OGH vom 13.07.2006, 8ObA57/06z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Josef Sinzinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef M*****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei B***** GmbH, ***** vertreten durch Aubauer Berethalmy Deuretzbacher & Rumpf, Rechtsanwälte in Wien, wegen 72.672,84 EUR sA, über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 136/05m-40, womit über Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 27 Cga 210/03d-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie - einschließlich der unbekämpft gebliebenen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens - zu lauten haben:
„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 72.672,84 EUR samt 10,20 % Zinsen vom bis und samt 9,47 % Zinsen seit zu bezahlen, wird abgewiesen. Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 9.293,88 EUR bestimmten Verfahrenskosten (darin enthalten 1.546,98 EUR USt, 12 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 11.863,12 EUR bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens (darin enthalten 738,52 EUR USt, 7.432 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger schloss am mit der Beklagten einen Franchisebzw Tankstellen-Agenturvertrag über eine A*****-Tankstelle in B*****. Der Kläger war gelernter Kfz-Mechaniker ohne Meisterbrief. Er hatte keine kaufmännische Ausbildung genossen. Eigenkapital besaß er nicht. Die Beklagte bevorzugte als Vertragspartner Einzelkaufleute, weil sie eine persönliche Haftung wünschte und die Chance, dass sich der Pächter in seiner Person überwiegend dem Tankstellenunternehmen widmet, größer einschätzte.
Mit Übernahme der Tankstelle erhielt jeder Tankstellenpächter volle Treibstofftanks, die erst etwa drei Tage später, wenn der Großteil der Tankfüllungen bereits verkauft sein sollte, im Bankeinziehungsweg bezahlt werden mussten. Demgemäß bestimmt 11.1.4 des zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrages seinem zwischen den Parteien unstrittigen Wortlaut nach:
„Vor Übernahme der Tankstelle (bzw vor Erstanlieferung) hat der Partner eine Sicherstellung in Höhe des Gegenwertes des bei maximaler Befüllung an der Tankstelle lagernden Agenturbestandes an A***** zu erlegen, wobei die Bewertung zu fixen Pumpenpreisen erfolgt. Bei Preisänderungen ist diese Sicherstellung dem veränderten Gegenwert des maximalen Agenturlagerbestandes anzugleichen. Die Sicherstellung kann in bar oder in anderer Form (zB Sparbuch, Bankgarantie, Hypothek, Bürgschaft etc) geleistet werden und wird nach Vertragsende abgerechnet."
Dem Kläger teilte die Beklagte in diesem Zusammenhang mit, dass er für zumindestens 50 % des Lagerwertes eine Bankgarantie zu erbringen habe. Über die weiteren 50 % könne die Beklagte auch auf Kosten des Klägers eine Vertrauensschadensversicherung abschließen. Dem Kläger wurde von der Beklagten ein Muster übergeben, nach dem seine Bank die Bankgarantie abfassen sollte.
Das Muster lautet:
„Betr.: Garantieerklärung für Herrn [...]
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Ihnen Herr [...] für den Gegenwert einer Agenturanlieferung von A***** Super Plus, A***** Super, A***** Benzin, A***** Diesel und allen Verbindlichkeiten aus der Geschäftsabwicklung, eine Garantie in der Höhe von öS..... bis auf weiteres zu leisten hat.
Über Ersuchen des genannten Herrn [...] übernehmen wir hiemit anstelle dieser Garantie Ihnen gegenüber die Haftung als Bürge und Zahler und verpflichten uns unwiderruflich, über Ihre schriftliche Anforderung Beträge bis zur Höhe von öS... ohne Prüfung des Rechtsgrundes binnen acht Tagen bar und ohne Abzug gegen Vorlage dieses Briefes an uns zu bezahlen.
Diese unsere Haftung gilt bis auf weiteres mit einer Kündigungsfrist von einem Monat durch uns oder erlischt durch Rückstellung dieses Haftungsschreibens."
Die V***** - ***** gab am gegenüber der Beklagten folgende Bankgarantie ab:
„....Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Ihnen Herr Josef M*****, [...], für den Gegenwert einer Agenturanlieferung von A***** Super Plus, A***** Super, A***** Benzin, A***** Diesel und allen Verbindlichkeiten aus der Geschäftsabwicklung, eine Garantie in der Höhe von S 500.000,- [...] bis auf weiteres zu leisten hat. Über Ersuchen des genannten Herrn Josef M***** übernehmen wir hiemit anstelle dieser Garantie Ihnen gegenüber die Haftung als Bürge und Zahler und verpflichten uns unwiderruflich, über Ihre erste rekommandierte, schriftliche Anforderung Beträge bis zur Höhe von ATS 500.000,- ohne Prüfung des Rechtsgrundes binnen acht Tagen bar und ohne Abzug gegen Vorlage dieses Briefes an Sie zu bezahlen. Diese unsere Haftung gilt bis auf weiteres mit einer Kündigungsfrist von einem Monat durch uns oder erlischt durch Rückstellung dieses Haftungsschreibens an unser Institut.
Weiters ersuchen wir um Kenntnisnahme, dass uns seitens der Auftraggeberin sämtliche Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche, die ihr im Falle einer von Ihnen ungerechtfertigt vorgenommenen Inanspruchnahme der Garantie gegen Sie entstehen, abgetreten wurden. Es sind daher allenfalls zur Abdeckung nicht erforderliche Beträge ausschließlich an uns zu zahlen.
Die Ansprüche aus der Garantie sind nur mit unserer Zustimmung abtretbar.
Gerichtsstand: B*****; es gilt österreichisches Recht."
Die andere Hälfte der Tankfüllungen wurde durch eine Vertrauensschadensversicherung besichert. Da die Prämie jährlich 30.000 S kostete, veranlasste der Kläger die Bank dazu, im Jänner 1999 eine weitere, gleichlautende Bankgarantie über zusätzliche 500.000 S zu erstellen.
Sowohl die Beklagte als auch die Bank gingen davon aus, dass es sich bei der Garantieerklärung der Bank um eine Bankgarantie handelte. Eine Bürgschaft hatte die Bank gar nicht in ihrem Angebot. Der zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
„3. Pflichten des Franchisenehmers:
3.1. Der Partner übernimmt als selbständiger Gewerbetreibender im Namen und für Rechnung von A*****, demnach im Agenturverhältnis, die Lagerung und den Kleinverkauf von Motorkraftstoffen (Treibstoffen) zu den Bedingungen dieses Vertrages unter Beachtung der Richtlinien von A*****. Außerdem übernimmt der Partner den Verkauf aller übrigen A*****-Markenwaren (Autoschmierstoffe, Ofenheizöl, Pflegemittel, Frostschutz, Spezialitäten etc.) sowie den Verkauf aller für das erweiterte Verkaufsprogramm an Tankstellen vorgesehenen Waren und Dienstleistungen für eigene Rechnung, demnach als Eigenhändler.
3.2. Mit Rücksicht auf das durch diesen Vertrag zwischen dem Partner und A***** begründete Treueverhältnis wird der Partner die Tankstelle sachgerecht betreiben, dabei die Interessen von A***** nach besten Kräften wahrnehmen und alles unterlassen, was dem Vertrieb der von A***** gelieferten Waren nachteilig sein kann. Der Partner ist daher auf Dauer dieses Vertrages verpflichtet, weder für eigene noch für fremde Rechnung Waren der in Punkt 3.1. bezeichneten Art oder verwandte Produkte, die er nicht von A*****, durch Vermittlung von A***** oder durch A***** empfohlene Lieferanten erhält, zu verkaufen oder deren Absatz unmittelbar oder mittelbar zu fördern oder sich an solchen Geschäften zu beteiligen. Soweit und solange A***** Waren für das weitere Verkaufsprogramm nicht selbst liefert oder hiefür Lieferanten nicht namhaft gemacht hat, darf der Partner seinen Bedarf anderweitig decken.
3.3. Der Partner wird seinen gesamten Eigenbedarf an den von A***** vertriebenen Erzeugnissen bei A***** decken. Der Partner übernimmt für die Abwicklung von Verkäufen, die ohne Vermittlung des Partners von A***** selbst abgeschlossen werden, die Auslieferung der betreffenden Waren.
3.4. Der Partner übernimmt die in 1.2. genannte Tankstelle, bestehend aus den in Anlage 1 aufgezählten Teilen, und führt diesen Betrieb auf eigene Rechnung und eigene Gefahr [...]
3.5. Der Partner ist - sofern nicht eine Einschränkung durch behördliche Anordnung gilt - verpflichtet, die Tankstelle täglich in den Monaten Jänner bis Dezember von 5.00 Uhr bis 24.00 Uhr geöffnet zu halten. Der Partner hat für eine dem Bedarf entsprechende Besetzung der Tankstelle und für eine ordnungsgemäße Beleuchtung bei Dunkelheit zu sorgen.
3.10. A***** ist berechtigt, die Tankstelle jederzeit durch ihre Beauftragten betreten und prüfen zu lassen sowie Änderungen an der Tankstelle durchzuführen.
3.11. Der Partner hat die vorgeschriebenen Aufzeichnungen sorgfältig zu führen und A***** auf Verlangen im gesetzlich zulässigen Umfang jederzeit Einsicht zu gewähren.
[...]
5. Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Franchisenehmers
Der Franchisenehmer ist während der gesamten Laufzeit dieses Vertrages selbständiger Gewerbetreibender und unabhängiger Vertragspartner und daher nicht zu persönlicher Dienstleistung verpflichtet.
8. Gebühren
8.1. Für die Nutzung der Warenzeichen, des Systems CI, des Goodwills und der übrigen Betriebssysteme, für die laufende Beratung, die internationale Werbung und alle anderen in diesem Vertrag übertragenen Rechte hat der Franchisenehmer eine Franchisegebühr in Höhe von 5 % des Nettoumsatzes aus dem Folgegeschäft und Dienstleistungsgeschäft zu entrichten. Als Folgegeschäft und Dienstleistungsgeschäft sind sämtliche entgeltlichen Tätigkeiten im Rahmen des Tankstellenbetriebes zu verstehen, jedoch ausgenommen der Verkauf von Treibstoffen, Schmierstoffen und Ofenheizöl. Aus Gründen der vereinfachten Abrechnung wird dieser Umsatz als Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung von Art und Größe der Tankstelle sowie des Absatzpotentials aufgrund von Erfahrungswerten einvernehmlich festgelegt (Soll-Umsatz). Der Soll-Umsatz beträgt öS 6,000.000,- pro Jahr. Die Franchisegebühr ist in Höhe des entsprechenden monatlichen Teilbetrages zuzüglich Umsatzsteuer bis spätestens 15. eines jeden Monats im Vorhinein zu entrichten.
11. Vertrieb und Abrechnung
11.1. Agenturwaren
11.1.1. Agenturwaren bleiben bis zum Verkauf oder bis zur Entnahme für den Eigenverbrauch des Partners Eigentum von A*****. Der Verkauf von Agenturwaren hat zu den von A***** jeweils vorgeschriebenen Preisen zu erfolgen. [...]
11.1.2. Gibt der Partner Waren auf Kredit ab, so trägt er allein das daraus entstehende Risiko (Delkredere). [...]
11.1.3. Die vereinnahmten Gelder gehen mit der Übernahme durch den Partner in das Eigentum von A***** über. Sie sind sicher und gesondert (eigene Kasse oder eigenes Konto) zu verwahren und auf Weisung jederzeit an A***** abzuführen. Der Partner haftet für jeden Verlust, es sei denn, er weist nach, dass daran weder ihn noch diejenigen Personen, deren er sich bei der Ausübung seiner Tätigkeit bedient, ein Verschulden trifft.
[...]
11.1.6. A***** ist berechtigt, jederzeit die Agenturwarenbestände sowie die vereinnahmten und gesondert aufzubewahrenden Gelder zu kontrollieren und erforderlichenfalls in die Bücher und Aufzeichnungen des Partners Einsicht zu nehmen. Der Partner ist zur Auskunftserteilung verpflichtet.
[...]
11.2. Andere Waren
11.2.1. Für Lieferung und Bezug sämtlicher anderer A*****-Markenwaren gelten die von A***** jeweils für Wiederverkäufer festgesetzten Preise und Konditionen. Die von A***** dem Partner etwa empfohlenen Endverbraucherpreise sind im Sinn des Kartellgesetzes unverbindlich
[...]
11.2.3. Für Lieferung und Bezug von Waren, die der Partner im Rahmen des erweiterten Verkaufsprogramms an Tankstellen (Punkt 3.1.) von durch A***** empfohlene Lieferanten bezieht, gelten grundsätzlich deren Verkaufs- und Lieferbedingungen.
[...]
12. Vergütung für Agenturware
12.1. Als Entgelt für die Erfüllung der bedungenen Leistungen erhält der Partner für verkaufte oder im Eigenverbrauch bezogene Kraftstoffe [...] eine Vergütung, die im Rahmen der branchenüblichen Tankstellenvergütung von A***** jeweils in angemessener Weise festgesetzt wird.
Diese Vergütung setzt sich derzeit zusammen aus einem
absatzabhängigen Festbetrag für VK/DK-Mengen p.a. und einer
Liter-Vergütung je 100 l VK/DK. [...]
Absatzgrößenklasse (VK/DK) Festbetrag
1 bis 499.000 l S 65.000,- p.a.
500.000 bis 599.999 l S 80.000,- p.a.
600.000 bis 699.999 l S 95.000,- p.a.
700.000 bis 799.999 l S 110.000,- p.a.
[...]
3,100.000 und mehr Liter S 270.000,- p.a.
Die Liter Vergütung beträgt auf Basis Bedienungstanken S 33,- je 100
l VK/DK.
Zu den genannten Vergütungen zahlt A***** die Umsatzsteuer
[...]
13. Beendigung des Vertrages
[...]
13.3. A***** ist berechtigt, eine vom Partner bestellte Sicherheit [Punkt 11.1.4.) auch für den Ersatz von Verlusten und Schäden, die der Partner zu vertreten hat, zu verwenden. A***** steht weiters das Recht zu, fällige Forderungen, aus welchem Rechtstitel auch immer, gegen die Sicherstellung aufzurechnen".
Am vereinbarten die Parteien die Änderung einzelner Vertragsbestimmungen. Unter anderem lautet der neue Punkt 11.1.3 des Vertrages nunmehr:
„Der Partner übergibt an A***** zur Sicherstellung aller Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis eine Bankgarantie eines österreichischen Geldinstituts in Höhe des Gegenwertes der durchschnittlichen Verkaufsmenge von 10 Tagen, wobei die Literbewertung mit dem Durchschnitt der Bruttoverkaufspreise, derzeit S 13, erfolgt. Bei Preisänderungen ist die Bankgarantie auf Wunsch von A***** dem veränderten Preis anzupassen."
In den letzten Monaten vor Kündigung des Vertrages kam es öfters vor, dass der Kläger Bankeinziehungen in der von der Beklagten vorgenommenen Höhe nachträglich als nicht gerechtfertigt erachtete und die gesamte Einziehung von seinem Konto widerruf. Die von ihm anerkannten Beträge überwies er in der Folge.
Die Beklagte kündigte den Vertrag wegen mangelnder Systemtreue, Divergenzen in der Geschäftsplanung und getrübter Vertrauensbasis mit Schreiben vom zum . Unmittelbar vor der Übergabe der Tankstelle hielt der Kläger Agenturgelder zurück, weil er der Meinung war, dass ihm Gegenforderungen gegen die Beklagte zustünden. Ihm war überdies mitgeteilt worden, dass die Bankgarantien sowieso gezogen würden, würde der Kläger die Beklagte nicht den geforderten Betrag abbuchen lassen.
Am schrieb die Beklagte an den Kläger:
„....Wie Sie der beiliegenden Aufstellung entnehmen können, haften mit heutigem Tag 174.209,97 EUR unberichtigt aus. Gemäß Schreiben Ihrer Bank werden wir diesen Betrag morgen von Ihrem Konto abbuchen.
Wunschgemäß bestätigen wir Ihnen Folgendes: Wenn uns bis spätestens die schriftliche Bestätigung Ihrer Bank vorliegt, dass die Überweisung des oben genannten Betrages unwiderruflich von Ihrem Konto auf unser Konto durchgeführt wurde, werden wir die Bankgarantie nicht in Anspruch nehmen. Wenn uns die unwiderrufliche Überweisung durch die Bank nicht bis zum genannten Zeitpunkt vorliegt, müssen wir die Bankgarantien in Anspruch nehmen."
Die Beklagte forderte die Bank am unter Vorlage der Bankgarantien zur Zahlung von 72.672,84 EUR auf. Die Bank überwies diesen Betrag an die Beklagte.
Der Kläger begehrt Zahlung von 72.672,84 EUR. Er sei aufgrund der Bestimmungen im Franchisevertrag als arbeitnehmerähnlich anzusehen. Das KautSchG sei auch auf arbeitnehmerähnliche Personen anzuwenden. Die Beklagte habe vom Kläger eine Bankgarantie in Höhe des Klagebetrags als Kaution verlangt und erhalten. Gemäß § 1 KautSchG sei die Bestellung einer Bankgarantie als Kaution unzulässig und somit nichtig. Der Kläger habe der Bank den Garantiebetrag ersetzen müssen. Das KautSchG verbiete generell alle „Kautionen", somit alle Sicherheiten außerhalb der Besicherung von Schadenersatzansprüchen. Nur die Besicherung von Schadenersatzansprüchen bleibe eingeschränkt zulässig. Zur Besicherung anderer Ansprüche - also auch jener in Punkt 11.1.4 des Vertrages genannten - dürfe sich der Dienstgeber überhaupt keine Kaution bestellen lassen. Überdies sei Punkt 11.1.4 des Vertrages einvernehmlich dahin geändert worden, dass der Kläger der Beklagten zur Sicherstellung sämtlicher Ansprüche eine Bankgarantie zu übergeben habe.
Die Beklagte - die ihren in erster Instanz erhobenen Einwand der mangelnden Aktivlegitimation und den Einwand, dass in Wahrheit eine Bürgschaft übernommen worden sei, im Revisionsverfahren nicht mehr aufrecht erhält - wendet ein, dass die Rechtsposition des Klägers nicht als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren sei. Das KautSchG habe auf das Vertragsverhältnis keine Anwendung zu finden. Der Kläger habe der Beklagten zum aus der Geschäftsbeziehung 174.209,97 EUR geschuldet. Die Beklagte erklärte, eine Gegenforderung aus der Geschäftsbeziehung in Höhe von 167.209,97 EUR bis zur Höhe des Klagebetrages aufrechnungsweise einzuwenden. Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung in Höhe von 72.672,84 EUR zu Recht bestehe. Den Antrag der Beklagten, die Klageforderung mit einer Gegenforderung in Höhe von 167.209,97 bis zur Höhe der Klageforderung aufzurechnen, wies das Erstgericht ab, verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 72.672,84 EUR samt 4 % Zinsen seit und wies das Zinsenmehrbegehren rechtskräftig ab.
Neben dem eingangs dargestellten Sachverhalt traf das Erstgericht weitere Feststellungen über die Geschäftsabwicklung zwischen den Streitteilen.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls (Eigentum der Beklagten an der Betriebsstätte; Dauerschuldverhältnis mit monatlichen Franchisegebühren; Diktieren des Verkaufspreises durch die Beklagte; Umsatzabhängigkeit der Provision des Klägers; keine bzw. geringe Einflussmöglichkeiten des Klägers beim Shopgeschäft) die Stellung des Klägers als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren sei. Das KautSchG sei auch auf arbeitnehmerähnliche Personen anzuwenden. Der Hauptzweck des KautSchG werde dadurch erreicht, dass nur Kautionen zulässig seien, über die der Dienstgeber nicht ohne Zustimmung des Kautionsbestellers verfügen könne. Die Bankgarantie scheine in der taxativen Aufzählung des § 1 KautSchG nicht als zulässiges Sicherungsmittel auf. Das sei auch nicht verwunderlich, weil der Kautionsbesteller bei einer Bankgarantie keinen Einfluss darauf habe, ob, wann und in welcher Höhe der Kautionsberechtigte die Garantie abrufe. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass der wirtschaftlich potente Dienstgeber (Franchisegeber) einen Forderungsausfall leichter verkraften könne als ein Dienstnehmer (Franchisenehmer) eine kostenverursachende Sicherstellung. Habe die Beklagte Angst, dass ihre Forderungen nicht beglichen würden, könne sie von ihrer Vorleistungspflicht abgehen. Dann müsse der Franchisenehmer die erste Tankfüllung bezahlen. Auf diese Weise werde verhindert, dass Franchisenehmer ohne Eigenkapital eine Tankstelle betreiben. Zumindest müssten sie einen Dritten finden, der Kredit gewähre. Die Bestellung der Bankgarantie sei daher gemäß § 4 KautSchG nichtig. Die Vermögensverschiebung sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung sei nicht aufrechenbar, weil eine Aufrechnungsmöglichkeit dem Zweck des KautSchG widerspreche.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Inhaltlich billigte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehlt, ob, gegebenenfalls in welchem Umfang das KautSchG auf arbeitnehmerähnliche Franchisenehmer (Tankstellenpächter) anzuwenden ist.
Die Revision ist auch berechtigt.
Die Revision bezweifelt die Richtigkeit der Auffassung der Vorinstanzen, dass die Stellung des Klägers ausgehend von den maßgeblichen Umständen der konkreten Vertragsgestaltung als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren ist, zutreffend nicht mehr (siehe zu den für die Arbeitnehmerähnlichkeit eines Tankstellenpächters sprechenden Kriterien ausführlich SZ 70/161; EvBl 1964/69; zur Arbeitnehmerähnlichkeit bei einem Franchisevertrag EvBl 1980/64 = DRdA 1981/7 [Wachter]; zu den Kriterien im Allgemeinen vgl RIS-Justiz RS0050781).
Zur Anwendbarkeit des KautSchG auf arbeitnehmerähnliche Personen nahm der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 14 ObA 10/87 Stellung: Er bejahte die Anwendbarkeit im Wesentlichen mit der Begründung, dass aus dem sehr weiten Anwendungsbereich des Gesetzes (Lehrlinge, Praktikanten, Heimarbeiter) abzuleiten sei, dass es auch für jene Personen gelten solle, die zwar in keinem Arbeitsvertragsverhältnis stünden, bei welchen die Kriterien fremdbestimmter Arbeit jedoch in erheblichem Umfang verwirklicht seien. Im konkreten Anlassfall war die Kaution von einem als arbeitnehmerähnlich eingestuften Handelsvertreter für mögliche künftige Schadenersatzansprüche erlegt worden.
Jabornegg begrüßt in seiner Entscheidungsbesprechung (DRdA 1990/17) dieses Ergebnis ausdrücklich, meint allerdings, dass der Hinweis, dass das KautSchG ganz allgemein die wirtschaftliche Schwäche des Arbeitnehmerähnlichen berücksichtige, für die Bejahung der Anwendung des KautSchG auf arbeitnehmerähnliche Personen nicht ausreiche. Dieser Gedanke würde, konsequent weiter gedacht, zu einer ungeahnten und mit der geltenden Arbeitsrechtsordnung nicht zu vereinbarenden Ausdehnung arbeitsrechtlicher Vorschriften auf arbeitnehmerähnliche Personen führen. Entscheidend sei vielmehr, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KautSchG 1937 der aus dem deutschen Rechtsbereich stammende Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person noch keinen Eingang in die österreichische Gesetzessprache gefunden habe. Es wäre daher geradezu überraschend gewesen, wenn sich der seinerzeitige Gesetzgeber des erst im deutschen Arbeitsgerichtsgesetz 1926 eingeführten Begriffes der arbeitnehmerähnlichen Person bedient hätte, um einen über Arbeitsverhältnisse im engeren Sinn hinaus gewünschten Geltungsbereich zu umschreiben. Viel näher sei die damals tatsächlich gewählte Methode gelegen, einzelne den Arbeitsverhältnissen vergleichbare Rechtsverhältnisse aufzuzählen. Vor diesem Hintergrund müsse aus heutiger Sicht die Aufzählung in § 8 KautSchG lückenhaft erscheinen. Vor allem die Einbeziehung der Heimarbeiter und Zwischenmeister lasse sich nur mit deren besonderer wirtschaftlicher Abhängigkeit erklären. Auch sei ein deutlicher sachlicher Zusammenhang mit der Dienstnehmerhaftpflicht gegeben, weil Kautionen im Allgemeinen die Funktion einer Sicherstellung für mögliche künftige Schäden hätten und gemäß § 1 KautSchG eine Arbeitnehmerkaution überhaupt nur zur Sicherung von Schadenersatzansprüchen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis zugelassen werde. Es erscheine daher kaum einleuchtend, wenn wohl das DHG ganz allgemein für arbeitnehmerähnliche Personen Geltung besitzen solle, nicht aber das KautSchG. Insgesamt müsse daher für den Geltungsbereich des KautSchG, wenn schon nicht eine ursprüngliche planwidrige Unvollständigkeit, so doch eine durch die spätere Entwicklung des österreichischen Arbeitsrechtes entstandene nachträgliche Lücke angenommen werden, die durch analoge Anwendung auf alle arbeitnehmerähnliche Personen zu schließen sei. Der Argumentation Jaborneggs ist jedenfalls insoweit zu folgen, als ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem KautSchG einerseits und dem DHG andererseits nicht zu leugnen ist. Berücksichtigt man, dass die in § 1 KautSchG angesprochenen Schadenersatzansprüche jedenfalls auch solche sind, die dem DHG unterliegen und berücksichtigt man ferner die ausdrückliche Geltung des DHG auf arbeitnehmerähnliche Personen (§ 1 Abs 1 zweiter Satz DHG) ist eine zumindest nachträglich entstandene planwidrige Regelungslücke in § 8 KautSchG - der jene Verträge nennt, die neben echten Dienstverträgen ebenfalls in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen - anzunehmen: Gewährt der Gesetzgeber auch arbeitnehmerähnlichen Personen die Vorteile des DHG, ist ihm zu unterstellen, dass er auch die Schutzvorschriften für die Sicherung entsprechender Schadenersatzforderungen im KautSchG angewendet wissen will.
Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob der Zweck des KautSchG seine gänzliche Anwendung auf sämtliche arbeitnehmerähnliche Personen gebietet: Insbesondere bedarf es eines Eingehens darauf, ob unabhängig von der Vertragsgestaltung arbeitnehmerähnliche Personen Sicherheiten überhaupt nur zur Sicherung von Schadenersatzansprüchen legen dürfen: Aus § 1 Abs 1 KautSchG (BGBl 1937/229 idF BGBl I 2001/98) ist nämlich abzuleiten, dass Dienstnehmersicherstellungen nur zur Sicherung von Schadenersatzansprüchen zulässig sind („.....
darf ......... Kaution ....... nur zur Sicherung von
Schadenersatzansprüchen ...."), wobei überdies die zulässigen
Sicherungsmittel in § 1 Abs 1 KautSchG taxativ aufgezählt sind (Mayr,
Kautionsschutzgesetz, § 1 Erl 32; 9 ObA 104/91 = DRdA 1992/1
[Grillberger]). Bejahte man diese Frage, wäre die Entscheidung der
Vorinstanzen zu bestätigen: Nach den Feststellungen wurde die
Sicherstellung den Vereinbarungen der Parteien entsprechend zur
Besicherung des Gegenwertes des bei maximaler Befüllung an der
Tankstelle lagernden Agenturbestandes erlegt. Nach dem Wortlaut der
von der Bank erstellten Garantieerklärung sowie dem Wortlaut des
Punktes 13.3 des Vertrages („....... berechtigt, eine vom Partner
bestellte Sicherheit auch für den Ersatz von Verlusten und Schäden
..... zu verwenden") diente zwar die Garantie der Sicherung
sämtlicher Verbindlichkeiten aus dem Vertragsverhältnis, also auch der Besicherung von Schadenersatzansprüchen.
Vorliegendenfalls ist allerdings unstrittig, dass der Abruf der Garantien durch die Beklagte nicht wegen eines von der Beklagten behaupteten, ihr gegen den Kläger zustehenden Schadenersatzanspruches erfolgte, sondern wegen der sich aus der gegenseitigen Abrechnung ergebenden (vom Kläger inhaltlich auch gar nicht bestrittenen) Erfüllungsansprüche der Beklagten aus dem Vertragsverhältnis. Gegen die Auslegung der Vorinstanzen sprechen allerdings die von der Revision zutreffend angeführten, die konkrete Vertragsgestaltung betreffenden Argumente: Im Unterschied zu den in § 1 KautSchG angesprochenen „normalen" Dienstverhältnissen schuldete der arbeitnehmerähnliche Kläger hier nach dem Inhalt des Franchisevertrages Entgelt (Franchisegebühren) und für die Beklagte vereinnahmte Gelder (Punkt 3.1; 11 des Vertrages). Darüber hinaus wurde dem Kläger die erstmalige Gesamttankbefüllung von der Beklagten vorgeleistet, die nicht auf unmittelbarer Barzahlung bestand, sondern sich mit der Erstellung der Bankgarantie zur Sicherheit dieser Tankbefüllungen zufrieden gab. Insoweit ist der Revision darin beizupflichten, dass die Rechtsstellung des Klägers bezüglich seiner vertraglichen Hauptpflichten weder mit jener eines „echten" Dienstnehmers noch mit jener der in § 8 Abs 2 KautSchG genannten Personen, auf die das Gesetz Anwendung zu finden hat (Heimarbeiter, Zwischenmeister), vergleichbar ist.
Damit ist aber, gemessen am Zweck des KautSchG, seine Anwendung auf die konkret erstellten Bankgarantien zu verneinen: Der Hauptzweck des KautSchG liegt nach den Materialien (abgedruckt bei Mayr aaO 139ff) darin, dem Missbrauch von Kautionen durch Verwendung im eigenen Geschäftsbetrieb des Dienstgebers vorzubeugen (siehe insbesondere auch § 3 KautSchG). Darüberhinaus dient die Begrenzung der Sicherungsmittel in Verbindung mit dem von der Rechtsprechung anerkannten Aufrechnungsverbot (DRdA 1992/1 [Grillberger]) dem Zweck, dass der Dienstgeber nicht durch die bloße Behauptung des Bestehens einer Schadenersatzforderung gegen den Dienstnehmer bereits in die Lage versetzt ist, auf die Kautionsmittel zu greifen, ohne dass er - seiner allgemeinen Behauptungs- und Beweislast entsprechend - den Schadenseintritt nachweisen muss.
Bei dem hier zu beurteilenden Fall hingegen erfolgte die Kautionsbestellung zwar nach dem Wortlaut des Punktes 13.3 bzw. des geänderten Punktes 11.1.3. des Vertrages für alle Vertragsansprüche, wurde aber unstrittig nur für die sich aus der gegenseitigen Abrechnung der Streitteile nach Ende der Geschäftsbeziehung ergebenden (Entgelt)Forderungen der Beklagten in Anspruch genommen (siehe dazu auch die Feststellungen, dass dem Kläger einerseits Tankbefüllungen ohne Barzahlung vorausgeliefert wurden und andererseits, dass der Kläger vor Übergabe der Tankstelle Agenturgelder zurückhielt). In diesem Fall ist nicht ersichtlich, inwiefern durch die Sicherheitenbestellung - jedenfalls, soweit sie der Sicherung primärer Vertragserfüllungsansprüche der Beklagten diente - die erwähnten Zwecke des KautSchG vereitelt werden könnten:
Dass eine Vertragsgestaltung zulässig gewesen wäre, wonach die Beklagte nicht zur Vorleistung verpflichtet gewesen wäre, ist nicht zweifelhaft. Die Beklagte hätte auch im Zusammenhang mit der laufenden Abrechnung aus der Geschäftsbeziehung auf jeweiliger Barzahlung bestehen können. Der Abruf der Garantien erfolgte wegen solcher Ansprüche, deren sofortige Begleichung die Beklagte zulässig hätte vereinbaren können. Darin liegt der wesentliche Unterschied gegenüber der Sicherung bloß möglicherweise in Zukunft entstehender Schadenersatzansprüche. Es fehlt an einem sachlichen Zusammenhang mit den Zwecken des KautSchG, der eine analoge Anwendung des KautSchG auch für die hier bestellten Sicherheiten gebieten würde. Das vom Erstgericht gebrauchte Argument, wäre die Beklagte von ihrer vertraglich vereinbarten Vorleistungspflicht abgegangen, hätte es der Sicherstellung nicht bedurft; in diesem Fall werde wenigstens verhindert, dass ein Franchisenehmer ohne Eigenkapital eine Tankstelle betreibe, lässt außer Acht, dass das KautSchG erkennbar nicht die Absicht verfolgt, eine Kreditgewährung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer (oder Arbeitnehmerähnlichen) zu verhindern: Ganz im Gegenteil will das Gesetz - wie die erwähnten Materialien eindrucksvoll belegen - verhindern, dass der Dienstgeber Gelder des Dienstnehmers im eigenen Geschäftsbetrieb verwenden kann. Ein Vorbringen, dass der Beklagten der Klagebetrag aus der Endabrechnung nicht zustehe, erstattete der Kläger nicht. Er stützte sein Klagebegehren vielmehr ausdrücklich nur auf die behauptete gesetzliche Unzulässigkeit der Garantieerstellung bzw. des Garantieabrufes. Da aus den dargelegten Gründen die Sicherheitenbestellung im Umfang der Sicherung jener Ansprüche, die zum Garantieabruf führten, nicht unwirksam war, war das Begehren des Klägers abzuweisen.
Die Entscheidung der Kosten des Verfahrens in allen Instanzen gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.