OGH vom 18.02.1999, 10ObS28/99m

OGH vom 18.02.1999, 10ObS28/99m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Scherz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Stipo G*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage und Rückforderung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 119/98i-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 43 Cgs 66/98z-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sozialrechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der am geborene Kläger ist kroatischer Staatsbürger und seit 1971 in Österreich wohnhaft. Er bezieht seit von der Beklagten eine Alterspension. Seit wurde ihm unter Anrechnung der Pension seiner Ehefrau (Gesamteinkommen nur S 6.623,90) eine Ausgleichszulage zuerkannt. Seit lebt er gemeinsam mit seiner Ehefrau in einer Wohnung in Innsbruck, die er mit schriftlichem Mietvertrag gemietet hat.

Mit Bescheid vom sprach die Beklagte aus, daß (1.) der Anspruch auf Ausgleichszulage mit ende und (2.) der vom bis entstandene Überbezug von S 43.294,80 rückgefordert werde und innerhalb von 4 Wochen an die Beklagte zurückzuzahlen sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß der gewöhnliche Aufenthalt im Inland nicht vorliege und daher ein Anspruch auf Ausgleichszulage nicht gegeben sei. Der entstandene Überbezug sei rückzufordern und werde vorläufig in Monatsraten von S 900 von der ab gebührenden Pension in Abzug gebracht.

Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt. Es erkannte die Beklagte schuldig, (1.) dem Kläger die Ausgleichszulage auch für den Zeitraum ab "in der gesetzlichen Höhe" zu gewähren und

(2.) die Rückforderung des genannten Überbezuges "zu unterlassen bzw bereits einbehaltene Raten zurückzuzahlen". Schließlich (3.) wies es das "Klagebegehren der beklagten Partei", den Kläger zur Rückzahlung des Überbezuges zu verpflichten, ab. Es stellte fest, der Kläger habe sich im Jahr 1997 zumeist ohne seine Ehefrau mehrfach im Ausland aufgehalten, nämlich um den 8. 5. (3 bis 7 Tage), vom 21. bis 25. 6. (5 Tage), vom 4. bis 8. 7. (5 Tage), vom 1. bis 8. 9. (7 Tage), vom 30. 9. bis 5. 10. (6 Tage), vom 4. bis 16. 11. (13 Tage) und vom 13. bis 16. 12 (3 Tage). Er habe sich somit im Jahr 1997 insgesamt 42 bis 46 Tage, also nicht einmal zwei Monate, im Ausland und die übrige Zeit in Österreich aufgehalten. Daraus und aus dem weiteren Umstand, daß die Ehefrau auch während dieser Auslandsaufenthalte in der gemeinsamen Ehewohnung in Österreich geblieben sei, folgerte das Erstgericht rechtlich, daß der Kläger die Anspruchsvoraussetzung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland (§ 292 Abs 1 ASVG idF SRÄG 1996, BGBl 1996/411) erfülle. Ein Überbezug liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Es wies das Begehren auf Gewährung der Ausgleichszulage für den Zeitraum seit ab und erkannte den Kläger schuldig, der Beklagten den Überbezug in der geltend gemachten Höhe in Monatsraten von S 900 "unter Berücksichtigung allenfalls bereits geleisteter Zahlungen" zurückzuzahlen. Wegen Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zur Frage des Aufenthaltes des Klägers im Inland nahm das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung vor und gelangte im Tatsächlichen zu dem Ergebnis, es könne "nicht festgestellt werden, daß sich der Kläger in der Zeit vom bis überwiegend in Österreich aufgehalten hat. Insbesondere sind hiervon die Zeiträume vom 4. 7. bis 27. 7., 1. 9. bis 25. 10. sowie 4. 11. bis 16. 12. (= 122 Tage) betroffen." Dazu führte das Berufungsgericht aus, alles in allem reichten die vorliegenden Beweisergebnisse nicht aus, um "positive Feststellungen zugunsten des Klägers treffen zu können." In rechtlicher Hinsicht legte es dar, der Kläger trage die Beweislast dafür, daß er sich in den strittigen Zeiten in Österreich aufgehalten habe; allfällige Negativfeststellungen gingen zu seinen Lasten. Da positive Feststellungen zum Inlandsaufenthalt nicht getroffen werden könnten, habe der Kläger die im § 292 Abs 1 ASVG idgF normierte Anspruchsvoraussetzung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland nicht bewiesen. Seine Auslandsaufenthalte seien keinesfalls als kurzfristig und nur vorübergehender Natur gewesen. Daher habe die Beklagte die Ausgleichszulage ab zu Recht nicht mehr weiter gewährt und den Überbezug rückgefordert.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß seinem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des nach ständiger Rechtsprechung in ihrem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, trägt im Verfahren über den Anspruch auf Ausgleichszulage der klagende Pensionsbezieher die objektive Beweislast dafür, daß er sich in den strittigen Zeiten in Österreich aufgehalten hat; allfällige Negativfeststellungen gehen zu seinen Lasten (SSV-NF 8/107; 10 ObS 401/97m = SSV-NF 11/153). Dies gilt jedoch, wie der Revisionswerber zutreffend aufzeigt, nur in solchen Verfahren, in denen der Kläger die Zuerkennung der Ausgleichszulage begehrt, die vom Versicherungsträger mit Bescheid abgewiesen wurde. Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch die Ausgleichszulage bis zum auf Grund eines rechtskräftigen Bescheides ausbezahlt erhalten. Der Bescheid vom sprach jedoch nicht nur aus, daß dieser Anspruch - rückwirkend - mit ende, sondern daß der vom bis entstandene Überbezug rückgefordert werde. Soweit nicht mit der vorliegenden Klage auch die Weiterzahlung der Ausgleichszulage ab dem begehrt wird (Sozialrechtssache nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG), handelt es sich im übrigen ausschließlich um die Rückforderung eines in der Vergangenheit entstandenen Überbezuges, also um eine Rechtsstreitigkeit über die Pflicht zum Rückersatz einer (angeblich) zu Unrecht empfangenen Versicherungsleistung (Sozialrechtssache nach § 65 Abs 1 Z 2 ASGG). Obwohl in einem solchen Rechtsstreit der Rückzahlungspflichtige formell als Kläger aufzutreten hat, kommt die materielle Klägerrolle dem beklagten Versicherungsträger zu (SSV-NF 6/143). Das gegen den eine Rückforderung aussprechenden Bescheid gerichtete Klagebegehren hat nach neuerer Auffassung nicht auf "Unterlassung des Verlangens" oder auf "Abstandnahme von der Rückforderung" zu lauten, sondern ist in Form eines negativen Feststellungsbegehrens zu erheben, daß der konkrete Rückforderungsanspruch des Versicherungsträgers nicht zu Recht bestehe oder der Kläger nicht zur Rückzahlung verpflichtet sei (SSV-NF 4/37, 5/4, 7/20 ua; ebenso Fink, Die sukzessive Zuständigkeit 384 mwN und Kuderna, ASGG 454 Erl 1 zu § 69). Soweit der Entziehungsbescheid bekämpft und die Weitergewährung noch nicht ausgezahlter Leistungen für die Zukunft begehrt wird, ist eine Leistungsklage zu erheben. Eine Verurteilung des Versicherungsträgers zur nochmaligen Erbringung bereits gewährter Leistungen ist jedenfalls nicht berechtigt (Fink aaO 385 mN aus der Rspr bei FN 103).

Wird in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 2 ASGG die Klage abgewiesen, weil eine Rückersatzpflicht des Klägers besteht, so ist ihm unter einem (d. h. ohne daß insoweit ein "Klagebegehren der beklagten Partei" vorläge) der Rückersatz an den Beklagten aufzuerlegen (§ 89 Abs 4 ASGG; Kuderna, ASGG2, 544 Erl 11 zu § 98). Dies hat seinen Grund darin, daß das Urteil des Sozialgerichtes an die Stelle des durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheides zu rücken hat.

In einer solchen Rechtsstreitigkeit darf aber - ausnahmsweise - nach § 87 Abs 4 ASGG eine Klage wegen des Bestehens einer Rückersatzpflicht des Klägers nur abgewiesen werden, wenn der Beklagte (Versicherungsträger) das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Pflicht beweist. Mit dieser Bestimmung sollte verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verteilung der Parteirollen Rechnung getragen werden (RV 7 BlgNR 16. GP, 54). Damit wird dem Beklagten nicht nur die subjektive Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen des Rückforderungsbegehrens auferlegt, sondern auch die objektive Beweislast zugewiesen: Der Versicherte soll durch die Zuweisung der formellen Klägerrolle nicht schlechter gestellt werden als dies seiner materiellen Stellung entspricht (Fasching/Klicka in Tomandl, SV-System 9. ErgLfg 755; Fink aaO 421). Gelingt also dem beklagten Versicherungsträger der Beweis für die Voraussetzungen der Rückersatzpflicht nicht, dann ist dem negativen Feststellungsbegehren des Klägers stattzugeben und seine Rückersatzpflicht zu verneinen.

Die Bestimmung des § 87 Abs 4 ASGG wiederholt allerdings nur den allgemeinen Grundsatz, daß sich die objektive Beweislast für das Bestehen des materiellen Anspruchs nicht nach der Verteilung der Parteirollen im Prozeß, sondern nach allgemeinen Grundsätzen bei negativen Feststellungsklagen richtet: Für das Vorliegen jener Tatsachen, die für den (in der Klage geleugneten) materiellen Anspruch des Beklagten rechtsbegründend sind, trägt dieser die Beweislast (Fink aaO mwN bei FN 148). Der Bestimmung kann jedoch nicht entnommen werden, daß der beklagte Versicherungsträger für alle rechtserheblichen Tatsachen im Zusammenhang mit dem Bestehen des materiellen Anspruchs beweisbelastet ist: Stützt der Kläger seine Bestreitung zB auf rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsachen, so trifft ihn die objektive Beweislast für deren Vorliegen (Fink aaO 422 mwN bei FN 150).

Nach § 107 Abs 1 ASVG hat der Versicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen zurückzufordern, wenn der Zahlungs- bzw Leistungsempfänger den Bezug durch bewußt unwahre Angaben, bewußte Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Eine der Voraussetzungen des § 107 Abs 1 ASVG für die Rückersatzpflicht des Klägers, nämlich daß die Geldleistung zu Unrecht erbracht wurde, ist nun im vorliegenden Fall, daß er - entgegen der bei Gewährung der Ausgleichszulage nach § 292 Abs 1 ASVG angenommenen Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland - sich in dem in der Vergangenheit liegenden fraglichen Zeitraum tatsächlich im Ausland aufgehalten hat. Würde man dem Kläger auch im Fall eines Rückforderungsbegehrens die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen der Ausgleichszulage auferlegen, wäre er insoweit für dieselben Tatsachen zweimal beweisbelastet: zuerst bei Einklagung seines Anspruchs auf Gewährung der Ausgleichszulage, dann neuerlich bei Abwehr des Rückforderungsanspruchs. Unter dem Aspekt des § 107 Abs 1 ASVG trifft also nicht den Kläger die Beweislast dafür, daß der Versicherungsträger die zurückgeforderte Leistung zu Recht, sondern den Beklagten dafür, daß er sie zu Unrecht erbracht habe.

Dabei wird nicht übersehen, daß der Anspruch auf Ausgleichszulage nach dem Wortlaut des § 292 Abs 1 ASVG nur besteht, solange der gewöhnliche Aufenthalt im Inland besteht. Anders als beim Grundanspruch auf die Pension selbst kommt es hier also nicht auf die Situation an einem bestimmten Tag, insbesondere dem Stichtag, an, weshalb jemand, der sich zum Zeitpunkt der Prüfung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage im Inland aufgehalten hat, damit vorerst auch nur mit deren Gewährung im betreffenden Monat rechnen kann; besteht der Inlandsaufenthalt dann nicht mehr weiter, so endet der Anspruch auf Ausgleichszulage auch mit dem Ende dieses Monats, weil nach § 296 Abs 2 vierter Satz ASVG der Anspruch auf Ausgleichszulage mit dem Ende des Monats endet, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch wegfallen (vgl 10 ObS 197/98p unter Hinweis auf Pfeil, DRdA 1998, 214 ff). Diese Aussage darf jedoch nicht dahin mißverstanden werden, daß der (bescheidmäßig zuerkannte) Anspruch auf Ausgleichszulage in einem solchen Fall ohne weiteres Verfahren (von selbst) erlischt; er könnte mangels eines diesbezüglichen im § 100 ASVG genannten Erlöschensgrundes nur mit Bescheid nach § 99 ASVG entzogen werden, es sei denn, die Ausgleichszulage wäre nur bevorschußt worden (vgl SSV-NF 4/1). Die zitierte Bestimmung des § 296 Abs 2 ASVG besagt nur, daß der materielle Anspruch wegfällt, nicht aber, daß eine mit Bescheid für die Zukunft zuerkannte Ausgleichszulage von selbst, also ohne weiteres Verfahren erlischt. Da das Fortwähren eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland bei Zuerkennung einer Ausgleichszulage für die Zukunft gewöhnlich nicht eigens geprüft, sondern stillschweigend unterstellt wird, trifft jeden Bezieher der Ausgleichszulage die Meldepflicht nach § 40 ASVG (die weitere Meldepflicht nach § 298 ASVG betrifft nur Umstände zur Höhe der AZ). Die fristgerechte Meldung des Auslandsaufenthaltes führt dann gegebenenfalls zur Entziehung der Leistung nach § 99 ASVG, die Verletzung der Meldepflicht überdies zur Rückforderung nach § 107 ASVG.

Ausgehend von dieser Rechtslage und der oben erwähnten Negativfeststellung des Berufungsgerichtes ist jedoch - anders als nach den insoweit nicht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes zu den Auslandsaufenthalten des Klägers - die Sache nicht spruchreif. Die Aussage, es könne nicht festgestellt werden, daß sich der Kläger in bestimmten Zeiträumen "überwiegend" in Österreich aufgehalten habe, ist nämlich aus folgenden, der Entscheidung des Senates vom , 10 ObS 197/98p zu entnehmenden Gründen die Vorwegnahme der rechtlichen Beurteilung und keine Tatsachenfeststellung:

Nach den Materialien zu der durch das SRÄG 1996 geänderten Bestimmung des § 292 Abs 1 ASVG wurde der frühere Terminus "im Inland aufhält" - über Anregung der betroffenen Sozialversicherungsträger - durch jenen des "gewöhnlichen Aufenthaltes" ersetzt, um so (besser als vorher) "seine Dauer und Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Natur zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen", wobei nach dem Willen des Gesetzgebers der neue Ausdruck im Sinne des § 66 Abs 2 JN verstanden werden solle (RV 214 BlgNR 20. GP, 44). Mit der Auslegung dieses neuen Gesetzesbegriffes hatte sich der Senat bereits in der Entscheidung 10 ObS 401/97m(SSV-NF 11/153) zu befassen und hierzu in Anknüpfung an die Judikturgrundsätze im Zusammenhang mit denselben Worten "gewöhnlicher Aufenthalt im Inland" in § 3 Abs 1 des Bundespflegegeldgesetzes ausgeführt, daß nach dem vom Gesetzgeber selbst für maßgeblich erachteten § 66 Abs 2 JN der allgemeine Gerichtsstand einer Person auch durch deren gewöhnlichen Aufenthalt begründet wird. Der Aufenthalt einer Person bestimmt sich ausschließlich nach tatsächlichen Umständen. Er hängt weder von der Erlaubtheit noch von der Freiwilligkeit des Aufenthaltes ab. Bei der Beurteilung, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, sind seine Dauer und seine Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen (§ 66 Abs 2 JN). Daran hat auch die verfassungsgesetzliche Definition des Begriffes "Hauptwohnsitz" in Art 6 Abs 3 B-VG durch Z 1 der B-VG-Novelle BGBl 1994/504, welche mit Wirkung ab in allen bundes- und landesrechtlichen Vorschriften den Begriff des "ordentlichen Wohnsitzes" ersetzt, nichts geändert. Der Anspruch hängt daher zunächst nur von der tatsächlichen physischen Anwesenheit im Bundesgebiet ab. Auf rechtliche Aspekte, insbesondere die Erlaubtheit des Aufenthaltes, kommt es daher ebensowenig an wie auf die allfällige Motivation für den Aufenthalt in Österreich. Der faktische Aufenthalt allein genügt freilich nicht. Die örtliche Nahebeziehung des Anspruchswerbers muß vielmehr eine höhere Intensität erreichen. Für die Qualifizierung des Aufenthaltes als "gewöhnlich" sind seine Dauer und Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Auf ein bloß volunatives Element ("Verbleibeabsicht") kommt es nicht an. Nur vorübergehende bzw kurzfristige Auslandsaufenthalte können daher den Anspruch nicht beeinträchtigen. Das ergibt sich bereits aus dem üblichen Wortsinn von "gewöhnlich" und den in § 66 Abs 2 JN enthaltenen allgemeinen Kriterien. Es stellt sich allerdings die Frage, bis zu welcher Dauer eines Auslandsaufenthaltes noch von einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt gesprochen werden kann, der nicht zur Versagung des Ausgleichszulagenanspruches führt. Abwesenheiten bis zu vier Wochen sind - ohne Rücksicht auf ihre Gründe - jedenfalls als unschädlich anzusehen.

In den weiteren Überlegungen wurde auf § 89 Abs 1 Z 3 ASVG verwiesen, wonach die Geldleistungsansprüche in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung ruhen, solange sich der Anspruchsberechtigte im Ausland aufhält; dieses Ruhen von Renten tritt jedoch (nach Abs 2) nicht ein, wenn der Auslandsaufenthalt in einem Kalenderjahr nicht zwei Monate überschreitet. Schließlich sprach der Senat in der genannten Entscheidung auch noch aus, daß das für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 7 Abs 1 ASGG maßgebliche Erfordernis des gewöhnlichen Aufenthaltes dem im Sinne des § 66 JN gleichwertig und dann nicht erfüllt sei, wenn sich der Versicherte, der seinen Wohnsitz im Ausland hat, jährlich nur einmal durch ein bis drei Monate an einem bestimmten Ort im Inland aufhält, die übrige Zeit jedoch ausschließlich im Ausland befindet.

Wie kürzlich auch Pfeil ("Der praktische Fall", DRdA 1998, 214 ff) gezeigt hat, stellte schon die frühere Formulierung eindeutig auf einen bestimmten Zeitraum des Inlandsaufenthaltes ab (arg "solange er sich im Inland aufhält" in § 292 Abs 1 ASVG aF); aus den oben zitierten Materialien zu 53. ASVG-Novelle werde deutlich, daß der Gesetzgeber hier offenkundig für solche Personen Erleichterungen habe schaffen wollen, die zwar grundsätzlich im Inland leben, diesen Aufenthalt jedoch kurzfristig und vorübergehend unterbrechen, allerdings ohne näher zu präzisieren, wie lange und wie oft solche Unterbrechungen tatsächlich "ausgleichszulagen-unschädlich" seien bzw wann keine tolerierbare Unterbrechung mehr vorliege. Aus der Umschreibung der Kriterien der Dauer und Beständigkeit (im Sinne des vom Gesetzgeber zitierten § 66 Abs 2 JN) werde deutlich, daß eine Gesamtschau anzustellen sei, in deren Rahmen die genannten Kriterien wichtige - aber eben nur - Indizien darstellen. Bei längeren Auslandsaufenthalten sei auch die Möglichkeit des Pensionsversicherungsträgers, die Voraussetzungen für den Ausgleichszulagenanspruch (insbesondere im Hinblick auf Nettoeinkommen und Unterhaltsansprüche) zu überprüfen, nicht mehr gewährleistet. Auslandsaufenthalte eines Ausgleichszulagenbeziehers hätten daher nur dann grundsätzlich keinen Einfluß auf den Weiterbestand dieses Anspruches, wenn sie zwei Monate pro Kalenderjahr nicht übersteigen, wobei es keinen Unterschied machen dürfe, ob der - zu lange - Auslandsaufenthalt ein ununterbrochener sei oder ob die Zweimonatsfrist durch mehrere Auslandsaufenthalte überschritten werde.

Schließlich wurde (wieder nach Pfeil aaO 218 f) auch die Fallgestaltung erörtert, daß der gewöhnliche Inlandsaufenthalt zwar wegfalle, dann aber wiederum aufleben könne: Begebe sich ein Pensionsbezieher etwa für vier Monate ins Ausland, um einen dort lebenden erkrankten Angehörigen zu betreuen, so sei die Unterbrechung zwar - auch dann, wenn alle Umstände dafür sprächen, daß der Anspruchsberechtigte wieder nach Österreich zurückkehren werde - zu lange, um einen kontinuierlichen gewöhnlichen Aufenthalt annehmen zu können. Aus der Möglichkeit des Auslandsaufenthaltswechsels während ein und desselben Jahres folge weiters, daß der Ausgleichszulagenanspruch für den jeweiligen Rest des Kalenderjahres, in dem ein gewöhnlicher Inlandsaufenthalt vorliegt, nicht verlorengehe, wenn der (die) Auslandsaufenthalt(e) im betreffenden Jahr bereits länger als zwei Monate (allenfalls zuzüglich der Toleranzfrist nach § 296 Abs 2 vierter Satz ASVG: "Ende des Monates, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch wegfallen") sei; auch eine Aliquotierung der (Zweimonats-)Frist etwa im Sinne von "wer erst zu Jahresmitte Ausgleichszulage beansprucht, darf im betreffenden Jahr auch nur einen Monat abwesend sein", wäre mit der Funktion dieser Leistung unvereinbar. Ausgleichszulagenrechtlich sei das Jahr daher bei wechselnden Aufenthalten grundsätzlich in verschiedene Perioden zu teilen. Andererseits reichten einige wenige Monate Inlandsaufenthalt im betreffenden Kalenderjahr dann nicht für dessen Qualifikation als "gewöhnlich" aus, je häufiger derartige Unterbrechungen mehrfacher unmittelbar aufeinanderfolgender (nicht ganz kurzfristiger) Auslandsaufenthalte durch Inlandsaufenthalte vorliegen bzw je länger diese dauern. Der Senat hat sich diesen Ausführungen angeschlossen (10 ObS 197/98p) und hält auch diesmal daran fest. Es muß im Einzelfall geprüft werden, wann die dauerhafte Beziehung eines Menschen zu seinem Aufenthaltsort unterbrochen wird.

Im Sinne dieser Darlegungen zu dem Anspruchserfordernis des § 292 Abs 1 ASVG bedarf es daher näherer Feststellungen über die näheren Umstände, insbes. Dauer und zeitliche Lagerung der Auslandsaufenthalte des Klägers, damit rechtlich beurteilt werden kann, ob der Rückforderungsanspruch des beklagten Versicherungsträgers zu Recht besteht. Die Negativfeststellungen des Berufungsgerichtes betreffend den "überwiegenden" Aufenthalt in Österreich ist zu unpräzise und erlaubt auch keine Lösung des Rechtsproblems nach der objektiven Beweislast. Was aber den mit der vorliegenden Klage ebenfalls geltend gemachten Anspruch auf Ausgleichszulage ab dem betrifft, so fehlen überhaupt Feststellungen über den Aufenthalt des Klägers in diesem Monat und in der folgenden Zeit bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Da das Berufungsgericht, von einer nicht gebilligten Rechtsansicht ausgehend, die für die Entscheidung wesentlichen Tatsachenfeststellungen nicht getroffen hat, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.