenden Kosten der Geschäftsführung des Betriebsrats zu unterscheiden (ausführlich etwa Jabornegg, Zur Finanzierung der Betriebsratstätigkeit am Beispiel der Reisekosten, in FS Floretta 1983, 527 ff; Hainz, Zur Beistellung von Sachmittel an den Betriebsrat, in FS Krejci 1537 ff; Preiss in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller Arbeitsver- fassungsgesetz2 § 72 Rz 1 uva).

3.) Der Betriebsrat ist ein Kollegialorgan, das aufgrund von Beschlüssen handelt (OGH 9 ObA 133/91 = ZAS 1992/16 [Resch] = DRdA 1991/54 [Andexlinger]; Preiss in Cerny/Gahleitner/Kundner/Preiss/Schneller Arbeits- verfassungsgesetz2 § 68 Rz 1 ua). Die Vertretung des Betriebsrats nach außen gegenüber dem Betriebsinhaber erfolgt durch den Vorsitzenden, bei dessen Verhinderung durch den Stellvertreter, wobei der Betriebsrat in Einzelfällen auch andere seiner Mitglieder und in Angelegenheiten, zu deren Behandlung ein geschäftsführender Ausschuss errichtet wurde, dessen Vorsitzenden beauftragen kann (§ 71 ArbVG; vgl auch RIS-Justiz RS0051068; RIS-Justiz RS0051064). Von der Vertretung des Betriebsrats nach außen zu unterscheiden ist allerdings die Frage, inwieweit Beschlüsse über fraktionelle Einschränkungen der Nutzung der zur Verfügung gestellten Sacherfordernisse (mag dies auch mittelbar über Funktionen erfolgen) wirksam sind, wer eine solche Unwirksamkeit geltend machen kann und wem gegenüber die „Erfüllungshandlungen" bei der Beistellung von Sacherfordernissen zu erfolgen haben. Auch wäre für den geltend gemachten Ersatzanspruch zu erörtern, inwieweit der Betriebsrat trotz § 39 Abs 3 ArbVG - wonach die Organe der Arbeitnehmerschaft ihre Tätigkeit tunlichst ohne Störung des Betriebs zu vollziehen haben - selbständige Veränderungen an Betriebsmitteln vornehmen kann (dagegen Jabornegg aaO 529).

4.) Auf all diese Fragen ist aber nicht weiter einzugehen, weil der Oberste Gerichtshof im Rahmen seiner Verpflichtung zur umfassenden Überprüfung der rechtlichen Beurteilung (RIS-Justiz RS0043453) die fehlende Aktivlegitimation des klagenden Betriebsrats aufzugreifen hat. Der klagende Betriebsrat macht im Ergebnis hier einen Aufwand geltend, den seiner Ansicht nach die Beklagte zu tragen gehabt hätte. Jabornegg (aaO 531) hat zutreffend den Ersatzanspruch für die vom Betriebsinhaber zu tragenden Sacherfordernisse, die dieser aber nicht zur Verfügung gestellt hat, als Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB beurteilt. Ohne auf die näheren Voraussetzungen für das Bejahen eines solchen Anspruchs einzugehen, ist darauf zu verweisen, dass Jabornegg (aaO 533) auch überzeugend dargestellt hat, dass dieser Anspruch nicht dem hier klagenden Betriebsrat, sondern dem Betriebsratsfonds zukommt. Außerdem kann ein solcher Anspruch nur dort in Betracht kommen, wo die geforderte „Sachleistung" mit dem vom Betriebsratsfonds gemachten Aufwand ident ist. Ein Auswechseln des Schlosses durch die Beklagte wurde aber gar nicht gefordert, sondern nur die Abnahme des Schlüssels des Betriebsratsmitglieds, das der anderen Fraktion angehört. Allein darin, dass der klagende Betriebsrat androhte, andernfalls selbst das Schloss auszutauschen, ist noch nicht klar zu entnehmen, dass er in Wahrheit einen Austausch durch den Arbeitgeber wünscht.

Schon deshalb kann dem hier geltend gemachten Begehren jedenfalls kein Erfolg zukommen. Insoweit ist auch eine weitere Erörterung nicht erforderlich.

Es war daher der Revision der Beklagten Folge zu geben und das Urteil im klagsabweisenden Sinne abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 58 Abs 2 ASGG. In den beiden ersten Instanzen hat dementsprechend kein Kostenersatz stattzufinden. Im Revisionsverfahren hatte die Berechnung ausgehend vom begehrten Betrag zu erfolgen.