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OGH vom 25.07.2017, 9ObA41/17w

OGH vom 25.07.2017, 9ObA41/17w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser und ADir. Gabriele Svirak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Dr. M*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen (eingeschränkt) 17.268,56 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 94/16x-20, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin war von bis mit 40 Wochenstunden bei der Beklagten beschäftigt, dann in Mutterschutz und Karenz. In der Folge vereinbarte sie mit der Beklagten ab Teilzeitarbeit im Ausmaß von 15 Wochenstunden, um ihre Tochter betreuen zu können. Die Herabsetzung der Arbeitszeit sollte nicht zeitlich befristet erfolgen. Die Beklagte ging davon aus, dass die Klägerin ihr bekanntgeben wird, wenn sie entsprechend der Betreuungssituation wieder länger arbeiten kann. Ab war die Klägerin neuerlich in Mutterschutz, anschließend in Karenz. Das Arbeitsverhältnis endete per durch einvernehmliche Auflösung. Der Klägerin gebührt eine Abfertigung von 9 Monatsentgelten, die ihr von der Beklagten auf Basis des Entgelts der Teilzeitbeschäftigung ausbezahlt wurde. Die Klägerin begehrt die Differenz zu einer Abfertigung, die sie entsprechend § 14 Abs 4 ArbVG auf Basis eines Durchschnitts der während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre geleisteten Arbeitszeit berechnet.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

1. Zum Verhältnis einer Teilzeitbeschäftigung nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG zu einer solchen nach MSchG hat der Oberste Gerichtshof bereits in den auch von den Vorinstanzen zitierten Entscheidungen 9 ObA 38/06p und 9 ObA 60/06y Stellung genommen.

Zusammengefasst wurde in diesen Entscheidungen davon ausgegangen, dass § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG den Fall von „nicht nur vorübergehenden Betreuungspflichten von nahen Angehörigen im Sinne des § 16 Abs 1 letzter Satz UrlG, die sich aus der familiären Beistandspflicht ergeben“ regle. Dass die familiäre Betreuungspflicht von Eltern gegenüber ihren Kindern von § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG nicht erfasst und der Anwendungsbereich der Regelung auf kranke oder überdurchschnittlich betreuungsbedürftige Kinder bzw auf „außergewöhnliche Lebenssachverhalte“ eingeschränkt sein solle, sei dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu entnehmen.

Es bestünden keine Anhaltspunkte für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers und keine Grundlage für eine teleologische Reduktion. Daher sei davon auszugehen, dass auch die Betreuungspflicht für gesunde Kinder vom Anwendungsbereich des § 14 AVRAG erfasst ist.

Auch schließe weder das MSchG noch das VKG die Anwendung des § 14 AVRAG aus. Viel eher sei anzunehmen, dass sich derjenige, der ein Kind betreue, immer dann, wenn die (engeren) Voraussetzungen des MSchG bzw VKG nicht vorlägen, jedenfalls auf § 14 AVRAG berufen könne.

Dazu, wie lange bzw unter welchen Voraussetzungen von einer Pflicht der Eltern zur (iSd § 14 AVRAG relevanten) Betreuung des Kindes gesprochen werden kann, musste in den zitierten Entscheidungen nicht abschließend Stellung genommen werden. Klargestellt wurde jedoch, dass Eltern auch dann nicht, wenn geeignete Betreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen, verpflichtet sind, die Betreuung Dritten zu übertragen. Bei noch nicht schulpflichtigen Kindern und damit jener Altersgruppe („bis zum Ablauf des siebenten Lebensjahrs“), für die der Gesetzgeber im MSchG bzw VKG die Betreuungsbedürftigkeit unterstellt, könne jedenfalls auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände von einer iSd § 14 Abs 2 2 AVRAG relevanten Betreuungspflicht der Eltern ausgegangen werden.

2. Die Revision meint nun, dass durch die Erweiterung der Möglichkeiten für Elternteilzeit durch die Novelle BGBl I 2004/64 diese Rechtsprechung zu überdenken und § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG auf Fälle der Pflege von Kindern mit besonderem Betreuungsbedürfnis zu beschränken sei. Allerdings zeigt sie keine Argumente auf, die eine Neubeurteilung der Rechtslage erforderlich machen. Nach wie vor besteht keine Grundlage davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem MSchG und dem VKG die Teilzeitarbeit für den Fall der Kinderbetreuung abschließend regeln wollte oder die Novellierung dieser Gesetze eine Neuauslegung des unverändert in Geltung stehenden § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG erforderlich macht. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Voraussetzungen nach dem MSchG und VKG nicht erfüllt sind, kommt eine Anwendbarkeit des § 14 AVRAG in Betracht.

3. Davon sind die Vorinstanzen im vorliegenden Fall vertretbar ausgegangen. Jedenfalls für den Zeitraum nach Vollendung des 4. Lebensjahres des Kindes der Klägerin bestand kein Anspruch auf Teilzeitarbeit (konkret) nach § 15i MSchG mehr. Ob man dabei von einer Vereinbarung nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG für den gesamten Zeitraum der Teilzeitarbeit oder von einer Vereinbarung nach § 15i MSchG ausgeht, an die sich eine nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG anschloss, ist im konkreten Fall im Ergebnis irrelevant. Fest steht, dass beiden Parteien bewusst war, dass die Klägerin auch danach die Teilzeit zur Betreuung ihres Kindes wünschte und benötigte. Das ist aber für die Annahme einer Vereinbarung nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG als ausreichend anzusehen (vgl 9 ObA 38/06p).

4. Aus der Bestimmung des § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG lässt sich – wie in den Vorentscheidungen
dargelegt – nicht ableiten, dass Betreuungsleistungen für gesunde Kinder ausgeschlossen sind. Ebenfalls unverändert kann davon ausgegangen werden, dass der Betreuungsbedarf von Kindern jedenfalls bis zum 7. Lebensjahr sich nicht nur aus der Wertung des Gesetzgebers ergibt, sondern auch als notorisch bezeichnet werden kann.

5. Wenn die Revision meint, dass es einer Klärung bedarf, ob sich der Arbeitnehmer auf § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG berufen kann, wenn er die Betreuungsleistungen nicht selbst erbringt, sondern die Erfüllung an Dritte auslagert, übergeht sie die Feststellung, dass die Weiterführung der Teilzeitarbeit auf Seiten der Klägerin durch die Betreuungssituation ihres Kleinkindes verbunden mit den dadurch im Haushalt anfallenden Tätigkeiten bedingt war, also feststeht, dass sie die Leistungen selbst erbracht hat. Dass die Tochter der Klägerin ab September 2012 halbtags einen Kindergarten besuchte, stellt jedenfalls keine relevante Änderung des Betreuungsaufwands dar. Die in der Revision angesprochene Rechtsfrage stellt sich daher im konkreten Fall nicht.

6. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0042828).

7. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00041.17W.0725.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,11 Arbeitsrechtssachen

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