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OGH vom 30.10.2014, 8Ob38/14t

OGH vom 30.10.2014, 8Ob38/14t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** P*****, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, gegen die beklagten Parteien 1. G***** T 2. H***** T*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Christian Fuchs Rechtsanwalt GmbH in Innsbruck, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 281/13g 59, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Reutte vom , GZ 3 C 159/10z 54, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 614,85 EUR (darin 102,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter bebauter Grundstücke mit einer dazwischen liegenden, als Parkplatz verwendeten Hoffläche, die zur Liegenschaft der Beklagten gehört. Bezüglich eines Teils dieser Fläche, dessen Breite das gleichzeitige Parken von drei Personenkraftwagen ermöglicht, besteht aufgrund eines Gerichtsurteils eine verbücherte Dienstbarkeit des Haltens und Parkens während der Geschäftszeiten für die Kunden des auf der klägerischen Liegeschaft bestehenden Handelsbetriebs.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger darüber hinaus die Feststellung und grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit des Haltens und Parkens von zwei Fahrzeugen auf der bezeichneten Teilfläche des Hofs für private Zwecke seines Anwesens, wobei zwei Parkplätze von den Beklagten frei zu halten seien, sodass sie und „ihre Besitzdiener“ selbst nur einen Pkw in platzsparender Weise abstellen dürften. Der Kläger begründet diesen Anspruch mit einer konkludenten Vereinbarung, hilfsweise beruft er sich auf Ersitzung.

Das Erstgericht wies die Klage (im dritten Rechtsgang) ab. Es bestehe weder eine dem Klagebegehren entsprechende Vereinbarung, noch seien die Voraussetzungen für eine Ersitzung gegeben. Zwar hätten der Kläger, seine Rechtsvorgänger und Besucher seines Hauses in der Vergangenheit regelmäßig Fahrzeuge im Hofbereich abgestellt, dies aber in dem Bewusstsein, sie über Aufforderung der Eigentümer jederzeit wieder entfernen zu müssen.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts. Über nachträglichen Antrag des Klägers erklärte es die ordentliche Revision für zulässig, weil seine Entscheidung in einem „gewissen Widerspruch“ zu jener im Vorverfahren stehe und deshalb eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten sei.

Die Revision des Klägers macht Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

1. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht geprüft und verneint wurden, können im Revisionsverfahren nicht mehr neuerlich geltend gemacht werden; das gilt auch für eine behauptete Verletzung der Anleitungspflicht (RIS Justiz RS0042963 [T9, T 11, T 12, T 37]).

Ob das Überraschungsverbot verletzt wurde, ist eine nur nach den Umständen des Einzelfalls zu lösende Frage (RIS Justiz RS0037300 [T48]). Im vorliegenden Fall wurde in erster Instanz mit den Parteien ausdrücklich erörtert, ob die festgestellten Gepflogenheiten der Benützung des eigenen Hofbereichs durch die Beklagten der behaupteten Ersitzung entgegenstehen; der Kläger konnte daher nicht davon überrascht sein, dass das Gericht diese Umstände als entscheidungswesentlich ansehen würde.

2. Eine Bindung an die in einem Aufhebungsbeschluss eines Rechtsmittelgerichts ausgeführte Rechtsansicht besteht nur insoweit, als diese Ausführungen für die Aufhebung maßgebend waren (RIS Justiz RS0110248; 1 Ob 47/08f). Darüber hinaus können nur Streitpunkte, die das Berufungsgericht bereits abschließend erledigt hat, im fortgesetzten Verfahren nicht mehr aufgerollt werden. Welche Verfahrensergebnisse im Aufhebungsbeschluss als abschließend erledigt angesehen wurden, ist aber zwangsläufig einzelfallabhängig (vgl RIS Justiz RS0042493 [T10]).

Das Berufungsgericht hat hier in seinem Aufhebungsbeschluss im zweiten Rechtsgang die vom Revisionswerber reklamierte Formulierung verwendet, die Beklagten könnten allein mit dem Verweis auf eine gutnachbarliche Gepflogenheit nicht in Abrede stellen, dass der Kläger ein „wenn auch noch inhaltlich und dem Umfang nach unklares Recht ersessen haben dürfte“. Die Auffassung, dass das Berufungsgericht mit diesem im Konjunktiv gehaltenen Satz offenkundig noch nicht abschließend über die Berechtigung des Klagebegehrens dem Grunde nach entscheiden wollte, ist nicht unvertretbar.

3. Die Vorinstanzen waren entgegen der Ansicht des Revisionswerbers bei ihrer Entscheidung nicht an die Tatsachenfeststellungen jenes Urteils in einem Vorverfahren gebunden, mit dem über das Recht zur Nutzung der Hoffläche als Kundenparkplatz abgesprochen wurde (RIS Justiz RS0041342; RS0039843 [T17]; RS0041251 [T7]).

4. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für die Ersitzung einer Dienstbarkeit grundsätzlich zutreffend dargestellt. Die Ersitzung bedarf während der gesamten Ersitzungsdauer (RIS Justiz RS0011702; Koch in KBB 4 § 480 ABGB Rz 3) qualifizierten Rechtsbesitzes. Der Rechtsbesitz kann auch durch Besitzmittler ausgeübt werden (RIS Justiz RS0011655), für den Ersitzungsgegner muss aber jedenfalls erkennbar sein, welches individuelle Recht konkret in Anspruch genommen wird. Wesentlich ist, dass seine Duldung wie die Erfüllung einer Schuldigkeit geschehen muss ( Mader/Janisch in Schwimann , ABGB³ VI § 1460 ABGB Rz 11; 1 Ob 33/09y).

War die behauptete Reallast gleichzeitig Inhalt einer anderen Verpflichtung des angeblich Belasteten, muss zudem klargestellt sein, welche der konkurrierenden Verpflichtungen dieser erfüllen wollte ( Mader/Janisch aaO Rz 11; vgl RIS Justiz RS0009762 [Benützung innerhalb eines Gemeingebrauchs vs Ersitzung]). Der festgestellte Umstand, dass regelmäßig auch Fahrzeuge des Klägers oder ihm zuordenbarer Personen auf der strittigen Fläche abgestellt waren, ließ eine klare Einordnung in diesem Sinne schon deswegen nicht zu, weil die Fläche auch als Kundenparkplatz einem nicht abgeschlossenen Personenkreis zur Verfügung stand. Auch die festgestellten weitläufigen familiären Verbindungen zwischen den beteiligten Liegenschaftseigentümern und den Personen, aus deren Benützungshandlungen der Kläger die Ersitzung ableiten will, sprachen viel eher für höchstpersönliche Begünstigungen als für die Begründung einer Reallast.

5. Die Beurteilung der Frage, ob die konkret zu berücksichtigenden Umstände die Qualifikation des Verhaltens des Besitzers als redlich oder unredlich fordern, hängt wiederum von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0010184 [T13]). Eine krasse Fehlentscheidung, die ausnahmsweise der Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, zeigt die Revision auch in diesem Punkt nicht auf.

Das Klagebegehren ist kurz zusammengefasst auf die Feststellung eines exklusiven Rechts auf Benützung zweier Parkplätze, die von den Beklagten zu diesem Zweck freizuhalten wären, gerichtet. Dieses Begehren steht schon zu den im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen im Widerspruch, dass die Beklagten und ihre Rechtsvorgänger in der fraglichen Ersitzungszeit regelmäßig auch selbst die gesamte Hoffläche mit mehr als einem Fahrzeug zum Einfahren, Halten und Parken benützt haben. Das Ansinnen, stets zwei Parkplätze für die Klägerseite frei zu halten, lässt sich aber auch mit der rechtskräftig festgestellten und bücherlich einverleibten Dienstbarkeit des Kundenparkplatzes nicht vereinbaren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Die verzeichneten Kosten waren zu korrigieren, weil im Revisionsverfahren kein dreifacher Einheitssatz gebührt.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00038.14T.1030.000