OGH vom 09.02.1999, 10ObS296/98x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Gerhard Kriegl und Dr. Johannes Schenk (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alfred G*****, Landwirt, *****, vertreten durch Dr. Anton Schiessling und Dr. Othmar Knödl, Rechtsanwälte in Rattenberg, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Kostenerstattung (Revisionsinteresse S 77.288,60 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 38/98v-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 47 Cgs 208/97k-8, zum Teil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des Ausspruches des Berufungsgerichtes zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO), weil der Kläger unter diesem Revisionsgrund das Fehlen von Feststellungen rügt und seine diesbezüglichen Ausführungen der Rechtsrüge zuzuordnen sind.
Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:
Der Kläger vermißt zunächst die Feststellung, daß ihm anläßlich seiner Kontaktaufnahme mit der Beklagten vor der zahärztlichen Behandlung die freie Auswahl des Zahnarztes bei Ersatz der auflaufenden Kosten freigestellt und gegen den Kostenvoranschlag kein Einwand erhoben worden sei. Diese Feststellung hätte sich aus seiner Parteienvernehmung ergeben. Da die Beklagte ihrer Aufklärungs- und Informationspflicht nicht nachgekommen sei, habe der Kläger mit Fug und Recht davon ausgehen dürfen, daß ihm alle Kosten erstattet würden.
Diesen Ausführungen hat bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, daß weder die Zustimmung der Beklagten zur Inanspruchnahme eines Wahlarztes und zum vorgelegten Kostenvoranschlag noch eine allfällige Unterlassung von Aufklärung und Information einen Leistungsanspruch des Klägers im begehrten Ausmaß zu begründen vermögen. Es ist zwar richtig, daß in Rechtsprechung und Lehre allgemeine Verhaltenspflichten des Versicherungsträgers gegenüber den Versicherten anerkannt sind, wobei teils auf die allgemeine behördliche Betreuungspflicht, teils auf das Sozialstaatprinzip, auf den Gedanken sozialer Rechtsanwendung, auf den auch im öffentlichen Recht anerkannten Grundsatz von Treu und Glauben und schließlich auf die Lehren vom sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis hingewiesen wird. Vor allem aus diesem lassen sich eine Reihe von Auskunfts-, Aufklärungs-, Informations- und Beratungspflichten der Versicherungsträger gegenüber den Versicherten begründen, aber auch sonstige Sorgfalts- und Schutzpflichten ableiten (Krejci, Nebenpflichten der Sozialversicherungsträger gegenüber den Versicherten, ZAS 1975, 83 ff mwN; Krejci/Marhold in Tomandl, SV-System 10. ErgLfg 87; Schrammel in Tomandl aaO 154). Es darf aber daraus nicht abgeleitet werden, daß die allfällige Verletzung solcher Nebenpflichten durch den Träger zu einem sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch des Versicherten führen kann: Wo kein eigenes Recht auf Erteilung von Auskunftsbescheiden festgelegt ist, sind die Versicherungsträger selbst an unrichtige Auskünfte an Versicherte nicht gebunden. Denn Auskünfte sind bloße Wissenserklärungen und wollen - anders als Bescheide - Rechte weder gestalten noch bindend feststellen. Verletzungen der Auskunftspflicht führen daher ebenso wie Verstöße gegen andere Nebenpflichten möglicherweise zu Amtshaftungsansprüchen, sofern dem Versicherten infolge schuldhafter Verletzung der den Träger treffenden Verpflichtungen ein Schaden entstanden ist (Krejci aaO 91; Krejci/Marhold aaO 98).
Ein für die Beurteilung des gegenständlichen sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs erheblicher Feststellungsmangel infolge Unterlassung der Parteienvernehmung liegt daher nicht vor.
Außerdem ist nicht bestritten, daß die hier in Rede stehende Zahnbehandlung (bzw Zahnersatz) als Folge der Unfallverletzung des Klägers zu qualifizieren ist und alle durchgeführten zahnärztlichen Leistungen notwendig und zweckmäßig waren, weshalb es der Einholung weiterer zahnärztlicher bzw kieferchirurgischer Sachverständigengutachten nicht bedurfte.
Der vom Revisionswerber gezogene rechtliche Schluß, deshalb seien gemäß § 189 Abs 2 ASVG im Rahmen der Unfallversicherung sämtliche Kosten in voller Höhe zu ersetzen, ist jedoch verfehlt: Nach dieser Bestimmung umfaßt die Unfallheilbehandlung insbesondere ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe und Anstaltspflege. Gemäß § 191 Abs 1 ASVG besteht Anspruch auf Unfallheilbehandlung, wenn und soweit der Versicherte nicht auf die entsprechenden Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch hat bzw für ihn kein solcher Anspruch besteht; der Träger der Krankenversicherung ist daher in solchen Fällen vorleistungspflichtig (zum Verhältnis Kranken- und Unfallversicherung vgl SSV-NF 8/P115 S 476; SSV-NF 9/2). Auch nach § 189 Abs 1 ASVG besteht aber ein Anspruch auf Leistungen nur in dem Umfang in dem diese Leistungen in der Krankenversicherung nach dem BSVG zu erbringen sind. Die Krankenversicherung trifft nach § 74 Abs 1 Z 3 BSVG unter anderem Vorsorge für Zahnbehandlung und Zahnersatz in einem näher geregelten Umfang (§ 95 BSVG). Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes über die Subsidiarität der Unfallversicherung sind zutreffend.
Soweit in der Entscheidung des Berufungsgerichtes Rechtsausführungen im Zusammenhang mit der Darlegung der Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens enthalten sind, ist darauf hinzuweisen, daß der Aufhebungsbeschluß von keiner der beiden Parteien angefochten wurde, weshalb zu den dort erörterten Rechtsfragen vom Obersten Gerichtshof nicht Stellung zu nehmen ist.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit liegen nicht vor.