OGH vom 30.08.2016, 8Ob39/16t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn sowie die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Unterhaltssache der Antragsteller der Minderjährigen 1. S*****, geboren am *****, 2. I*****, geboren am *****, 3. E*****, geboren am *****, alle vertreten durch die Mutter W*****, diese vertreten durch Mag. Andrea Posch, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Antragsgegner Mag. P*****, vertreten durch Graf Patsch Taucher Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom , GZ 23 R 72/16k 28, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Lilienfeld vom , GZ 1 Pu 87/15y 23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Der Vater der Minderjährigen ist Notar, sein monatliches Nettoeinkommen beträgt 8.300 EUR. Die Mutter ist nicht berufstätig und bezieht kein eigenes Einkommen. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Die Kinder leben mit beiden Eltern im gemeinsamen Haushalt. Das Haus steht jeweils im Hälfteeigentum des Vaters und der Mutter. Der fiktive monatliche Mietwert beträgt 600 EUR, die Betriebskosten monatlich 150 EUR, die Kosten für Gas und Strom 200 EUR. Im Haus ist auch das Notariat des Vaters untergebracht. Die Haushaltsführung erfolgt durch die Mutter. Der Vater übergibt ihr monatlich ca 100 EUR. Weiters ist die Mutter am Privatkonto des Vaters bei zwei unterschiedlichen Banken zeichnungsberechtigt. Bei einer dieser Banken kann sie entsprechend den von der Bank eingeräumten Konditionen bis zu 730 EUR pro Woche beheben. Vom zweiten Konto können die Eltern entsprechend den von der Bank gewährten Bedingungen insgesamt bis zu 1.500 EUR pro Tag beheben. Beide Konten sind massiv überzogen, weshalb ungewiss ist, ob auch in Zukunft Behebungen möglich sein werden.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater, ab bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, dem mj S 790 EUR monatlich, der mj I***** 672 EUR monatlich und der mj E***** 487 EUR monatlich an Unterhalt zu bezahlen, die bis zum Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen, die weiteren jeweils am 5. des Monats im Vorhinein.
Es führte aus, die Minderjährigen hätten grundsätzlichen Anspruch auf 10, 12 bzw 15 % des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens des Vaters. Aufgrund des sehr hohen Einkommens des Vaters sei der Unterhalt jedoch mit dem Zweieinhalbfachen des nach dem Alter der Kinder anwendbaren Regelbedarfsatzes zu begrenzen. Von diesem Betrag seien die Transferleistungen nicht abzuziehen, werde doch durch den Unterhaltsstopp die steuerliche Entlastung schon vorweggenommen, da der Unterhaltsschuldner ohnehin weniger leisten müsse, als seiner Leistungsfähigkeit entspreche. Vom Geldunterhalt sei weiters der für die Versorgung der Kinder mit Wohnraum geleistete Naturalunterhalt abzuziehen. Dies erfolge durch die Heranziehung der fiktiven Wohnungskosten, aufgeteilt auf die Bewohner, im konkreten je 150 EUR. Daraus ergebe sich der zugesprochene Unterhalt. Die Verbindlichkeiten des Vaters seien bei der Bemessung des Unterhalts nicht zu berücksichtigen. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit diesen Zahlungen Unterhaltscharakter zukomme. Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ehewohnung seien durch die Anrechnung des fiktiven Mietwerts berücksichtigt.
Die der Mutter für die Privatkonten des Vaters eingeräumte Zeichnungsberechtigung führe nicht zu einer Kürzung des Unterhaltsanspruchs. Dies stelle keine Erfüllung der Unterhaltspflicht dar. Es gebe auch keine Vereinbarung, inwieweit Kontobehebungen der Mutter der Bestreitung des Kindesunterhalts dienen sollten. Der Vater habe auch nicht vorgebracht, welchen Betrag die Mutter monatlich als Kindesunterhalt von den Konten behoben habe. Aufgrund der massiven Kontoüberziehungen sei auch ungewiss, ob in Zukunft weitere Behebungen möglich seien und der Unterhalt befriedigt werden könne. Es sei daher von einer Unterhaltsverletzung auszugehen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters gegen diesen Beschluss Folge und wies den Antrag auf Festsetzung einer Geldunterhaltsverpflichtung für die Kinder ab. Es gebe kein Vorbringen der Mutter, dass die beabsichtigte Behebung von einem der beiden Konten, auf denen sie zeichnungsberechtigt sei, nicht möglich gewesen wäre. Daher sei zu vermuten, dass ausreichende Mittel zur Abdeckung der Unterhaltsbedürfnisse zur Verfügung gestanden seien und daher keine Verletzung der Unterhaltspflicht vorliege. Es sei unrealistisch, vom Unterhaltsschuldner zu verlangen, konkret darzutun und nachzuweisen, welche unterhaltsrelevanten Aufwendungen bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft für welches der Kinder er erbracht habe. Es wäre Sache des Unterhaltsberechtigten gewesen, konkret zu behaupten und zu beweisen, welche den Lebensverhältnissen entsprechenden Bedürfnisse nicht befriedigt werden konnten. Die rückwirkende Verpflichtung zur Leistung des Unterhalts bedeute darüber hinaus, den Vater zur neuerlichen Zahlung schon von ihm abgedeckter Bedürfnisse zu verpflichten. Darauf, ob auf den Konten ein Guthaben gewesen sei, oder nur aufgrund großzügiger Überziehungsrahmen Behebungen und Zahlungen möglich gewesen seien, komme es nicht an, weil vielfach Familien vom Überziehungsrahmen „lebten“. Es liege daher keine Unterhaltsverletzung des Antragsgegners vor, weshalb der Antrag auf Feststellung einer Geldunterhaltsverpflichtung mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen sei.
Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil zur Frage, ob durch die Einräumung einer Zeichnungsberechtigung für ein Konto, das kein Guthaben aufweise, dessen Sollstand jedoch innerhalb des Überziehungsrahmens liege und bei dem auch bei darüber hinausgehendem Negativsaldo weitere Behebungen möglich seien, nur eine 20 Jahre alte Entscheidung vorliege und es zwischenzeitig zu massiven Veränderungen im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs gekommen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, den Vater zur Unterhaltsleistung ab zu verpflichten, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Antragsgegner beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Lebt das unterhaltsberechtigte Kind mit den unterhaltspflichtigen Eltern in aufrechter Haushaltsgemeinschaft, haben beide Elternteile Naturalunterhalt zu leisten. Besteht ein gemeinsamer Haushalt der Eltern mit gemeinsamen Pflegerechten und pflichten und können sie kein Einvernehmen erzielen, ob die Leistungen eines Elternteils in natura seinen Verpflichtungen entsprechen, so kann grundsätzlich keiner der beiden Elternteile die Kinder im Unterhaltsbemessungsverfahren vertreten. Hiezu bedarf es vielmehr der Übertragung der mit der vollen Betreuung der Kinder zusammenhängenden Rechte und Pflichten gemäß § 181 Abs 1 ABGB (§ 176 Abs 1 ABGB idF vor dem KindNamRÄG 2013) auf den antragstellenden Elternteil (RIS Justiz RS0047422). Dabei wurde wiederholt ausgesprochen, dass der Antrag des nicht allein obsorgeberechtigten, das Kind in seinem Haushalt betreuenden Elternteils, eine durch den anderen Elternteil zu erbringende Geldunterhaltsleistung für das Kind festzusetzen, das Begehren auf Bestellung zum besonderen Sachwalter umfasst, und einem solchen Antrag durch eine in der Sache gefällte Unterhaltsentscheidung konkludent stattgegeben werden kann (RIS Justiz RS0034795; Gitschthaler, Unterhaltsrecht 3 [2015] Rz 953/1, 2; 954/3).
Obwohl die Maßnahme der Übertragung der mit der vollen Betreuung der Kinder zusammenhängenden Rechte und Pflichten als rechtsgestaltende Verfügung erst für die Zeit nach Eintritt ihrer Rechtskraft wirksam wäre, bleibt den Kindern der volle Unterhalt auch während des Zeitraums von der Antragstellung bis zum Wirksamwerden einer solchen Verfügung gesichert ( Gitschthaler aaO Rz 954/6).
Die Mutter ist daher ungeachtet der aufrechten gemeinsamen Obsorge und des gemeinsamen Haushalts zur Vertretung der Minderjährigen in diesem Verfahren berechtigt.
2. Naturalunterhalt ist die Befriedigung der angemessenen Kindesbedürfnisse durch Sach und Dienstleistungen. Bei Haushaltstrennung oder Verletzung der Unterhaltspflicht ist anstelle des Naturalunterhalts Geldunterhalt zu leisten ( Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 140 Rz 35). Eine Unterhaltsverletzung ist gegeben, wenn der Unterhaltspflichtige keinen Unterhalt leistet, wenn der Wert der dem Unterhaltsberechtigten zukommenden Unterhaltsleistungen unter jenem Betrag liegt, der ihm nach dem Gesetz als Geldunterhalt gebühren würde (wobei unbedeutende Abweichungen vernachlässigt werden können), aber auch dann, wenn eine Unterhaltsverletzung (Minder oder Nichtzahlung, verspätete Zahlung) droht (vgl RIS Justiz RS0047184; Barth/Neumayr aaO Rz 37; Gitschthaler , Unterhaltsrecht 2 (2008) Rz 69; Neuhauser in Schwimann/Kodek 4 I § 140 Rz 445). Dabei ist für die Annahme bloß künftig drohender Unterhaltsverletzung ein strenger Maßstab anzulegen ( Gitschthaler aaO Rz 66; Neuhauser in Schwimann , ABGB Taschenkommentar 3 , § 231 Rz 228).
3. Im vorliegenden Fall erfolgt die Führung des Haushalts und die Betreuung und Versorgung der Kinder durch die Mutter, die Bereitstellung der finanziellen Mittel durch den Vater. Unstrittig wurden dabei der Mutter vom Vater keine (relevanten) Beträge in bar übergeben, sondern der Aufwand durch Kontobehebungen der Mutter gedeckt. Richtig ist, dass nicht feststeht, dass die Abdeckung des Unterhalts in dieser Form nicht möglich war, und dass die Minderjährigen dazu – abgesehen von einem Vorfall, zu dem Feststellungen nicht getroffen wurden – auch kein Vorbringen erstattet haben. Allerdings wurde geltend gemacht, dass die Einräumung einer Zeichnungsbefugnis eine Unterhaltsleistung nicht ersetzt und, da die Konten überzogen sind, eine Unterhaltsverletzung droht.
In der von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 8 Ob 94/97z wurde eine Unterhaltsverletzung bei Minderzahlungen des Vaters angenommen, obwohl nach Angaben des Vaters der Mutter eine Zeichnungsberechtigung für das Gehaltskonto des Vaters eingeräumt worden war. In der Begründung wurde darauf verwiesen, der Vater habe gar nicht behauptet, dass auf diesem Konto über die ohnedies für Unterhaltszwecke abgehobenen Beträge hinaus weitere Guthaben vorhanden gewesen wären. Stattdessen habe er auf die ihm offenstehende Möglichkeit, das Konto zu überziehen, hingewiesen. Die Einräumung der Zeichnungsberechtigung auf ein Konto, das keine abhebbaren Guthaben aufweise, könne aber nicht als Unterhaltsgewährung angesehen werden.
Das Rekursgericht meint, dass sich seit dieser Entscheidung massive Veränderungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr ergeben hätten und tatsächlich viele Familien vom Überziehungsrahmen „lebten“. Das ändert aber nichts daran, dass dann, wenn eine Unterhaltsleistung auf diese Art nicht sichergestellt ist, eine Unterhaltsverletzung zumindest droht. Das wird jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn der Überziehungsrahmen eine den Unterhaltsverpflichtungen entsprechende Deckung der Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten nicht zulässt.
Der Antragsgegner hat sich auf die Zeichnungsberechtigung der Mutter für zwei Konten berufen. Allerdings wurde bei dem einen Konto der Überziehungsrahmen bereits überschritten. Richtig hat das Erstgericht darauf verwiesen, dass daher die Möglichkeit, weiter Geld zu beheben, allein auf einer Kulanzentscheidung der Bank beruht. Vom Antragsgegner wurde aber nicht einmal behauptet, dass eine Abdeckung der Überziehung in irgendeiner Form geplant oder möglich ist. Das zweite Konto weist ebenfalls einen Negativsaldo beinahe bis zum Überziehungsrahmen auf. Selbst wenn daher hier noch geringfügige Abhebungen möglich sind, kann der Unterhalt mit diesem Betrag nicht gedeckt werden. Soweit der Antragsgegner geltend macht, dass die Mutter selbst (Mit )Kontoinhaberin sei, ist daraus für ihn nichts zu gewinnen, würde dies doch nur bedeuten, dass sie bei einer weiteren Kontoüberziehung selbst (wenn auch gemeinsam mit dem Vater) eine Verbindlichkeit gegenüber der Bank eingeht und damit insoweit den Unterhalt aus eigenem, nicht aus dem Vermögen des Unterhaltsschuldners abdeckt.
Damit besteht aber keine Gewähr dafür, dass der Unterhalt allein durch die Zeichnungsbefugnis für diese beiden Konten in der bisherigen Form gewährleistet ist. Selbst unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabs ist auch im Hinblick auf die gesamte finanziell angespannte Situation der Familie von einer drohenden Unterhaltsverletzung auszugehen. Trotz des gemeinsamen Haushalts besteht daher ein Geldunterhaltsanspruch der Minderjährigen gegenüber dem Vater.
Die drohende Unterhaltsverletzung kann aber nur einen Geldunterhaltsanspruch für die Zeit ab Antragstellung rechtfertigen. Soweit daher der Antrag auch auf Unterhalt für die Vergangenheit gerichtet ist, bedarf es konkreter Behauptungen, dass der Vater seiner Pflicht zur Leistung des (Natural )Unterhalts in dieser Zeit nicht entsprochen hat. Sollte sich danach eine Unterhaltsverletzung des Vaters ergeben, ist zu beachten, dass vor der gerichtlichen Festsetzung des Unterhaltsanspruchs, der für die Vergangenheit begehrt wird, bereits erbrachte Naturalleistungen anzurechnen sind. Dies ergibt sich schon aus der Erwägung, dass kein Rechtsgrund ersichtlich ist, dem Kind einen schon (in natura) erbrachten Unterhalt nochmals, und zwar in Geld, zu erbringen (6 Ob 2362/96p).
4. Die Höhe des Anspruchs kann aber derzeit auch für den Zeitraum ab Antragstellung noch nicht abschließend beurteilt werden. Während die Höhe des Einkommens des Vaters im Wesentlichen unstrittig ist, hat dieser auch Vorbringen zu Kreditbelastungen erstattet. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts war dieses Vorbringen jedenfalls dahingehend konkretisiert, für welche Zwecke welche Kredite aufgenommen wurden und in welcher Höhe daraus resultierende monatlichen Belastungen bestehen.
Zur Berücksichtigung von Kreditverbindlichkeiten bei der Ermittlung der Höhe der Unterhaltsbemessungsgrundlage besteht eine ständige Rechtsprechung dahin, dass Kreditrückzahlungsraten grundsätzlich nicht abzugsfähig sind. Kreditrückzahlungen verringern die Unterhaltsbemessungsgrundlage daher nur ausnahmsweise, so insbesondere, wenn sie der Bestreitung existenznotwendiger Aufwendungen oder unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen dienen (RIS Justiz RS0047491; RS0047508). Für eine Interessenabwägung, inwieweit Schulden einen Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellen, sind der Zeitpunkt und die Art der Entstehung, der Zweck, für den sie aufgenommen worden sind, das Einverständnis des Ehepartners zu dieser Schuldaufnahme, die Dringlichkeit der Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen und des Unterhaltsberechtigten sowie das Interesse an einer Schuldentilgung, um die Verbindlichkeit nicht weiter anwachsen zu lassen und dadurch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen weiter herabzudrücken, maßgebend. Eine Berücksichtigung von Schulden ist unter diesen Gesichtspunkten nach billigem Ermessen vorzunehmen (RIS Justiz RS0079451). Investitionen zur Schaffung einer zusätzlichen Erwerbsmöglichkeit können unter bestimmten Voraussetzungen als Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage anerkannt werden (RIS Justiz RS0106933 ). Maßgebend dafür sind die Marktlage sowie eine realistische Zukunftsprognose und die Frage nach Einhaltung des Maßstabs eines pflichtbewussten Elternteils in der Lage des Unterhaltspflichtigen (RIS Justiz RS0106933; RS0047421; RS0047590). So können die von einem selbstständig Erwerbstätigen erbrachten Ausgedingsleistungen die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringern, wenn sie als Entgelt für die Übernahme eines Betriebs erbracht werden und somit Voraussetzungen für die Schaffung einer – auch dem Unterhaltsberechtigten zugutekommenden – Erwerbs-möglichkeit sind. Es handelt sich dann um Investitionen und eine auf Erzielung von Einkünften gerichtete Erwerbsmöglichkeit, die mit einer bloßen Ansammlung von Vermögenswerten nicht vergleichbar sind und die daher gleich einer Betriebsausgabe bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage Berücksichtigung finden müssen (4 Ob 237/97z). In 4 Ob 100/08x wurde darauf verwiesen, dass es dem Unterhaltsschuldner als Unternehmer aus unterhaltsrechtlichen Gründen auch dann nicht zum Nachteil gereichen darf, sich eine weitere Einkommensquelle zu verschaffen, wenn er bereits bisher ein überdurchschnittliches Einkommen erzielt.
Der Antragsgegner hat zu mehreren von ihm rückzuzahlenden Krediten vorgebracht, dass diese im Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit aufgenommen werden mussten. Wenn auch dem Erstgericht darin zuzustimmen ist, dass der Unterhaltsschuldner mit der Behauptung, ein Kredit sei für „allgemeine betriebliche Investitionen“ aufgenommen worden, seiner Behauptungspflicht, inwieweit hier eine abzugsfähige Aufwendung vorliegen soll, nicht nachgekommen ist, kann dies bei dem Kreditzweck „Bezahlung einer Kanzleiablöse (Kundenstock) an den Vater, was zur Verdopplung des Kanzleiumsatzes führte“ nicht gesagt werden. Zu diesem Vorbringen werden daher entsprechende Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen sein. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob diese Zahlungen nicht ohnehin als Betriebsausgaben einkommensmindernd berücksichtigt sind.
Dagegen hat das Erstgericht zu Recht den Naturalunterhalt, soweit er sich aus der Zurverfügungstellung von Wohnraum ergibt, nach dem fiktiven Mietwert berechnet, nicht nach den vom Antragsgegner zu zahlenden Kreditraten (vgl 6 Ob 5/08s). Ebenso lässt sich aus dem Vorbringen des Antragsgegners kein berücksichtigungswürdiger Grund ableiten, die Kredite, die der Schuldentilgung für den Vater des Antragsgegners dienen, unterhaltsmindernd hinsichtlich seiner Kinder zu berücksichtigen.
5. Soll einem Kind weniger oder mehr zugesprochen werden, als sich nach der Prozentsatzmethode ergibt, bedarf es einer besonderen Rechtfertigung der Abweichung. Sie wird bei besonders großem Leistungsvermögen des Unterhaltsschuldners darin gesehen, dass es durch den Zweck der Unterhaltsleistung nicht geboten und aus pädagogischen Gründen sogar abzulehnen ist, Luxusbedürfnisse des Kindes zu befriedigen. Die Prozentkomponente ist daher nicht voll auszuschöpfen, wenn es nach diesen Kriterien zu einer verschwenderischen, vom vernünftigen Bedarf eines Kindes völlig losgelösten Überalimentierung kommen würde. Wo demgemäß die Grenzen einer den Bedürfnissen des Kindes und dem Leistungsvermögen des Unterhaltsschuldners angemessenen Alimentierung zu ziehen sind, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen (RIS-Justiz RS0047424) .
Erst wenn daher die Bemessungsgrundlage feststeht und der danach ermittelte Kindesunterhalt, lässt sich sagen, inwieweit diese Beträge zur Deckung der an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen orientierten Lebensbedürfnissen des Kindes erforderlich sind. Schon jetzt ist allerdings darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0117017) der Geldunterhaltspflichtige auch dann Anspruch darauf hat, durch entsprechende Berücksichtigung der Transferzahlungen steuerlich entlastet zu werden, wenn die Prozentkomponente aufgrund des Unterhaltsstopps bei überdurchschnittlichem Einkommen nicht voll ausgeschöpft wird.
6. Es wird weiters zu bedenken sein, dass der Unterhaltspflichtige, wenn – wie vom Vater geltend gemacht – Zahlungen vor Schaffung des Titels erfolgt sind, in Hinblick auf § 35 EO Anspruch darauf hat, dass ihm keine höhere Unterhaltsverpflichtung auferlegt wird, als sie sich unter Berücksichtigung dieser Zahlungen ergibt, zumal im Exekutionsverfahren gemäß § 35 Abs 1 EO diese in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen nicht mit Einwendungen gegen den Anspruch geltend gemacht werden können (5 Ob 38/99w mwN). Es muss also die zum Grund des Anspruchs gehörende Frage geklärt werden, in welchem Ausmaß der Unterhaltsschuldner die ihm auferlegte Leistung bereits erbracht hat und ob bestimmte Zahlungen als Erfüllung der auferlegten Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen sind; diese Grundsätze gelten auch für den Zuspruch von Kindesunterhalt im Außerstreitverfahren (5 Ob 254/05x).
Dabei ist grundsätzlich der Unterhaltspflichtige für alle seine Unterhaltsverpflichtung aufhebenden oder vermindernden Umstände behauptungs- und beweispflichtig (RIS Justiz RS0111084). Wird Unterhalt für die Vergangenheit begehrt, hat daher der Unterhaltspflichtige die Behauptung aufzustellen, der Unterhaltsanspruch sei etwa durch Zahlung erloschen (vgl RIS Justiz RS0006261). Es wird daher Sache des Antragsgegners sein, ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten, inwieweit der Unterhaltsanspruch der Minderjährigen in der Vergangenheit durch Leistungen von seiner Seite abgedeckt wurden.
Der Revision war daher Folge zu geben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00039.16T.0830.000