OGH vom 23.02.1993, 10ObS284/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Raimund Zimmermann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Taucher (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj.Katharina Z*****, geboren ***** 1989, vertreten durch ihre Mutter Stefanie Z*****, beide wohnhaft *****, vertreten durch Dr.Thomas Zimmert und Dr.Elisabeth Zimmert, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Waisenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 60/92-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 22 Cgs 190/91-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin ab die Waisenrente in der gesetzlichen Höhe zu zahlen, abgewiesen wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 9.525,54 bestimmten Kosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 1.587,59 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist das uneheliche Kind des Roman L*****, der als Installateur bei einer Straßenbaufirma beschäftigt und außerdem Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr seines Heimatortes R***** war. Im Jahr 1987 wurde durch einen Zuschuß der Gemeinde und Spenden des Fremdenverkehrsverbandes, des Wirtschaftsbundes und der Raiffeisenkasse eine Weihnachtsbeleuchtung für die Gemeinde angeschafft, die über Ersuchen des Wirtschaftsbundes, des Fremdenverkehrsverbandes und der Gemeinde von 1987 bis 1990 alljährlich von der Freiwilligen Feuerwehr unentgeltlich montiert wurde. Auch im Dezember 1990 wurde der Feuerwehrkommandant vom Wirtschaftsbund, dem Fremdenverkehrsverein und der Gemeinde gebeten, mit der Freiwilligen Feuerwehr, die über die notwendigen Einrichtungen (Leitern) und die nötigen Fachkenntnisse hiezu verfügt, wiederum die Weihnachtsbeleuchtung aufzuhängen. Am montierte die Feuerwehr im Ortsbereich die Weihnachtsbeleuchtung der Straßen, wobei der dabei freiwillig mithelfende Vater der Klägerin mit einer Leiter umstürzte und sich tödliche Verletzungen zuzog.
Die beklagte Allgemeine Unfallversicherung lehnte mit Bescheid vom die Gewährung einer Waisenrente für die Klägerin ab, weil kein unter Versicherungsschutz stehender Arbeitsunfall vorliege. Der Unfall habe sich weder bei einer organisierten Ausbildung oder Übung noch bei einem Einsatzfall der Feuerwehr ereignet.
Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt und erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin ab die Waisenrente in der gesetzlichen Höhe zu gewähren und eine vorläufige Zahlung von S 500 monatlich zu erbringen. Die Bedienung und das Besteigen einer Feuerwehrleiter sowie Manipulationen auf dieser seien typische Tätigkeiten eines Feuerwehrmannes im Einsatzfall. Die Montage von Straßenbeleuchtungseinrichtungen von einer solchen Leiter aus sei daher als Übung der Bewältigung technisch schwieriger Einsatzsituationen zu bewerten. Da die Freiwillige Feuerwehr auch bei der Besorgung sonstiger Aufgaben der Gemeinde mitzuwirken habe, sei die unfallskausale Tätigkeit des Vaters der Klägerin auch Feuerwehreinsatz gewesen. Weil der österreichische Wirtschaftsbund Miteigentümer der Leiter gewesen und die Weihnachtsbeleuchtung auch in seinem Werbeinteresse montiert worden sei, habe der Vater der Klägerin dabei auch eine betriebliche Tätigkeit im Rahmen der Vereinigung mehrere Betriebe des Österreichischen Wirtschaftsbundes entfaltet. Diese Tätigkeit sei daher nach § 176 Abs 1 Z 7 und Z 6 ASVG unter Unfallversicherungsschutz gestanden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Allerdings sei die Montage der Weihnachtsbeleuchtung in den Straßen der Ortschaft R***** kein Fall einer Übung oder gar eines Einsatzes der Feuerwehr im Sinn des § 176 Abs 2 Z 7 ASVG gewesen. Nach dieser Gesetzesstelle seien den Arbeitsunfällen unter anderem Unfälle gleichgestellt, die sich in Ausübung der den Mitgliedern von Freiwilligen Feuerwehren im Rahmen der Ausbildung der Übungen und des Einsatzfalles obliegenden Pflichten ereignen. Das Unfallopfer müsse in Erfüllung der Pflicht eines Mitgliedes der Freiwilligen Feuerwehr tätig geworden sein. Nach dem hier anzuwendenden (wiederverlautbarten) Tiroler Landesfeuerwehrgesetz 1970, LGBl 1970/27, haben die Feuerwehren als Hilfsorgane der Gemeinde a) bei der Abwehr von Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Menschen und für die Sicherheit von Sachen bei Bränden und sonstigen
Unglücksfällen....... sowie bei der Vorbeugung gegen
Brandgefahren........ b) bei der Besorgung sonstiger Aufgaben der Gemeinde, zu deren ordnungsgemäßer Besorgung die Heranziehung der Feuerwehr im Hinblick auf ihre Ausrüstung und die Ausbildung ihrer Angehörigen notwendig ist, und c) in den sonstigen durch Gesetz bestimmten Fällen mitzuwirken. Die Montage einer Festbeleuchtung der Straßen zur Weihnachtszeit sei keinem dieser Bereiche zuzuordnen; sie gehöre nicht zu den Aufgaben, deren Besorgung den Gemeinden obliegt. Leiste ein Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr einer Bitte einer Gemeinde nach solcher Hilfe wie etwa Montage einer Weihnachtsbeleuchtung Folge, so handle es nicht in seinem Funktionsbereich als Feuerwehrmitglied; es erfülle dabei keine Pflicht eines Feuerwehrmannes, sondern leiste einen Gefälligkeitsdienst. Der Meinung des Erstgerichtes, es handle sich dabei um eine Übung, stehe entgegen, daß auch Übungen eines Feuerwehrmitgliedes nur dann Versicherungsschutz stünden, wenn das einzelne Mitglied damit seine Übungspflicht erfülle. Hier sei eine freiwillige Zusammenkunft von Feuerwehrmitgliedern ohne Ordnungsbefugnis und ohne Anordnungsausübung durch einen Feuerwehrvorgesetzten vorgelegen.
Dem Erstgericht sei aber beizupflichten daß es sich um einen nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG einem Arbeitsunfall gleichgestellten Unfall gehandelt habe. Für das Vorliegen einer dort geforderten betrieblichen Tätigkeit sei wesentlich, daß es sich um eine wenn auch nur kurzfristige Arbeit handle, die dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspreche und für ihn von wirtschaftlicher Bedeutung sei. Es müsse sich um eine ernstliche Tätigkeit handeln, die auch sonst im Betrieb angefallen wäre und üblicherweise von einem Arbeitnehmer im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses verrichtet werde. Dabei müsse das Unfallopfer in den fremden Betrieb eingegliedert sein. Die Montage einer Straßenbeleuchtung sei jedenfalls eine Tätigkeit, die üblicherweise im Rahmen eines (Gewerbe)Betriebes von Personen verrichtet werde, die nach § 4 ASVG voll versichert seien. Das Ersuchen zur Ausführung dieser Tätigkeit sei von der Gemeinde, dem Fremdenverkehrsverein und der Ortsgruppe des österreichischen Wirtschaftsbundes, also ebenfalls eines Vereines gekommen. Die Festbeleuchtung zur Weihnachtszeit habe allen drei Rechtspersonen nützlich sein können. Das aus verschiedenen Motiven von ihnen betriebene Vorhaben stelle daher einen in Form einer bürglich rechtlichen Erwerbsgesellschaft durch Einbringung der Sachwerte der Beleuchtung und der Dienstleistung der Montagearbeit errichteten Betrieb dar. In diesen sei der Vater der Klägerin derart eingegliedert gewesen, daß er zwar als elektrotechnisch versierter Fachmann keiner Ausführungsanweisungen bedurfte, sich aber solchen jedenfalls hinsichtlich der Gestaltung der Beleuchtung unterworfen und somit Weisungsempfangsbereitschaft gezeigt habe. Aber schon die Tätigkeit für eine einzelne Rechtsperson im Rahmen eines errichteten Betriebes zur Verkaufswerbung müsse als betriebliche Tätigkeit im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle angesehen werden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.
Zunächst ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß sich der Unfall des Vaters der Klägerin nicht in Ausübung der den Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr im Rahmen der Ausbildung, der Übungen und des Einsatzfalles obliegenden Pflichten ereignete, weshalb kein Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 7 ASVG besteht. Wie sich aus der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , 10 Ob S 63/92, näher dargelegten Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung ergibt, wollte der Gesetzgeber die danach versicherten Tätigkeiten nur auf Unfälle beschränken, die sich bei der Ausbildung, bei den Übungen und beim Einsatzfall ereignen. Die Entstehungsgeschichte verbietet eine ausdehnende Auslegung dahin, daß Mitglieder immer dann unter Versicherungsschutz stünden, wenn sie in Ausübung ihrer Pflichten handelten (so bereits SSV-NF 3/60 und 4/112). Der Oberste Gerichtshof hat auch ausgeführt (SSV-NF 2/140), daß der Versicherungsschutz nicht davon abhängt, daß sich der Unfall bei einer Ausbildung ereigne, sondern vielmehr davon, daß er auf eine im Rahmen der Ausbildung obliegende Pflicht zurückzuführen sei. Davon, daß der verunglückte Vater der Klägerin bei der Montage der Weihnachtsbeleuchtung in Ausübung der ihm als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr obliegenden Pflichten tätig geworden wäre, kann keine Rede sein (vgl auch SSV 20/102; bei andersgelagertem Sachverhalt SSV 26/126). Die Klägerin bringt im Revisionsverfahren dagegen auch nichts mehr vor.
Der tödliche Unfall ist aber auch nicht nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG einem Arbeitsunfall gleichgestellt, weil er sich nicht bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignete, wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt. Die Bestimmung setzt voraus, daß - selbst wenn es sich nur um eine vorübergehende Tätigkeit handelt - eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit vorliegt, die ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen braucht nicht vorzuliegen; auch die Beweggründe des Handelns sind für den Versicherungsschutz unerheblich. Grundsätzlich schließen auch Freundschaft und Gefälligkeitdienste den Versicherungsschutz nicht aus (vgl die Rechtsprechung des deutschen BSG NZA 1992, 862 mwN). Die Revisionwerberin macht aber zutreffend geltend, daß es sich schon deshalb um keine betriebliche Tätigkeit im Sinne der genannten Vorschrift gehandelt hat, weil es an der geforderten Eingliederung des Verunglückten in einen Betrieb fehlte. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit handelte es sich um eine solche aus dem Gebiet der Elektrotechnik; üblicherweise werden derartige Tätigkeiten von Elektroinstallationsunternehmen oder vergleichbaren Unternehmen verrichtet. Weder im Fremdenverkehrsverein noch im Wirtschaftsbund oder in der Gemeinde fallen derartige Tätigkeiten an; solche Tätigkeiten werden auch nicht üblicherweise von einem Arbeitnehmer im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses zu diesen Vereinigungen bzw Körperschaften verrichtet. Dies ergibt sich schon daraus daß die Freiwillige Feuerwehr gerade deshalb um die Montage der Weihnachtsbeleuchtung gebeten wurde, weil den drei genannten Vereinigungen bzw Körperschaften die technischen Ausrüstungen und die fachlichen Mitarbeiter fehlten. Entscheidend ist hier, daß die Freiwillige Feuerwehr (insoweit nach § 1 Abs 3 Tiroler LFG 1970 Körperschaft öffentlichen Rechts) gleichsam als Unternehmer (vgl SSV 5/31) um die Montage der Weihnachtsbeleuchtung ersucht wurde, während
ein solches Ersuchen nicht an den Vater der Klägerin ging, vielmehr
dieser nur als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr an den Arbeiten teilnahm. Ob die Freiwillige Feuerwehr im Rahmen eines Werkvertrages tätig wurde, wie die Revisionswerberin meint, oder nur aus Gefälligkeit, braucht nicht untersucht zu werden.
Selbst wenn man aber die Freiwillige Feuerwehr, der der Verunglückte angehörte, als Betrieb qualifizierte, verrichtete er bei der Montage der Weihnachtsbeleuchtung deshalb keine betriebliche Tätigkeit, wie sie sonst ein Vollversicherter ausübt, weil er dann nicht als Betriebsfremder, sondern als freiwilliges und ehrenamtliches Mitglied tätig wurde (ähnlich im Falle eines Mitgliedes des österreichischen Bergrettungsdienstes die Entscheidung vom , 10 Ob S 63/92; vgl auch SSV 26/92). Obwohl es - wie bereits gesagt - auf die Beweggründe des Tätigwerdens nicht ankommt und auch eine aus rein ideellen Gründen ausgeübte Tätigkeit erheblichen Wert für den unterstützten Betrieb haben kann, handelt es sich bei einer Tätigkeit, die zwar ihrer Art nach den Voraussetzungen einer "betrieblichen Tätigkeit" entsprechen würde, dann nicht um eine solche, wenn sie nur aufgrund mitgliedschaftlicher oder ähnlicher Verpflichtungen ausgeübt wird. Die Anwendung des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG setzt nämlich voraus, daß die Person wie in einem Dienst-, Lehr- oder ähnlichem Verhältnis Vollversicherter tätig wird. Ist für ein solches Verhältnis kein Raum, weil die Tätigkeit üblicherweise nicht aufgrund eines solchen Verhältnisses ausgeübt wird, ist die genannte Bestimmung nicht anzuwenden (10 Ob S 63/92 unter Hinweis auf Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung II 72.Nachtrag 476 e mwN zur ähnlichen deutschen Rechtslage). Die Mitarbeit an solchen Aktivitäten zählt auch bei Freiwilligen Feuerwehren zu den Tätigkeiten, die üblicherweise nicht von vollversicherten Dienstnehmern, sondern von den aktiven Mitgliedern im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Mitarbeit verlangt und auch ohne Bezahlung ausgeführt werden. Insoweit läßt die gesetzliche Unfallversicherung den Privatbereich, den sich die Bürger als Mitglieder eines Vereines schaffen, grundsätzlich unberührt (10 Ob S 63/92 unter Hinweis auf Brackmann aaO, 476 f).
Da der Tod des Vaters der Klägerin nicht durch einen Arbeitsunfall verursacht wurde, gebührt ihr keine Waisenrente nach § 218 ASVG, sodaß in Stattgebung der Berufung der Beklagten die Urteile der Vorinstanzen in klagsabweisendem Sinne abzuändern waren.
Obwohl die Klägerin zur Gänze unterlag, war ihr nach § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG der Ersatz der halben Kosten aller drei Instanzen zuzubilligen (SSV-NF 5/88 und 109 uva).