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OGH vom 03.08.2018, 14Os19/18b

OGH vom 03.08.2018, 14Os19/18b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Birgit L***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 127 Hv 3/17t-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche von Mitangeklagten enthaltenden Urteil wurde Birgit L***** nach § 259 Z 3 StPO von der Anklage freigesprochen, sie habe in W***** und B***** als Schuldnerin mehrerer Gläubiger Bestandteile ihres Vermögens beiseite geschafft (1) sowie ihr Vermögen sonst wirklich verringert (2) und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei sie durch die Tat einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem sie

(1) am hinsichtlich einer in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft und Anteilen an einer weiteren mittels Pfandbestellungsurkunde mit Oswald D***** die Einräumung eines Pfandrechts in Höhe von 600.000 Euro zu dessen Gunsten zur Besicherung einer tatsächlich nicht bestehenden Forderung und mit Michael S***** die Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots zu dessen Gunsten vertraglich vereinbarte sowie am auch die Verbücherung dieses Verbots durchführen ließ (Schaden: 679.000 Euro);

(2) von Juli 2015 bis spätestens August 2016 die ihr aus zwei Liegenschaftsverkäufen nach Abzug der Steuern verbliebenen Erlöse in Höhe von 34.000 Euro und 320.000 Euro verbrauchte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der sie ausdrücklich (nur) einen
– anklagedifformen – Schuldspruch wegen des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB anstrebt. Ihr kommt keine Berechtigung zu.

Der auf mehrere Urteilsannahmen bezogene Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zufolge Unterbleibens einer Erörterung des – in der Hauptverhandlung von der Vorsitzenden vorgetragenen (ON 88 S 13) – Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , AZ 126 Hv 3/16h (ON 48) sowie der „Klage des Insolvenzverwalters der H***** GmbH“ (ON 41; erneut ON 88 S 13) trifft nicht zu.

Mit dem angeführten Urteil war die Angeklagte in einem getrennt (auch) gegen sie geführten Verfahren mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG in verschiedenen Fassungen (II/A) und des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 2, Abs 3 lit c FinStrG (II/B) schuldig erkannt worden.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sie von August 2004 bis September 2014 in zahlreichen Fällen durch Abgabe von Voranmeldungsformularen, in denen für die H***** GmbH Vorsteuerbeträge geltend gemacht wurden, denen keine Lieferungen oder sonstige Leistungen im Sinne des § 12 Abs 1 UStG 1994 zugrunde lagen, durch Behebung zu Unrecht lukrierter Vorsteuerguthaben sowie durch weitere im Urteil bezeichnete Handlungen vorsätzlich zu den strafbaren Handlungen der (unter einem [auch] wegen mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung und der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung sowie Verbrechen des Abgabenbetrugs verurteilten) Liselotte M***** in der Gewissheit beigetragen, dadurch eine Verkürzung an Umsatzsteuer zu bewirken, wobei sie in Bezug auf die Abgabenhinterziehung gewerbsmäßig (II/A) und beim Abgabenbetrug in der Absicht handelte, dadurch eine ungerechtfertigte Abgabengutschrift zu erlangen (II/B). Der sie betreffende strafbestimmende Wertbetrag betrug 11.197.875,40 Euro (ON 48 US 109).

Mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 13 Os 4/17p, wurde dieses Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, – soweit hier relevant – in teilweiser Stattgebung der dagegen (auch) von Birgit L***** erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass in der Subsumtion der ihr zu II/A angelasteten Taten nach § 38 Abs 1 FinStrG und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen. Im Übrigen wurde ihre (gegen den gesamten sie betreffenden Schuldspruch gerichtete) Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Vorauszuschicken ist zunächst, dass ein – wie hier im Entscheidungszeitpunkt – nicht rechtskräftiges (Straf-)Urteil, sofern nichts anderes bestimmt ist, keine Rechtswirkungen (vgl zu hier nicht relevanten, schon mit der Erlassung eintretenden Folgen: Lewisch, WK-StPO Vor §§ 352 bis 362, Rz 31 ff), insbesondere keine Feststellungswirkung in einem anderen Strafverfahren, entfalten kann (§ 398 StPO;Lässig, WK-StPO § 398 Rz 3; RIS-Justiz RS0112232; Lewisch, WK-StPO Vor §§ 352 bis 362, Rz 50 ff; kritisch und instruktiv zur „Bindungswirkung“ eines rechtskräftigen „strafgerichtlichen Schuldspruchs“: Schmoller, WK-StPO § 15 Rz 14 ff).

In diesem Sinn meint § 252 Abs 2 StPO mit „gegen den Angeklagten ergangenen Straferkenntnissen“ nur rechtskräftige (gerichtliche oder verwaltungsbehördliche) Entscheidungen (vgl zur insoweit – ungeachtet des Fehlens einer Bindungswirkung – bestehenden Erörterungspflicht Ratz, WK-StPO § 281 Rz 430; dazu sowie zur „Tatbestandswirkung“: Schmoller, WK-StPO § 15 Rz 17 ff und 28 ff).

Wird – wie hier – ein nicht rechtskräftiges, die Angeklagte betreffendes Urteil, demnach als „Schriftstück oder Urkunde anderer Art“ (§ 252 Abs 2 StPO), in der Hauptverhandlung verlesen oder vom Vorsitzenden vorgetragen (§ 258 Abs 1 StPO), haben sich die Entscheidungsgründe unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall damit – wie mit jedem anderen im Sinn des § 258 Abs 1 StPO vorgekommenen Verfahrensergebnis – nur insoweit auseinanderzusetzen, als es sich dabei um eine erhebliche Tatsache, also um einen Umstand handelt, der für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache relevant sein kann (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409).

Dies trifft auf die von der Rüge als übergangen reklamierten beweiswürdigenden Überlegungen und daraus gezogenen Schlüsse des damals erkennenden Gerichts nicht zu (vgl auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351 ff, 435; RIS-Justiz RS0097545 [T17]).

Von der – durch das Aktenstück allein erweisbaren und (allenfalls) relevanten (vgl aber gleich unten) – Tatsache, dass eine solche (nicht rechtskräftige) Entscheidung ergangen ist (vgl auch 12 Os 29/17g), ist das Erstgericht ohnehin ausgegangen (US 3).

Bleibt anzumerken, dass der Beitragstäter (§ 11 dritter Fall FinStrG) eines vorsätzlichen Finanzvergehens nicht schon mit dessen Vollendung zum (Gesamt-)Schuldner der Republik Österreich wird, wie die Beschwerdeführerin unter Berufung auf – ersichtlich missverstandene – Rechtsprechung und Literatur (RISJustiz RS0110925; 9 Os 51/84; Lässig in WK² FinStrG § 29 Rz 18) meint. Vielmehr setzt dessen Haftung für die Abgabenschuld gemäß § 11 BAO zunächst eine – hier im Tatzeitraum nicht vorgelegene – Verurteilung im (hier gerichtlichen) Finanzstrafverfahren voraus. Erst dann die Haftung mit (konstitutiv wirkendem) Haftungsbescheid (§ 224 BAO) geltend gemacht werden, wodurch die Schuldnerstellung des Haftungspflichtigen erst bewirkt und die davon betroffene Abgabenschuld fällig und vollstreckbar wird (§ 7 BAO;Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3§ 7 E 58, § 11 Anm 2 f; E 2e, 3, § 224 Anm 9; RISJustiz RS0053185, RS0116853 [T1]; vgl auch Lässig in WK² FinStrG § 29 Rz 18).

Dass die – hier gar nicht erfolgte – Erteilung einer Weisung nach § 26 Abs 2 FinStrG keinen Haftungsbescheid nach § 224 BAO voraussetzt, ändert daran nichts (vgl § 26 Abs 2 FinStrG: „für den er zur Haftung herangezogen werden “; vgl zum Ganzen Lässig in WK² FinStrG § 26 Rz 8).

Demgemäß bezieht sich der Vorwurf von Unvollständigkeit auch aus diesem Grund nicht auf eine erhebliche (mithin erörterungsbedürftige) Tatsache, weil die angestrebte Verurteilung nach § 158 Abs 1 StGB in objektiver Hinsicht tatbestandliches Verhalten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Täters voraussetzt und aus der angestrebten Bejahung einer Beteiligung der Angeklagten an der Abgabenhinterziehung und dem Abgabenbetrug der Liselotte M***** nach dem Vorgesagten keine Rückschlüsse auf ihre allein relevante finanzielle Situation im hier aktuellen Tatzeitraum zu ziehen wären.

Die (auch) gegen Birgit L***** erhobene „Klage des Insolvenzverwalters der H***** GmbH“ (ON 41) hat das Erstgericht berücksichtigt (US 13). Zu einer Auseinandersetzung mit im Klagsvorbringen enthaltenen Behauptungen, Schluss-folgerungen und Rechtsmeinungen hinsichtlich zivilrechtlicher Verpflichtungen gegenüber der H***** GmbH bestand unter dem Gesichtspunkt von Unvollständigkeit keine Veranlassung (vgl RISJustiz RS0097540; Ratz, WKStPO § 281 Rz 352). Dass die Angeklagte – wie dort unter Berufung auf die „strafrechtlichen Ermittlungen“ (ON 41 S 3 f) ausgeführt – Gelder von den Konten der Gesellschaft behob, wurde im Übrigen ohnedies festgestellt (US 4), ein Zusammenhang zwischen diesen Behebungen und Eingängen auf ihren eigenen Konten aber mit ausführlicher Begründung verneint (vgl US 14 ff, S 22 f).

Während mangelhafte Urteilsannahmen alleine Gegenstand der Mängelrüge (Z 5) sind, bildet die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen den Bezugspunkt von Rechts- und Subsumtionsrüge (Z 9 und 10; RIS-Justiz RS0099810). Nur hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen ein freisprechendes Urteil keine (positiven oder negativen) Konstatierungen enthält, ist unter Berufung auf derartige Urteilsannahmen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein

Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (RIS-Justiz RS0127315).

Diesen Anfechtungskriterien wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht.

Mit ihrer Forderung nach Feststellungen des Inhalts, die Angeklagte schulde der Republik Österreich– resultierend aus der Beteiligung an der Abgabenhinterziehung und dem Abgabenbetrug der Liselotte M***** – zumindest einen seit fälligen Betrag von 11.197.875,43 Euro und der H***** GmbH seit diesem Zeitpunkt 3.940.000 Euro, weil sie diese Summe von den Unternehmenskonten behoben und „in die private Sphäre von L*****, Liselotte M***** und Maria N***** transferiert“ habe, übergeht sie die – mit Mängelrüge erfolglos bekämpften – diesbezüglichen Negativfeststellungen (US 4 f, 13).

Ausschließlich auf der (demnach verfehlten) Prämisse derartiger Verbindlichkeiten basiert die Behauptung eines Feststellungsmangels zu einem – für die angestrebte Subsumtion nach § 158 Abs 1 StGB erforderlichen – Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit der Angeklagten vor der konstatierten Befriedigung einzelner Gläubiger (nämlich im September 2014), womit die Beschwerde sich gleichfalls nicht am Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit orientiert und solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (Ratz, WKStPO § 281 Rz 593).

Das weitere Beschwerdevorbringen zur subjektiven Tatseite (Z 5 und 9 lit a) bedarf somit keiner Erörterung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Eine Kostenentscheidung hatte gemäß § 390a Abs 1 erster Satz zweiter Halbsatz StPO zu unterbleiben.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00019.18B.0803.000

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