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OGH vom 18.06.2009, 8Ob36/09s

OGH vom 18.06.2009, 8Ob36/09s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Lutka H*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 39 R 317/08v-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 5 C 158/05v-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist seit Hauptmieterin der Wohnung Top Nr 15 und seit Hauptmieterin der Nachbarwohnung Top Nr 14. Bei Abschluss des zweiten Mietvertrags wurde zwischen der Beklagten und dem damaligen Hausverwalter besprochen, dass die Wohnungen zusammengelegt werden. Ab etwa einem Jahr nach Abschluss des zweiten Mietvertrags erhielt die Beklagte eine einheitliche Mietzinsvorschreibung für beide Wohnungen, die nach dem Willen der Beklagten und der damaligen Vermieter eine einheitliche Wohnung sein sollten.

Kurz nach der Anmietung der Wohnung Top Nr 14 wurde in der Küche eine Duschkabine eingebaut, beide Wohnungen wurden durch einen Mauerdurchbruch verbunden. Der damalige Hausverwalter kannte diese baulichen Maßnahmen und war mit ihrer Durchführung einverstanden. Für keine dieser beiden Baumaßnahmen liegt eine baubehördliche Bewilligung vor, eine Anzeige an die Baubehörde erfolgte nicht.

Der Einbau der Dusche erfolgte durch ein Installateurunternehmen, bei dem der damalige Gatte der Beklagten beschäftigt war, der sich auch an den Arbeiten beteiligte. Er wurde insofern nicht fachgerecht durchgeführt, als es an einer Feuchtigkeitsisolierung mangelt. Weder steht fest, wer den Mauerdurchbruch vorgenommen hat, noch, ob dieser fachgerecht durchgeführt wurde. Weder der Einbau der Dusche noch der Mauerdurchbruch haben jedoch in den zwanzig Jahren ihres Bestehens eine Schädigung der Substanz des Hauses bewirkt.

Die klagende Partei ist Eigentümerin beider Wohnungen seit Juni 2004. Der Geschäftsführer der klagenden Partei forderte die Beklagte im September 2004 nach einer Besichtigung der Wohnung schriftlich auf, ihm die Baubewilligung für den Mauerdurchbruch zu senden, was die Beklagte nicht tat, weil eine solche Bewilligung nicht vorlag. Auch auf ein weiteres Schreiben des Rechtsanwalts der klagenden Partei vom reagierte die Beklagte nicht. In zwei Schreiben vom Februar und März 2005 forderte der Geschäftsführer der klagenden Partei die Beklagte auf, einem Baumeister Zutritt zur Wohnung zu gewähren, damit dieser „das Ausmaß der Schäden" feststellen könne. Dazu war die Beklagte jedoch nicht bereit.

Die klagende Partei kündigte am beide Wohnungen gerichtlich auf, weil der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG durch den Einbau eines Badezimmers ohne Horizontalisolierung und ohne Entlüftungsmöglichkeit und durch einen ebenfalls baubehördlich nicht bewilligten Mauerdurchbruch verwirklicht sei. Es bestehe die Gefahr der Durchfeuchtung des Bodens, die Beklagte verweigere den Zutritt zu ihrer Wohnung.

Die Beklagte erhob fristgerecht Einwendungen gegen die Aufkündigung. Sämtliche Umbauarbeiten seien im Einverständnis mit dem damaligen Hausverwalter erfolgt und hätten keine Schäden am Haus verursacht. Der Beklagten sei ein erheblich nachteiliger Gebrauch der Bestandsache nicht bewusst gewesen.

Das Erstgericht sprach im zweiten Rechtsgang aus, dass die gerichtliche Aufkündigung rechtswirksam sei und gab dem Räumungsbegehren statt. Bezüglich des Mauerdurchbruchs traf es im Rahmen der Beweiswürdigung die Feststellung, dass dieser keine Substanzgefährdung für das Haus darstelle. Nach der ihm vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang überbundenen Rechtsansicht sei der behauptete Kündigungsgrund durch den Einbau einer nicht feuchtigkeitsisolierten Dusche in Verbindung mit dem eine Mängelfeststellung verhindernden Verhalten der Beklagten verwirklicht. Beide von der Beklagten gemietete Wohnungen bildeten eine einheitliche Bestandsache.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Der behauptete Kündigungsgrund liege vor, die Beklagte habe auf vier Schreiben der klagenden Partei nicht reagiert, sodass der Kündigungsgrund auch durch dieses die Interessen des Bestandgebers schädigende Verhalten verwirklicht sei. Die ordentliche Revision gegen dieses Urteil sei im Hinblick auf den „Einzelfallcharakter" nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im klageabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil die bisher getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um die Rechtssache abschließend beurteilen zu können. Die Revision erweist sich daher im Sinn des Aufhebungsantrags auch als berechtigt.

In der Revision führt die Beklagte zusammengefasst aus, dass der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 Fall 1 MRG nicht verwirklicht sei, weil ein Schaden an der Substanz des Hauses durch den unsachgemäßen Einbau der Dusche nicht entstanden und der Beklagten - auch nach Erhalt der Schreiben der klagenden Partei - objektiv nicht erkennbar gewesen sei, dass von der Dusche eine Gefahr für die Substanz des Hauses drohe. Der Einbau der Dusche sei durch eine Installateurfirma erfolgt, sie habe während zwanzig Jahren problemlos benützt werden können. Die Beklagte habe der klagenden Partei ohnehin den Zutritt zur Wohnung ermöglicht, im Übrigen stünde der klagenden Partei die Möglichkeit der Antragstellung gemäß § 8 Abs 3 MRG offen. Den Feststellungen sei auch nicht zu entnehmen, ob durch den Einbau der Dusche eine Substanzverletzung des Hauses drohe.

Dazu ist auszuführen:

Nach ständiger Judikatur liegt ein erheblich nachteiliger Gebrauch iSd § 30 Abs 2 Z 3 MRG dann vor, wenn eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts wichtige Interessen des Vermieters verletzt oder eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgt oder droht (vgl RIS-Justiz RS0068076; RS0067939 jeweils mwN). Gerade auch ein unsachgemäßer Einbau einer Dusche ohne entsprechende Isolierung kann einen erheblichen nachteiligen Gebrauch darstellen (RIS-Justiz RS0070359).

Vergleichbar zu dem in 8 Ob 96/04g entschiedenen Sachverhalt wurde im vorliegenden Fall bei der Installation der Dusche zwar keine ausreichende Feuchtigkeitsisolierung vorgenommen, jedoch entstanden daraus durch nahezu zwei Jahrzehnte hindurch keinerlei Schäden an der Substanz des Hauses. Im konkreten Fall ist auch zu beachten, dass der Einbau der Dusche durch ein Installateurunternehmen und nicht durch unbefugte Gewerbsleute (vgl 8 Ob 96/04g = [T3] in RS0070359) erfolgte.

Die Beurteilung des Vorliegens der Kündigungsgründe hat bezogen auf den Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung zu erfolgen - hier also zum (vgl Klauser/Kodek, ZPO16 § 406 E 72 mwN). Ob der geltend gemachte Kündigungsgrund verwirklicht ist, kann aber nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, sodass sich die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts - ungeachtet der Einzelfallproblematik (RIS-Justiz RS0021018) - insoweit als korrekturbedürftig erweist; insbesondere fehlen Feststellungen zur Frage, ob von der unsachgemäß installierten Dusche eine Bedrohung der Substanz des Hauses ausgeht:

Die klagende Partei hat schon in der Aufkündigung vorgebracht (MietSlg 47.340), dass aufgrund der fehlenden Horizontalisolierung und Entlüftungsmöglichkeit „der Boden bzw die Tramdecke durchfeuchtet werden wird". In dieser Formulierung liegt, verbunden mit dem weiteren Vorbringen, dass die klagende Partei der baupolizeilichen Verfolgung ausgesetzt werde, unzweifelhaft die Behauptung der drohenden Substanzgefährdung. Zutreffend rügt die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang daher einen sekundären Verfahrensmangel.

Für die Verwirklichung des Kündigungsgrundes ist es aber auch erforderlich, dass sich der Mieter der erheblichen Nachteiligkeit seines Gebrauchs bewusst oder dieser ihm erkennbar ist und er den Gebrauch dennoch fortsetzt (8 Ob 96/04g; vgl RIS-Justiz RS0067957; RS0070433; RS0020981 jeweils mwN). Die Schädlichkeit seines Verhaltens muss dem Mieter nicht subjektiv erkennbar sein, vielmehr wird nur die nach einem generellen Maßstab von einem durchschnittlichen Mieter zu erwartende Erkennbarkeit der Schädlichkeit eines bestimmten Verhaltens zur Erfüllung des Kündigungsgrundes des erheblich nachteiligen Gebrauchs gefordert (3 Ob 164/02t = [T5] in RIS-Justiz RS0067957).

Sollte sich im fortzusetzenden Verfahren herausstellen, dass von der unsachgemäß installierten Dusche eine Bedrohung der Substanz des Hauses ausgeht, werden darüber hinaus Feststellungen zu treffen sein, ob der Beklagten - bei Anlegung der Fähigkeiten und des Verständnisses eines durchschnittlichen Mieters (3 Ob 164/02t = immolex 2003/150, 262 [zust Iby]) - bewusst war oder bewusst sein musste, dass sie eine unsachgemäß installierte Duschkabine verwendete. Dies kann nach den bisher getroffenen Feststellungen deshalb nicht verlässlich beurteilt werden, weil der Einbau der Dusche durch ein dafür befugtes Unternehmen erfolgte, sodass aus der bloßen Unterlassung einer Reaktion der Beklagten auf die Schreiben der klagenden Partei (und deren Rechtsanwalts) allein ebenso wenig auf die verlangte objektive Kenntnis geschlossen werden kann wie aus der fehlenden Bereitschaft der Beklagten, die Wohnung noch einmal (durch einen Baumeister) besichtigen zu lassen. Verweigert der Mieter dem Vermieter den Zugang zum Bestandobjekt, dann verwirklicht ein solches Verhalten nur ausnahmsweise, etwa im Fall einer akuten Gefahrensituation, einen Kündigungsgrund (5 Ob 291/07s = RIS-Justiz RS0068424). Aus dem verweigerten Zutritt resultierende Erschwernisse für die Beweisaufnahme reichen dafür nicht aus.

Der Revision war daher im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt ist in § 52 ZPO begründet.