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OGH vom 01.04.2008, 10ObS30/08x

OGH vom 01.04.2008, 10ObS30/08x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Broesigke und Dr. Peter Krüger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Marco N*****, Entertainer, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Lechner Wirleitner Oberlindober Niedermayr in Steyr, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Leistungen aus der Unfallversicherung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 123/07y-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 24 Cgs 122/06x-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung:

Der am geborene Kläger war in der Wintersaison 2004/2005 in I***** in dem direkt unterhalb des „Sporthotels S*****" gelegenen Lokal „K*****" als selbständiger Entertainer (Disk-Jockey) tätig.

Am fuhr der Kläger am Vormittag in seiner Freizeit Schi. Er hatte sich für die gesamte Saison Alpinschi und Schistöcke beim Sportgeschäft A***** in I***** ausgeliehen. Sowohl das Sportgeschäft A***** als auch das Lokal „K*****" liegen einander schräg gegenüber an der Fußgängerzone. Der Kläger hatte beim Schifahren am einen ihm bekannten Schilehrer ersucht, seine Schistöcke mit ins Tal zu nehmen, weil er die letzten Abfahrten ohne Stöcke absolvieren wollte. Er nahm an, der Schilehrer werde die Schistöcke entweder an der Talstation der S*****-Bahn deponieren oder im Sportgeschäft A***** zurückstellen, was aber nicht näher besprochen wurde. Der Kläger fuhr später ins Tal ab. Die Piste endet nicht bei der an der S*****-Bundesstraße gelegenen Talstation der S*****-Bahn, sondern in einiger Entfernung im Ort. Der Kläger stellte die Schi im Sportgeschäft A***** zurück, fuhr dann mit seinem PKW gegen 13.00 Uhr in die (ca 3 km vom Lokal entfernte) Pension W*****, in der er wohnte, um zu duschen und sich umzuziehen und erhielt dort die telefonische Mitteilung, dass wegen des Wetters mit dem Après-Ski wahrscheinlich früher begonnen werden müsse. Er fuhr daher bereits gegen 13.30 Uhr mit seinem PKW zu dem an der Bundesstraße gelegenen Parkplatz der S*****-Bahn und stellte diesen wie immer im hinteren Bereich ab, weil das Fahrzeug dort auch während der Nachtstunden stehen bleiben durfte. Am Parkplatz traf er zufällig mit dem Schilehrer zusammen, der ihm mitteilte, er habe die Stöcke bei der Stiege deponiert, die vom Ausgang der Talstation der S*****-Bahn zur Straße herunterführt. Diese Stiege befindet sich direkt entlang des Weges vom Parkplatz zum Lokal „K*****". Der Fußmarsch, den der Kläger regelmäßig vom Parkplatz zum Lokal „K*****" zurückzulegen hatte, führte links am Gebäudekomplex der Talstation der S*****-Bahn vorbei; knapp 150 m nach Überquerung der Bundesstraße befindet sich an der linken Seite der Einfahrtsstraße dann das Lokal „K*****". Für den gesamten Weg benötigte der Kläger in der Regel zwei bis drei Minuten. Der dem Kläger bekannte Schilehrer hatte die Schistöcke im untersten Bereich der von der Talstation herunterführenden Treppe an der - von unten gesehen - linken Seite zwischen den Stufen und dem Geländer hineingesteckt. Es lag Schnee, der Kläger trug Goretex-Schuhe. Unter einem Arm trug er eine Kiste mit CDs für seinen Auftritt. Mit der anderen Hand ergriff er die Stöcke, wobei er zumindest die erste Stufe der Treppe betrat. Beim Versuch, die Stöcke herauszuziehen, rutschte der Kläger wohl auf dem Gummibelag der Treppe aus, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit der linken Backe gegen die Griffe der Schistöcke. Dabei zog er sich Abbrüche im Seitenzahnbereich links oben (Position 24, 25, 26, 27) und links unten (Position 34, 35 und 36) zu. In der Folge gelang es dem Kläger doch noch, die Stöcke herauszuziehen und er setzte seinen Weg zum Lokal „K*****" fort. Vor Arbeitsantritt übergab er noch bei einer Hütte, die sich rechts neben dem Aufgang zum Lokal „K*****" befindet, die geliehenen Stöcke an einen im Sportgeschäft A***** beschäftigten Bekannten.

Am späten Abend des suchte der Kläger die Ordination eines Facharztes für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde auf, der die Zahnschäden in mehreren Behandlungen mittels Implantaten und VMK-Kronen sanierte. Die Kosten betrugen insgesamt 5.974 EUR. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit resultierte aus diesen Verletzungen nicht.

Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt die Gewährung von Leistungen gemäß § 173 ASVG aus dem Ereignis vom ab, weil es sich dabei nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Das Abholen von ausgeborgten Schistöcken stehe mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung in keinem ursächlichen Zusammenhang, sondern sei ausschließlich der eigenwirtschaftlichen bzw privaten Interessens- und Risikosphäre zuzuordnen.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Bei Arbeitswegunfällen (§ 175 Abs 2 Z 1 ASVG) sei ein Unfallversicherungsschutz immer dann zu verneinen, wenn sich der Unfall in einer Phase des Weges ereigne, der ausschließlich eigenwirtschaftlichen (persönlichen) Interessen diene. Sei der geschützte Lebensbereich nur Schauplatz, nicht aber Ursache des Verletzungsereignisses, sei die Unfallversicherung nicht leistungspflichtig. Beim Sturz des Klägers sei zwar der zeitliche und auch der örtliche Zusammenhang mit dem Arbeitsweg gegeben gewesen, der örtliche Zusammenhang insbesondere deshalb, weil der Kläger den öffentlichen Verkehrsraum nicht verlassen habe und es dem Versicherten überlassen werden müsse, in welchem Bereich des öffentlichen Verkehrsraumes er sich bewege. Da der Kläger die Stöcke mehr oder weniger im Vorbeigehen mitgenommen habe, könne wohl auch von keiner zeitlichen Unterbrechung des Weges zur Arbeitsstätte gesprochen werden. Allerdings sei der ursächliche Zusammenhang zu verneinen, weil sich beim Sturz nicht die typische Gefahr des Gehens auf der Straße verwirklicht habe. Der Kläger sei vielmehr zu Sturz gekommen, weil er die Treppe betreten und versucht habe, die Stöcke herauszuziehen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er auch dann gestürzt und sich überdies die Stöcke gegen die linke Backe gerammt hätte, wenn er an der Treppe „normal" vorbeigegangen wäre. Der geschützte Lebensbereich sei damit nur der Schauplatz, nicht aber die Ursache des Verletzungsereignisses gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Kläger habe sich bei dem im eigenwirtschaftlichen Interesse unternommenen Versuch, die Schistöcke herauszuziehen, verletzt, wobei er (wohl) auf dem Gummibelag der Treppe ausgerutscht sei. Erst in der Folge (nach der Verletzung) sei es ihm dann doch noch gelungen, die Stöcke herauszuziehen, worauf er seinen Weg fortgesetzt habe. Hieraus ergebe sich (auch), dass offensichtlich eine doch deutliche Kraftanstrengung erforderlich gewesen sei. Es sei eine Ausnahmesituation vorgelegen, die mit den in der Berufung angeführten Fällen des Mitführens privater Gegenstände auf dem fortgesetzten Arbeitsweg nicht vergleichbar sei. Nach der Rechtsprechung sei bei Wegunfällen ein Unfallversicherungsschutz immer dann zu verneinen, wenn sich der Unfall in einer Phase des Weges ereignet habe, der ausschließlich eigenwirtschaftlichen (persönlichen) Interessen diene. In diesem Fall sei eine Unterbrechung des geschützten Weges und damit eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes für die Dauer der Unterbrechung anzunehmen, selbst wenn der Versicherte den öffentlichen Verkehrsraum nicht verlassen habe.

Bei Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs sei entscheidend, ob eine ausschließlich eigenwirtschaftlichen (persönlichen) Interessen des Versicherten dienende Tätigkeit vorgelegen sei oder ob zusätzlich noch (zumindest) ein gewisser innerer Zusammenhang mit dem Arbeitsweg gegeben gewesen sei, der über den bloß zeitlichen und örtlichen Zusammenhang hinausgehe. Das Betanken eines Kraftfahrzeugs an einer unmittelbar neben dem Weg liegenden Tankstelle habe der Oberste Gerichtshof im Hinblick auf die Notwendigkeit des Tankens zur Fortsetzung des eingeschlagenen Weges nicht generell dem eigenwirtschaftlichen Sektor zugerechnet. Das Erfordernis eines mitwirkenden inneren Zusammenhangs sei vor allem auch in den (nicht Betriebs- oder Arbeitswege betreffenden) Entscheidungen zu eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit selbst betont worden. Während der Unterbrechung der versicherten Tätigkeit oder eines versicherten Weges durch eine private Verrichtung bestehe - in der Regel - kein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung, es sei denn, dass besondere betriebliche Umstände einen solchen Zusammenhang begründen. Da die jeweiligen privaten Verrichtungen zum Teil ganz kurzzeitige, auch „nebenher" mögliche Tätigkeiten (sogar während der Arbeitstätigkeit selbst) darstellten, unterscheide sich die höchstgerichtliche Rechtsprechung in Österreich insoweit von jener des Bundessozialgerichts (etwa BSG , B 2 U 11/04 R), wonach zwar ebenfalls während einer privaten Zwecken dienenden erheblichen Unterbrechung kein Versicherungsschutz bestehe, wohl aber bei einer privaten Zwecken dienenden unerheblichen tatsächlichen Unterbrechung, wenn die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig sei und einer Verrichtung diene, die „im Vorbeigehen" und „ganz nebenher" erledigt werde. Sie dürfe nach natürlicher Betrachtungsweise und in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nur zu einer geringfügigen tatsächlichen Unterbrechung der versicherten Verrichtung geführt haben, wie zB der Kauf einer Zeitung an einem Kiosk während eines versicherten Weges oder das Betrachten eines Schaufensters, wozu der Versicherte nur in der Fortbewegung aus privatem Grund für eine kurze Zeit inne halte, ohne den Weg zu verlassen.

Auch der Oberste Gerichtshof betone die Geringfügigkeit einer Unterbrechung der versicherten Verrichtung, fordere aber zusätzlich einen inneren Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und der versicherten Tätigkeit (bzw dem versicherten Weg). Allein wegen der unbedeutenden zeitlichen Dauer einer privaten Verrichtung (weil sie nur „ganz nebenher" erfolgt sei) sei ein Versicherungsschutz für einen dabei erlittenen Unfall (etwa auch unter Bedachtnahme auf eine nicht von vornherein erkennbare Gefahrenerhöhung) bisher nicht angenommen worden.

Auf der Grundlage dieser Erwägungen sei dem Erstgericht beizupflichten, dass im vorliegenden Fall der geschützte Lebensbereich nur Schauplatz, nicht aber Ursache des Verletzungsereignisses gewesen und deshalb der Unfallversicherungsschutz zu verneinen sei. Das Ansichnehmen der Schistöcke stehe in keinem ursächlichen (inneren) Zusammenhang mit dem Weg des Klägers zur Arbeit. Anders als beim notwendig werdenden Tanken eines für den Weg zur Arbeit benützten Kraftfahrzeugs sei das (beabsichtigte weitere) Mitführen der Schistöcke nicht erforderlich gewesen, um den Weg fortsetzen zu können. Überdies habe das Herausziehen der Stöcke einen (im Regelfall allerdings wohl nicht zu erwartenden) deutlichen Kraftaufwand erfordert. Auch insofern habe sich keine typische Gefahr des Gehens auf der Straße oder der Benützung des öffentlichen Verkehrsraumes im Zuge des (kürzesten) Weges zur Arbeit verwirklicht. Insgesamt habe sich der Unfall somit in einer (wenn auch zeitlich nur ganz kurzen) Phase des Weges ereignet, der ausschließlich eigenwirtschaftlichen Interessen des Klägers gedient habe, sodass der Unfallversicherungsschutz zu verneinen sei.

Die Revision sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu zeitlich ganz unbedeutenden Unterbrechungen eines geschützten Weges für ausschließlich private Verrichtungen nicht vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

In der Revision wird zum einen vorgebracht, dass im Mitführen von Schistöcken keine Risikovergrößerung liege (a). Zum anderen wird auf die Judikatur des deutschen Bundessozialgerichts hingewiesen, das bei der Unterbrechung des Arbeitsweges für private Verrichtungen zwischen erheblichen und nicht erheblichen Unterbrechungen unterscheide; bei einer privaten Zwecken dienenden unerheblichen Unterbrechung (zB Kauf einer Zeitung an einem Kiosk auf dem versicherten Weg oder Betrachten eines Schaufensters) bleibe der Unfallversicherungsschutz aufrecht, weil das Zurücklegen des Weges den wesentlichen Grund dafür bilde, dass der Versicherte in der Situation sei, in der er dann ganz nebenher oder im Vorbeigehen die private Verrichtung ausübe (b).

Dazu hat der Senat erwogen:

(a) Bereits das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass sich im vorliegenden Fall keine Gefahr beim Mitführen privater Gegenstände (hier: der Schistöcke) verwirklicht habe. Insoweit ist der vorliegende Sachverhalt auch nicht mit dem der Entscheidung 31 R 175/80 des OLG Wien (SSV 20/89) zugrunde liegenden zu vergleichen; darin ging es um das erhöhte Risiko, das mit dem Mitführen einer Bierflasche bei einem zu Schnittverletzungen führenden Sturz einhergehe.

(b) Entscheidend ist vielmehr, ob der Kläger bei dem ausschließlich im eigenwirtschaftlichen Interesse unternommenen Versuch, die Schistöcke herauszuziehen, wobei er (wohl) auf dem Gummibelag der Treppe ausrutschte, unter Unfallversicherungsschutz stand oder ob dieser Schutz kurzfristig unterbrochen war.

Unzweifelhaft hat sich der Unfall im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsweg des Klägers ereignet. Fraglich ist der weiters für die Bejahung des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung erforderliche innere ursächliche Zusammenhang mit dem Arbeitsweg. War der geschützte Lebensbereich nämlich nur „Schauplatz", nicht aber Ursache des Verletzungsereignisses, so ist die Unfallversicherung nicht leistungspflichtig (Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts5 [2002] Rz 210; Tomandl in Tomandl, SV-System, 8. ErgLfg 304 [2.3.2.4.1.3.]). Dabei ist der Zweck des Unfallversicherungsschutzes auf Wegen gemäß § 175 Abs 2 Z 1 ASVG zu bedenken: er liegt in dem Umstand, dass es der Versicherte nicht vermeiden kann, sich den Weggefahren auszusetzen, will er seiner Erwerbstätigkeit nachgehen (10 ObS 155/03x = SSV-NF 17/69). In einer Phase des Weges, die ausschließlich eigenwirtschaftlichen (persönlichen) Interessen des Versicherten dient, wird grundsätzlich keine Weggefahr verwirklicht (10 ObS 39/96 = SSV-NF 10/18 = RIS-Justiz RS0084822 [T1]). In diesem Fall ist eine Unterbrechung des geschützten Weges und damit eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes für die Dauer der Unterbrechung anzunehmen (10 ObS 171/90 = SSV-NF 4/67 = RIS-Justiz RS0083967 [T2]), selbst wenn die Tätigkeiten ohne inneren Zusammenhang mit dem versicherten Lebensbereich nur kurze Zeit dauerten (10 ObS 165/88 = SSV-NF 2/76 = ZAS 1990/11, 100 [Robert Müller] = RIS-Justiz RS0084686; 10 ObS 2141/96t = SSV-NF 10/106 = DRdA 1997/43, 374 [Rudolf Müller] = RIS-Justiz RS0084229 [T12]). Mit der Frage, ob dies auch für den Fall gilt, dass sich ein Unfall bei einer Verrichtung ereignet, die auf dem Arbeitsweg „im Vorbeigehen" und „ganz nebenher" erledigt wird, hat sich der Oberste Gerichtshof bisher nicht auseinandergesetzt.

Nach der Judikatur des deutschen Bundessozialgerichts (zuletzt B 2 U 11/04 R = BSGE 94, 262 = SGb 2006, 166 [Ricke]) bleibt in eng begrenzten Ausnahmefällen (Keller in Hauck/Noftz, SGB VII [8. Lfg 1999] § 8 Rz 38) bei einer privaten Zwecken dienenden unerheblichen tatsächlichen Unterbrechung, die zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die „im Vorbeigehen" und „ganz nebenher" erledigt wird, der Versicherungsschutz aufrecht (zB beim Kauf einer Zeitung an einem Kiosk während eines versicherten Weges oder beim Betrachten eines Schaufensters auf dem Arbeitsweg). Das Bundessozialgericht rechtfertigt die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in diesen Fällen damit, dass das Zurücklegen des (Arbeits-)Weges der wesentliche Grund dafür ist, dass der Versicherte in der Situation ist, in der er dann ganz nebenher oder im Vorbeigehen die private Verrichtung ausübt. Mit anderen Worten verwirklicht sich in solchen Situationen noch immer die typische Weggefahr, während die Gefahr durch das eigenwirtschaftliche Handeln im Hintergrund steht.

Im konkreten Fall ist den Feststellungen des Erstgerichts zu entnehmen, dass der Kläger von seinem üblichen Arbeitsweg nur in der Form abwich, dass er sich zur Treppe wandte und die dort deponierten Schistöcke ergriff, wobei er zumindest die erste Stufe der Treppe betrat. „Beim Versuch, die Stöcke herauszuziehen, rutschte der Kläger wohl auf dem Gummibelag der Treppe aus, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit der linken Backe gegen die Griffe der Schistöcke." Er verletzte sich also nicht dadurch, dass er in besonderer Weise mit den Stöcken manipulieren hätte müssen; vielmehr rutschte er ganz knapp abseits des üblichen Weges aus, also in einem Bereich, der beispielsweise auch zum Ausweichen von Passanten betreten werden könnte. In diesem Sinn ist das Ausrutschen und die dadurch bedingte Verletzung noch auf eine typische Weggefahr zurückzuführen; das unbedeutende Abwenden vom üblichen Weg zwecks Aufnahme der Stöcke mehr oder weniger im Vorbeigehen beseitigt den Unfallversicherungsschutz nicht. Schließlich räumt die gesetzliche Unfallversicherung dem Versicherten grundsätzlich ein bestimmtes Maß an räumlicher Bewegungsfreiheit ein, ohne dass er negative versicherungsrechtliche Auswirkungen befürchten muss (10 ObS 5/05s = ARD 5584/11/2005). Eine diffizile Unterscheidung, welche Schritte möglicherweise eigenwirtschaftlich sind und welche zum üblichen Arbeitsweg gehören, widerspräche dem Gesichtspunkt, dass der Arbeitsweg grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz steht. Auch im konkreten Fall bildete das Zurücklegen des (Arbeits-)Weges den wesentlichen Grund dafür, dass der Kläger in die Situation gekommen ist, in der er sich dann verletzte.

In diesem Sinn ereignete sich der Unfall im Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung, weshalb im fortgesetzten Verfahren die vom Kläger geltend gemachten Leistungsansprüche zu klären sind. Da es somit offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.