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OGH vom 19.06.2006, 8ObA53/06m

OGH vom 19.06.2006, 8ObA53/06m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Rudolf Vyziblo als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Ingrid K*****, 2. Robert Ä*****, 3. Sonja B*****, 4. Manuela B*****,

5. Jasmina D*****, 6. Sandra E*****, 7. Heike F***** , 8. Elisabeth F*****, 9. Martina F*****, 10. Christian G*****, 11. Sonja G***** ,

12. Karin G*****, 13. Carmen-Sylvia H***** , 14. Helmut H*****, 16. Markus J***** , 17. Sonja K*****, 18. Heimo K*****, 19. Caroline K*****, 20. Bettina K*****, 21. Antje L*****, 22. Thomas L*****, 23. Edith L*****, 24. Lucia N*****, 25. Thomas O*****, 26. Patricia Marina P*****, 27. Claudia R*****, 28. Alessia R*****, 29. Michael R*****, 30. Judith S 31. Patricia S 32. Christiane S 33. Katharina S 34. Johannes S 35. Barbara S 36. Wolfgang S 37. Barbara V*****, 38. Marlene W*****,

39. Monika W*****, 40. Walpurga Z*****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Hannes Jarolim, Rechtsanwalt in Wien, wegen insgesamt EUR 106.622,84 sA und Feststellung (Streitwert insgesamt EUR 28.000,--), infolge außerordentlicher Revision der 1., 3., 4., 6., 8., 9., 14., 16.-40. klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 7/06t-12, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom zu 8 ObA 19/06m zu im Wesentlichen identen Fragestellungen Folgendes ausgeführt:

„Soweit die Revision geltend macht, dass eine unzulässige „Einzelfallregelung" vorliege, kann dies nicht nachvollzogen werden (vgl allgemein dazu dass ein Kollektivvertrag ein Instrument der kollektiven Rechtsetzung ist und grundsätzlich nicht für Einzelfallregelungen zur Verfügung steht RIS-Justiz RS0110426 mwN 9 ObA 125/98f = SZ 71/122 sowie 8 ObA 197/98y = SZ 72/86). Werden doch keine konkreten Arbeitnehmer genannt, sondern wird auf allgemeine Kriterien abgestellt. Dass dabei letztlich immer auch bestimmbar ist, welche Arbeitnehmer daraus Ansprüche ableiten können, ändert nichts an dem generellen Charakter der Regelung. Stichtagsregelungen, bei denen für in den Geltungsbereich der alten Regelung fallende Arbeitnehmer bestimmte Ansprüche weiter aufrecht erhalten werden, bedeuten immer, dass diese Arbeitnehmergruppe auch bestimmbar und abgeschlossen ist, wie es etwa auch bei gesetzlichen Übergangsbestimmungen der Fall wäre. Das ändert aber schon deshalb nichts am generellen Charakter der Regelungen, weil die Kriterien nicht nur eindeutig generell abstrakt abgefasst sind, sondern auch als Fortwirken der vormals abstrakt abgefassten begünstigenden Regelungen verstanden werden können und auch ganz allgemeinen Grundprinzipien bei der Überleitung zu neuen Regelungssystemen entsprechen (gegenteiliges kann im Übrigen auch den Ausführungen von Holzer, Strukturfragen des Betriebsvereinbarungsrechtes, 3 sowie ders DRdA 1984, 333 im Ergebnis nicht entnommen werden). Was nun die Frage einer Verletzung des „Sachlichkeitsgebotes" anlangt, so ist in Lehre und Rechtsprechung im Wesentlichen unstrittig, dass die Grundrechte über § 879 ABGB mittelbar auf die Gestaltungsbefugnisse der Kollektivvertragsparteien im Rahmen des normativen Teiles des Kollektivvertrages einwirken (vgl RIS-Justiz RS0038552 mzwN zuletzt etwa 9 ObA 57/05f; OGH 9 ObA 125/98f betreffend die Gehaltstafel f des Kollektivvertrages für Handelsangestellte, der Sonderregelungen für einzelne Kaufhäuser vorgesehen hat; RIS-Justiz RS0038765 zur Bindung an den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz mwN etwa zuletzt 8 ObA 8/05t; Strasser in ArbVG Komm § 2 Rz 9 mzwN ebenso Runggaldier in Tomandl [Hrsg] Arbeitsverfassungsgesetz § 2 Rz 34 ff uva). Soweit sich nun die Kläger gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach die sachliche Rechtfertigung auch darin liege, dass die „alten Stammarbeitnehmer" der AUA bessere Ansprüche hatten, wenden und ausführen, dass dieses Argument keiner „Kategorie" zuzuordnen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass gerade im Sinne dieser ständigen oben dargestellten Rechtsprechung unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes auch auf die bisher erworbenen „Anwartschaften" Bedacht zu nehmen ist. Dies ist nun jedenfalls hinsichtlich der Pensionsansprüche als wesentliches Unterscheidungskriterium tragfähig. Zu den übrigen Ansprüchen ist beachtlich, dass es der ständigen Rechtsprechung - allerdings zu dem für das Verhalten des einzelnen Arbeitgebers maßgeblichen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz - entspricht, dass mit bestimmten Stichtagen für neu aufgenommene Arbeitnehmer andere Arbeitsbedingungen festgelegt, insbesondere bestimmte Vergünstigungen nicht mehr gewährt werden können (vgl so die stRsp RIS-Justiz

RS0060204 mwN etwa OGH 4 Ob 27/83 = ZAS 1984/14 [Holzer]; OGH 4 Ob

31/85 = SZ 58/40 = ZAS 1987, 16 [Petrovic] oder zuletzt OGH 9 ObA

24/02y). Teilweise wurden diese Überlegungen auch bei der Beurteilung des über § 879 ABGB die Kollektivvertragsparteien bindenden Gleichheitsgrundsatzes im Sinne des Art 7 B-VG (Verbot der willkürlichen und unsachlichen Differenzierung - RIS Justiz RS0053981 mwN etwa 9 ObA 30/99y) mit fruchtbar gemacht (vgl OGH 9 ObA 601/90 im Zusammenhang mit der Differenzierung zwischen „Aktiven" und „Pensionisten" bei einer neu eingeführten verbesserten Pensionsregelung unter Bedachtnahme auf die gestiegenen Anforderungen für die Aktiven).

Dass die Kläger bereits vor dem neuen Kollektivvertrag Anspruch auf die gleichen Entgelte wie die alte „AUA Stammbelegschaft" gehabt hätten, behaupten sie nicht. Insoweit kann ihrem Argument, dass sie bereits bisher Flüge im Namen und auf Rechnung der Beklagten durchgeführt hätten, keine erhebliche Bedeutung zugemessen werden (vgl im übrigen allgemein zu den Fragestellungen im Zusammenhang mit der Kartellfunktion der Kollektivverträge Runggaldier aaO vor § 1 Rz 32 f sowie zur Zulässigkeit der sachlichen Differenzierung durch die Kollektivvertragsparteien OGH 9 ObA 125/98f - betreffend unterschiedliche Wirtschaftskraft; OGH 4 Ob 116/83 = DRdA 1986/6 [Mayer-Maly] - betreffend unterschiedliche Berufsanforderungen uva).

Im Wesentlichen läuft die Fragestellung darauf hinaus, inwieweit von

dem vom Kollektivvertrag allgemein festgelegten gleichen Entgelt für

die gleiche Arbeitsleistung hier noch dazu beim gleichen Arbeitgeber

aus dem Grundsatz eines gewissen Vertrauensschutzes im Hinblick auf

früher unterschiedliche Kollektivvertragsregelungen, die aus der

Herkunft aus unterschiedlichen Unternehmen resultieren, abgewichen

werden kann (zu den Betriebspensionen bei unterschiedlicher

„Unternehmensherkunft" etwa 8 ObA 150/97k oder OGH 9 ObA 77/95 = DRdA

1996/28 [Eypeltauer] = ZAS 1996/20]). Dabei ist auch auf die

allgemeinen Rahmenbedingungen bei Prüfung nach dem

Gleichheitsgrundsatz zu verweisen, wonach den

Kollektivvertragsparteien ein weiter rechtspolitischer

Gestaltungsspielraum sowohl hinsichtlich der angestrebten Ziele als

auch der zur Zielerreichung eingesetzten Mittel zusteht (in diesem

Sinne OGH 9 ObA 125/98f, aber auch allgemein zum

verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz etwa Adamovich/Funk3,

381; Walter/Mayer9 Grundriss des österreichischen

Bundesverfassungsrechts, 561 ff; allgemein zum weiten

rechtspolitischem Gestaltungsermessen RIS-Justiz RS0053889 mwN etwa

OGH 1 Ob 151/98g, aber auch etwa zur deutschen Rechtslage BAG 29. 8.

2001 4 AZR 352/00 = NZA 2002, 863 zur Zulässigkeit der Differenzierung zwischen der Stammbelegschaft und der neu aufgenommenen Belegschaft). Das Regelungsziel liegt hier offensichtlich in der der möglichst weitgehenden Wahrung der bisher der AUA-Stammbelegschaft zustehenden Rechte. Bei der Beurteilung dieses Zieles kann auch auf die Wertung einschlägiger gesetzlicher Regelungen zurückgegriffen werden. In diesem Zusammenhang kann auf § 4 Abs 2 AVRAG verwiesen werden (zur Heranziehung auch beim Wechsel zwischen zwei freiwilligen Kollektivvertragsvereinigungen OGH 9 ObA 128/04w und 9 ObA 127/04y = RIS Justiz RS0120297), wonach durch den Wechsel der Kollektivvertragsangehörigkeit infolge des Betriebsüberganges, das dem Arbeitnehmer vor Betriebsübergang für die regelmäßige Arbeitsleistung in der Normalarbeitszeit gebührende kollektivvertragliche Entgelt nicht geschmälert werden darf. Dies unterstützt die Wertung der Kollektivvertragsparteien, jenen „alten Stammarbeitnehmern", die bisher ein höheres Entgelt hatten, dieses auch weiter festzulegen (hiebei handelt es sich allerdings um eine statische Festschreibung; zur Zulässigkeit von Einschleifregelungen Binder, AVRAG § 4 Rz 16 ff; ähnlich Holzer, Reisner Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz, 142 f jeweils mwN; vgl auch zuletzt etwa - Wehrhof; zur zeitlichen Dimension allfälliger Anpassungsfragen [Resch]). Genau dieses Regelungsziel der Aufrechterhaltung eines bisher nach dem alten Kollektivvertrag zustehenden höheren Entgeltes können die Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen. Für einen „Exzess" im Gestaltungsermessen der Kollektivvertragsparteien finden sich keine Anhaltspunkte.

Daraus folgt, dass der pauschale Ansatz der Kläger, jene Regelungen der „alten Stammbelegschaft", die für diese aufrecht erhalten wurden, auch für sich zu reklamieren, erfolglos bleiben muss."