OGH vom 21.04.2009, 10ObS29/09a

OGH vom 21.04.2009, 10ObS29/09a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Canan Aytekin-Yildirim (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Angela F*****, vertreten durch Dr. Michaela Tulipan, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Höhe der Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 115/08k-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 14 Cgs 163/07y-15, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der Antrag der Klägerin, die Rechtssache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorzulegen, wird zurückgewiesen.

2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist am männlichen Geschlechts geboren und unterzog sich am einer Geschlechtsumwandlungsoperation. Bereits im Jahr 2003 hatte sie die Entscheidung getroffen, eine Frau sein zu wollen. Sie hatte sich deshalb in psychotherapeutische Behandlung begeben und sich schließlich für die Operation entschieden. Die Änderung des Geschlechts und des Vornamens wurde bei der Personenstandsbehörde mit beurkundet und ist seit rechtskräftig.

Am beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung der Alterspension zum Stichtag .

Mit Bescheid der Beklagten vom wurde der Anspruch der Klägerin auf Alterspension bereits ab anerkannt und ausgesprochen, dass die Höhe der Pension 1.607,20 EUR brutto monatlich betrage. Die Beklagte führte dazu aus, dass die Alterspension in der unter Anwendung der am in Geltung gestandenen Rechtslage ermittelten Höhe gebühre, weil diese im Vergleich zu der ab Jänner 2004 geltenden Rechtslage für die Klägerin günstiger sei.

Mit der gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Klage begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr die Alterspension in gesetzlicher Höhe unter Einschluss der Bonifikation gemäß § 261c ASVG ab zu gewähren. Sie brachte im Wesentlichen vor, die von der Beklagten vorgenommene Pensionsberechnung verstoße gegen Art 4 Abs 1 der Richtlinie 79/7/EWG zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Danach dürfe einer Person, die sich gemäß den Voraussetzungen des nationalen Rechts einer Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau unterzogen habe, die Gewährung einer Ruhestandsrente nicht mit der Begründung versagt werden, dass sie noch nicht das 65. Lebensjahr erreicht habe, wenn sie nach dem nationalen Recht als Frau bereits mit 60 Jahren Anspruch auf eine solche Rente gehabt hätte. Die Diskriminierung der Klägerin liege darin, dass bei der Berechnung ihrer Pensionshöhe die in § 261c ASVG vorgesehene Erhöhung der Alterspension bei Aufschub der Geltendmachung des Anspruchs (= Bonifikation) nicht berücksichtigt worden sei. Es gebühre ihr daher (nach § 261c Abs 1 ASVG in der am geltenden Fassung) für je zwölf Monate der späteren Inanspruchnahme der Alterspension frühestens ab dem Zeitpunkt der Erfüllung der Wartezeit zum Steigerungsbetrag nach § 261 ASVG eine Erhöhung um 4 % der Gesamtbemessungsgrundlage.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, die Höhe der Alterspension der Klägerin sei unter Anwendung der am in Geltung gestandenen Rechtslage zu ermitteln, weil diese im Vergleich zu der nach der ab Jänner 2004 geltenden Rechtslage ermittelten Höhe (1.589,73 EUR brutto) für die Klägerin günstiger sei. Wesentlich sei, dass die Änderung des Geschlechts der Klägerin erst mit Wirkung vom erfolgt sei. Zum Pensionsstichtag liege daher ein Pensionsaufschub von lediglich einem Monat vor, weshalb die Gewährung einer Bonifikation nach § 261c ASVG in der am geltenden Fassung nicht in Betracht komme. Der im Jänner 2007 im Personenstandsregister eingetragenen Änderung des Geschlechts komme keine „ex-tunc"-Wirkung zu.

Die Klägerin hielt dem entgegen, die mit Wirkung vom vorgenommene Änderung im Personenstandsregister stelle lediglich eine Dokumentation der bereits seit Jahren vorhanden gewesenen wirklichen (psychischen, somatischen und geistigen) Identität dar. Es stehe ihr daher aufgrund ihres im Hinblick auf das für Frauen geltende Regelpensionsalter von 60 Jahren erst späteren Pensionsantrittes eine Bonifikation nach § 261c ASVG zu.

Das Erstgericht wies ausgehend vom eingangs bereits wiedergegebenen Sachverhalt das Klagebegehren ab. Es führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, gemäß § 223 ASVG sei das Vorliegen des Eintritts des Versicherungsfalls und der Erfüllung der anderen Anspruchsvoraussetzungen sowie das Ausmaß der gebührenden Leistung zum Stichtag zu prüfen. Anspruch auf erhöhte Alterspension im Sinn des § 261c ASVG hätten Versicherte, die die Alterspension nach § 253 Abs 1 ASVG nicht schon mit der Erreichung des Regelpensionsalters, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch nähmen, wenn vor diesem Zeitpunkt nicht schon ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bestehe oder bestanden habe. Das Regelpensionsalter erreichten männliche Versicherte nach Vollendung des 65. Lebensjahres, weibliche Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres. Die Klägerin sei im Zeitpunkt der Antragstellung auf Gewährung einer Alterspension bereits dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen gewesen und habe das 60. Lebensjahr bereits überschritten gehabt. Zur Klärung der Frage, ob ihr eine erhöhte Alterspension im Sinn des § 261c ASVG zustehe, sei die Wirkung einer eingetragenen Änderung im Personenstandsregister zu berücksichtigen, da sich die rechtliche geschlechtsspezifische Unterscheidung nach dem Personenstandsgesetz richte. Gemäß § 19 Z 3 PStG sei das Geschlecht der lebend geborenen Kinder im Geburtenbuch einzutragen. Ferner habe die Personenstandsbehörde gemäß § 16 PStG die entsprechende Beurkundung zu ändern, wenn ursprünglich richtige Eintragungen nachträglich unrichtig geworden seien. Auch § 2 Abs 2 Z 3 NÄG biete eine entsprechende Möglichkeit zur geschlechtsspezifischen Vornamensänderung. Das Bestehen eines Anspruchs der Klägerin nach § 261c ASVG würde eine rechtliche „ex-tunc"-Wirkung der Geschlechtsänderung erfordern. Dagegen spreche, dass eine vor Geschlechtsumwandlung eines Ehepartners geschlossene Ehe, die infolge der Geschlechtsumwandlung eine gleichgeschlechtliche Ehe werde, vom Gesetz nicht mit Nichtigkeit im Sinne der taxativen Aufzählung der §§ 21 bis 25 EheG bedroht sei. Auch eine Nichtehe komme nicht in Betracht, weil die rechtliche Geschlechtsgleichheit der Partner nicht bei der Eheschließung vorgelegen habe. Dies spreche gegen eine „ex-tunc"-Wirkung der Änderung im Personenstandsregister. Vom Zeitpunkt der Eintragung der Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister mit Wirkung vom bis zum Pensionsstichtag liege sohin lediglich ein Pensionsaufschub von einem Monat vor, sodass ein Anspruch auf eine erhöhte Alterspension im Sinn des § 261c ASVG nicht bestehe. Auch im Hinblick auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) liege eine Diskriminierung der Klägerin nicht vor. Der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-423/04, Richards, vom sei zugrunde gelegen, dass nach dem Recht des Vereinigten Königreichs eine Anerkennung der neuen Geschlechtszugehörigkeit eines Transsexuellen generell nicht vorgesehen gewesen sei, sodass für die damalige Klägerin auch ab dem 60. Lebensjahr kein Rentenanspruch anerkannt worden sei. Demgegenüber anerkenne die Beklagte die neue Geschlechtszugehörigkeit der Klägerin ab dem Zeitpunkt der Eintragung in das Personenstandsregister und habe der Klägerin auch einen entsprechenden Pensionsanspruch zuerkannt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass die Beklagte schuldig erkannt wurde, der Klägerin ab eine Alterspension in der bescheidmäßig zuerkannten Höhe von 1.607,60 EUR brutto monatlich zu gewähren und das auf Gewährung einer höheren Pension (Bonifikation nach § 261c Abs 1 ASVG) gerichtete Mehrbegehren abgewiesen wurde. Es sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht vertrat in seiner ausführlichen rechtlichen Begründung - zusammengefasst - die Ansicht, der Änderung des Eintrags des Geschlechts einer transsexuellen Person im Personenstandsregister komme nur deklarative Wirkung zu. Entgegen der Argumentation der Klägerin, sie habe bereits bei Erreichen des Regelpensionsalters () psychisch, körperlich und geistig als Frau „sowohl im Beruf als auch in allen anderen Lebenslagen" gelebt - sohin zu einem Zeitpunkt, zu dem sie sich weder einem operativen Eingriff unterzogen gehabt habe noch die Geschlechtsänderung im Personenstandsregister eingetragen gewesen sei -, könne ein „im Alltag gelebtes Zugehörigkeitsempfinden" noch nicht als hinreichendes Kriterium für eine Anerkennung einer neuen Geschlechtszugehörigkeit angesehen werden. Eine umfassende rechtliche Anerkennung einer neuen Geschlechtszugehörigkeit setze vielmehr beispielsweise nach deutschem Recht (vgl § 8 Abs 1 Z 4 dt. TranssexuellenG) einen die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff voraus, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden sei. Auch für den österreichischen Rechtsbereich sei mangels entsprechender gesetzlicher Regelung mit Ausnahme von Fällen, in denen ein operativer Eingriff unzumutbar wäre, nur bei einer operativen Anpassung des äußeren Erscheinungsbilds an das neue Geschlecht von einer ausreichenden und dauerhaften Geschlechtsänderung einer transsexuellen Person auszugehen. Die Klägerin sei daher erst ab dem Zeitpunkt ihrer operativen Geschlechtskorrektur () auch rechtlich als Frau anzusehen. Diese Änderung der Geschlechtszugehörigkeit wirke im Regelfall nicht auf einen früheren Zeitpunkt zurück. Auch der Zweck der Bonifikation nach § 261c ASVG rechtfertige keine andere Betrachtungsweise. Ausgehend von dieser Rechtsansicht sei die Höhe der Pension der Klägerin im angefochtenen Bescheid nach der - für sie günstigeren - zum geltenden Rechtslage richtig ermittelt worden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, wie sich die Höhe der Alterspension einer Person berechne, die sich nach Erreichen des 60., aber vor Erreichen des 65. Lebensjahres einer operativen „Mann-zu-Frau"-Geschlechtsumwandlung unterzogen habe, und ob ihr eine Bonifikation für den Aufschub der Geltendmachung der Alterspension ab dem 60. Lebensjahr nach § 261c ASVG zustehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters wird beantragt, die Rechtssache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin wendet sich im Wesentlichen gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, eine neue geschlechtliche Identität sei erst mit abgeschlossener Anpassung des äußeren Erscheinungsbilds durch einen geschlechtskorrigierenden Eingriff anzuerkennen. Diese Ansicht verstoße gegen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und gegen Grundsätze der Menschenrechte. Die geschlechtsabhängige Pensionsberechtigung knüpfe an jenen Zeitpunkt an, zu dem die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht gegeben gewesen sei. Somit wäre die Klägerin berechtigt gewesen, mit Erreichen des 60. Lebensjahres () in Pension zu gehen. Da sie ihren Pensionsantrag jedoch erst zum Stichtag gestellt habe, stehe ihr für diesen Aufschub die geltend gemachte Bonifikation zu. Weiters beantragt die Revisionswerberin die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zu den Fragen, ob es gerechtfertigt sei, die Anerkennung einer geschlechtlichen Identität von einem geschlechtskorrigierenden operativen Eingriff abhängig zu machen und ob die Inanspruchnahme und Zuerkennung von Leistungen aus einem System der sozialen Sicherheit, welches zwischen Männern und Frauen hinsichtlich des Alters Differenzierungen treffe, zwingend eine geschlechtsanpassende Operation voraussetze sowie zur weiteren Frage, ob eine Frau, die als Mann geboren worden sei und zum Zeitpunkt der Erreichung des Regelpensionsalters für Frauen nicht in Pension gehe, eine Bonifikation für den Aufschub zu erhalten habe, wenn sie sich bereits vor diesem Stichtag dem weiblichen Geschlecht zugehörig gefühlt habe und nach diesem Stichtag die geschlechtsanpassende Operation vorgenommen habe.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1.1 Nach neueren medizinischen Erkenntnissen bestimmt sich die geschlechtliche Zugehörigkeit eines Menschen nicht allein nach den körperlichen Merkmalen, sondern (auch) nach der seelischen Einstellung. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits im Jahr 1986 festgestellt hat (vgl Urteil Rees gegen Vereinigtes Königreich vom , 2/1985/135, Serie A, Band 106, Rz 38) sind „unter Transsexuellen gewöhnlich solche Menschen zu verstehen, die, obwohl sie körperlich dem einen Geschlecht angehören, das Gefühl haben, sie gehörten dem anderen Geschlecht an; sie versuchen häufig zu einer kohärenteren und weniger zweifelhaften Identität zu gelangen, indem sie sich einer ärztlichen Behandlung und chirurgischen Eingriffen unterziehen, um ihre körperlichen Merkmale ihrer Psyche anzupassen". Das Geschlecht eines Menschen kann sich daher ändern. Die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht richtet sich zwar rechtlich zunächst nach den äußeren Geschlechtsmerkmalen im Zeitpunkt der Geburt. Allein danach kann sie jedoch nicht bestimmt werden. Sie hängt wesentlich auch von der psychischen Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit ab (vgl dt. BVerfG, , 1 BvL 10/05 Rz 38 mwN).

1.2 Der EGMR hatte sich auch in der Folge mehrmals mit Fällen auseinanderzusetzen, die Transsexuelle betrafen, wobei in der Beschwerde vorgebracht worden war, dass das innerstaatliche Recht keine Vorkehrungen für die Anerkennung der Identität der Transsexuellen treffe. Der Gerichtshof hat dabei seine zunächst zurückhaltende Rechtsprechung fortentwickelt und die mangelnde rechtliche Anerkennung einer Geschlechtsumwandlung als Verstoß gegen Art 8 und 12 EMRK angesehen (vgl EGMR U [GK], Goodwin, Nr 28957/95 = MRK 2003/34). In dieser Entscheidung, die ebenfalls eine durch Operation vom Mann zur Frau umgewandelte Transsexuelle betraf, hat der EGMR die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsumwandlung auch ausdrücklich im Hinblick auf das Anspruchsalter für eine Alterspension verlangt. Der EGMR hat dabei die zunehmende Verbesserung staatlicher Maßnahmen zur Sicherstellung ihrer Anerkennung und ihres Schutzes unter Art 8 EMRK festgestellt. Auch wenn der Gerichtshof aussprach, dass es Sache der Vertragsstaaten ist, die Voraussetzungen der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsumwandlung einer Person festzulegen, die infolge einer medizinischen Operation ihr Geschlecht gewechselt hat, und den Vertragsstaaten insoweit ein weiter Ermessensspielraum zukommt, hat der Gerichtshof doch festgehalten, dass die Vertragsstaaten aufgrund ihrer positiven Verpflichtung nach Art 8 EMRK dazu verpflichtet sind, die Änderung des Geschlechts postoperativer Transsexueller - unter anderem durch die Korrektur ihrer Personenstandsdaten - mit den daraus resultierenden Konsequenzen anzuerkennen (vgl auch EGMR U , L gegen Litauen, Nr 27527/03).

2.1 Die österreichische Rechtsordnung (vgl etwa Art 7 Abs 3 B-VG und Art 12 EMRK) und das soziale Leben gehen von dem Prinzip aus, dass jeder Mensch entweder weiblichen oder männlichen Geschlechts ist (VwGH 95/01/0061 VwSlg 14.748A). Gemäß § 19 Z 3 PStG ist das Geschlecht der lebend geborenen Kinder im Geburtenbuch einzutragen, wobei es dafür nur die zwei Kategorien „männlich" und „weiblich" gibt. Bei Eintragungen, die ursprünglich richtig gewesen und nachträglich unrichtig geworden sind, hat die Personenstandsbehörde gemäß § 16 PStG die entsprechende Beurkundung zu ändern. Gemäß § 2 Abs 2 Z 3 NÄG gibt es die Möglichkeit einer Änderung des Vornamens, wenn dieser nicht dem Geschlecht des Antragstellers entspricht. Nach den Gesetzesmaterialien (vgl RV 467 BlgNR XVII. GP 9) kann ein Widerspruch zwischen dem Vornamen einer Person und ihrem Geschlecht dann gegeben sein, wenn nach der Vornamensgebung eine Änderung des Geschlechts eintritt. Von einer solchen wird gesprochen werden können, wenn durch ein Gutachten eines dazu berufenen medizinischen Instituts bestätigt wird, dass eine Person längere Zeit hindurch unter der zwanghaften Vorstellung gelitten hat, dem anderem Geschlecht anzugehören, sich deshalb geschlechtskorrigierenden Maßnahmen unterzogen hat, die zu einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt haben, und mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich an dem Zugehörigkeitsgefühl zum anderen Geschlecht nichts ändern wird.

2.2 Obwohl das Geschlecht einer natürlichen Person insbesondere auch im Familienrecht von großer Bedeutung ist, definiert die österreichische Rechtsordnung nicht, unter welchen Voraussetzungen eine Person als Mann oder als Frau zu gelten hat. Es ist auch weder der Vorgang der Geschlechtsumwandlung noch der rechtliche Status transsexueller Personen Gegenstand eigener gesetzlicher Regelungen. Maßgeblich ist daher die Verwaltungspraxis. Diese orientierte sich lange Zeit an dem Erlass des Bundesministers für Inneres vom , Z 36.250/66-IV/4/96, über die personenstandsrechtliche Stellung Transsexueller. Danach sollte es für jene Fälle, in denen bereits operative und begleitende sonstige medizinische Maßnahmen mit dem Ziel einer wesentlichen äußeren Angleichung an das andere Geschlecht durchgeführt wurden, möglich sein, gestützt auf § 16 PStG, wonach die Personenstandsbehörde eine Beurkundung zu ändern hat, wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist, einen Randvermerk über die Änderung des Geschlechts zu erwirken. Bei der Feststellung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, begnügte sich die zur Entscheidung berufene Behörde nach diesem Erlass nicht mit der Einsichtnahme in vorgelegte Urkunden, sondern holte von Amts wegen ein Gutachten des Instituts für gerichtliche Medizin der Universität Wien, welche Institution mit dem Problem des Transsexualismus besonders vertraut ist, ein. Durch dieses Gutachten musste erwiesen werden, dass der Antragsteller oder die Antragstellerin längere Zeit unter der zwanghaften Vorstellung gelebt hat, dem anderen Geschlecht zuzugehören, was ihn oder sie veranlasst hat, sich geschlechtskorrigierender Maßnahmen zu unterziehen. Diese Maßnahmen mussten zu einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt haben und es musste mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sein, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern wird. Eine Änderung wurde überdies nur vorgenommen, wenn der Antragsteller oder die Antragstellerin nicht verheiratet war. Eine Änderung des Vornamens konnte hingegen auch ohne Vornahme von geschlechtskorrigierenden Maßnahmen bewilligt werden (vgl dazu V 4/06-7).

2.3 Der Verwaltungsgerichtshof gelangte in seinem bereits erwähnten Erkenntnis vom , Zl 95/01/0061 VwSlg 14.748A, unter Bedachtnahme auf die bereits damals vorliegende Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sowie die Rechtsentwicklung in Europa zur Ansicht, dass auch für den Bereich des österreichischen Personenstandsrechts jedenfalls in Fällen, in denen eine Person unter der zwanghaften Vorstellung gelebt habe, dem anderen Geschlecht zuzugehören, und sich geschlechtskorrigierenden Maßnahmen unterzogen habe, die zu einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt hätten, und bei der mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern werde, die betreffende Person als Angehörige des Geschlechts anzusehen sei, das ihrem äußeren Erscheinungsbild entspreche. Transsexuelle könnten daher eine Person des Geschlechts, dem sie früher angehörten, heiraten. Die Personenstandsbehörde habe für die Beurteilung der Ehefähigkeit die Geschlechtszugehörigkeit im Rahmen eines Beweisverfahrens, vor allem durch Urkunden und - wenn dies nicht ausreiche - durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu klären.

2.4 Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , V 4/06-7, wurden die als Rechtsverordnung einzustufenden Teile des „Transsexuellen-Erlasses" vom mangels gehöriger Kundmachung im Bundesgesetzblatt aufgehoben. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs fehle es auch an der gesetzlichen Grundlage zur Beschränkung der Zulässigkeit eines Randvermerks über die Änderung des Geschlechts im Geburtenbuch auf unverheiratete Personen.

2.5 Zur Frage der Auswirkungen einer Geschlechtsumwandlung während aufrechter Ehe, die im Ergebnis zu einer Ehe gleichgeschlechtlicher Personen führt, ist in der österreichischen Lehre die Auffassung herrschend, dass die Geschlechtsumwandlung nach Eheschließung nicht zu einer nachträglichen Nichtehe und auch nicht zur Nichtigkeit der Ehe führt, sondern nur eine Aufhebung der Ehe, wenn die transsexuelle Neigung bereits bei Eheschließung bestanden hat (§ 37 EheG), oder eine Scheidung der Ehe (§§ 49 ff EheG) in Betracht kommen kann (vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, EheG § 44 ABGB Rz 11 mwN; jüngst Kopetzki, Transsexualität und das Wesen der Ehe, iFamZ 2008, 81 ff). Auch die Vaterschaft des Ehemanns der Mutter bleibt unberührt, auch wenn dieser noch vor Geburt des Kindes durch Änderung, etwa nach § 16 PStG - besonders im Fall von Transsexualität - oder Berichtigung nach § 15 Abs 3 PStG seines Geburtseintrags über das Geschlecht in der Folge als Frau anzusehen ist (vgl Stormann in Schwimann, ABGB³ § 138 Rz 6).

3.1 Da somit in Österreich gesetzliche Regelungen zu den Rechtsfragen der Transsexualität weitgehend fehlen, erscheint es zweckmäßig, im Folgenden die Rechtslage in anderen Staaten, insbesondere in Deutschland, darzustellen.

3.2.1 In Deutschland wurde im Anschluss an eine grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom (BVerfG 49, 286) das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (TranssexuellenG - TSG) vom erlassen, um der besonderen Situation Transsexueller Rechnung zu tragen. Neben einem Verfahren, in dem nach geschlechtsanpassender Operation die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit festgestellt und die Vornamen geändert werden können (sogenannte „große Lösung" im Sinn des § 8 TSG), sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, die Vornamen eines Transsexuellen auf dessen Antrag zu ändern, ohne dass dieser sich zuvor operativen Eingriffen unterzogen hat (sogenannte „kleine Lösung" im Sinn des § 1 TSG). Nach § 1 TSG besteht daher zunächst die Möglichkeit, einer Person, die sich aufgrund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem im Geburtseintrag angegebenen Geschlecht zugehörig fühlt, die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, entsprechend ihren Vorstellungen zu leben, und bei der nicht mehr mit einer Änderung ihres Zugehörigkeitsempfindens zu rechnen ist, die Änderung ihres Vornamens zu ermöglichen. Die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit bleibt davon unberührt. Darüber hinaus besteht nach § 8 TSG die Möglichkeit, die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit zu ändern, wenn eine Person sich aufgrund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem im Geburtseintrag angegebenen Geschlecht zugehörig fühlt, sie seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, und sie sich unter anderem einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale ändernden operativen Eingriff unterzogen hat. Die Änderung der Geschlechtszuordnung erfolgt auf Antrag durch Entscheidung des Amtsgerichts. Die Entscheidung hat konstitutive Wirkung: Sie ist sodann ins Geburtenbuch durch Randvermerk einzutragen. Mit der Rechtskraft der Entscheidung richten sich die Rechte und Pflichten grundsätzlich nach dem neuen Geschlecht (§ 10 Abs 1 TSG). Die Entscheidung, dass die Person als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, lässt ihre bei Rechtskraft der Entscheidung bestehenden Ansprüche auf Renten und vergleichbare wiederkehrende Leistungen unberührt. Bei einer sich unmittelbar anschließenden Leistung aus dem selben Rechtsverhältnis ist, soweit es hiebei auf das Geschlecht ankommt, weiter von den Bewertungen auszugehen, die den Leistungen bei Rechtskraft der Entscheidung zugrunde gelegen haben. Ansprüche auf Leistung aus der Versicherung oder Versorgung eines früheren Ehegatten werden durch die Entscheidung, dass die Person als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, nicht begründet (vgl § 12 TSG). Da somit durch eine geschlechtskorrigierende Operation allein noch kein zwingender Anspruch auf die rechtliche Zuordnung zum anderen Geschlecht entsteht, eröffnet § 9 TSG die Möglichkeit einer gerichtlichen Vorabentscheidung: „Kann dem Antrag nur deshalb nicht statt gegeben werden, weil der Antragsteller sich einem seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff noch nicht unterzogen hat ..., so stellt das Gericht dies vorab fest." Nach der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung stellt das Gericht die Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht fest.

3.2.2 Während der deutsche Gesetzgeber bei der Verabschiedung des TSG 1980 noch davon ausgegangen ist, dass von den Transsexuellen außer der sozialen Zuordnung zum anderen Geschlecht, meist auch eine die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernde Operation angestrebt werde, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom , 1 BvL 3/03, darauf hingewiesen, dass die Fachwissenschaft es mittlerweile auch bei einer weitgehend sicheren Diagnose „Transsexualität" als nicht mehr richtig erachte, daraus stets die Indikation für geschlechtsumwandelnde Maßnahmen abzuleiten. Das Bundesverfassungsgericht hat weiters ausgeführt, die Geschlechtszugehörigkeit könne nicht allein nach den physischen Geschlechtsmerkmalen bestimmt werden. Sie hänge wesentlich auch von der psychischen Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit ab. Das Gericht hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die Fachliteratur keine haltbaren Gründe mehr für eine unterschiedliche personenstandsrechtliche Behandlung von Transsexuellen mit und ohne Geschlechtsumwandlung sehe. Das Bundesverfassungsgericht hat daher vorgeschlagen, der Gesetzgeber könne das Personenstandsrecht unter anderem dahingehend ändern, dass auch ein nach gerichtlicher Prüfung anerkannter Transsexueller ohne Geschlechtsumwandlung rechtlich dem von ihn empfundenen Geschlecht zugeordnet werde.

3.3 Vergleichbare Regelungen, nach denen die rechtliche Anerkennung der Änderung der Geschlechtszuordnung nur mit Wirkung ex-nunc einen neuen Personenstand feststellt, bestehen unter anderem auch in Italien, Dänemark und Belgien (vgl Basedow/Scherpe, Transsexualität, Staatsangehörigkeit und internationales Privatrecht [Mohr/Siebeck 2004] 25, 31 und 43).

4.1 Auch in der Rechtsprechung des EuGH wird betont, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, die Voraussetzungen der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsumwandlung einer Person festzulegen, die infolge einer medizinischen Operation ihr Geschlecht gewechselt hat (vgl , Richards, Slg 2006 I-3585 Rz 21 mwN). Gemeinschaftlich folgt aus dem Verbot der Diskriminierung von Männern und Frauen die Anwendung der entsprechenden Bestimmungen auch auf Diskriminierungen, die ihre Ursache in einer Geschlechtsumwandlung haben (vgl , P., Slg 1996 I-2143 zur RL 76/207/EWG des Rates vom ; , K. B., Slg 2004, I-541 zu Art 141 EGV und RL 75/117/EWG des Rates vom ).

4.2 Nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit beinhaltet der Grundsatz der Gleichbehandlung den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im Besonderen betreffend:

- den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen,

- die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge,

- die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen.

Nach Art 7 Abs 1 lit a RL 79/7/EWG steht diese Richtlinie nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen. Damit wird eine Ausnahme vom gleichen Rentenzugangsalter, somit das ungleiche frühere Rentenzugangsalter der Frauen in einigen Mitgliedstaaten und die damit verbundenen Auswirkungen auf andere Leistungen, akzeptiert.

4.3 In der Rechtssache Richards hatte der EuGH den Fall zu beurteilen, dass sich die damalige Klägerin einige Monate vor Erreichen ihres 60. Lebensjahres einer operativen Geschlechtsumwandlung zur Frau unterzogen hatte, ihr aber bei Erreichen des für Frauen im Vereinigten Königreich damals geltenden Rentenalters von 60 Jahren diese unter Hinweis auf das für Männer geltende Rentenalter von 65 Jahren verweigert wurde. Der EuGH erkannte zu Recht, dass Art 4 Abs 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom Rechtsvorschriften entgegensteht, die einer Person, die sich gemäß den Voraussetzungen des nationalen Rechts einer Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau unterzogen hat, die Gewährung einer Ruhestandsrente versagen, weil sie noch nicht das 65. Lebensjahr erreicht hat, während diese Person mit 60 Jahren Anspruch auf eine solche Rente gehabt hätte, wenn sie nach dem nationalem Recht als Frau anzusehen gewesen wäre (, Richards, Slg 2006 I-3585).

5.1 Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei ab dem Zeitpunkt ihrer operativen Geschlechtskorrektur () auch rechtlich als Frau anzusehen. Es wurde in den bisherigen Ausführungen bereits dargestellt, dass der EGMR in seiner Rechtsprechung bei der Anerkennung eines Geschlechterwechsels an einer geschlechtsändernden Operation angeknüpft hat und dies auch der geschilderten Rechtslage in Deutschland entspricht. Wenn von der Revisionswerberin nunmehr damit argumentiert wird, dass nicht alle transsexuellen Menschen beispielsweise wegen ihres Alters, ihres Gesundheitszustands oder ihrer sozialen Situation diesen Operationszwang erfüllen können, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bei ihr diese möglichen Ausschließungsgründe offensichtlich nicht vorgelegen sind, weil sie sich unbestritten dieser Operation unterzogen hat. Soweit die Revisionswerberin geltend macht, der Operationszwang, also das Abhängigmachen der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsänderung von einer geschlechtsverändernden Operation, sei heute überholt und nicht mehr Stand der Wissenschaft und werde heute sogar als Menschenrechtsverletzung angesehen, ist ihr einzuräumen, dass eine verpflichtende Operation einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt und, wie das deutsche Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, die Personenstandsänderung im Hinblick auf die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr von einer operativen Geschlechtsumwandlung abhängig gemacht werden soll.

5.2 Wenn man daher der Ansicht der Revisionswerberin folgt, die Anerkennung eines Geschlechterwechsels dürfe nicht an einer operativen Änderung der äußeren Körperformen festgemacht werden, so kann dies nach Ansicht des erkennenden Senats aber nicht dazu führen, dass ein von der Revisionswerberin „im Alltag gelebtes Zugehörigkeitsempfinden" als Kriterium für die Anerkennung eines Geschlechterwechsels herangezogen werden kann. An die Tatsache, welches Geschlecht ein Mensch hat, gründen sich nämlich eine Vielzahl von rechtlichen Folgen, wie zB das Pensionsalter, die Heiratsmöglichkeiten, die Wehrpflicht usw. Somit kann die Tatsache des Wechsels des Geschlechts nicht allein von der subjektiven Einschätzung der betroffenen Person abhängig sein, da sich mit der Geschlechtsumwandlung auch die Rechtsbeziehungen dieses Menschen zu seiner Umwelt ändern. So ergibt sich beispielsweise aus dem Anstaltsakt, in den das Erstgericht Einsicht genommen hat, dass die Revisionswerberin in der Zeit vom bis zur rechtskräftigen Scheidung der Ehe mit als Mann mit einer Frau verheiratet war (vgl Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt über die einvernehmliche Scheidung der Ehe vom , OZ 6 des Pensionsakts). Diese Unsicherheit über den Zeitpunkt, von dem an die Geschlechtsumwandlung rechtliche Geltung erlangt hat, könnte im Sinne der gebotenen Rechtssicherheit nur durch die Anknüpfung an die - rechtlich leicht feststellbare - Änderung im Geburtenbuch wieder beseitigt werden (vgl Kopetzky aaO ). Folgt man dieser Auffassung, würde daher die Geschlechtsumwandlung erst durch die Änderung des Geschlechts im Geburtenbuch rechtlich relevant werden (vgl Jaksch-Ratajczak, Gibt es in Österreich eine Ehe unter Gleichgeschlechtlichen? EF-Z 2006/64, 111 ff [114 Anm 23]). Diese Auffassung würde auch der in Deutschland geltenden Rechtslage entsprechen, wonach der bei Änderung der Eintragung über die Geschlechtsumwandlung einer Person nach der Geburt gesetzte Vermerk eine „ex-nunc"-Wirkung hat und insoweit konstitutiv ist. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat eine solche Lösung bereits als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt (BGHZ 74/3, 23 f).

5.3 Geht man daher mit den Ausführungen der Revisionswerberin davon aus, dass der Zeitpunkt ihrer operativen Geschlechtskorrektur () für die rechtliche Geltung der Geschlechtsumwandlung nicht relevant sei, würde diese Relevanz erst der im Jänner 2007 erfolgten Änderung des Geschlechts im Geburtenbuch zukommen. Dadurch würde sich aber, wie noch darzulegen sein wird, keine für die Klägerin im vorliegenden Fall günstigere Beurteilung ergeben.

6. Eine „Rückwirkung" der Feststellung der weiblichen Identität der Klägerin kommt nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht.

6.1 Zutreffend haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass nach der bereits zitierten herrschenden Lehre eine vor der Geschlechtsumwandlung eines Ehepartners abgeschlossene Ehe nach der Geschlechtsumwandlung wegen der dadurch entstandenen Gleichgeschlechtlichkeit nicht mit den in den §§ 21 ff EheG taxativ aufgezählten Nichtigkeitsgründen bedroht ist, daher um so weniger eine Nichtehe in Betracht kommt, weil bei der Eheschließung keine Geschlechtsgleichheit der Parteien vorlag. Auch ist eine einmal begründete Vaterschaft nach einer Geschlechtsumwandlung zur Frau nicht abzuerkennen. Schon dadurch wird erkennbar, dass eine vollständige und umfassende Gleichbehandlung einer geschlechtsumgewandelten Person mit einer Vergleichsperson des neuen Geschlechts nicht für alle Lebensbereiche möglich ist.

Es wurde ebenfalls bereits darauf hingewiesen, dass auch in anderen Rechtsordnungen zum Teil ausdrücklich normiert ist, dass die Änderung der Geschlechtszuordnung nicht zurückwirkt. So sieht beispielsweise § 10 Abs 1 dTSG vor, dass sich von der Rechtskraft der Entscheidung an, dass die Person als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, ihre vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten nach dem neuen Geschlecht richten, soweit nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 12 dTSG sollen lediglich im Zeitpunkt der Rechtskraft bereits bestehende Ansprüche durch den Wechsel der Geschlechtszugehörigkeit nicht mehr wegfallen können.

6.3 Das Berufungsgericht hat weiters zutreffend dargelegt, dass auch die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit nicht determiniert, dass die Anerkennung einer geschlechtsumgewandelten Person als Angehörige des neuen Geschlechts zur Folge haben muss, diese Person so zu behandeln, als ob sie immer schon dieses Geschlecht gehabt hätte. Dem steht nach ebenfalls zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen auch nicht die Entscheidung des , Richards, Slg 2006, I-3585, entgegen, da dort die Frage der Pensionsberechtigung einer Transsexuellen, die bereits vor Erreichen des 60. Lebensjahres ihre geschlechtliche Identität zur Frau geändert hatte, zu beurteilen war, während im vorliegenden Fall die Berechtigung der Klägerin, aktuell eine Alterspension beziehen zu können, gar nicht in Zweifel steht. Es hat im Übrigen, wie bereits dargelegt wurde, auch der EuGH mehrfach betont, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, die Voraussetzungen der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsumwandlung einer Person festzulegen.

6.4 Schließlich hat das Berufungsgericht mit Recht darauf hingewiesen, dass auch der Zweck der Bonifikation nach § 261c ASVG eine rückwirkende Anerkennung des neuen Geschlechts der Klägerin nicht rechtfertigt. Mit dieser Leistung sollte nämlich ein Anreiz geschaffen werden, dass eine an sich pensionsberechtigte Person trotz Erreichens des Regelpensionsalters noch keine Pensionsleistungen in Anspruch nimmt. In diesen Genuss hätte die Klägerin allerdings bis zur Anerkennung ihrer neuen geschlechtlichen Identität gar nicht kommen können, da sie bis dahin noch als Mann zu gelten hatte. Als Mann war sie - mangels Erreichen des 65. Lebensjahres - in diesem Zeitraum aber nicht berechtigt, eine Regelpension zu beanspruchen, sodass ein nach § 261c ASVG zu honorierender Aufschub der Geltendmachung einer Alterspension gar nicht denkbar war. Ein Tatbestand, der eine solche Bonifikation rechtfertigen könnte, liegt daher erst ab demjenigen Zeitpunkt vor, zu dem die Klägerin auch rechtlich als Frau anzusehen ist. Diese Differenzierung ergibt sich somit daraus, dass im österreichischen Sozialversicherungsrecht ein unterschiedliches Pensionsantrittsalter für Männer und Frauen festgelegt ist. Der Umstand, dass die Regelung über die Bonifikation nach § 261c ASVG als eine Auswirkung der im österreichischen Sozialversicherungsrecht nach dem Geschlecht unterschiedlich festgesetzten Altersgrenze für den Bezug der Alterspension im Sinn des Art 7 Abs 1 lit a RL 79/7/EWG anzusehen ist, wird auch von der Klägerin zu Recht nicht in Zweifel gezogen.

7. Die Klägerin bekämpft auch mit Recht nicht die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Höhe ihrer Pension nach der - für sie günstigeren - zum geltenden Rechtslage zu ermitteln ist (Vergleichspension gemäß § 607 Abs 23 ASVG). Nach § 261c Abs 1 letzter Satz ASVG in der zum geltenden Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl I 2000/92, ist § 261 Abs 6 ASVG so anzuwenden, dass sich der Prozentsatz von 80 für je sechs volle Monate der späteren Inanspruchnahme der Alterspension um 1 bis zum Höchstausmaß von 90 erhöht. Unabhängig davon, ob man im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts vom Zeitpunkt der operativen Geschlechtskorrektur der Klägerin () oder im Sinne der Ausführungen des Erstgerichts vom Zeitpunkt der Eintragung der Änderung des Geschlechts im Geburtenbuch mit bzw der Rechtskraft der Eintragung mit als dem maßgebenden Zeitpunkt der rechtlichen Geltung der Änderung des Geschlechts bei der Klägerin ausgeht, erfüllt dieser Pensionsaufschub von lediglich zwei Monaten bzw einem Monat zum Pensionsstichtag jedenfalls nicht die Voraussetzungen für die von der Klägerin begehrte Bonifikation gemäß § 261c ASVG. Es muss daher im vorliegenden Fall nicht abschließend zu der Frage, zu welchen der beiden genannten Zeitpunkte die Geschlechtsumwandlung der Klägerin rechtliche Geltung erlangt hat, Stellung genommen werden.

8. Der Revision ist somit insgesamt ein Erfolg zu versagen. Der Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung ist zurückzuweisen, weil nach einhelliger Ansicht ein Antragsrecht der Parteien nicht besteht (SZ 70/171 uva). Ein Anlass für die Einholung einer Vorabentscheidung besteht nicht, weil eine auslegungsbedürftige Frage des Gemeinschaftsrechts nicht zu beurteilen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.