VfGH vom 08.06.1985, B488/80
Sammlungsnummer
10424
Leitsatz
EStG 1972; keine Gleichheitsbedenken gegen § 23 Z 2 in bezug auf die Behandlung der Vergütung für den allein geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter einer OHG (Apothekenkonzessionär) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nicht als solche aus nichtselbständiger Tätigkeit; keine denkunmögliche oder willkürliche Gesetzesanwendung
ApothekenG; Zulässigkeit der Führung einer Apotheke durch eine OHG
Art7 B-VG; das Gebot, bei der Einkommenbesteuerung die Bezieher von Einkommen gleich zu behandeln, schließt nicht aus, unterschiedliche Einkunftsarten verschieden zu behandeln
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Bahnhof-Apotheke in B wird in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft geführt, an der im Jahre 1978 die Erstbf. zu 20 vH und zwei weitere Gesellschafter mit je 40 vH beteiligt waren. Die Erstbf. war im Jahre 1978 die alleinige Geschäftsführerin der OHG (der Zweitbf.). Sie war damals (und ist auch noch derzeit) Inhaberin der nach dem Apothekengesetz erteilten Konzession zur Führung dieser Apotheke.
Dem am abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag zufolge erhielt die Erstbf. dafür, daß sie ihre volle Tätigkeit (als Apotheker) dem Gesellschaftsunternehmen zuzuwenden hatte, ohne Anrechnung auf ihren 20prozentigen Gewinnanteil (wie es im Vertrag lautet) "die jeweils geltende Gehaltskassenumlage für einen vertretungsberechtigten Apotheker im Volldienst, sowie alle auf Grund des Kollektivvertrages einem angestellten Apothekenleiter in B zustehenden Bezüge"; das waren im Jahre 1978 397404 S.
In der für das Jahr 1978 abgegebenen Gewerbesteuererklärung für die OHG wurde ein bilanzierter Gewinn in der Höhe von 47236 S ausgewiesen.
Das Finanzamt Eisenstadt stellte mit dem "Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1978" (datiert mit ) den Gesamtgewinn der OHG aus Gewerbebetrieb mit 444640 S fest (dem bilanzierten Gewinn von 47236 S wurde der außerbilanzmäßig der Erstbf. als Gesellschafterin zugeflossene Bezug von 397404 S zugerechnet).
Die Anteile am Gesamtbetrag der Einkünfte wurden wie folgt festgestellt:
Erstbf. 406852 S 20 vH des bilanzierten Gewinns = 9488 S plus "besondere Vergütungen" - Gesellschafterbezug von 397404 S);
die übrigen beiden Gesellschafter je 40 vH des bilanzierten Gewinns = je 18894 S.
Dagegen erhob die OHG Berufung, in der ausgeführt wurde, es sei unzulässig, die an die Erstbf. ausbezahlten (Geschäftsführer-)Bezüge dem Gewinn der OHG zuzurechnen; diese Bezüge seien als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus der Tätigkeit als alleinarbeitende Leiterin der Apotheke zu werten.
Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. (FLD) wies mit Bescheid vom diese Berufung als unbegründet ab und berief sich hiebei auf § 23 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1972 (EStG 1972) und die hiezu ergangene Judikatur.
Mit war die Erstbf. aus der OHG ausgeschieden.
Das Finanzamt Eisenstadt zahlte in der Folge die im Jahre 1978 für den erwähnten Gesellschafterbezug entrichtete Lohnsteuer in der Höhe von 65790 S zurück.
2. Gegen den Berufungsbescheid der FLD vom wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Die Beschwerde wird ausschließlich damit begründet, daß § 23 Z 2 EStG 1972 als dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend verfassungswidrig sei; es wird der Sache nach angeregt, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesbestimmung einzuleiten.
3. Die FLD als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
In der Folge wurden von beiden Streitteilen weitere Schriftsätze eingebracht, in der die bezogenen Positionen weiter ausgeführt und die gestellten Anträge aufrechterhalten wurden.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Der angefochtene Bescheid erging an die Zweitbf. (die OHG). Sie wurde durch den Bescheid rechtlich verpflichtet und ist beschwerdelegitimiert (vgl. zB VfSlg. 7165/1973 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).
Aber auch die Legitimation der Erstbf. zur Beschwerdeführung gegen den an die OHG gerichteten Bescheid ist gegeben: Sie war im maßgebenden Zeitraum Gesellschafterin der OHG; durch den bekämpften Bescheid wird ihre Rechtstellung dadurch unmittelbar beeinflußt, als er die Grundlage für die Festsetzung der Einkommensteuer der Erstbf. ist. Dem § 252 Abs 2 BAO zufolge könnte die Erstbf. den Einkommensteuerbescheid 1978 nicht mit der Begründung anfechten, daß die im hier bekämpften Feststellungsbescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1978 getroffenen Entscheidungen unzutreffend seien.
b) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde insgesamt zulässig.
2. a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
b) Der angefochtene Bescheid wird vornehmlich auf § 23 Z 2 EStG 1972 gestützt.
Diese Bestimmung lautet:
"§23. Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind:
...
2. Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (wie insbesondere offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften), sowie die Vergütungen, die die Gesellschafter von der Gesellschaft für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen haben,
3. ..."
c) Die Behörde hat angenommen, daß der der Erstbf. im Jahre 1978 aufgrund des Gesellschaftsvertrages zugeflossene Bezug von 397404 S eine Vergütung darstelle, die sie als Gesellschafterin der OHG von der Gesellschaft für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft erbracht habe und die daher als Einkunftsart iS des § 23 Z 2 EStG 1972 (und nicht als solche aus nichtselbständiger Tätigkeit) zu qualifizieren sei, dies unabhängig davon, wie diese Tätigkeit zu werten wäre, wenn sie nicht im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses erbracht worden wäre.
Diese Auslegung findet im Wortlaut des Gesetzes Deckung. Sie entspricht der Judikatur des VwGH (zB , 960, 961/77; , Z 565/78, 2673, 2674/79) und der Literatur (zB Schubert - Pokorny - Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, S 662; Hofstätter - Reichel, Kommentar zum Einkommensteuergesetz III B, S 40/1 ff.; Margreiter, Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, SWK 1984 H 19/S 255 ff.; Schimetschek, Die Personengesellschaft und ihre Gesellschafter in steuerrechtlicher Sicht, Finanzjournal 1977, Heft 10, S 144). Von einer denkunmöglichen oder willkürlichen Gesetzeshandhabung kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Die Bf. behaupten dies auch nicht.
d) aa) Sie machen vielmehr geltend, daß (bei dem von der Behörde angenommenen Inhalt) das Gesetz gleichheitswidrig sei:
Es sei nicht einzusehen, weshalb die Erstbf., die einem Angestellten ansonsten völlig gleichgestellt sei, einkommensteuerrechtlich anders behandelt werde. Das Apothekengesetz, RGBl. 5/1907, zwinge dazu, daß die Bf. als Apothekenkonzessionärin die (allein geschäftsführende) Gesellschafterin sei; das Apothekengesetz schließe aus, daß sie nicht Gesellschafterin, sondern bloß Angestellte der OHG wäre.
bb) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt dieses Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 23 Z 2 EStG 1972:
In der Tat ist nach der ständigen Judikatur des VwGH (s. zB /0191, 0192, 0193 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung) und der Literatur (vgl. zB Orator, zivil- und verwaltungsrechtliche Aspekte der Apothekenübertragungen, Österreichische Apothekerzeitung 1971, S 648 ff.; Thor, Apotheken- und Arzneimittelrecht, Band I, S 13 f.) die Führung einer Apotheke durch eine offene Handelsgesellschaft nur dann zulässig, wenn der Konzessionär der allein geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Gesellschafter der Handelsgesellschaft ist. Gegen diese Regelung ist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden (vgl. zB VfSlg. 10035/1984 betreffend eine vergleichbare Regelung für Wirtschaftstreuhänder).
Der VfGH hat in ständiger Judikatur (zB VfSlg. 8487/1979 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung) dargetan, daß der Gesetzgeber durch das Gleichheitsgebot zwar grundsätzlich gehalten ist, bei der Einkommenbesteuerung die Bezieher von Einkommen gleich zu behandeln; dies schließt aber nicht aus, daß die Verschiedenheit der einzelnen Einkunftsarten auch Unterschiede steuerlicher Art bedingen; der Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (etwa aus einem Angestelltenverhältnis) weist gegenüber dem Bezug von anderen Einkünften (etwa aus einem Gesellschaftsverhältnis) Unterschiede auf, und es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, diese Einkunftsarten verschieden zu behandeln. Der Gerichtshof sieht sich aufgrund des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzurücken. An dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung ändert sich nichts, wenn das Gesellschaftsverhältnis nur wegen der erwähnten apothekenrechtlichen Konstruktion eingegangen wurde.
Wenn die Bf. der Sache nach andeuten, es sei unsachlich, die Frage der Selbständigkeit im Steuerrecht und im Sozialversicherungsrecht unterschiedlich zu behandeln, sind sie auf die Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 9855) zu verweisen, wonach eine solche Unterschiedlichkeit verfassungsrechtlich unbedenklich ist.
e) Die Bf. sind sohin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Bf. in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.