VfGH vom 30.09.1982, B441/77
Sammlungsnummer
9518
Leitsatz
EStG 1972; keine Bedenken gegen § 6; Aktivierung des Firmenwertes eines Lichtspieltheaters mit den Anschaffungskosten gemäß § 6 Z 2 - keine denkunmögliche Gesetzesanwendung
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin ist eine OHG, an der seit dem Jahre 1972 die Wiener Stadthalle-Kiba, Betriebs- und Veranstaltungsgesellschaft m. b. H. als Gesellschafterin mit einem Anteil von 80% beteiligt ist (20% der Anteile liegen bei einer zweiten Gesellschafterin); sie betreibt ein Lichtspieltheater in Wien.
Die Gewerbesteuererklärung für 1973 fußt auch auf der Ergänzungsbilanz zum (Ergänzungs-, Gewinn- und Verlustrechnung 1973) der genannten Gesellschafterin, in der eine Abschreibung vom käuflich erworbenen Firmenwert vorgenommen worden ist.
Das Finanzamt für den I. Bezirk hat im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1973 und im Gewerbesteuerbescheid 1973 diese Abschreibung nicht anerkannt. In der Begründung der Bescheide ist auf die Feststellungen der Betriebsprüfung verwiesen. In dem Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung ist diesbezüglich festgestellt, daß gemäß § 6 EStG 1972 die Abschreibung eines käuflich erworbenen Firmenwertes nur dann möglich sei, wenn er auf persönliche Leistungen des Rechtsvorgängers (zB den von ihm geschaffenen Kundenstock) zurückzuführen sei. Da bei einem Lichtspieltheater nicht die persönliche Leistung des Rechtsvorgängers, sondern die Programmgestaltung des Unternehmens für die Besucheranzahl maßgeblich sei, habe der Firmenwert nicht abgeschrieben werden können, da sich in der Programmgestaltung keine Änderungen ergeben hätten. Abgesehen davon sei das Ausscheiden eines Gesellschafters allein aus einer OHG, wobei die verbleibenden Gesellschafter das Unternehmen fortführten, kein Grund zur Abschreibung eines Firmenwertes.
Die Beschwerdeführerin hat berufen. Mit Berufungsentscheidung vom , Z 6-2765/1/77, hat die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. - Berufungssenat VI die Berufung als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung des Bescheides geht die Behörde davon aus, es sei unbestritten, daß der Firmenwert zum Anlagevermögen zähle, ferner, daß sich die Vorschriften des Handelsrechtes und jene des Steuerrechtes über die Bewertung von Wirtschaftsgütern nicht decken und daß somit zu prüfen sei, ob es eine steuerrechtliche Vorschrift gebe, die dem handelsrechtlichen Grundsatz, daß der derivative Firmenwert durch jährliche Abschreibung zu tilgen sei, widerspreche. Die Behörde geht dann auf das Berufungsvorbringen ein, daß § 6 Abs 2 EStG 1972 nicht mehr die dem Handelsrecht widersprechende Regelung des § 6 Abs 2 EStG 1967 enthalte, wonach Geschäfts- oder Firmenwert ausdrücklich als nichtabschreibbares Wirtschaftsgut angesprochen worden war, und daß somit seit dem in Beachtung der handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften und des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz eine angemessene Abschreibung auf den Firmenwert auch für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung als Betriebsausgabe anzuerkennen sei. Dieser Schluß sei nicht zwingend. Mit der Gesetzesänderung sei, wie auch dem Motivenbericht zum EStG 1972 zu entnehmen sei, dem Umstand Rechnung getragen worden, daß es sich beim Geschäfts- oder Firmenwert wirtschaftlich gesehen auch um ein abnutzbares Wirtschaftsgut handeln könne. Es sei daher nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob der jeweilige Firmenwert ein abnutzbares Wirtschaftsgut darstelle oder nicht.
Abnutzbarkeit des Firmenwertes werde dann anzunehmen sein, wenn die übernommene Marktposition, der Kundenstock, der Ruf des Unternehmens, eben all das, was den Geschäfts- oder Firmenwert ausmache, auf persönliche Leistungen des Rechtsvorgängers zurückzuführen sei. Als Kennzeichen dieses personenbezogenen Firmenwertes könne angesehen werden, daß der Geschäftswert entscheidend auf dem persönlichen Vertrauen Dritter zum Inhaber eines Gewerbebetriebes beruhe. Nach Ansicht der Behörde trete bei einem Lichtspieltheater dieses Vertrauen der Kundschaft zum Unternehmer völlig zugunsten des Vorteiles des besseren Standortes in den Hintergrund. Dies vor allem deshalb, weil der Kinounternehmer mit dem Publikum in keinen derart engen Kontakt trete, daß gesagt werden könne, seine Persönlichkeit sei in irgendeiner Weise für den Ruf des Kinos verantwortlich. Den Ausführungen in der Berufung, daß Erfolge, die durch günstige Auswahl der Filme bzw. durch vorteilhafte Vertragsabschlüsse erzielt würden, auch persönliche Leistungen des Unternehmers darstellten, sei zu entgegnen, daß die Möglichkeit der guten Programmgestaltung letztlich auch nur Ausfluß des günstigen Standortes sei. Die Erfahrung lehre, daß in Wien jene Lichtspieltheater den besten Ruf genössen, deren Unternehmer in der Lage seien, die zugkräftigen Filme etwa in Form von Ur-, Erst- oder Alleinaufführungen etc. auf den Markt zu bringen. Dafür sei aber Voraussetzung, daß der Unternehmer die Möglichkeit habe, die in diesen Fällen hohen Preise an den Filmverleih zu bezahlen. Dies sei ihm aber nur möglich, wenn er seinerseits wieder entsprechend hohe Preise verlangen könne und mit einer ausreichend langen Laufzeit des Filmes zu rechnen sei. Beides sei jedoch wieder standortbedingt. Einerseits sei nicht das Publikum eines jeden Bezirkes bereit, für einen Kinobesuch hohe Preise zu zahlen, andererseits sei für die Laufzeit die Größe des Einzugsgebietes und dessen günstige Lage maßgebend. Die Behörde sei daher zur Ansicht gekommen, daß für den streitgegenständlichen Firmenwert ausschließlich der Standort des Unternehmens im Zentrum Wiens maßgebend sei. Da aber ein standortbedingter Firmenwert keiner laufenden Abnutzung unterliege, seien hiefür gemäß § 6 Abs 2 EStG 1972 die Anschaffungskosten anzusetzen gewesen.
2. Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auch auf Gleichheit vor dem Gesetz (uzw. dadurch, daß eine Steuer auf Grund einer gesetzwidrigen Verordnung bzw. ohne gesetzliche Grundlage auferlegt worden sei) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
Zur Begründung wird in der Beschwerde - auf das Wesentliche zusammengefaßt - ausgeführt:
Gemäß § 38 HGB sei jeder Vollkaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen.
Diese auf dem Brauch ordentlicher Kaufleute beruhenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung verböten die Aktivierung eines selbstgeschaffenen ("originären") Geschäfts- oder Firmenwertes; ein durch Rechtsgeschäft erworbener, dh. aus der Anschaffung eines Unternehmens oder Gesellschaftsanteiles resultierender ("derivativer") Firmenwert dürfe zwar aktiviert werden, doch stelle er ein abnutzbares Wirtschaftsgut dar, auf das angemessene jährliche Abschreibungen vorzunehmen seien. In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen stehe § 133 Z 5 Aktiengesetz 1965. Nach unbestrittener Lehre und nach der Praxis ordentlicher Kaufleute sei diese Vorschrift nicht nur für Aktiengesellschaften, sondern auch für Unternehmungen anderer Rechtsform, die ordnungsmäßige Bücher zu führen und Bilanzen zu erstellen hätten, bindend, was übrigens auch von der belangten Behörde offenbar nicht bestritten werde. Die Abschreibung solle in der Regel in fünf Jahren beendet sein. Genauso hätte sich die Beschwerdeführerin bei Erstellung der Ergänzungsbilanz zum ihrer Gesellschafterin verhalten.
Aus § 5 EStG 1972 hätten Lehre, Praxis und Rechtsprechung den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz bzw. für die Ermittlung des steuerlichen Gewinnes entwickelt, der insbesondere besage, daß alle richtigen Wertansätze in den Handelsbilanzen auch für die steuerliche Gewinnermittlung bindend seien, soweit sich nicht aus den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über die Gewinnermittlung zwingend etwas anderes, also ein abweichender Wertansatz, ergebe.
Der durch Abschreibung von 20 v. H. der Anschaffungskosten verminderte Wertansatz des Firmenwertes in der Ergänzungsbilanz der Gesellschafterin der Beschwerdeführerin sei daher richtig gewesen; er sei daher auch für die Besteuerung maßgeblich, sofern sich aus den Vorschriften des EStG 1972 nichts Gegenteiliges ergebe.
Das bis geltende EStG 1967 habe den Geschäfts- oder Firmenwert durch Aufnahme in § 6 Abs 1 Z 2 für steuerliche Zwecke zum nicht abnutzbaren Wirtschaftsgut erklärt, weshalb damals Absetzungen für Abnutzung auf dieses Aktivum steuerlich unzulässig gewesen seien. Durch die Streichung der Worte "Geschäfts- oder Firmenwert" in § 6 Z 2 EStG 1972 sei aber diese vom Handelsrecht abweichende einkommensteuerliche Gewinnermittlungsvorschrift ersatzlos weggefallen. Die belangte Behörde könne sich für die Nichtanerkennung der 1973 erfolgten Absetzung für Abnutzung auf den Firmenwert auf keine gesetzliche Vorschrift stützen.
Allerdings enthalte Abschnitt 36 der Einkommensteuerrichtlinien 1973 - EStR 1973 - (Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom , AÖFV Nr. 188/1973) Bestimmungen über den Firmenwert, auf die sich offenkundig die belangte Behörde zur Begründung der Nichtanerkennung der Absetzung für Abnutzung auf den Firmenwert gestützt habe, wenngleich eine Zitierung dieser Rechtsgrundlagen offensichtlich deshalb vermieden worden sei, weil dies in der Einleitung zu den EStR 1973 so angeordnet worden sei.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin stellten die EStR 1973 zumindest insoweit eine Verordnung dar, als sie inhaltlich über die Wiedergabe der Rechtsprechung der Höchstgerichte hinausreichten. Gerade im Abschnitt 36 treffe dies zu, da der dort enthaltene Text infolge der Neufassung des § 6 Z 2 EStG 1972 keine Hinweise auf die Judikatur, wohl aber normative Vorschriften über die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Absetzungen für Abnutzung auf den Geschäfts- oder Firmenwert enthalte.
Dem für den Beschwerdefall präjudiziellen Abschnitt 36 EStR 1973 sei daher der Charakter einer Rechtsverordnung zu § 6 EStG 1972 beizumessen. Diese Rechtsverordnung, die nur im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung verlautbart worden sei, wäre schon mangels ihrer Kundmachung im Bundesgesetzblatt als gesetzwidrig aufzuheben. Der auf Grund dieser gesetzwidrigen Rechtsverordnung erlassene angefochtene Bescheid wäre folgerichtig wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes aufzuheben.
Sollte es sich bei Abschnitt 36 EStR 1973 nicht um eine Rechtsverordnung, sondern um eine Verwaltungsverordnung handeln, die nicht der Kundmachung im Bundesgesetzblatt bedürfte, so wäre einzuwenden, daß ihr zweifellos gesetzesändernder oder zumindestens gesetzesergänzender Charakter zukomme, weil die dazugehörige Gesetzesvorschrift des § 6 EStG 1972 keinerlei Handhabe dafür biete, den Geschäfts- oder Firmenwert für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Vorschriften unter bestimmten Voraussetzungen als nicht abnutzbares Anlagegut zu beurteilen. Gesetzesändernde oder gesetzesergänzende Verordnungen seien - mit bestimmten, hier nicht zu treffenden Ausnahmen - auch dann, wenn sie sich als nicht kundmachungspflichtige Verwaltungsverordnungen darstellen, als gesetzwidrig aufzuheben. Auch in diesem Falle wäre daher der angefochtene Bescheid mit Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung des Eigentumsrechtes belastet.
Sollte Abschnitt 36 EStR 1973 keinen Verordnungscharakter haben, dann könnte der angefochtene Bescheid nur dann verfassungskonform sein, wenn er sich unmittelbar auf eine Gesetzesvorschrift zu stützen vermöchte. Gerade dies sei offensichtlich nicht der Fall. Die einzige Rechtsnorm, die eine vom Handelsrecht abweichende Bewertung von Aktiven rechtfertige, sei im Beschwerdefall § 6 EStG 1972. Da diese Vorschrift nicht den geringsten Hinweis darauf enthalte, daß der Geschäfts- oder Firmenwert für steuerrechtliche Zwecke - in Abweichung vom Handelsrecht - nicht allgemein als abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens anzusehen sei, sei eine Auslegung, nach welcher auf den Firmenwert von Lichtspieltheatern keine Absetzungen für Abnutzung vorgenommen werden dürften, offensichtlich denkunmöglich; die belangte Behörde habe sich vielmehr zur Begründung des Bescheides nur zum Schein auf § 6 EStG 1972 gestützt. Dem Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf den Motivenbericht zum EStG 1972 sei entgegenzuhalten, daß den Erläuternden Bemerkungen zu einem Bundesgesetz kein normativer Charakter zukomme, sodaß sie, soweit sie mit dem Gesetzeswortlaut offenkundig nicht übereinstimmen, rechtlich belanglos seien. Der angefochtene Bescheid wäre also auch dann, wenn Abschnitt 36 EStR 1973 nicht als Verordnung zu beurteilen sein sollte, mangels gesetzlicher Grundlage und damit wegen Verletzung des Eigentumsrechtes aufzuheben.
Die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung, es sei nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob der jeweilige Firmenwert ein abnutzbares Wirtschaftsgut darstelle oder nicht, sei auch in der Richtung einer möglichen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bedenklich. Da nämlich § 6 EStG 1972 über den Geschäfts- oder Firmenwert überhaupt nichts aussage und daher der Behörde, falls die Verweigerung der Absetzung für Abnutzung nicht ohnehin denkunmöglich sei, eine Entscheidung nach Gutdünken ermöglichen würde, wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet. Allerdings sei dem hinzuzufügen, daß eine Gesetzesbestimmung im Zweifel stets so auszulegen sei, daß sie verfassungskonform erscheine. Dies bedeute, daß die Ansicht der belangten Behörde, sie könne nach den Umständen des Einzelfalles entscheiden, rechtswidrig sei.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, der VfGH möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH hat der Vertreter der Beschwerdeführerin ausgeführt, daß der einen Hoffnungswert darstellende Firmenwert bei Lichtspieltheatern niemals standortbezogen sei. Er betonte, daß die Person des Unternehmers sehr wichtig sei, weil für den Erfolg des Unternehmens der Planung, welche Filme das Lichtspieltheater spielen werde (dafür gebe es auch eigene Programmierer), ausschlaggebende Bedeutung zukomme.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerde meint, es sei offenkundig, daß sich die belangte Behörde zur Begründung der Nichtanerkennung der von der Beschwerdeführerin beantragten Absetzung für Abnutzung des Firmenwertes auf die Einkommensteuerrichtlinien 1973 - EStR 1973, Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom , Z 256.094-9a/73, AÖFV Nr. 188/1973, uzw. auf den die Überschrift "Firmenwert (§6 Z 1 und 2)" tragenden Abschnitt 36 gestützt habe, wenngleich eine Zitierung dieser Rechtsgrundlagen vermieden worden sei. Da die Beschwerde längere Ausführungen zur rechtlichen Bedeutung der EStR 1973 verwendet, ist es zweckmäßig, zunächst diese Frage klarzustellen.
In der Präambel der EStR 1973 wird bemerkt: "Diese Richtlinien stellen lediglich einen Behelf für die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung dar". Ausdrücklich wird bemerkt, daß gesetzliche Grundlage für die Einkommensteuerveranlagungen ab 1973 das EStG 1972 bilde, sowie daß in den Richtlinien außerdem auch auf jene Bestimmungen hingewiesen sei, die in anderen Gesetzen enthalten und erstmals bei der Einkommensteuerveranlagung 1973 zu berücksichtigen seien. Ferner heißt es: "Die Erläuterungen in den Richtlinien zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen sind eine Zusammenfassung der Rechtsprechung der Höchstgerichte. Soweit eine solche Rechtsprechung noch nicht vorliegt, geben sie die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen wieder, die im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt wird. Auf Grund dieser Sach- und Rechtslage hat daher eine Zitierung dieses Erlasses in mündlichen oder schriftlichen Erledigungen zu unterbleiben. Es ist vielmehr zur Begründung einer Entscheidung auf die entsprechenden Erk. der Höchstgerichte zu verweisen oder diese Begründung originär aus dem Gesetz abzuleiten."
Zu gleichen Aussagen in den Einkommensteuerrichtlinien 1968 hat der VfGH im Erk. VfSlg. 6928/1972 ausgeführt, der Bundesminister für Finanzen habe damit seinem Erlaß selbst jegliche normative Wirkung abgesprochen; der VfGH hat hiezu näher dargelegt, daß den EStR 1968 der Charakter einer der Prüfung durch den VfGH gemäß Art 139 B-VG zugänglichen Verordnung nicht zukomme. Ähnliche Auffassungen hat der VfGH zum Durchführungserlaß des Bundesministers für Finanzen zum UStG 1972, AÖFV Nr. 283/1972, in den Erk. VfSlg. 8162/1977 und 8858/1980, zu den Vermögensteuerrichtlinien 1971, AÖFV Nr. 242/1971, im Erk. VfSlg. 8613/1979 und zu den Lohnsteuererläuterungen 1972, AÖFV Nr. 309/1972, im Erk. VfSlg. 9256/1981, vertreten. Die Beschwerde enthält keine Darlegungen, die nicht schon mit den Ausführungen in den genannten Erk. beantwortet wären. Diese Ausführungen treffen auch auf die EStR 1973 zu, die somit keine Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides darstellen.
2. Die den Gegenstand der Beschwerde bildende Rechtsfrage der Aktivierung des Geschäfts- oder Firmenwertes ist im vorliegenden Fall auf die Frage der Aktivierung eines entgeltlich erworbenen (sog. derivativen) Firmenwertes eingeschränkt.
Bei der Ermittlung der Rechtsgrundlagen für die Beantwortung dieser Frage und damit die Beurteilung des angefochtenen Bescheides ist von § 5 des Einkommensteuergesetzes 1972 - EStG 1972, BGBl. 440, auszugehen.
Gemäß § 5 EStG 1972 ist bei Gewerbetreibenden, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist - wie die Beschwerdeführerin - unter Beachtung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes über die Gewinnermittlung für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Bezüglich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bestimmt § 124 BAO, daß, wer nach Handelsrecht oder anderen gesetzlichen Vorschriften zur Führung und Aufbewahrung von Büchern oder Aufzeichnungen verpflichtet ist, diese Verpflichtungen auch im Interesse der Abgabenerhebung zu erfüllen hat. Die entsprechenden handelsrechtlichen Verpflichtungen sind in den §§38 ff. HGB enthalten. Dazu ist auch § 133 Aktiengesetz 1965, BGBl. 98, zu beachten, der in seinen wesentlichen Bestimmungen als Kodifizierung der in den §§39 und 40 HGB allgemein ausgesprochenen Bilanzierungsgrundsätze gelten kann.
Der aus diesen Bestimmungen abzuleitende Grundsatz, daß die Handelsbilanz auch für die Steuerbilanz maßgeblich ist, gilt allerdings nur "unter Beachtung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes (d.i. des EStG 1972) über die Gewinnermittlung". Entsprechend den unterschiedlichen Zielsetzungen, die für die handelsrechtlichen und die steuerrechtlichen Bilanzierungsvorschriften gelten (dort: die Rechenschaftslegung zwecks Information von Gläubigern und am Unternehmen Beteiligten zum Schutz deren Interessen nach dem Niedrigwertprinzip als Ausdruck kaufmännischer Vorsicht, hier: die Feststellung des Betriebsvermögens und -erfolges als Grundlage einer gleichmäßigen Abgabenbemessung nach festen Bewertungsregeln; vgl. VfSlg. 8457/1978, S 461) gehen somit die steuerrechtlichen Vorschriften vor, soweit sie von den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abweichen (vgl. VfSlg. 5025/1965, S 402, 8479/1979, S 14 f.; 9416/1982).
3. Für die Aktivierung und Bewertung eines entgeltlich erworbenen (sog. derivativen) Geschäfts- oder Firmenwertes eines Unternehmens sind steuerrechtlich die Bestimmungen des § 6 EStG 1972 maßgeblich.
Der Einkommensteuer-Gesetzgeber hat den "Geschäfts- oder Firmenwert" stets unter dem Begriff "Wirtschaftsgut" mitverstanden. Er hat die Wirtschaftsgüter in "Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen" und in "andere Wirtschaftsgüter des Betriebes" unterteilt, wobei er bis zum EStG 1972 den "Geschäfts- oder Firmenwert" zwingend den nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern zugeordnet hat (Einkommensteuergesetz DRGBl. I 1939, S 297, GBlÖ 1446/1939, § 6 Z 1 und 2; Einkommensteuergesetz 1953, BGBl. 1/1954, § 6 Z 1 und 2, seit der Einkommensteuergesetznovelle 1966, BGBl. 155, § 6 Abs 1 Z 1 und 2; Einkommensteuergesetz 1967, BGBl. 268, § 6 Abs 1 Z 1 und 2). Im EStG 1972 ist in der beispielsweisen Aufzählung in § 6 Z 2 die Wortfolge "Geschäfts- oder Firmenwert" nicht mehr enthalten.
Aus den Bestimmungen des § 6 Z 1 und 2 EStG 1972 in ihrem Zusammenhang ergibt sich, daß es - soweit nicht das Gesetz selbst eine ausdrückliche Regelung enthält - der Vollziehung obliegt, die einem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter der Gruppe der der Abnutzung unterliegenden (Z1) oder der Gruppe der nicht abnutzbaren Wirtschaftsgüter (Z2) zuzuordnen. Dies gilt nunmehr auch für den Geschäfts- oder Firmenwert eines Unternehmens. Daß eine solche Regelung auch der Absicht des Gesetzgebers entspricht, zeigen die Erläuterungen in der Regierungsvorlage zum EStG 1972 (474 BlgNR XIII. GP S 59), in denen ausgeführt ist, daß mit dem Ausscheiden der Worte "Geschäfts- oder Firmenwert" aus dem Klammerausdruck im ersten Satz des § 6 Z 2 "dem Umstand Rechnung getragen" (wird), "daß es sich beim Geschäfts- oder Firmenwert wirtschaftlich gesehen auch um ein abnutzbares Wirtschaftsgut handeln kann".
Der Umstand, daß das Gesetz die für eine Aktivierung in Betracht kommenden - die der Abnutzung unterliegenden und die nicht abnutzbaren - Wirtschaftsgüter nicht im einzelnen anführt (so auch nicht den Geschäfts- oder Firmenwert eines Unternehmens), führt entgegen den Darlegungen in der Beschwerde keinesfalls zur Ermöglichung einer Entscheidung nach Gutdünken. Der VfGH geht dabei davon aus, daß der vom EStG 1972 verwendete Begriff der Wirtschaftsgüter der Auslegung durch die Vollziehung durchaus zugänglich ist.
Ebenso wie bei den übrigen Wirtschaftsgütern die Frage, ob sie dem Anlagevermögen zugehören und der Abnutzung unterliegen oder ob sie andere - nichtabnutzbare - Wirtschaftsgüter sind, von der Vollziehung beantwortet werden muß und kann, trifft dies für das Wirtschaftsgut des Geschäfts- oder Firmenwertes zu.
Gegen die so auszulegende Regelung des § 6 EStG 1972 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Art 18 B-VG.
4. Eine Steuervorschreibung stellt einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht dar (vgl. VfSlg. 6191/1970 und die dort angeführte Vorjudikatur, VfSlg. 8870/1980). Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die Beschwerdeführerin in diesem Recht nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde diese Rechtsgrundlagen in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 7409/1974 und die dort angeführte Vorjudikatur, VfSlg. 8870/1980).
Aus den vorstehenden Ausführungen zum Inhalt des § 6 EStG 1972 ergibt sich, daß die in der Beschwerde ausgeführte Rechtsauffassung, § 6 EStG 1972 enthalte nicht den geringsten Hinweis darauf, daß der Geschäfts- oder Firmenwert für steuerrechtliche Zwecke in Abweichung vom Handelsrecht nicht allgemein als abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens anzusehen sei, nicht zutrifft, und daß keine Rede davon sein kann, die Behörde hätte das Gesetz denkunmöglich angewendet, wenn sie bei Aktivierung eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes nicht auf die entsprechenden handelsrechtlichen Vorschriften (iS des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz) zurückgegriffen hat. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Rechtsprechung des VwGH hinzuweisen. Dieser Gerichtshof hat schon im Erk. v. VwSlg. 5010 F/1976 ausgeführt, die Klärung der Frage, ob der Geschäfts- oder Firmenwert ein abnutzbares oder ein nichtabnutzbares Wirtschaftsgut darstelle, habe der Gesetzgeber den Tatsachenfeststellungen im Einzelfall überlassen. Unter Hinweis auf dieses Erk. hat der VwGH sodann im Erk. v. VwSlg. 5288 F/1978 noch näher dargelegt, für die Frage der Zulässigkeit einer Absetzung für Abnutzung beim Geschäfts- oder Firmenwert komme es nunmehr wie bei allen anderen vom Gesetzgeber im gegebenen Zusammenhang (im Klammerausdruck des ersten Satzes des § 6 Z 2 EStG 1972) nicht ausdrücklich als nicht absetzbar angeführten Wirtschaftsgütern darauf an, ob er nach den konkret gegebenen Umständen der Abnutzung unterliege oder nicht, was in jedem Einzelfall geklärt werden müsse; nur wenn ersteres zutreffe, sei nach den zwingenden und daher hier auch dem § 133 Z 5 Aktiengesetz vorgehenden steuerrechtlichen Bestimmungen des § 6 Z 1 und 2 EStG 1972 die Verminderung um eine Absetzung für Abnutzung nach § 7 leg. cit. zulässig.
Es ist auch keinesfalls denkunmöglich, wenn die Behörde davon ausgegangen ist, daß ein entgeltlich erworbener Firmenwert dann einer Abnutzung unterliegen wird, wenn er auf persönliche Leistungen des Rechtsvorgängers zurückzuführen ist, also entscheidend auf dem persönlichen Vertrauen Dritter zum Inhaber des Gewerbebetriebes beruht, nicht jedoch, wenn der Firmenwert, wie bei einem Lichtspieltheater, im Vorteil des besseren Standortes begründet ist. Die Behörde hat angenommen, daß ein standortbedingter Firmenwert keiner laufenden Abnutzung unterliegt, weshalb bei der Aktivierung gemäß § 6 Abs 2 (richtig Z 2) EStG 1972 die Anschaffungskosten anzusetzen waren.
Ob diese Rechtsauffassung, insbesondere im Hinblick auf allfällige Besonderheiten bei Lichtspieltheatern, richtig ist, hat der VfGH in einem Verfahren nach Art 144 B-VG nicht zu beurteilen.
Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums hat somit durch den angefochtenen Bescheid nicht stattgefunden.
5. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes steht mit der Annahme in Zusammenhang, daß § 6 EStG 1972 über den Geschäfts- oder Firmenwert keine Aussage enthält. Nach den vorstehenden Ausführungen zu dieser Gesetzesstelle braucht auf das den Gleichheitssatz betreffende Vorbringen nicht weiter eingegangen zu werden.
6. Die Beschwerdeführerin ist somit nicht in den von ihr angeführten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen.