zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 30.07.2009, 8Ob38/09k

OGH vom 30.07.2009, 8Ob38/09k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria Luise W*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Wolf-Rüdiger W*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert 115.710 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 23 R 94/08h-42, womit infolge der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neulengbach vom , GZ 1 C 74/06a-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.175,48 EUR (darin 362,58 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind seit 1962 in aufrechter Ehe verheiratet. Beide Ehepartner waren bis zur Pensionierung während der Ehe berufstätig. Die Klägerin kümmerte sich stets um den Haushalt und war auch für die Erziehung des 1963 geborenen und selbsterhaltungsfähigen gemeinsamen Sohnes verantwortlich. Der Beklagte bezieht ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 33.250 EUR, die Klägerin ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 3.000 EUR netto. Die Streitteile ließen es sich grundsätzlich an nichts mangeln, machten mitunter Fernreisen, erwarben schöne Kleidung, Schmuck, Bilder und Ähnliches. Die Geschlechtsgemeinschaft zwischen den Streitteilen ist seit Herbst 2005 aufgehoben. Seit März 2006 nächtigte der Beklagte nicht mehr im ehelichen Haus, es wurde auch für ihn nicht mehr gekocht oder geputzt. Seit ist der Beklagte für eine minderjährige Tochter seiner neuen Lebensgefährtin sorgepflichtig. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin beginnend ab die Zuerkennung eines monatlichen Unterhalts in Höhe von 11.500 EUR abzüglich geleisteten Naturalunterhalts (später modifiziert auf 10.972,50 EUR vom 1. 3. bis und 10.640,-- EUR ab ).

Der Beklagte wandte ein, dass eine Unterhaltsvereinbarung zwischen den Streitteilen getroffen worden sei, wonach er sämtliche laufenden Kosten bezahle und die Klägerin über ihr Eigeneinkommen völlig frei verfügen könne. Die Klägerin sei mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet, sodass ein Abgehen von der Unterhaltsvereinbarung nicht gerechtfertigt sei. Das Gehaltskonto der Klägerin werde laufend von ihm dotiert, gemeinsamer Liegenschaftsbesitz und daraus resultierende Einnahmen seien zu berücksichtigen. Die Klägerin habe Sparbücher des Beklagten mit einem Gesamteinlagenstand von 1 Mio EUR an sich genommen und unterdrückt, woraus eine Gegenforderung des Beklagten resultiere.

Das Erstgericht erkannte der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 7.033,64 EUR für den Zeitraum vom 1. 5. bis , von 7.558,41 EUR für den Zeitraum vom bis , einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 7.542,50 EUR für den Zeitraum vom bis und einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 9.642,50 EUR ab zu, wies das Unterhaltsmehrbegehren (unangefochten und damit rechtskräftig) ab und sprach aus, dass die Gegenforderung des Beklagten nicht zu Recht bestehe.

Ausgehend davon, dass die Ehegemeinschaft der Streitteile jedenfalls seit Mai 2006 aufgehoben sei und unter Berücksichtigung der vom Beklagten geleisteten Naturalunterhaltsleistungen ging es rechtlich davon aus, dass die Klägerin einen Anspruch auf einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 33 % des Nettoeinkommens des Beklagten habe, wobei ab eine Sorgepflicht des Beklagten für sein am geborenes minderjähriges Kind zu berücksichtigen sei. Es stellte ergänzend zu den bereits wiedergegebenen Sachverhaltsgrundlagen fest, dass die Streitteile keine Unterhaltsvereinbarung getroffen hatten. Bis zum Auszug des Beklagten wurde von den Streitteilen zwischen „mein und dein" nicht streng unterschieden. Das Gehalt des Beklagten ging zunächst auf einem Konto ein, für das die Klägerin eine Zeichnungsberechtigung hatte, sie verfügte auch über eine Bankomatkarte dazu. Seit März 2006 wird das Einkommen des Beklagten auf ein anderes Konto überwiesen, auf welches die Klägerin keinen Zugriff mehr hat. Ein zum noch bestehendes Kontoguthaben wurde vom Beklagten umgebucht. Seit geht auf diesem Konto nur mehr die Privatpension des Beklagten von 1.487 EUR ein, von diesem Konto wird allerdings auch das Schulgeld für ein Enkelkind der Streitteile beglichen, sodass die Klägerin monatlich 1.200 EUR beheben kann. Der Beklagte trägt weiterhin die Kosten für das eheliche Wohnhaus und den Zweitwohnsitz in M*****.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Frage der Höhe des Unterhaltsanspruchs bei außerordentlich hohem Einkommen des Unterhaltspflichtigen Rechtsprechung fehle, ob eine „Luxusgrenze" für Ehegattenunterhalt vorliege. Dabei handle es sich, vergleichbar dem Abweichen von den Ergebnissen der „Prozentsatzmethode" nach oben, um eine wesentliche Rechtsfrage.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren zur Gänze, in eventu, soweit es die Zuerkennung eines Unterhaltsbetrags von 3.888,64 EUR für den Zeitraum bis , 5.743,41 EUR für den Zeitraum bis , 5.727,50 EUR für den Zeitraum bis und 7.827,50 EUR ab übersteige, abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts unzulässig (§ 508a Abs 1 ZPO); gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann er sich hiebei auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen des behaupteten Mangels des Verfahrens erster Instanz, der darin liege, dass dieses nicht gemäß § 191 ZPO unterbrochen worden sei, bereits verneint, sodass dieser Mangel mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0042963 ua). Die in der Revision behaupteten Ausnahmefälle wurden vom Obersten Gerichtshof geprüft und liegen nicht vor. Ebenso wurde der weitere behauptete Mangel des Berufungsverfahrens, wonach das Berufungsgericht ohne Durchführung einer Beweiswiederholung ergänzende Feststellungen getroffen habe, geprüft und für nicht stichhaltig befunden (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Eben dies gilt auch für den behaupteten Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit.

Das Berufungsgericht zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf, weil einerseits für die Festsetzung der Unterhaltshöhe grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind (RIS-Justiz RS0012492 [T8 und T 11]; RS0009571 [T5]). Andererseits hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass auch bei überdurchschnittlich hohem Einkommen des besserverdienenden Ehegatten der Unterhaltsberechnung 40 % des Familieneinkommens zugrunde zu legen sind (RIS-Justiz RS0111994; 1 Ob 288/98d = SZ 72/74; 1 Ob 108/01s). Ebenso wurde ausgesprochen, dass eine „Überalimentierung", wie sie im Bereich des Kindesunterhalts aus pädagogischen Gründen vermieden werden soll, bei der Bemessung des Unterhalts Erwachsener nicht anzuwenden ist, weil hier erzieherische Überlegungen nicht Platz greifen können (8 Ob 595/93; 1 Ob 288/98d). Normativer Rahmen für die Bestimmung des § 94 ABGB sind die gesetzliche Unterhaltsbeziehung der Ehegatten und insbesondere ihre Lebensverhältnisse, die durch Lebenszuschnitt oder Stil der Lebensführung bestimmt werden (RIS-Justiz RS0009710). Auch nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts kann der Ehegatte im Rahmen seines Unterhaltsanspruchs nach § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB vom Unterhaltspflichtigen die Bestreitung der Kosten der von ihm als Ehewohnung zur Verfügung gestellten Eigentumswohnung im gleichen Ausmaß wie bisher zur Sicherung dieser Wohngelegenheit verlangen (RIS-Justiz RS0047242). Dem steht nicht entgegen, dass der Unterhaltspflichtige dadurch allenfalls auch zur Vermögensbildung des Unterhaltsberechtigten beitragen mag. Soweit der Revisionswerber ausführt, dass die Klägerin keine Unterhaltsverletzung behauptet oder bewiesen habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass sich aus den Feststellungen sehr wohl ergibt, dass er seit März 2006 sein Einkommen auf ein anderes Konto überwiesen hat. Eine Unterhaltsverletzung liegt bereits dann vor, wenn derjenige, der Unterhalt in Geld zu leisten verpflichtet ist, diesen nicht in gehöriger Art anbietet (RIS-Justiz RS0047121).

Schließlich hat schon das Erstgericht infolge des großen Unterschieds der Einkommen der Streitteile die Unterhaltsberechnung in der für die Klägerin im Vergleich zur oben dargestellten Berechnung ungünstigeren Art bemessen, nach der der Klägerin lediglich 33 % des Einkommens des Beklagten zuerkannt wurden. Das eigene Einkommen der Klägerin ist in einem solchen Fall jedoch nicht nochmals in Abzug zu bringen, um eine doppelte Benachteiligung des Unterhaltsberechtigten zu vermeiden (2 Ob 584/91; RIS-Justiz RS0012492 [T9]; RS0057433 [T5];

Schwimann/Ferarri in Schwimann, ABGB³ § 94 Rz 26 aE;

Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht4, 169; Hinteregger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 94 Rz 52). Auf die Forderung Buchwalders (Unterhalt bei aufrechter Ehe, 136 ff, 147), es sei das eigene Einkommen des Unterhaltsberechtigten auch bei Anwendung der „33%-Methode" angemessen zu berücksichtigen, braucht im konkreten Fall nicht eingegangen zu werden, weil auch nach der von ihr vorgeschlagenen - hauptsächlich mathematisch argumentierten - Berechnungsmethode hier ein exorbitanter Einkommensunterschied der Streitteile vorliegt. Darüber hinaus setzt Buchwalder dem Argument des Obersten Gerichtshofs, es sei eine doppelte Benachteiligung des Unterhaltsberechtigten zu vermeiden, nichts Stichhältiges entgegen, sie bemängelt lediglich den „zu komplizierten und ein wenig gekünstelten" Lösungsweg (aaO 138). Dem Gesetz ist aber kein bestimmtes System zur Berechnung eines Unterhaltsanspruchs zu entnehmen, sodass der Oberste Gerichtshof keine allgemein verbindlichen Prozentsätze für die Unterhaltsbemessung festlegen kann. Derartige Werte können für die konkrete Berechnung eines Unterhaltsanspruchs nur im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle herangezogen werden (RIS-Justiz RS0047419), sie lassen sich aber nicht zu einem generellen Maßstab für die Unterhaltsbemessung verdichten.

Da somit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen war und die Beurteilung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin durch die Vorinstanzen im konkreten Fall jedenfalls vertretbar ist und auch aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit (vgl 1 Ob 217/99i) keiner Korrektur bedarf, erweist sich die Revision als unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.