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OGH vom 24.04.2020, 8ObA5/20y

OGH vom 24.04.2020, 8ObA5/20y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreid der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Schindler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 23.770,02 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 45/19g-17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Im Dienstvertrag des Klägers war zur Dauer des Dienstverhältnisses zur Beklagten Folgendes vereinbart:

„Sie werden ab bei uns als Head of Content & Strategy tätig sein.

Die Zeit vom bis gilt als befristetes Dienstverhältnis (wobei der erste Monat als Probemonat gilt), welches am in ein unbefristetes Dienstverhältnis übergeht, sofern dies vorher nicht ausdrücklich schriftlich widerrufen wird.“

Das wies das auf die Zahlung eines Entgelts und einer Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 1. 8. bis gerichtete Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

In seiner gegen diese Entscheidung gerichteten zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Die Frage, ob der Zugang einer Kündigung gegen Treu und Glauben verhindert wurde, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0028552 [T8]) und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO. Eine auffallende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht bringt der Kläger schon aufgrund nachstehender Erwägungen nicht zur Darstellung:

2. Nach § 886 Satz 1 ABGB kommt ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, durch die Unterschrift der Parteien (…) zustande. Die Schriftform erfordert somit grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift unter dem Text (RS0078934). Das Erfordernis der Schriftform soll ganz allgemein gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können (RS0017221). Darüber hinaus ist jedes Formgebot auf seinen Zweck zu untersuchen (vgl RS0031424; RS0013121). Daher ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Schriftformgebot nach dem konkreten Formzweck auch dann eingehalten ist, wenn das eigenhändig unterfertigte Schriftstück bloß unter Einsatz elektronischer Medien übermittelt wird (RS0031424 [T6]).

3.1 Im konkreten Fall haben die Parteien, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, die Schriftform für eine sogenannte – von einer Kündigungserklärung eines unbefristeten Dienstverhältnisses zu unterscheidende (vgl RS0063980; RS0118100) – Nichtverlängerungserklärung vereinbart. Diese Erklärung bringt das Festhalten an der Befristung zum Ausdruck (vgl RS0063980 [T2]) und verhindert lediglich die (schlüssige) Überleitung in ein unbefristetes Dienstverhältnis (9 ObA 107/04g). Erkennbar zielt das Formgebot hier in erster Linie auf die Schaffung von Rechtssicherheit ab. Demgegenüber tritt dessen Bedeutung für eine Überprüfung der Berechtigung der Erklärung, wie das Berufungsgericht erkannt hat, in den Hintergrund, zumal eine solche „Auslaufmitteilung“ – anders als eine Kündigung, auf die sich die Ausführungen zu 9 ObA 110/15i beziehen – keiner Kündigungsanfechtung unterliegt.

3.2 Nach den Feststellungen teilte die unmittelbare Vorgesetzte des Klägers diesem in einem in Anwesenheit einer Mitarbeiterin der Personalabteilung am Freitag, den , um 15:00 Uhr geführten Gespräch mit, dass „man eine Zusammenarbeit mit ihm als Dienstnehmer der Beklagten über den nicht wünsche“. Ein bereits vor diesem Gespräch aufgesetztes Auflösungsschreiben, das ua den Passus „Wir teilen Ihnen mit, dass das mit Ihnen geschlossene befristete Dienstverhältnis mit endet und nicht in ein unbefristetes Dienstverhältnis übergeht.“ enthielt, konnte nur deshalb nicht sogleich an den Kläger ausgehändigt werden, weil es erst in den Abendstunden vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet wurde. Nach dem Wochenende meldete sich der Kläger sowohl am 30. 7. als auch am unter Verwendung seiner Firmen-E-Mail-Adresse krank. Nachdem ein Versuch der Beklagten am 30. oder 31. 7. gescheitert war, dem Kläger das Auflösungsschreiben vom an seiner W***** Adresse durch einen Office-Mitarbeiter persönlich zu übergeben, weil sich der Kläger in B***** aufhielt, und er für die Beklagte auch nicht telefonisch erreichbar war, übermittelte ihm die Beklagte am das eingescannte Auflösungsschreiben per EMail an seine Firmen-EMailAdresse. Am Account des Klägers langte dieses EMail unter dem Betreff „Auflösung des Dienstverhältnisses“ noch am Nachmittag desselben Tages ein.

3.3 Unter Bedachtnahme darauf, dass der EMailVerkehr in geschäftlichen Angelegenheiten nicht nur allgemein, sondern besonders im Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen üblich war und der Anhang eines E-Mails (anders als ein per WhatsApp übermitteltes Foto; 9 ObA 110/15x) leicht ausgedruckt werden kann, gelangte das Berufungsgericht zur Auffassung, dass die Übermittlung des eingescannten Auflösungsschreibens als Anhang eines EMails die im Dienstvertrag vereinbarte Schriftform erfüllt hat. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung. Die Vorgangsweise der Beklagten trägt sowohl der Klarstellungs- als auch der Beweisfunktion des Formgebots Rechnung, zumal der Kläger schon nach dem Gespräch vom keinen Zweifel über die Nichtfortsetzung des Dienstverhältnisses zur Beklagten – also über den Inhalt der späteren Erklärung – haben konnte. Selbst wenn der Kläger – wie er behauptet – nicht über einen eigenen Drucker verfügen sollte, erwächst ihm kein ersichtlicher Nachteil daraus, von der Beklagten nicht unmittelbar eine „Hardcopy“ erhalten zu haben, weil der Anhang eines EMails problemlos (auch an allfällige Beratungsstellen) weitergeleitet werden kann. Soweit sich der Kläger auf seine Schutzbedürftigkeit beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass er nach den (dislozierten) Feststellungen bemüht war, jegliche Kontaktaufnahme durch die Beklagte im „kritischen“ Zeitraum bewusst zu vereiteln.

4. Nach der Bestimmung des § 12 Satz 1 ECG gelten elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen als zugegangen, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Eine Kenntnisnahme dieser Erklärungen durch den Empfänger wird nicht vorausgesetzt; maßgeblich ist vielmehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme „unter gewöhnlichen Umständen“ (vgl RS0123058).

Nach den Feststellungen war das EMail samt Anhang für den Kläger noch am Nachmittag des abrufbar. Dass er es krankheitsbedingt nicht hätte abrufen können, behauptet der Kläger gar nicht. Dies stünde auch in Widerspruch zu den Feststellungen, dass er am seine Firmen-EMailAdresse benutzte, um sich krank zu melden und um zwei berufliche Termine abzusagen, womit er seine Erreichbarkeit per EMail zu erkennen gab, bevor er am wieder in den Büroräumlichkeiten der Beklagten in W***** erschien und sich arbeitsbereit meldete.

5. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00005.20Y.0424.000

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