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OGH vom 21.01.2015, 17Os49/14f

OGH vom 21.01.2015, 17Os49/14f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bachl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hakan S***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 73 Hv 58/14d 22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Dr. Höfler zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Hakan S***** wird gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe „zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt zwischen und in Wien in Kenntnis des Tatplans

A./ den abgesondert verfolgten Manuel H*****, der in diesem Zeitraum als Vertragsbediensteter der Stadt Wien beim Magistratischen Bezirksamt für den zweiten Bezirk für die Ausstellung von Ausnahmebewilligungen gemäß § 45 Abs 4 StVO 1960 (Parkpickerl) zuständig war, sohin einen Beamten der Gemeinde Wien, dazu bestimmt (§ 12 StGB), mit dem Vorsatz, dadurch die Gemeinde Wien in ihrem Recht auf Parkraumbewirtschaftung zu schädigen, seine Befugnis, im Rahmen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, indem er im Magistratischen Bezirksamt unter Verwendung von Original Stanzmaschinen und Original Parkpickerl Rohlingen ohne formellen Antrag sowie (damit einhergehend) ohne Prüfung der von der Gemeinde Wien nicht im Sinne einer effektiven und zielführenden Parkraumbewirtschaftung erstellten Voraussetzungen für die von seinen Abnehmern gewünschten Bezirke gegen Bezahlung eines nicht den standardmäßigen Tarifen entsprechenden Betrages herstellte und die solcherart eingehobenen Beträge nicht an die Gemeindekasse abführte, sondern für private Zwecke verwendete, wissentlich zu missbrauchen, dass er einem noch nicht ausgeforschten Mittelsmann das Kennzeichen W *****, den gewünschten dritten Bezirk sowie die gewünschte Gültigkeitsdauer von zwei Jahren mitteilte, wobei dieser die Taten an den abgesondert verfolgten Ibrahim C***** und dieser wiederum die Daten am per SMS an Manuel H***** weiterleitete“;

„B./ den abgesondert verfolgten Ibrahim C***** durch die unter Punkt A./ beschriebene Tathandlung dazu bestimmt, einem Amtsträger für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil für ihn zu gewähren, indem er dem noch nicht ausgeforschten Mittelsmann die Zahlung von € 350,-- anlässlich der Herstellung des Parkpickerls in Aussicht stellte und nach Übergabe des Parkpickerls diesen Betrag tatsächlich bezahlte, wobei er wusste, dass zumindest ein Teil dieses Geldbetrags an Manuel H***** weitergeleitet werden würde.“

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hakan S***** abweichend vom der, den zuvor wiedergegebenen Vorwurf dem Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (A) und dem Vergehen der Bestechung nach §§ 12 zweiter Fall, 307 Abs 1 StGB (B) subsumierenden, Anklage des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) habe er zwischen 5. März und in Wien dadurch, dass er eine „falsche Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs 4 StVO (Parkpickerl), somit eine falsche inländische öffentliche Urkunde, zum Beweis eines Rechtes, nämlich seiner Berechtigung in den in der Verordnung gemäß § 43 Absatz 2a Ziffer 1 StVO angegebenen Kurzparkzonen parken zu dürfen, im Rechtsverkehr gebraucht, indem er diese an seinem Dienstfahrzeug mit dem Kennzeichen W ***** anbrachte“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 7 und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.

Das Erstgericht stützte den Schuldspruch im Wesentlichen auf folgenden Urteilssachverhalt (US 3 ff):

Manuel H***** sei als Vertragsbediensteter der Stadt Wien beim Magistratischen Bezirksamt für den zweiten Bezirk „für die Ausstellung der Parkpickerl“ (Parkkleber im Sinn des § 4 Abs 2 Wiener PauschalierungsVO, [Wr ABl 2007/29]) zuständig gewesen. Von Sommer 2010 bis habe er etwa 400 derartiger „Parkpickerl“ unrechtmäßig (nämlich ohne förmlichen Antrag und ohne Prüfung der materiellen Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung [vgl § 45 Abs 4 StVO und § 2 Abs 1 lit a PauschalierungsVO]) ausgestellt, dafür Beträge zwischen 50 und 100 Euro kassiert und für sich behalten. Zum „Vertrieb“ solcherart unrechtmäßig ausgestellter „Parkpickerl“ habe sich Manuel H***** mehrerer Mittelsmänner bedient, darunter auch Ibrahim C*****.

Hakan S***** habe im Tatzeitraum mit seinem Dienstauto öfters bei seinem Wohnsitz im dritten Bezirk geparkt. Für dieses Fahrzeug seien die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung für den dritten Bezirk nach § 45 Abs 4 StVO nicht vorgelegen. Hakan S***** habe den Vorschlag eines unbekannten Mittelsmannes („Daniel“) des Ibrahim C*****, ihm dessen ungeachtet ein „Parkpickerl“ gegen Entgelt von 350 Euro besorgen zu können, zwar „nicht ernst“ genommen, jedoch zugesagt, „ein solches abnehmen zu wollen“. Diese „Bestellung“ sei über Ibrahim C***** per SMS an Manuel H***** weitergeleitet worden, der das gewünschte „Parkpickerl“ ausgestellt habe. Hakan S***** habe dieses an der Windschutzscheibe seines Dienstwagens befestigt.

Das Erstgericht sah es nicht als erwiesen an, dass „Daniel“ Hakan S***** über die näheren Umstände der Ausstellung des „Parkpickerls“ (durch einen Vertragsbediensteten des Magistrats Wien) informiert habe. Es folgte daher der Verantwortung des Angeklagten, er habe angenommen, es habe sich „um eine am Schwarzmarkt hergestellte Totalfälschung“ gehandelt. Dementsprechend erachteten die Tatrichter hinsichtlich Hakan S***** zwar weder Wissentlichkeit in Bezug auf (zumindest vorsätzlichen) Fehlgebrauch von Befugnis eines Beamten, noch auf die Tatbestandsmerkmale des § 307 Abs 1 StGB gerichteten Vorsatz als gegeben (US 8), wohl aber ein Wissen, „dass es sich bei dem ihm verkauften Parkpickerl um eine gefälschte inländische Urkunde handelte“ (US 5).

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus (US 3 und 9), Manuel H***** habe als beim magistratischen Bezirksamt für den zweiten Bezirk tätiger Vertragsbediensteter nur für diesen Bezirk Ausnahmebewilligungen gemäß § 45 Abs 4 StVO und „Parkpickerl“ ausstellen können. Er habe vorliegend (gemeint offenbar: wegen örtlicher Unzuständigkeit) darüber getäuscht, dass „der auf der Urkunde ausgewiesene Aussteller“, nämlich das „zuständige Magistratische Bezirksamt für den dritten Bezirk, die Urkunde nicht tatsächlich ausstellte“.

Die Mängelrüge bekämpft die im vorigen Absatz wiedergegebene Annahme und die Urteilspassage, „die verschiedenen Möglichkeiten betreffend den Erwerb einer Ausnahmegenehmigung nach § 45 StVO“ seien „gerichtsnotorisch“ als offenbar unbegründet (Z 5 vierter Fall). Sie übersieht, dass hier angesprochene Rechtsfragen (betreffend die formellen und materiellen Voraussetzungen sowie die Behördenzuständigkeit für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs 4 StVO, weiters die Rechtsnatur der magistratischen Bezirksämter) weder Gegenstand der Beweisaufnahme noch von Tatsachenfeststellungen und demgemäß auch nicht einer Mängelrüge sind ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 343 und 393 sowie § 288 Rz 19; vgl 17 Os 34/14z; 17 Os 10/14w; 17 Os 14/12f, EvBl 2013/14, 79).

Soweit die Beschwerdeführerin vage einen Verstoß gegen das strafprozessuale Überraschungsverbot (vgl § 262 StPO) anspricht, genügt der Hinweis, dass die Relevanz mangelnder Information über rechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Anklagevorwurf im System der Nichtigkeitsgründe (Z 8) von der Rechtsprechung (nur) zu Gunsten von Angeklagten aus (zu deren Schutz bestehenden) grundrechtlichen Garantien abgeleitet wurde (vgl RIS Justiz RS0113755; eingehend Ratz , WK StPO § 281 Rz 542 ff). Ein zum Nachteil des Angeklagten ergriffenes Rechtsmittel kann sich darauf nicht stützen.

Auch das aus Z 7 erstattete Vorbringen verfehlt sein Ziel. Ob das Urteil die Anklage (zur Gänze) erledigt, beide also dieselbe Tat im prozessualen Sinn (vgl § 267 StPO) meinen, ist anhand eines Vergleichs der Anklage (einschließlich deren Begründung) und des Urteilssachverhalts zu ermitteln (RIS Justiz RS0113142, RS0121607). Dies ist vorliegend, wie sich aus der obigen Wiedergabe der wesentlichen Urteilsfeststellungen ergibt, der Fall. Dabei schadet es nicht, dass im bei dieser Prüfung primär heranzuziehenden ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 267 f) Referat der entscheidenden Tatsachen des Urteilstenors (im Hinblick auf die Anordnung des § 260 Abs 1 Z 1 StPO konsequent [„unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände“]) bloß jener Teil des (gesamten abgeurteilten) Lebenssachverhalts zusammenfassend dargestellt wurde, der die tatsächliche Grundlage des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) bildet. Der gesamte Urteilssachverhalt umfasst darüber hinaus auch die Zusage der Abnahme eines „Parkpickerls“ (gegen Entgelt), also nach rechtlicher Beurteilung des Erstgerichts die (Beteiligung an der) Fälschung der Urkunde, die nach ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0095597) vom folgenden Gebrauch dieser Urkunde verdrängt wurde und demnach im Urteilstenor nicht eigens anzuführen war. Dass in den Entscheidungsgründen wie von der Beschwerdeführerin moniert auf diesen Umstand nicht ausdrücklich hingewiesen wird, ändert nichts an der (vollständigen) Erledigung der Anklage aus Gründen des materiellen Rechts ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 535).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) war schon deshalb zu verwerfen, weil sie prozessordnungswidrig kein Vorbringen enthält, welchem Tatbestand der festgestellte Sachverhalt nach Ansicht der Beschwerdeführerin zu subsumieren sei (RIS Justiz RS0117247 [T7], RS0118415 [T3]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 644).

Der von der Beschwerdeführerin in diesem Rahmen an sich zutreffend angesprochene Rechtsfehler, der dem Urteil zum Nachteil des Angeklagten anhaftet, war daher von Amts wegen aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Die vom Erstgericht subsumierten Tatbestände der §§ 223 Abs 2, 224 StGB gehen von einem ausstellerbezogenen Echtheitsbegriff aus. Falsch ist eine Urkunde demnach (nur) dann, wenn sie über die Identität des Ausstellers täuscht. Auch so genannte verkürzte Urkunden, also Schriftstücke, bei denen die Erkennbarkeit des Ausstellers oder die Erklärung (hier: die Bescheinigung der pauschalen Entrichtung einer Parkometerabgabe durch den Inhaber einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs 4 iVm § 43 Abs 2a Z 1 StVO vgl § 4 Abs 2 iVm § 2 Abs 1 lit a PauschalierungsVO) reduziert (dargestellt) ist, sind vom Regelungsbereich der §§ 223 f StGB erfasst (RIS Justiz RS0095446, RS0095489, RS0095744; Kienapfel/Schroll in WK 2 StGB § 223 Rz 18, 87 f, 155 und 169).

Als Aussteller der (verkürzten) Urkunde „Parkpickerl“ wird der Magistrat der Stadt Wien ausgewiesen (vgl ON 7 S 31; vgl auch Anlage I zur PauschalierungsVO). Dieser ist die für die Erteilung von derartigen Ausnahmebewilligungen und die Ausstellung von Parkklebern zuständige Behörde (§ 94d Z 6 StVO iVm § 105 der Wiener Stadtverfassung [WStV]). Bei den magistratischen Bezirksämtern hingegen handelt es sich nicht um eigenständige Behörden, sondern bloß um dezentralisierte Dienststellen des Magistrats (als verwaltungsbehördlicher Einheit). Die Zuweisung von Angelegenheiten an die magistratischen Bezirksämter erfolgt mittels (behördeninterner) Geschäftseinteilung (§§ 106 Abs 1 und 109 Abs 1 WStV). Diese hat jedoch keine Außenwirkung in dem Sinn, dass Parteien eines Verwaltungsverfahrens ein subjektives Recht auf ihre Einhaltung hätten. Das im Bereich der Verwaltung allein auf die Zuständigkeit der Behörde abstellende Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B VG) wird durch die Frage der Aufgabenverteilung (innerhalb des Magistrats) auf die magistratischen Bezirksämter nicht berührt. Daraus folgt etwa auch, dass Anträge bei jeder dieser Dienststellen eingebracht werden können und deren Erledigungen dem Magistrat als Behörde zugerechnet werden (zum Ganzen Walter/Mayer/Kucsko Stadlmayer , Bundesverfassungsrecht 10 Rz 911; Cech/Moritz , Die Verfassung der Bundeshauptstadt Wien 2 , 5 f, 131, 245 und 249 f; Plomer/Serban in Holoubek/Madner/Pauer Hrsg Recht und Verwaltung in Wien 1/8 f und Martino ebd 2/79 ff; Holzinger in Korinek/Holoubek , B VG Art 83/2 Rz 30; VwGH 92/18/0342; 97/04/0121; VfSlg 5.919).

Eine Täuschung über den auf der Urkunde ausgewiesenen Aussteller „Magistrat der Stadt Wien“ käme demnach vorliegend nur dann in Betracht, wenn diesem die hier inkriminierte Ausgabe des Parkklebers nicht zugerechnet werden könnte, es sich dabei also um einen absolut nichtigen Verwaltungsakt (einen „Nichtakt“) gehandelt hätte (zum Begriff Antoniolli/Koja , Allgemeines Verwaltungsrecht 3 , 569 ff; grundlegend Winkler , Der Bescheid, 30 ff und 128 ff; ders , Die absolute Nichtigkeit von Verwaltungsakten, 15 und 30 f). Dies wäre bei Bescheiden nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs etwa dann der Fall, wenn das handelnde Organ (Beamter oder Vertragsbediensteter) überhaupt nicht (also für keinen Aufgabenbereich) approbationsbefugt (vgl § 18 Abs 3 und 4 AVG) gewesen wäre (2013/08/0001; 2000/14/0013 uva; Moritz , Approbationsbefugnis, äußerer Tatbestand und Bescheidcharakter, ÖJZ 1991, 329; kritisch Hengstschläger/Leeb , AVG 2 § 18 Rz 12 f und Raschauer , Unterschrift, Organwalterkompetenz und absolute Nichtigkeit, in FS Koja, 589 die aus Gründen der Rechtssicherheit auch in diesen Fällen für eine Zurechnung zur Behörde und damit Rechtserheblichkeit des Verwaltungsaktes eintreten).

Nach den Feststellungen war Manuel H***** aber gerade „für die Ausstellung der Parkpickerl“ (ersichtlich gemeint: auch für die damit einhergehende Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach § 45 Abs 4 iVm § 43 Abs 2a Z 1 StVO) zuständig (US 3), weshalb seine Akte dem Magistrat der Stadt Wien zuzurechnen waren und über diesen als Aussteller der Urkunde nicht getäuscht wurde.

Nach der Art des vom festgestellten Vorsatz des Angeklagten erfassten Objekts (des tatsächlich vom Magistrat der Stadt Wien ausgegebenen Parkklebers) war demnach eine Verwirklichung des Tatbestands der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB unter keinen Umständen möglich (§ 15 Abs 3 StGB; RIS Justiz RS0087720).

Dieser Rechtsfehler (Z 9 lit a) führt in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zur Aufhebung des gesamten Urteils.

Da die Staatsanwaltschaft die (Negativ )Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf den Vorwurf des Missbrauchs der Amtsgewalt und der Bestechung (aus Z 5) nicht bekämpft hat, war gemäß § 288 Abs 2 Z 3 erster Fall StPO auf Basis des Urteilssachverhalts sogleich gemäß § 259 Z 3 StPO ein Freispruch zu fällen.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bleibt anzumerken, dass es sich bei dem hier gegenständlichen „Parkpickerl“ nicht um ein amtliches Wertzeichen im Sinn des § 238 StGB handelt. Diese Bestimmung enthält keine Legaldefinition des Begriffs „amtliches Wertzeichen“. Nach den Gesetzesmaterialien soll es sich um „selbständige bewegliche Sachen, die zwar gleich dem Papiergeld keinen oder doch nur einen ganz geringen Wert haben, aber nach amtlicher Anordnung zur Entrichtung von Abgaben und anderen öffentlich-rechtlichen Leistungen bestimmt sind und deshalb mit einem festen Wert im Verkehr stehen“, handeln. Die Aufnahme in den 13. (nicht etwa den 12.) Abschnitt des StGB („Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren, Wertzeichen und unbaren Zahlungsmitteln“) sei geboten, „weil diese Wertzeichen wie das Geld und die Wertpapiere Wertträger sind, die in Massen ausgegeben werden, und wie das Geld zur Bezahlung von Schuldigkeiten (Stempelgebühren, Postgebühren usw.) verwendet werden, dem Geld also näher stehen als Einzelurkunden“. Als (mittlerweile nicht mehr relevante) Beispiele nennen die Materialien „die Stempelmarken, die Gerichtskostenmarken, die Post bzw. Briefmarken, die Verwaltungsabgabenmarken und die zollamtlichen Verschlussstreifen“ (EBRV 30 BlgNR 13. GP, 375 und 379). Die Rechtsprechung hat in weiterer Folge insbesondere auch Parkscheine (nach dem Wiener ParkometerG) und Mautvignetten als Wertzeichen qualifiziert (RIS Justiz RS0093471). Maßgeblich für den Begriff des Wertzeichens ist daher seine Zahlungsfunktion (in Bezug auf bestimmte Abgaben oder Gebühren), welche die Erklärungsfunktion (die Bestätigung, dass diese Abgaben oder Gebühren bereits im Vorhinein entrichtet wurden) überwiegt (eingehend Wach , Die Autobahnvignette ein neues Wertzeichen, ÖJZ 1999, 414 417; ähnlich Kienapfel/Schmoller BT III 2 § 238 Rz 2; vgl Hinterhofer/Rosbaud BT II 5 § 238 Rz 2; zur vergleichbaren deutschen Rechtslage Sternberg Lieben in Schönke/Schröder 29 § 148 Rz 2 der auf den in den Wertzeichen verkörperten Geldwert und die Zahlungsfunktion hinweist). Den vom Gesetzgeber gemeinten und von der Rechtsprechung in weiterer Folge als solche qualifizierten amtlichen Wertzeichen ist überdies die jederzeitige Realisierbarkeit eines bestimmten Geldwertes durch den jeweiligen Inhaber (vgl die Einschränkung des § 237 StGB, der Wertpapiere nur erfasst, wenn sie auf Inhaber lauten) gemeinsam; sie fungieren also bis zu ihrer Entwertung als selbständige Wertträger (vgl zur Wertträgereigenschaft von Leergutbons RIS Justiz RS0117196, von Parkscheinen 14 Os 142/13h und 12 Os 41/09k sowie von Vignetten 13 Os 4/06x).

Anders als diese amtlichen Wertzeichen dienen Parkkleber („Parkpickerl“) gemäß § 4 der PauschalierungsVO gerade nicht der (pauschalen) Entrichtung der Parkometerabgabe, sondern dürfen (nach Abs 2) „von der Behörde erst nach erfolgter Abgabenentrichtung ausgehändigt werden“ (vgl demgegenüber § 11 Abs 1 Bundesstraßen MautG 2002, demzufolge die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken „durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten“ ist). Er fungiert demnach „als Hilfsmittel zur Kontrolle der Abgabenentrichtung“ (§ 5 Abs 1 PauschalierungsVO). Dem Parkkleber kommt demnach keine Zahlungs , sondern ausschließlich Erklärungsfunktion zu (er bescheinigt die pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe).

Parkkleber sind daher weder amtliche Wertzeichen noch schon begrifflich nicht in Betracht kommende amtliche Stempelabdrücke nach § 238 Abs 3 StGB (zu deren Funktion und den historischen Beispielen Kienapfel/Schmoller BT III Rz 10 und Oshidari SbgK § 238 Rz 11 [der für diese derzeit keinen praktischen Anwendungsbereich mehr sieht]). Mangels Wertträgereigenschaft oder Übertragbarkeit der Parkkleber wäre eine Subsumtion nach dem (im Vergleich zu Urkundendelikten) höher strafbedrohten Tatbestand des § 238 StGB (vgl die Kritik von Kienapfel/Schmoller [BT III § 238 Rz 4] an den „weit überzogenen Strafdrohungen“ im Verhältnis „zu den besonders geschützten Urkunden des § 224“) auch nicht sachgerecht. Sie sind vielmehr als (verkürzte) öffentliche Urkunde zu qualifizieren (so auch 14 Os 116/95, 117/95 zu den vergleichbaren Anwohnerparkkarten der Stadt Innsbruck; vgl dazu Hartig , Strafbarkeit des Gebrauchs verfälschter Anwohnerparkkarten als Betrug?, JBl 1997, 23). Anderslautende Kommentarmeinungen, die für eine Qualifizierung als amtliche Wertzeichen eintreten ( Schroll in WK 2 StGB § 238 Rz 3 f und 7; Kienapfel/Schroll StudB BT III 2 § 238 Rz 5; vgl auch Oshidari SbgK § 238 Rz 9), stellen ausschließlich auf die Dokumentationsfunktion von Wertzeichen ab, vernachlässigen jedoch, dass Parkkleber deren (oben dargestellten) sonstige charakteristische Eigenschaften gerade nicht erfüllen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00049.14F.0121.000