OGH vom 14.04.1994, 10ObS28/94

OGH vom 14.04.1994, 10ObS28/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Walter Holzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Robert Eheim (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Bernhard G*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Amhof und Dr. Damian, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Übergangsgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 33 Rs 81/93-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 14 Cgs 755/92-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger den Betrag von S 1.811,52 an Revisionskosten (darin enthalten S 301,92 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am geborene, bei der Beklagten pensionsversicherte Kläger erlitt am bei einem Sportunfall einen Trümmerbruch des medialen Tibiakondüls sowie eine Miniskus- und Bandverletzung am rechten Kniegelenk. Am wurde er im Rehabilitationszentrum "Weißer Hof" zur intensiven Bewegungstherapie stationär aufgenommen. Auf Grund von Unstimmigkeiten verließ er jedoch auf eigenen Wunsch diese Anstalt wieder. In weiterer Folge unterzog er sich im Lorenz Böhler-Unfallkrankenhaus und im Hanusch Krankenhaus weiteren Behandlungen, bei denen es sich jedoch um Krankenbehandlungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht um medizinische Maßnahmen der Rehabilitation, die von der Beklagten aus Mitteln der Rehabilitation finanziert wurden, handelte.

Mit Bescheid vom sprach der beklagte Pensionsversicherungsträger aus, daß dem Kläger vom bis zum gemäß § 306 ASVG ein Übergangsgeld gebühre und daß dieses monatlich S 28.560,-- betrage.

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt der Kläger Übergangsgeld für die Zeit von September 1991 bis März 1992. Im Anschluß an die stationäre Behandlung im Rehabilitationszentrum "Weißer Hof" habe er Rehabilitations- maßnahmen im Lorenz Böhler- und im Hanusch-Krankenhaus durchgeführt, weshalb ihm auch für die Zeit dieser Behandlung ein Übergangsgeld zu gewähren sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die vom Kläger angeführten medizinischen Maßnahmen seien Krankenbehandlungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht von der Beklagten gewährte Rehabilitationsmaßnahmen.

Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab, ohne den angefochtenen, durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheid wiederherzustellen. Übergangsgeld gebühre dem Kläger nur für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahmen gemäß § 302 Abs 1 Z 1 ASVG, nämlich der Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen. Bei den übrigen Maßnahmen handle es sich um Kranken- behandlungen, für die kein Anspruch auf Übergangsgeld bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, daß es in Wiederherstellung des Bescheides dem Kläger Übergangsgeld für die Zeit vom 12.9. bis gewährte und das darüber hinausgehende Begehren auf Zahlung von Übergangsgeld ab Oktober 1991 bis inklusive März 1992 abwies. Bis zur 50. ASVG-Novelle seien die Aufgaben der Rehabilitation nur durch die Unfallversicherung und die Pensionsversicherung wahrgenommen worden; im Rahmen der Krankenversicherung sei nur die Vorsorge für die Früherfassung der für Maßnahmen der Rehabilitation in Betracht kommenden Personen vorgesehen gewesen. Mit der 50. ASVG-Novelle seien medizinische Maßnahmen der Rehabilitation auch dem Aufgabenbereich der Krankenversicherung zugeordnet worden (§ 116 Abs 1 Z 4 ASVG). Gemäß § 154 a ASVG (eingeführt durch die 50. Novelle) seien als Rehabilitationsmaßnahmen jene anzusehen, die im Anschluß an die Heilbehandlung erfolgen, wobei der Maßnahmenkatalog des Abs 2 im wesentlichen den im § 302 Abs 1 ASVG angeführten Maßnahmen entspreche. Aus den Materialien zur 50. Novelle ergebe sich als Aufgabe der medizinischen Rehabilitation in der Krankenversicherung die Wiederherstellung des Gesundheitszustandes der Versicherten bzw. ihrer Angehörigen in einem solchen Maß, daß sie in die Lage versetzt würden, den ihnen angemessenen Platz in der Gemeinschaft möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen. Demgegenüber werde als Ziel der Rehabilitationsmaßnahmen in der Pensionsversicherung bezeichnet, Behinderte bis zu einem solchen Grad ihrer Leistungsfähigkeit herzustellen, daß sie im beruflichen und wirtschaftlichen Leben und in der Gemeinschaft einen ihnen angemessenen Platz möglichst dauernd einnehmen können. § 300 Abs 1 ASVG übertrage dem Pensionsversicherungsträger die Vorsorge für die Rehabilitation von Versicherten und Beziehern einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit, die an einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung leiden. Unter Berücksichtigung auch der Ziele der Rehabilitationsmaßnahmen in der Unfallversicherung (§ 172 Abs 2 ASVG) werde ersichtlich, daß Rehabilitation und Heilbehandlung nicht exakt voneinander getrennt werden könnten und die Heilbehandlung jedenfalls auch als Maßnahme der Rehabilitation anzusehen sei, wenn auch die Rehabilitationsmaßnahmen den Erfolg der Krankenbehandlung sichern und die Folgen der Krankheit erleichtern sollten und im Anschluß an die Krankenbehandlung zu gewähren seien. Rehabilitationsmaßnahmen sollten jedoch nach Absicht des Gesetzgebers nicht im Rahmen der Krankenbehandlung erfolgen. § 154 Abs 1 letzter Satz ASVG habe bereits vor der 50. Novelle neben den Rehabilitationsmaßnahmen aus der Pensionsversicherung die Möglichkeit von freiwilligen Leistungen des Krankenversicherungsträgers im Rahmen von Krankenbehandlungen und Anstaltspflege vorgesehen, soweit nicht schon ein Anspruch aus dem Versicherungsfall der Krankheit bestehe. Der Katalog der Rehabilitationsmaßnahmen, die dem Pensionsversicherungsträger obliegen, umfasse medizinische, berufliche und soziale Maßnahmen. Gemäß § 306 ASVG habe der Pensionsversicherungsträger dem Versicherten für die Dauer der Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation oder einer Ausbildung gemäß § 198 Abs 2 Z 1 ASVG Übergangsgeld zu leisten. Das Übergangsgeld sei eine jener Maßnahmen, die den Versicherten für die Rehabilitation motivieren sollen. Es sei daher wesentlich, daß auf das Übergangsgeld ein Anspruch nur dann bestehe, wenn und solange Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation gewährt werden. Damit stehe auch im Zusammenhang, daß Zeiten, während derer der Versicherte Übergangsgeld bezog, als Ersatzzeiten gelten.

Der Kläger sei 1991, also vor Inkrafttreten der 50. ASVG-Novelle, von dem dafür ausschließlich zuständigen Pensionsversicherungsträger in einer Krankenanstalt, die überwiegend der Rehabilitation diene, untergebracht worden. Die Beklagte habe dafür auch dem Kläger von Beginn der stationären Aufnahme am an Übergangsgeld gewährt. Die vom Kläger nach Abbruch dieser Rehabilitationsmaßnahme durchgeführten, vom Krankenversicherungsträger getragenen Maßnahmen, mögen sie auch der Rehabilitation gedient haben, fielen nicht unter die Maßnahmen nach § 302 Abs 1 Z 3 ASVG, weil sie nicht vom Pensionsversicherungsträger gewährt worden seien. Dem Kläger gebühre daher auch für die Dauer der Behandlung im Lorenz Böhler- und im Hanusch Krankenhaus kein Übergangsgeld von der Beklagten als Pensionsversicherungsträgerin nach § 306 Abs 1 ASVG. Rehabilitationsmaßnahmen des Krankenversicherungsträgers lösten keine Leistung des Pensionsversicherungsträgers auf Übergangsgeld aus. Das Berufungsgericht sprach schließlich (entgegen § 45 Abs 4 ASGG) aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß seinem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.

Die Beklagte erstattete keine Revisions- beantwortung.

Die Revision ist unabhängig von dem - überflüssigen - Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des Entscheidungsgegenstandes zulässig, weil es sich beim Übergangsgeld um eine wiederkehrende Leistung handelt und gemäß § 46 Abs 3 ASGG im Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen die Revision auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Hinsichtlich des rechtlichen Charakters der medizinischen und sozialen Leistungen der Rehabilitation ist der Gesetzgeber einen ungewöhnlichen Weg gegangen: Zwar wird der Versicherungsträger verpflichtet, die Leistungen der Rehabilitation nach pflichtgemäßem Ermessen zu erbringen, er hat jedoch keinen Bescheid zu erlassen. Mangels eines klagbaren Bescheides hat daher der Leistungswerber keine Möglichkeit, die Erbringung von Leistungen der Rehabilitation im Leistungs- streitverfahren durchzusetzen (Teschner in Tomandl, SV-System 5. ErgLfg 420 unter Hinweis auf SZ 61/117 = SSV-NF 2/50; vgl. auch SZ 56/44). Bereits in den Gestzesmaterialien zur 32. ASVG-Novelle (181 BlgNR 14. GP, 47 und 49) wurde ausgeführt, daß das Gesetz nunmehr die Pensionsversicherungs- träger zur Leistung der Maßnahmen der Rehabilitation verpflichte, ohne allerdings einen individuellen Leistungsanspruch vorzusehen (ebenso RV 284 BlgNR 18. GP 27 zu § 154 a ASVG idF 50. Nov, zitiert auch bei Teschner-Widlar, ASVG 55. ErgLfg 856/6). Ein individueller Rechtsanspruch bestehe allerdings auf das im Rahmen einer beruflichen Ausbildung bzw. im Zuge von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation in der Pensionsversicherung vorgesehene Übergangsgeld. Wie aus der Fassung der §§ 199 Abs 1 und 300 Abs 1 des Entwurfes hervorgehe, habe der Versicherungsträger, sofern er eine der erwähnten Maßnahmen gewähre, dem Versicherten Übergangsgeld zu leisten. Aus diesem Grund sehe § 367 Abs 1 ASVG nunmehr ausdrücklich eine Bescheidpflicht bei Antragstellung auf Gewährung des Übergangsgeldes vor (RV aaO 50; vgl. auch Hannemann-Peterka, Die Rehabilitation im Bereich der Sozialversicherung, SoSi 1979, 345 ff).

Aus den bisherigen Überlegungen folgt, daß der

Pensionsversicherungsträger dem Versicherten für die Dauer der

Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation ... nur dann

nach § 306 Abs 1 ASVG ein Übergangsgeld zu leisten hat, wenn er

selbst die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation gewährt. So

wurde der Gesetzestext auch bereits in den oben zitierten Materialien

verstanden (181 BlgNR 14. GP, 50: "... hat der Versicherungsträger,

sofern er eine der erwähnten Maßnahmen gewährt, dem Versicherten Übergangsgeld zu leisten"). Nur dann, wenn der Pensionsversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen die entsprechenden Maßnahmen gewährt (§ 301 Abs 1 ASVG), hat er das Übergangsgeld zu leisten. Während der Versicherte auf die Maßnahmen der Rehabilitation keinen klagbaren Rechtsanspruch hat, gewinnt er diesen Rechtsanspruch auf Übergangsgeld erst infolge Gewährung der Rehabilitationsmaßnahmen. Aus § 306 Abs 1 ASVG kann jedoch kein Anspruch auf Übergangsgeld gegen den Pensionsversicherungsträger erwachsen, nur weil ein anderer Sozialversicherungsträger (der Krankenversicherungsträger) Maßnahmen der Rehabilitation gewährt. Andernfalls würde nämlich ein Krankenversicherungsträger letztlich die Entscheidung darüber treffen, ob der Pensionsversicherungsträger Übergangsgeld zu gewähren hat. Die Gewährung von Übergangsgeld nach § 306 Abs 1 ASVG ist einschließlich der vorgelagerten Gewährung von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation als Leistung der Pensionsversicherung den Pensionsversicherungsträgern vorbehalten. Daraus folgt, daß dem Kläger ab Oktober 1991 kein Übergangsgeld zusteht, weil der beklagte Pensionsversicherungsträger ab diesem Zeitpunkt keine Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation gewährte.

Gegen dieses Ergebnis spricht nicht, daß nach § 154 a Abs 3 ASVG die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation in der Krankenversicherung bei einem Pensions- oder einem Unfallversicherungsträger zu beantragen sind, weil sie den Antrag an den zuständigen Krankenversicherungsträger weiterzuleiten haben, soweit sie diese Maßnahmen nicht selbst gewähren bzw zu gewähren haben oder ihre Gewährung an sich ziehen (§§ 191 Abs 2, 302 Abs 2 ASVG). Mit dieser Regelung verbindet sich nach den Gesetzesmaterialien zur 50. ASVG-Novelle die Erwartung, daß die Trennung zwischen den medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation in der Krankenversicherung einerseits und solchen Maßnahmen im Bereich der Pensions- und Unfallversicherung andererseits auch bei der praktischen Durchführung klar vorgenommen werden können. Eine solche klare Trennung sei Voraussetzung dafür, daß die Krankenversicherungsträger ihre Zuständigkeit für die Durchführung der medizinischen Rehabilitation, die sich auf die kranken-, aber nicht pensionsversicherten Personen erstreckt, in einwandfreier Weise wahrnehmen können (284 BlgNR 18. GP 28). Nach § 154 a Abs 4 ASVG kann der Krankenversicherungsträger die Durchführung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation zwar einem Pensionsversicherungsträger übertragen, aber nur mit dessen Zustimmung und unter Kostenersatz (zur Zuständigkeitskonkurrenz siehe Kindermann, SoSi 1992, 547 [550]. Diese Rechtslage besteht allerdings erst seit dem (§ 547 Abs 1 Z 1 ASVG).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da eine oberstgerichtliche Judikatur zu § 306 ASVG nicht vorliegt, die Entscheidung also von der Lösung einer Rechtsfrage iS des § 46 Abs 1 Z 1 ASGG abhängt, entspricht es der Billigkeit, dem unterlegenen Kläger die Hälfte seiner Revisionskosten zuzusprechen (SSV-NF 6/61 mwN), allerdings nur auf Grund der gesetzlichen Kostenbemessungsgrundlage des § 77 Abs 2 ASGG (S 50.000,--).