OGH vom 26.01.2018, 8Ob42/17k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei A***** K*****, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in Seiersberg, wegen 5.227,84 EUR sA, über die Revison der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 159/16w-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom , GZ 18 C 26/16z-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Berufshaftpflichtversicherer eines Rechtsanwalts, der einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung zwischen der Beklagten als Verkäuferin und zwei Käufern errichtet hat. Nach dem vom Versicherungsnehmer der Klägerin verfassten Vertragstext übernahm die Beklagte gegenüber den Käufern die Haftung dafür, dass der Vertragsgegenstand unter anderem frei von „Geldlasten“ in deren Eigentum übergehe. Tatsächlich war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch ein unverbüchertes Sanierungsdarlehen der Wohnungseigentümergemeinschaft offen, zu dem monatlich den Wohnungseigentümern Raten mit der Betriebskostenabrechnung vorgeschrieben wurden.
Weder die Beklagte noch die Käufer wussten bei Vertragsabschluss, dass in den ihnen der Höhe nach bekannten Betriebskosten auch eine Sanierungsdarlehensrate enthalten war. Hätten sie dies gewusst, hätten die Käufer die Wohnung nicht um den vereinbarten Preis gekauft, umgekehrt hätte die Beklagte unter der Voraussetzung, das Sanierungsdarlehen zusätzlich ausbezahlen zu müssen, nicht um diesen Preis verkauft.
In der Folge forderten die Käufer unter Hinweis auf die zugesagte Geldlastenfreiheit die Befreiung von der Verbindlichkeit aus dem Sanierungsdarlehen. Da die Beklagte dazu nicht bereit war, wandten sie sich an den Vertragsverfasser, als dessen Haftpflichtversicherer die Klägerin letztlich Anfang Jänner 2016 (Beilage ./J) den Klagsbetrag zur Tilgung des Sanierungsdarlehens an die Käufer (für die bereits von ihnen gezahlten Raten) und die Hausverwaltung bezahlte. Die Käufer traten ihre gegen die Beklagte erhobenen Forderungen an die Klägerin ab.
Die Klägerin begehrt den Ersatz ihrer geleisteten Zahlung mit der Begründung, die Beklagte habe von dem Sanierungsdarlehen gewusst oder zumindest wissen müssen. Sie hafte aus dem Titel der Vertragsanpassung, nach § 928 ABGB sowie aus dem Titel der Gewährleistung nach § 932 ABGB. Der Vertragsverfasser habe anwaltliche Sorgfaltspflichten verletzt, weil er sich nicht ausreichend über die Existenz eines Sanierungsdarlehens informiert habe, er hafte aber nur gegenüber den Käufern als seinen Auftraggebern.
Das wies das Klagebegehren ab. Die behaupteten Ansprüche der Käufer, deren Übergang die Klägerin behaupte, bestünden nicht zu Recht. Sie hätten über die Betriebskostenvorschreibung Bescheid gewusst und seien mit den fortlaufenden Lasten in dieser Höhe zumindest schlüssig einverstanden gewesen. Auf ein Bewusstsein der Vertragsteile über die genaue Zusammensetzung der monatlichen Betriebskosten komme es nicht an.
Das gab dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge. Es führte aus, die bei der Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers zur Rückzahlung eines Sanierungsdarlehens handle es sich von vornherein um keine Geldlast im Sinne des Kaufvertrags oder des § 928 letzter Satz ABGB.
Rechtliche Beurteilung
Die ordentliche Revision wurde nachträglich über Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO für zulässig erklärt, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass aus der jüngeren höchstgerichtlichen Judikatur auch andere rechtliche Schlussfolgerungen abgeleitet werden könnten.
Die von der Beklagten beantwortete der Klägerin ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil keine für die Entscheidung erhebliche Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO beschriebenen Qualität darin aufgeworfen wird.
1. Zu welchen konkreten Leistungen sich der Verkäufer einer Liegenschaft Austausch gegen den Kaufpreis verpflichtet hat, ist eine Frage der Vertragsauslegung und von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Ob ein Vertrag richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936; RS0107573 [T4]; RS0112106). Die Rechtsansicht, dass zwischen den Vertragsteilen schlüssig die Übernahme der in der Betriebskostenabrechnung ausgewiesenen Verpflichtungen durch die Käufer vereinbart war, ist nicht korrekturbedürftig. Dafür, dass dem Versicherungsnehmer der Klägerin unstrittig als Vertragsverfasser gegenüber den Käufern ein Aufklärungsfehler unterlaufen ist, hat nicht die Beklagte einzustehen.
2. Ebenfalls vertretbar ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die erst nach dem Übergabestichtag fällig werdenden laufenden Raten eines von der Eigentümergemeinschaft aufgenommenen Sanierungsdarlehens keine Lasten iSd § 443 Satz 1 ABGB darstellen (5 Ob 159/07d). Die Aufnahme eines Sanierungsdarlehens zur Deckung der durch die Rücklage nicht gedeckten Kosten einer Arbeit zur Erhaltung der Liegenschaft gehört, so wie die Bildung einer Rücklage oder der Abschluss einer Versicherung, zur ordentlichen Verwaltung nach § 28 WEG.
Die in der Revision für den gegenteiligen Standpunkt ins Treffen geführte Entscheidung (9 Ob 56/11t) ist nicht einschlägig, sondern betrifft die Bedeutung einer absehbaren Erhöhung der Verwaltungskosten für die Ermittlung des Schätzwerts im Versteigerungsverfahren.
3. Auch mit dem Argument der Vertragsanpassung wegen gemeinsamen Irrtums der Verkaufsparteien über die Existenz des Sanierungsdarlehens zeigt die Revision keine relevante Rechtsfrage auf.
Eine Vertragsanpassung kann nicht begehrt werden, wenn – wie im vorliegenden Fall – positiv fest steht, dass die Vertragpartner zu den geänderten Bedingungen nicht abgeschlossen hätten. Dem Gegner kann nicht einseitig ein Vertragsinhalt aufgezwungen werden, den er nicht akzeptiert hätte (RIS-Justiz RS0016262 [T5, T 6, T 7]).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T6]).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00042.17K.0126.000 |
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