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OGH vom 28.08.1991, 9ObA164/91

OGH vom 28.08.1991, 9ObA164/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner und Mag. Karl Dirschmied in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der G***** Gesellschaft mbH, vertreten durch das Betriebsratsmitglied H***** K*****, dieser vertreten durch R***** H*****, Sekretär der Gewerkschaft *****, dieser vertreten durch***** Rechtsanwälte*****, wider die beklagte Partei G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt*****, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , 32 Ra 21/91-10, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , 16 Cga 12/90-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.077,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 679,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Betrieb der Beklagten werden vor der am Monatag um 6 Uhr 15 beginnenden Frühschicht fallweise zwei Überstunden geleistet. Auch bei Leistung dieser Überstunden ab 4 Uhr 15 bleibt für die betroffenen Arbeitnehmer regelmäßig eine mindestens 36-stündige Wochenendruhe gewahrt. Ersatzruhe gewährt die Beklagte nur dann, wenn durch die Leistung dieser beiden Überstunden den betroffenen Arbeitnehmern ausnahmsweise keine 36-stündige Wochenendruhe gewährt wurde. In der Regel beträgt aber die den beiden Überstunden vorausgehende Ruhezeit (mindestens) 36 Stunden.

Der klagende Arbeiterbetriebsrat begehrt die Feststellung, daß jene Überstunden, welche am Montag, "der Frühschicht vorangestellt werden" (d.h. vor dem normalen Beginn der Frühschicht geleistet werden), ersatzruhepflichtig seien. Von dieser Frage seien mindestens drei Arbeitnehmer der Beklagten betroffen. Da der planmäßige Arbeitsbeginn nach dem bestehenden Schichtplan um 6 Uhr 15 sei, fielen die beiden überstunden am Montag in die gemäß § 6 ARG geschützte, mindestens 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche liegende wöchentlichen Ruhezeit. Den Arbeitnehmern, die in dieser Zeit beschäftigt werden, stehe daher ein Anspruch auf Ersatzruhe im Ausmaß der Beschäftigungszeit innerhalb eines Zeitraums von 36 Stunden vor dem schichtplanmäßigen Arbeitsbeginn der nächsten Arbeitswoche zu.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Ruhezeit nicht vom schichtplanmäßigen Beginn um 6 Uhr 15, sondern vom individuellen Arbeitsbeginn um 4 Uhr 15 zurückzurechnen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und billigte die rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht. Gemäß § 3 Abs 1 Arbeitsruhegesetz (ARG) vom BGBl 1983/144 habe der Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen habe (Wochenendruhe). Während dieser Zeit dürfe der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies aufgrund der §§ 2 Abs 2, 10 bis 18 ARG zulässig sei. Gemäß § 6 Abs 1 ARG habe der Arbeitnehmer, der während seiner wöchentlichen Ruhezeit beschäftigt wird, in der folgenden Arbeitswoche Anspruch auf Ersatzruhe, die auf seine Wochenarbeitszeit anzurechnen sei. Die Ersatzruhe sei im Ausmaß der während der wöchentlichen Ruhezeit geleisteten Arbeit zu gewähren, die innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche erbracht wurde. Gemäß § 3 Abs 3 ARG sei eine Montag-Frühschicht auch schon ab der Sonntagnacht zulässig (Nachtschicht zum Montag). Der Begriff Arbeitsbeginn werde in § 6 Abs 1 ARG nicht näher definiert. Aus den Materialien ergebe sich, daß ein Anspruch auf Ersatzruhezeit dann bestehe, wenn die individuelle 36-stündige wöchentliche Ruhezeit des Arbeitnehmers ausnahmsweise gestört werde. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte ihren Arbeitnehmern diese 36 Stunden Arbeitsruhe gewährt, so daß kein Anlaß für die Einräumung einer Ersatzruhe bestehe. Der Umstand, daß die Überstunden vor Beginn der ersten Schicht am Montag verrichtet werden, ändere nichts daran, daß den Arbeitnehmern vorher mindestens 36 Stunden Wochenendruhe gewährt werden. Der Meinung des Klägers, daß als Arbeitsbeginn nur der Schichtbeginn am Montag angesehen werden könne, sodaß für vorher verrichtete Überstunden jeweils Ersatzruhe zu gewähren sei, sei nicht zu folgen.

Die Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Graz, 7 Ra 1136/87 (= Arb 10.679), sei nicht berechtigt. Dort habe die Möglichkeit bestanden, daß die Wochenendruhe oder Wochenruhe nach dem ARG verkürzt werde. Ein derartiger Fall sei bei den vorliegenden Dienstverhältnissen nicht gegeben. Die Möglichkeit einer Verringerung der Wochenendruhe oder Wochenruhe (unter 36 Stunden) durch Anordnung von Überstunden bestehe überhaupt nicht.

Diese Entscheidung bekämpft der Kläger mit Revision. Er beantragt, dem Rechtsmittel Folge zu geben und die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber vertritt die Ansicht, daß mit dem Begriff des Arbeitsbeginns iS des § 6 Abs 1 zweiter Satz ARG nur der Arbeitsbeginn nach dem Schichtplan gemeint sei. Daher falle die vor der Normalarbeitszeit (ab 6 Uhr 15) geleistete Arbeitszeit, die als Überstundenleistung gelte, in die planmäßige wöchentliche Ruhezeit; für diese Überstunden gebühre daher Ersatzruhezeit.

Diese Ausführungen sind nicht berechtigt. Gemäß § 3 Abs 1 ARG hat der Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe). Während dieser Zeit darf der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies auf Grund der §§ 2 Abs 2, 10 bis 18 ARG zulässig ist. Der Arbeitnehmer, der während seiner wöchentlichen Ruhezeit (§ 2 Abs 1 Z 3 ARG) beschäftigt wird, hat gemäß § 6 Abs 1 ARG in der folgenden Arbeitswoche Anspruch auf Ersatzruhe, die auf seine Wochenarbeitszeit anzurechnen ist. Die Ersatzruhe ist im Ausmaß der während der wöchentlichen Ruhezeit geleisteten Arbeit zu gewähren, die innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Woche erbracht wurde.

Die Wochenendruhe hat somit mindestens 36 Stunden zu dauern und den ganzen Sonntag zu umfassen. Wenn die Wochenendruhe (gemäß § 3 Abs 2 ARG) mit dem gesetzlich spätesten Zeitpunkt am Samstag um 13 Uhr beginnt, wäre ein Arbeitsbeginn in der folgenden Arbeitswoche bereits am Montag um 1 Uhr nachts zulässig. Weil ein so früher Arbeitsbeginn nicht üblich ist, dauert die Wochenendruhe in der Regel länger als 36 Stunden. Die gesetzliche Dauer der Wochenendruhe ist jedoch als Mindestausmaß anzusehen, das nicht unterschritten, aber selbstverständlich überschritten werden darf. Die Wochenendruhe endet mit der Arbeitsaufnahme in der folgenden Arbeitswoche. Das frühestmögliche Ende der Wochenendruhezeit (Sonntag 24 Uhr) darf - abgesehen vom Fall der Schichtarbeit und sonstigen Ausnahmebestimmungen - nicht vorverlegt werden. Der Zeitpunkt des Arbeitsbeginns in der folgenden Woche ist vor allem für die Berechnung der Ersatzruhe gemäß § 6 Abs 1 ARG wichtig (Schwarz, Arbeitsruhegesetz2, 139 f). Ein Anspruch auf Ersatzruhe entsteht nämlich dann, wenn innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche während der wöchentlichen Ruhezeit eine Arbeitsleistung erbracht wird (Schwarz aaO 216). Es begründet somit nicht jede Arbeit während der auf Grund der Arbeitszeiteinteilung vorgesehenen Wochen(end)ruhezeit einen Ersatzruheanspruch, sondern gemäß § 6 Abs 1 letzter Satz ARG nur jene Arbeitsleistung während der Ruhezeiten, die innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche erbracht wurde. Die Arbeitswoche im Sinne dieser Bestimmung beginnt nicht am Montag um 0 Uhr, sondern mit der Wiederaufnahme der Arbeit nach Ende der vorgesehenen Wochenruhezeit (Schwarz aaO 219 f).

Nach dem Vorbringen des Klägers kommt es auf Grund einer guten Auftragslage öfters zu Kapazitätsproblemen in der Produktion, so daß fallweise der übliche Beginn der Frühschicht um zwei Stunden vorverlegt wird, diese aber erst um 14 Uhr 15 endet. Daß diese Arbeitsleistungen in Widerspruch zu einer Beginn und Ende der Arbeitszeit generell festsetzenden Betriebsvereinbarung (§ 97 Abs 1 Z 2 ArbVG) stehen, der Betriebsrat also den fallweise der Frühschicht "vorangestellten Überstunden" nicht zugestimmt hätte, und die verkürzte Wochenendruhe nicht mehr vorhersehbar gewesen wäre (s Schwarz aaO 132 f) wurde nicht behauptet (sondern lediglich, daß der - normale - Schichtplan nicht geändert wurde). Auch wenn von den Arbeitsvertragspartnern diese beiden ersten Arbeitsstunden als "Überstunden" behandelt wurden, obwohl sich ja die Überstundenleistung erst durch die jeweilige Überschreitung der Normalarbeitszeit (Tagesarbeitszeit oder Wochenarbeitszeit iS der §§ 3, 6 AZG) ergibt, ändert dies nichts daran, daß für alle von dieser generellen, wenn auch nur vorübergehenden Festsetzung des Arbeitsbeginns betroffenen Arbeitnehmer die Wochenendruhe bereits mit dem tatsächlichen Arbeitsbeginn um 4 Uhr 15 geendet hat. Damit liegt aber keine Arbeitsleistung vor, die die Arbeitnehmer noch während ihrer vorher geplanten Wochenendruhe erbringen, sondern eine allgemeine Vorverlegung des Arbeitsbeginns, durch den die Wochenendruhe geendet hat. Da den Arbeitnehmern vom tatsächlichen Beginn der Arbeit am Montag zurückgerechnet (mindestens) 36 Stunden Ruhezeit gewahrt blieben, haben sie keinen Anspruch auf Ersatzruhezeiten.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.