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OGH vom 06.03.2014, 17Os25/13z

OGH vom 06.03.2014, 17Os25/13z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshof Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Nagl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Erich M***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Dr. Erich M***** und Priska L***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 31 Hv 169/12d 228, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Brenner, der Angeklagten Dr. Erich M***** und Priska L***** sowie der Verteidiger Mag. Mennel und Dr. Grass zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Erich M***** wird verworfen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Priska L***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II, demgemäß auch im diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird Priska L***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft, nicht aber jener des Angeklagten Dr. Erich M*****, wird stattgegeben und die über diesen Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe unter Beibehaltung der bedingten Nachsicht auf

fünfzehn Monate

erhöht.

Dr. Erich M***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Dr. Erich M***** und Priska L***** (richtig [vgl RIS Justiz RS0121981]) jeweils eines Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie „in B***** als Beamte ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf gesetzmäßige Ausübung der Fachaufsicht und den Staat sowie die Parteien von Exekutionsverfahren an ihren Rechten auf Vollzug des Exekutionsverfahrens und Bearbeitung von Exekutionsakten durch das nach dem Gesetz zuständige und befugte Organ zu schädigen, wissentlich missbraucht, und zwar

I.) Dr. Erich M***** zwischen Frühjahr 2008 und Sommer 2010, indem er als Richter des Bezirksgerichtes B***** unter bewusster Verletzung seiner Pflichten zur Fach- und Dienstaufsicht der Kanzleileiterin Priska L***** zunächst die Anweisung gab, Verfügungen und Beschlüsse in Exekutionsakten nicht nur inhaltlich vorzubereiten, sondern unter Nachahmung seiner Paraphe und Vortäuschung, es handle sich um seine Unterschrift, auch zu unterschreiben, sowie diese Akten ohne neuerliche Vorlage an das zuständige Organ abzufertigen bzw. weiterzubearbeiten und sodann die unter II. unten beschriebenen Handlungen duldete und von einer Anordnung zur Vorlage der Akten zur eigenen Sachbearbeitung Abstand nahm, und

II.) Priska L***** in zahlreichen Angriffen im Zeitraum von Frühjahr 2008 bis , indem sie als Kanzleileiterin der Exekutionsabteilung des Bezirksgerichts B***** die“ insgesamt 1490, im angefochtenen Urteil mit dem jeweiligen Aktenzeichen bezeichneten „Exekutionsakten in der Weise bearbeitete, dass sie die bereits von ihr inhaltlich vorbereiteten Verfügungen und Beschlüsse trotz Richterzuständigkeit bzw. Zuständigkeit eines Rechtspflegers unter Nachahmung der Paraphe des zuständigen Richters Dr. Erich M***** unterzeichnete, und zwar Beschlüsse auf Bewilligung von Exekutionsanträgen, Beschlüsse auf Einstellung der Exekution, Beschlüsse auf Bestimmung von Drittschuldnerkosten, Beschlüsse, mit denen dem Drittschuldner aufgetragen wurde, die von der Forderungsexekution erfassten Beträge zurückzubehalten, Beschlüsse, mit denen der neuerliche Vollzug oder die Übersendung des Vermögensverzeichnisses bewilligt wurde, Verfügungen zur Übermittlung eines Postfehlberichtes an die betreibende Partei sowie ‚Gesehen’-Vermerke, mit denen der Eingang der Drittschuldnererklärung sowie der Verständigung vom Bezugsende gem. § 301 Abs 4 EO bestätigt wurde, und diese Exekutionsakten ohne Vorlage an das zuständige Organ, ohne dass ein solches damit befasst war, abfertigte bzw. weiterbearbeitete oder sie eine andere Kanzleimitarbeiterin dazu weiterleitete“.

Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter, wobei sich jene Dris. Erich M***** auf Z 5, 5a und 9 lit a, jene der Priska L***** auf Z 5, 5a sowie 9 lit a und b, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, stützt.

Nach den wesentlichen Feststellungen (US 62 ff) seien im Tatzeitraum Dr. Erich M***** Vorsteher des Bezirksgerichts B***** und Leiter der für Exekutionssachen zuständigen Gerichtsabteilung, Priska L***** Leiterin der zugehörigen Geschäftsabteilung (vgl § 32 Geo) gewesen. Ab März/April 2008 sei dem Gericht (des Öfteren) kein Rechtspfleger für das Arbeitsgebiet Exekutionssachen (§ 2 RpflG) zugeteilt gewesen, weshalb Dr. Erich M***** auch zuständiges Entscheidungsorgan im Wirkungskreis eines Rechtspflegers (§ 17 Abs 2 RpflG) gewesen sei.

Noch vor dem hier relevanten Tatzeitraum habe Priska L*****, die über „einen sehr hohen Wissensstand“ im Exekutionsrecht verfügt habe, Akten vorbereitet, und Dr. Erich M***** habe diese im uneingeschränkten Vertrauen auf die Richtigkeit der Erledigungen ohne weitere Kontrollen unterfertigt.

Im Herbst 2008 habe Dr. Erich M***** Priska L***** aufgefordert, die von ihr vorbereiteten Akten ohne diese ihm als zuständigem Entscheidungsorgan vorzulegen selbst mit seiner Paraphe (vgl § 63 Abs 5 Geo) zu unterschreiben, nachdem sie diese in seinem Beisein „geübt“ habe. Bei diesem Gespräch habe er keinerlei Einschränkung in Bezug auf bestimmte Arten von Erledigungen (etwa Beschlüsse) gemacht.

Priska L***** habe diese Weisung von 2008 bis umgesetzt, indem sie in Zeiten ohne Zuweisung eines Rechtspflegers in Exekutionssachen in den bloß im Referat der entscheidenden Tatsachen des Urteilstenors (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) unter Anführung des jeweiligen Aktenzeichens spezifizierten Verfahren „die Paraphe des Erstangeklagten gesetzt“ habe.

Im Zuge einer Revision seien aus 7.000 geprüften Akten rund 2.000 „ausgesondert“ worden, die von Priska L***** „abgezeichnet waren“. „Bei der Mehrzahl der ausgesonderten Verfahren“ handle „es sich um Einstellungsbeschlüsse, Beschlüsse mit denen die Kosten der Drittschuldner bestimmt“ worden seien „und einfachere Verfügungen und Gesehen-Vermerke“; darüber hinaus habe man „rund 500 Exekutionsbewilligungen“ „ausgesondert“.

In subjektiver Hinsicht nahmen die Tatrichter an (US 64 f), Dr. Erich M***** habe gewusst, dass er von der Mitangeklagten ein Verhalten verlangt habe, zu dem diese „nach den gesetzlichen Bestimmungen“ nicht „berechtigt war“. Beide Angeklagten hätten „den Staat und die Parteien des Verfahrens in ihrem Recht auf ein geordnetes Verfahren wissentlich geschädigt“ und „wissentlich Mißbrauch ihrer Amtsgewalt begangen“. „Das Recht des Staats und besonders das Recht der Parteien des Verfahrens wurde durch die Bearbeitung der Akte durch ein dazu nicht befugtes Organ verletzt“; das Wissen darum sei „bei beiden Angeklagten in ausreichendem Maß vorhanden“ gewesen. Auch Priska L***** habe „ganz genau gewusst“, dass „mit Setzung der Paraphe des Erstangeklagten auf die im Spruch angeführten Akten vorgetäuscht“ worden sei, „dass ein zuständiges Entscheidungsorgan hier diese Verfügungen getroffen hätte“. Motiv sei für beide gewesen, „einen Aktenstau zu vermeiden“.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg Grundsätzliches:

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) garantiert in Zusammenhalt mit dem Grundsatz der festen Geschäftsverteilung (Art 87 Abs 3 B-VG), dass der zuständige Richter für jede Rechtssache einen bestimmten Zeitraum im Vorhinein durch Geschäftsverteilung (vgl für das Bezirksgericht §§ 26 und 27 GOG) festgelegt wird. Solcherart ist die Zuständigkeit für gerichtliche „Geschäfte“ (worunter nicht bloß Entscheidungen, sondern auch sonstige [prozessleitende] Verfügungen und Tätigkeiten zu verstehen sind) anders als im Bereich der Verwaltung nicht nur auf Ebene der Behörde, sondern auch auf jener des einzelnen richterlichen Organs zu determinieren (zum Ganzen Holzinger in Korinek/Holoubek , B-VG Art 83/2 Rz 18 f und 67 ff; Piska in Korinek/Holoubek , B-VG Art 87/3 Rz 15 f und 45 f).

Geschäfte im Sinn des Art 87 Abs 3 B-VG sind, wenn nichts Anderes geregelt ist, grundsätzlich von Richtern zu erledigen. Die Vornahme von Amtshandlungen durch andere gerichtliche Bedienstete ist im hier relevanten Zusammenhang insbesondere in den Vorschriften des Rechtspflegergesetzes über den Wirkungskreis des Rechtspflegers in Exekutionssachen (§§ 16 f RpflG) sowie in § 56 GOG und § 34 Geo über den selbständigen Wirkungskreis der Geschäftsstelle vorgesehen. Ist einer Gerichtsabteilung kein Rechtspfleger zugewiesen, hat der Richter als deren Leiter auch die in §§ 16 f RpflG genannten Geschäfte zu besorgen. Der Richter ist außerdem jederzeit (also auch bei Zuteilung eines Rechtspflegers) befugt, diese Geschäfte ebenso wie solche des selbständigen Wirkungskreises der Geschäftsstelle selbst zu erledigen (Art 87a Abs 2 B-VG iVm § 9 Abs 1 RpflG, § 33 Abs 5 Geo). Im gegenständlichen Fall ist von Bedeutung, dass der Richter gemäß § 56 Abs 2 zweiter Satz GOG die Benachrichtigung der Parteien von Zustellanständen Bediensteten der Geschäftsstelle (zur selbständigen Erledigung) übertragen kann.

Rechtspfleger und Bedienstete einer Geschäftsabteilung haben (ausschließlich) den Anordnungen (Weisungen) des Leiters der zugehörigen Gerichtsabteilung (Richters) Folge zu leisten, soweit sie Geschäfte im vorbezeichneten Sinn (Verrichtungen im Interesse des Geschäftsbetriebes dieser Gerichtsabteilung) besorgen (Art 87a Abs 3 B-VG iVm § 8 RpflG; § 61 GOG iVm § 32 Abs 2 Geo; zur Anknüpfung an die funktionelle Zuständigkeit bei mehreren Vorgesetzten Barfuß , Die Weisung, 26; Raschauer in Korinek/Holoubek , B-VG Art 20/1 Rz 107). Da es sich bei diesen Geschäften (des Rechtspflegers) und sonstigen (der Vorbereitung und Durchführung richterlicher Entscheidungen und Verfügungen dienenden) Verrichtungen (der Bediensteten einer Geschäftsstelle) um Tätigkeit im Rahmen der Rechtsprechung (nicht der Verwaltung) handelt, haben Weisungsbefugnis und gebundenheit ihre Grundlage nicht in Art 20 Abs 1 B-VG, sondern in den zuvor genannten (verfassungs- und einfachgesetzlichen) Bestimmungen ( Walter , Verfassung und Gerichtsbarkeit, 38 ff). Grenzen der Weisungsgebundenheit, namentlich bei Unzuständigkeit (des Weisungsgebers) oder Strafgesetzwidrigkeit (der Befolgung), ergeben sich demnach aus Art 87a Abs 3 B-VG und § 44 Abs 2 BDG oder (hier für Priska L***** von Bedeutung) § 5a Abs 2 VBG, nicht (unmittelbar) aus Art 20 Abs 1 dritter Satz B-VG (zur Eingeschränktheit der Gehorsamspflicht auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung Thienel in GS Walter , Die Stellung der Staatsanwälte nach Art 90a B-VG eine Zwischenbilanz, 819 ff [841 f]).

(Gerichtliche) Entscheidungen sind Willensakte. Konstitutives Element ist die (mündliche oder schriftliche) Erklärung des von der Rechtsordnung dazu berufenen Organwalters, ein Ergebnis sei von ihm gewollt. Liegt eine derartige Erklärung unmissverständlich vor, ist die auch dem äußeren Erscheinungsbild entsprechende Entscheidung dem Organ und damit dem Staat zuzurechnen.

Allerdings sehen Verfahrens- und Organisationsvorschriften (§§ 418 Abs 1, 429 Abs 1 ZPO [hier iVm § 78 Abs 1 EO], §§ 62 Abs 1 und 108 Abs 5 Geo; vgl auch § 270 StPO) vor, dass Akten (Geschäftsstücke) dem zuständigen Organ (Richter oder Rechtspfleger) vor der Erledigung vorgelegt werden, damit dieses den Inhalt der Entscheidung oder Verfügung entweder selbst gestalten oder einen vorbereiteten Entwurf (vgl § 56 Abs 5 GOG, § 113 Geo) kontrollieren kann, bevor es durch Übergabe der von ihm unterschriebenen Urschrift an die Geschäftsstelle dieser den Auftrag erteilt, das zur Durchführung der Erledigung Erforderliche vorzunehmen (§ 109 Abs 1 Geo). Bindung des Gerichts an die schriftliche Entscheidung (Urteil, Beschluss) tritt in der Regel mit dieser Übergabe der Urschrift (vgl § 62 Abs 1 Geo) durch das Entscheidungsorgan (selbst oder in seinem Auftrag etwa durch einen sonstigen bei Gericht Beschäftigten) an die Geschäftsstelle ein ( Bydlinski in Fasching/Konecny 2 § 416 ZPO Rz 4 und 6; vgl auch Lewisch , WK-StPO Vor §§ 352-363 Rz 33 f). Solcherart wird die Möglichkeit einer Inhaltskontrolle strukturell gewährleistet, dem zuständigen Organ die Macht über das Ob und Wie der Entscheidung vor Setzung des Willensaktes vorbehalten.

Der in den genannten Verfahrens- und Organisationsvorschriften vorgesehenen Unterschrift des Organwalters kommt neben der zuvor beschriebenen Absicherung der Kontrollmöglichkeit Dokumentations- und Beweisfunktion bei der Auffindung des maßgeblichen Entscheidungswillens zu (vgl schon S. Mayer , Commentar § 270 Rz 4 und 8; vgl auch Danzl , Geo. 5 § 62 Anm 2b). Steht dieser fest, ist die Entscheidung dem zuständigen Organ auch dann zuzurechnen, wenn die Unterschrift nicht vom Organwalter selbst, sondern in dessen Auftrag von einer anderen Person geleistet wird. Dies selbst dann, wenn (wie hier) ein derartiger Auftrag pauschal und ex ante erteilt wird (dem steht übrigens SSt 5/58 nicht entgegen, weil der dort zugrunde liegende Sachverhalt eine hier gegebene Rückführung von Ausfertigung und Unterfertigung eines mündlich verkündeten Urteils [nur] durch einen Schriftführer auf den Willen des Richters nicht zuließ). Die sich aus diesen Überlegungen ergebende Konsequenz dass es sich vorliegend bei den von Priska L***** mit der Paraphe Dris. Erich M***** unterfertigten Erledigungen keineswegs um sogenannte Nichtentscheidungen (zum Begriff Fasching in Fasching/Konecny 2 Einleitung IV/1 Rz 29) handelt dient nicht zuletzt der Rechtssicherheit, insbesondere dem schutzwürdigen Vertrauen von Adressaten einer Entscheidung auf deren Existenz (vgl Rechberger , Die fehlerhafte Exekution, 27 ff [insbesondere 32 f], der die Schutzwürdigkeit der Vertrauensbasis für Fälle deren Verursachung durch ein [zuständiges] Staatsorgan hervorhebt; vgl zu den Bescheidvoraussetzungen nach dem AVG Raschauer in FS Koja, Unterschrift, Organwalterkompetenz und absolute Nichtigkeit, 589 ff [insbesondere 593 und 599 ff).

Daraus folgt für den gegenständlichen Fall auch, dass durch die inkriminierte Vorgangsweise das nur Verfahrensparteien (nicht etwa dem Staat) zukommende Recht auf den gesetzlichen Richter nicht beeinträchtigt wurde, weil dieses zwar einen Anspruch auf Entscheidung durch das zuständige Organ, nicht jedoch auf Einhaltung bestimmter Verfahrensvorschriften oder eine besondere Qualität der Entscheidung, gewährleistet ( Holzinger in Korinek/Holoubek , B-VG Art 83/2 Rz 30).

Zudem täuschte Priska L*****, indem sie die Paraphe des Mitangeklagten mit dessen Ermächtigung auf den Urschriften anbrachte, nicht über die Ausstelleridentität, sodass ihr Handeln keine Urkundenfälschung begründet (RIS Justiz RS0095456; Kienapfel/Schroll in WK 2 StGB § 223 Rz 175 und 182 ff).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde Dris. Erich M*****:

Die Tatrichter haben aus Z 3 ungerügt Dr. Erich M***** (bloß) einer sogenannten gleichartigen Verbrechensmenge schuldig erkannt. Er hat Priska L***** nach Maßgabe der getroffenen Feststellungen „zwischen Frühjahr 2008 und Sommer 2010“ die Anweisung gegeben, „Verfügungen und Beschlüsse in Exekutionsakten nicht nur inhaltlich vorzubereiten, sondern unter Nachahmung seiner Paraphe und Vortäuschung, es handle sich um seine Unterschrift, auch zu unterschreiben, sowie diese Akten ohne neuerliche Vorlage an das zuständige Organ abzufertigen bzw. weiterzubearbeiten“ und deren selbständige Erledigung in den zu II/A-D (mit Unterfertigungsdatum und Aktenzeichen) bezeichneten Geschäftsfällen sodann „geduldet“ (vgl US 2, 64, 67, 71 und 75). Die Beschreibung des Dr. Erich M***** angelasteten Verhaltens und der unspezifisch generalisierende Hinweis auf „Pflichten zur Fach- und Dienstaufsicht“ zeigt, dass er nach Maßgabe des Sachverhaltsannahmen des Schöffengerichts Priska L***** die Bearbeitung nicht von ihm selbst einzeln ausgewählter Geschäftsfälle überlassen hat Geschäftsfälle, die denn auch ausschließlich nach Maßgabe tatsächlicher Erledigung durch Priska L***** im Urteil aneinandergereiht werden. So gesehen hat das Schöffengericht aus dem Blickwinkel des Dr. Erich M***** angelasteten Verhaltens die als Missbrauch der Amtsgewalt bewerteten Geschäftsfälle nur pauschal individualisiert, indem die wenngleich selbständigen Taten nur gegen andere, aber nicht untereinander abgegrenzt wurden (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 33, 405 f, 576).

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde Dris. Erich M***** nur einzelne, aber nicht alle Geschäftsfälle als Richter oder Rechtspfleger vorbehalten kritisiert, war darauf mangels Entscheidungsrelevanz demnach nicht einzugehen.

Im Übrigen ist zur Nichtigkeitsbeschwerde auszuführen:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet an sich zutreffend ein, das Recht des Staates, dass Beamte ihre Befugnis den Vorschriften entsprechend gebrauchen, somit keinen Befugnismissbrauch begehen, reiche als Bezugspunkt des von § 302 Abs 1 StGB verlangten Schädigungsvorsatzes ebenso wenig aus wie darauf gerichtete Aufsichts- und Kontrollrechte (RIS-Justiz RS0096270). Der hier festgestellte Vorsatz, „den Staat und die Parteien des Verfahrens in ihrem Recht auf ein geordnetes Verfahren“ zu schädigen (US 65), wäre als alleinige Grundlage des Schuldspruchs daher nicht ausreichend.

Missbrauch einer Verfahrensvorschrift kann aber dann den Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB erfüllen, wenn er wissentlich vorgenommen wird und der begleitende Schädigungsvorsatz auf Vereitelung des von dieser Vorschrift verfolgten (Schutz-)Zwecks gerichtet ist. Darauf, ob Verfahrensvorschriften „rundweg“ übergangen werden, oder das dem Täter vorgeworfene Verhalten nach dessen Vorstellung zu einem „materiell unrichtigen“ Hoheitsakt führen soll, kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0096031 [T5]). Einleitend wurde dargelegt, dass die hier (wissentlich) verletzten Verfahrens- und Organisationsvorschriften (§ 429 Abs 1 ZPO iVm § 78 Abs 1 EO,§§ 62 Abs 1 und 108 Abs 5 Geo) den Zweck verfolgen, die inhaltliche Kontrolle (die „Entscheidungshoheit“) des zuständigen Organs vor Setzung des Willensaktes strukturell abzusichern. Auf die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch das zuständige Organ hat der Staat ein im Sinn des § 302 Abs 1 StGB beachtliches Recht, das also den Bezugspunkt des tatbestandlichen Schädigungsvorsatzes bilden kann. Mit der Formulierung, der Beschwerdeführer habe gewusst, dass der Staat (durch die angeordnete Vorgangsweise) an (diesem) seinem Recht „durch die Bearbeitung der Akte durch ein dazu nicht befugtes Organ verletzt“ würde (US 65), hat das Erstgericht die erforderlichen Feststellungen zum Schädigungsvorsatz hinreichend deutlich getroffen (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 19).

Die Mängelrüge (nominell Z 5 erster und dritter Fall) spricht, indem sie das festgestellte Motiv des Beschwerdeführers, „die Exekutionsabteilung in Gang zu halten“ (US 64) und „den Aktenlauf im Fluß zu halten“ (US 65), mit den Konstatierungen zum Schädigungsvorsatz in Beziehung setzt, keine entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0088761, RS0117499). Im Übrigen wird nicht klar, weshalb das von der Rüge aus diesen Urteilspassagen abgeleitete Streben des Beschwerdeführers nach „Arbeitserleichterung bzw. Arbeitsersparnis“ (vgl auch US 75) die kritisierten Feststellungen in Nichtigkeit begründender Weise in Frage stellen soll.

Der Verantwortung der beiden Angeklagten, die inkriminierte Weisung habe nur „Verfügungen (keine Beschlüsse)“ betroffen, sind die Tatrichter von der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) übergangen (vgl RIS-Justiz RS0119370) unter anderem mit der Überlegung nicht gefolgt, dass dann die von Dr. Erich M***** angestrebte Entlastung nicht eingetreten wäre (US 67). Diese Erwägung ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Mit den Angaben der Zeugin Cornelia N***** (vormals P*****) hat sich das Erstgericht ohnehin auseinandergesetzt (US 73), weshalb der Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) von vornherein ins Leere geht. Eine Erörterung sämtlicher Aussagedetails, aus denen sich eine Einschränkung der Weisung auf bestimmte Erledigungskategorien übrigens nicht ergibt (vgl ON 222 S 27 f), war nicht erforderlich (vgl RIS-Justiz RS0106642).

Gleiches gilt für die Kritik an angeblich unvollständiger Auseinandergesetzung mit den Angaben der Zeugin Mag. Silvia H*****. Die an deren Depositionen anknüpfende Überlegung der Tatrichter, der Beschwerdeführer habe versucht, der Zeugin gegenüber die Bedeutung seiner Handlung „herabzuspielen“ (US 70), verstößt keineswegs gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze (RIS Justiz RS0118317). Die von der Zeugin aus dem Verhalten des Beschwerdeführers gezogenen Schlussfolgerungen stellen kein erörterungsbedürftiges Beweisergebnis dar (RIS-Justiz RS0097540, RS0097545).

Der als Widerspruch (Z 5 dritter Fall) relevierte Umstand, dass im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) ein Tatzeitraum „zwischen Frühjahr 2008 und Sommer 2010“ angegeben wird, die Entscheidungsgründe hingegen von einer Weisungserteilung erst im Herbst 2008 ausgehen (US 64), betrifft keine entscheidende Tatsache und ist daher nicht Gegenstand der Mängelrüge (RIS-Justiz RS0098557, RS0117499).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, aus vom Erstgericht ohnehin erörterten Prämissen (den Aussagen der Zeugen Cornelia N*****, Ingrid S*****, Mag. Silvia H***** und Werner B***** sowie den Verantwortungen der beiden Angeklagten) für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zu ziehen, und bekämpft damit (weitgehend ohne Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen) bloß unzulässig die insbesondere im Zusammenhang mit der Annahme der Glaubwürdigkeit der Zeugin Ingrid S***** ausführliche (US 71 f) Beweiswürdigung des Schöffengerichts (RIS Justiz RS0099674, RS0099649).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Priska L*****:

Die Beschwerdeführerin kritisiert (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 erster Fall), dass anhand der Feststellungen nicht für sämtliche (unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten) Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennbar sei, welche Amtsgeschäfte ihr in den angeführten 1490 Exekutionsverfahren im Einzelnen angelastet würden (RIS-Justiz RS0117995; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 419). Solcherart sei „nicht nachvollziehbar, ob und gegebenenfalls welche Erledigungen die Zweitangeklagte über die gesetzlich mögliche Ermächtigung bzw. Delegierung hinaus getätigt haben soll“.

Der Einwand ist berechtigt, denn die inkriminierten Amtsgeschäfte werden (nur) im Referat der entscheidenden Tatsachen des Urteilstenors (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), auf das in den Entscheidungsgründen (an sich zulässig) verwiesen wird (US 65), nach einer pauschalen Zusammenfassung unterschiedlicher Erledigungskategorien (Beschlüsse, Verfügungen, „Gesehen“-Vermerke) bloß unter Anführung jeweils eines Datums und des korrespondierenden Aktenzeichens spezifiziert.

Einleitend wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein Richter gemäß § 56 Abs 2 zweiter Satz GOG Bediensteten der Geschäftsstelle („Gerichtskanzlei“) die auch hier vom Schuldspruch erfasste Benachrichtigung der Parteien von Zustellanständen (in den selbständigen Wirkungskreis) übertragen darf. Befugnismissbrauch der Beschwerdeführerin durch weisungsgemäße Erledigung ohne neuerliche Vorlage der Akten an den Richter kommt insoweit daher nicht in Betracht (ebenso wenig übrigens wegen der Ermächtigung zur Setzung der Paraphe Urkundenfälschung). Gleiches gilt für in Verfahrens- und Organisationsvorschriften nicht vorgesehene (demnach nicht Richtern oder Rechtspflegern vorbehaltene) Handlungen ohne (festgestellte) rechtliche Auswirkung auf das Exekutionsverfahren (hier: „Gesehen“-Vermerke im Zusammenhang mit dem Einlangen von Erklärungen und Verständigungen von Drittschuldnern).

Ein Schuldspruch wegen der hinsichtlich Priska L***** ungeachtet des bei Missbrauch der Amtsgewalt zur Anwendung kommenden Zusammenrechnungsgrundsatzes nach § 29 StGB (RIS-Justiz RS0121981) 1490 rechtlich selbständigen Einzeltaten (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 568) wäre demnach sachverhaltsmäßig nur dann ausreichend fundiert, wenn anhand der Entscheidungsgründe die Erfüllung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen für alle (allenfalls in Gruppen nach bestimmten Erledigungsarten zusammengefasste) Einzelfälle möglich wäre, was hier nicht der Fall ist (17 Os 6/13f, EvBl 2013/121, 842; vgl auch 13 Os 121/12m).

Der aufgezeigte Fehler erfordert daher die Aufhebung des gesamten Schuldspruchs II, demgemäß auch des Priska L***** betreffenden Strafausspruchs samt Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Erstgericht.

Mit ihrer Berufung war Priska L***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im weiteren Verfahren wird zu beachten sein, dass mit Inkrafttreten des StPRÄG 2013 (BGBl I 2013/195) am die Möglichkeit diversionellen Vorgehens auch im Fall des Missbrauchs der Amtsgewalt geschaffen wurde (§ 198 Abs 3 StPO). Bei der Beurteilung der allgemeinen Diversionsvoraussetzung nicht schwerer Schuld (§ 198 Abs 2 Z 2; zum Beurteilungsmaßstab eingehend Schroll , WK-StPO § 198 Rz 13 ff) ist vorliegend von Bedeutung, dass Priska L***** nach dem Akteninhalt (vgl auch die dahingehenden Feststellungen im angefochtenen Urteil auf US 62) im Tatzeitraum „außerordentlichen beruflichen Einsatz gezeigt“ und „des öfteren auch am Wochenende und in ihrer Freizeit am Gericht“ gearbeitet hat, „um bestehende Rückstände aufzuarbeiten und die Akten für den Erstangeklagten unterschriftsreif vorzubereiten“. Dadurch hat sie den teils durch fehlende Rechtspflegerzuteilungen entstandenen Arbeitsdruck beim Bezirksgericht B***** (vgl US 77) in Exekutionssachen de facto allein abgefangen und vom Mitangeklagten ferngehalten. Die ihr angelasteten Handlungen finden ihre Ursache in der Weisung ihres Vorgesetzten (vgl § 34 Abs 1 Z 4 und 11 StGB). Zudem ist im Sinn des § 198 Abs 3 StPO beachtlich, dass auf Grund ihres „sehr hohen“ Wissensstandes im Exekutionsbereich (vgl US 64) von ihr verursachte Fehlentscheidungen (also eine Schädigung von Parteienrechten) nicht aktenkundig sind.

Zu den Strafberungen der Staatsanwaltschaft und Dris. Erich M*****:

Das Erstgericht verhängte über Dr. Erich M***** eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zwölf Monaten. Als erschwerend wertete es die „Vielzahl der Tathandlungen“ und den langen Tatzeitraum (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), als mildernd die „bisherige Unbescholtenheit“ (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), „eine geringe teilgeständige Verantwortung“ (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) und den beim Bezirksgericht B***** im Tatzeitraum bestehenden „Arbeitsdruck“.

Zutreffend zeigt die Staatsanwaltschaft in ihrer mit dem Ziel einer Erhöhung der Freiheitsstrafe unter Ausschaltung deren bedingter Nachsicht ergriffenen Berufung auf, dass die Verantwortung dieses Angeklagten nicht mildernd im Sinn des § 34 Abs 1 Z 17 StGB wirkt, hat er doch ausschließlich nicht strafbares Verhalten, nämlich die Delegierung von unbedeutenden, „keinesfalls hoheitliche Akte“ betreffenden Angelegenheiten, zugestanden (vgl US 67; ON 2 S 15 ff; ON 197 S 5).

Ebenso wenig kommt diesem Angeklagten der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB zugute. Dieser setzt nämlich neben dem bisherigen ordentlichen Lebenswandel (kumulativ) voraus, dass die Tat mit dem sonstigen (Vortat-)Verhalten in auffallendem Widerspruch steht (RIS-Justiz RS0091464; jüngst 11 Os 120/13a, 152/13g). Vorliegend hat das Erstgericht festgestellt, Dr. Erich M***** habe schon vor dem Tatzeitraum wenngleich nicht strafbarkeitsbegründend, so doch unter Verletzung der ihm von Verfahrens- und Organisationsvorschriften aufgetragenen Kontrollpflichten (vgl auch § 32 Abs 2 zweiter Satz Geo) von Priska L***** vorbereitete Erledigungen „ohne weitere Kontrollen“ unterfertigt (US 62). Die inkriminierte Weisung stellt daher bloß eine Steigerung des schon zuvor gezeigten Verhaltens dar (vgl US 64).

Ebenfalls zutreffend weist die Berufungswerberin darauf hin, dass der konstatierte Arbeitsdruck (US 62 f und 77) bei Dr. Erich M***** nicht mildernd zu werten ist, hat er doch die infolge fehlender Rechtspflegerzuteilungen entstandene Mehrarbeit durch das ihm angelastete Verhalten zur Gänze der Mitangeklagten aufgebürdet und diese somit über Jahre in besonderer Weise belastet.

Dem Berufungsvorbringen Dris. Erich M***** zuwider liegt der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 1 StGB schon deshalb vor, weil das von ihm angeordnete und in weiterer Folge „geduldete“ (tatbestandsmäßige) Verhalten über einen Zeitraum von weit mehr als einem Jahr gesetzt wurde (vgl Ebner in WK 2 StGB § 33 Rz 4 mit Beispielen aus der Rechtsprechung). So unterfertigte Priska L***** dem Rechtspfleger (vgl § 17 Abs 2 und 3 RpflG) in dessen Abwesenheit dem Richter vorbehaltene Beschlüsse, etwa auf Bewilligung des neuerlichen Vollzugs am (ON 108 S 15 ff), auf Bestimmung der Kosten des Drittschuldners am (ON 137 S 13), auf Bewilligung eines Exekutionsantrags am (ON 103 S 19 f) und auf Einstellung des Exekutionsverfahrens am (ON 24 S 151) mit der Paraphe des Berufungswerbers.

Ein von der Berufung aus dem Motiv, „die Exekutionsabteilung im Laufen zu halten“, der Sache nach abgeleiteter achtenswerter Beweggrund (vgl § 34 Abs 1 Z 3 StGB) kommt diesem Angeklagten nicht zugute. Ebenso wenig liegt Tatbegehung aus Unbesonnenheit vor (vgl § 34 Abs 1 Z 7 StGB).

Im Recht ist das Berufungsvorbringen, soweit es auf den Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB rekurriert. Bei Beurteilung der (Un-)Verhältnismäßigkeit der Verfahrensdauer ist auf den Zeitraum zwischen erster Kenntnisnahme des Beschuldigten von der Tatsache, dass gegen ihn wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung ermittelt wird, und rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens abzustellen (RIS Justiz RS0124901; Grabenwarter/Pabel , EMRK 5 § 24 Rz 69). Diese Zeitspanne beträgt hier etwa dreieinhalb Jahre, was angesichts des Verfahrensumfangs und der umfangreichen Ermittlungen, welche die Sichtung tausender Exekutionsakten umfassten, für sich noch nicht unverhältnismäßig wäre. Allerdings kann sich der Milderungsgrund selbst bei insgesamt verhältnismäßig erscheinender Verfahrensdauer auch aus längeren Phasen behördlicher Inaktivität ergeben (14 Os 79/12t; EGMR , 8140/04, Vitzthum/Österreich ; Grabenwarter/Pabel , EMRK 5 § 24 Rz 70 f). Solche liegen hier, insbesondere in der Zeit zwischen Einlangen des zweiten Sachverständigengutachtens (ON 88) bei der Staatsanwaltschaft am und Einbringen der Anklage am (ON 1 S 50), in welcher keine diese Zeitspanne rechtfertigende behördliche Aktivität gesetzt wurde, vor. Auf individuelles Fehlverhalten einzelner Organwalter kommt es bei der Beurteilung übrigens nicht an.

Auf Grund dieser Erwägungen und der Korrektur der Strafzumessungsgründe erschien dem Senat eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten tat- und schuldangemessen sowie der Täterpersönlichkeit entsprechend. Die festgestellte Grundrechtsverletzung (Art 6 Abs 1 MRK) war durch explizite (RIS-Justiz RS0114926 [T3]) Reduktion dieser Strafe auf fünfzehn Monate auszugleichen.

Eines tatsächlichen Vollzugs der Strafe bedarf es aus general- und insbesondere spezialpräventiven Gründen nicht, zumal infolge des mit der Strafhöhe verbundenen Amtsverlusts neuerliche einschlägige Delinquenz Dris. Erich M***** nicht zu erwarten ist. Eine bedingte Nachsicht dieser nach § 27 Abs 1 StGB eintretenden Rechtsfolge gemäß § 44 Abs 2 StGB kommt hingegen auf Grund des Gewichts des engstens mit der Amtsstellung verknüpften strafbaren Verhaltens nicht in Betracht.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0170OS00025.13Z.0306.000