OGH vom 09.04.2015, 17Os5/15m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 65 Hv 153/13i 26, ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. K*****, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ 65 Hv 153/13i 26, verletzt im Schuldspruch D § 164 Abs 2 StGB.
Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch D, demgemäß auch im Strafausspruch hinsichtlich Claudia L***** und im diese betreffenden Kostenausspruch aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs 2 Z 3 erster Fall StPO in der Sache selbst erkannt:
Claudia L***** wird gemäß § 259 Z 3 StPO von der gegen sie erhobenen Anklage freigesprochen, sie habe zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach dem das von Gerhard G***** bestellte, durch Isabella L***** in Auftrag gegebene und von Manuel H***** hergestellte „Parkpickerl“ für das Kennzeichen M***** für ein Jahr für den dritten Bezirk „im Wert von € 192,89“, somit eine Sache, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, sonst an sich gebracht, indem sie es von Isabella L***** übernahm und an ihrem Fahrzeug befestigte.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes von Bedeutung Claudia L***** wegen des zuvor wiedergegebenen Vorwurfs des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Nach den hier maßgeblichen Feststellungen (US 9 f) habe Isabella L***** über Gerhard G***** den beim Magistrat der Stadt Wien für die Ausstellung von Parkklebern („Parkpickerl“) zuständigen Vertragsbediensteten Manuel H***** dazu bestimmt, unter Verwendung von Original Stanzmaschinen und eines Original-„Parkpickerl“-Rohlings einen Parkkleber (§ 5 Abs 1 Wr PauschalierungsVO, Wr ABl 2007/29) für den dritten Wiener Gemeindebezirk mit einem Jahr Gültigkeitsdauer ohne formellen Antrag und ohne Prüfung der materiellen Voraussetzungen (vgl § 45 Abs 4 StVO sowie § 2 Abs 1 lit a und § 4 Abs 2 Wr. PauschalierungsVO) für das Kennzeichen M***** des Pkw ihrer Mutter Claudia L***** auszustellen. Einen Teil des von Isabella L***** bezahlten Betrags habe Gerhard G***** an Manuel H***** als Vorteil für die Vornahme des pflichtwidrigen Amtsgeschäfts weitergegeben.
Rechtlich ging der Schöffensenat davon aus, Claudia L***** habe, indem sie den Parkkleber von ihrer Tochter übernommen und an der Windschutzscheibe ihres Pkw befestigt habe, eine Sache „im Wert von € 192,89“, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt habe (nämlich Manuel H*****, indem er sich „einen ihm anvertrauten Parkpickerlrohling mit dem Vorsatz zueignete, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern“), an sich gebracht und dadurch das Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB begangen (US 10, 12 und 20 f).
Claudia L***** meldete gegen das Urteil Nichtigkeitsbeschwerde (ohne Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen) und Berufung an (ON 28). Die Nichtigkeitsbeschwerde blieb unausgeführt und wurde (unangefochten) mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ 65 Hv 153/13i 37, gemäß § 285a Z 2 StPO zurückgewiesen. Über ihre Berufung (sowie jene der Angeklagten Isabella L***** und der Staatsanwaltschaft) hat das Oberlandesgericht noch nicht entschieden.
Der Claudia L***** betreffende Schuldspruch D steht wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt mit dem Gesetz nicht in Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Parkkleber sind (wie bereits zu 17 Os 49/14f mit eingehender Begründung dargestellt) weder Wertzeichen noch amtliche Stempelabdrücke im Sinn des § 238 Abs 1 und 3 StGB. Ihnen kommt keine Wertträgereigenschaft zu. Als (verkürzte) Urkunden bescheinigen sie (ausschließlich) die pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe.
Objekt der Hehlerei sind nur Sachen, die einen unmittelbaren wirtschaftlichen Tauschwert haben, die also Gegenstand einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen sein können. Urkunden fallen ungeachtet eines mit dem Erfordernis einer Trägersubstanz (hier: des Parkkleberrohlings) zwangsläufig verbundenen „Sachwerts“ nicht darunter (RIS Justiz RS0094398, RS0126373, RS0093570, RS0093656, RS0093753, RS0093702; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 164 Rz 35 und 39; vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 164 Rz 7).
Demnach erfüllt der zum Schuldspruch D festgestellte Sachverhalt das Tatbild des § 164 Abs 2 StGB nicht.
Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, die Feststellung der für die Angeklagte Claudia L***** nachteiligen Gesetzesverletzung gemäß § 292 letzter Satz StPO auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.
Das konstatierte Verhalten der Claudia L***** kann nämlich auch keiner anderen strafbaren Handlung subsumiert werden:
§ 293 Abs 2 StGB scheidet aus, weil das bloße Anbringen des Parkklebers an der Windschutzscheibe ohne nach der Aktenlage nicht zu erwartende (RIS Justiz RS0100239) Feststellung eines (zumindest unmittelbar bevorstehenden) Kontrollvorgangs in Bezug auf das in einer Kurzparkzone abgestellte Fahrzeug noch keinen Gebrauch eines falschen Beweismittels in „einem“ (bestimmten) verwaltungsbehördlichen Verfahren darstellt (vgl Plöchl/Seidl in WK 2 § 293 Rz 25 und 29; zum Bereithalten einer Urkunde als unter dem Aspekt der Urkundenfälschung straflose Vorbereitungshandlung RIS Justiz RS0120168; Kienapfel/Schroll in WK 2 § 223 Rz 244).
Täuschung kommt schließlich schon wegen des Ausschlusses von Hoheitsrechten aus dem Kreis tatbildlicher Rechte (§ 108 Abs 2 StGB) nicht in Betracht.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00005.15M.0409.000