OGH 26.08.2020, 9ObA39/20f
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Cadilek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei C***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Neger/Ulm Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 4.299,80 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 3.120 EUR brutto sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Ra 83/19a-21, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
1. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass die Beklagte als Erwerberin des Betriebs, bei dem der Kläger beschäftigt war, grundsätzlich iSd § 6 Abs 1 AVRAG für die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die vor Betriebsübergang entstanden sind, haftet, wobei auf die Haftung § 1409 ABGB anzuwenden ist.
Strittig ist ausschließlich, ob sich die Beklagte auf die Verfallsfrist des Pkt 7 lit e des Kollektivvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (KV) berufen kann.
Rechtliche Beurteilung
2. § 1409 ABGB ordnet einen zwingenden Schuldbeitritt (hier des Erwerbers des Betriebs) an. Der Übernehmer haftet für die Schulden so, wie der Überträger im Zeitpunkt der Vermögensübernahme haftet. Der Übernehmer ist nicht Nachfolger des „Urschuldners“, sondern neben diesem Schuldner geworden, der dem Gläubiger gegenüber unmittelbar verpflichtet ist. Der Schuldbeitritt ändert nichts an der Rechtsnatur der Forderungen, weshalb der Erwerber jene Rechtshandlungen, die der Übergeber bis zum Zeitpunkt des Übergangs gesetzt hat, wie etwa einen Vergleich oder ein Anerkenntnis, ebenso gegen sich gelten lassen muss, wie eine bereits eingetretene Unterbrechung der Verjährung. Ansonsten kann der Erwerber alle Einwendungen aus dem Grundgeschäft erheben, auch wenn sich der Übergebende bisher nicht auf diese berufen hat (8 ObA 9/09w mwN).
Der entscheidende Zeitpunkt ist daher jener der Übergabe des Vermögens oder Unternehmens: Die Klageführung gegen den Übergeber nach diesem Zeitpunkt bewirkt demnach keine Unterbrechung der Verjährung gegen den Übernehmer. Die Solidarschuldner sind – von der Zahlung der Schuld abgesehen – voneinander unabhängig, sodass Rechtshandlungen, die von einem oder gegen einen Solidarschuldner gesetzt werden, mit Ausnahme der Zahlung der Schuld den anderen Solidarschuldner nicht berühren (8 ObA 9/09w mwN).
3. Nach dem hier maßgeblichen Pkt 7 lit e KV verfallen Lohnansprüche, wenn sie nicht vier Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer selbst (...) beim Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist verlängert sich um den Zeitraum, um welchen die letzte Lohnabrechnung aus Verschulden des Arbeitgebers verspätet durchgeführt wurde.
Nach dem klaren Wortlaut dieser Regelung beginnt die Verfallsfrist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Soweit in Entscheidungsleitsätzen mitunter davon die Rede ist, dass die Verfallsfrist erst mit der Aushändigung einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung beginnt (RS0029277; RS0034487; RS0064548; RS0034461), betreffen sie entweder kollektivvertragliche Regelungen, die dieses Erfordernis ausdrücklich vorsehen, oder besondere Fallkonstellationen, in denen sich der Dienstnehmer nur durch eine Abrechnung Klarheit über offene Ansprüche verschaffen konnte (8 ObS 9/17g). Ein Vorbringen zu einem die Verfallsfrist verlängernden Umstand, etwa eine verspätete Lohnabrechnung aus Verschulden des Beklagten, wurde aber vom Kläger nicht erhoben.
4. Unstrittig hat der Kläger seine Ansprüche innerhalb der Verfallsfrist erst nach Betriebsübergang und nur gegenüber der Übergeberin geltend gemacht, nicht gegenüber der Beklagten. Von der Übergeberin wurde ihm, ebenfalls erst nach Betriebsübergang, eine Lohnabrechnung hinsichtlich der relevanten Perioden ausgefolgt. Damit wirkt aber sowohl die Geltendmachung der Ansprüche, als auch die aus der Lohnabrechnung ableitbare Klarstellung, welche Ansprüche strittig sind (vgl 8 ObA 34/07v), nur im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Übergeberin.
Wenn die außerordentliche Revision darauf verweist, dass die Lohnabrechnung Perioden betrifft, in denen die Übergeberin noch Arbeitgeberin war, übersieht sie, dass die Abrechnung aber erst nach Betriebsübergang erfolgte, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Übergeberin in Bezug auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse keine den Übernehmer bindenden Rechtshandlungen mehr setzen konnte.
5. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die noch verfahrensgegenständlichen Ansprüche des Klägers mangels fristgerechter Geltendmachung gegenüber der Beklagten verfallen sind, ist daher nicht korrekturbedürftig.
6. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00039.20F.0826.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAE-00674