OGH vom 16.08.2001, 8ObA48/01v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Richard Paiha als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Werner L*****, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Georg Griesser, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 897.705,20 brutto sA (Revisionsinteresse S 394.035,10 sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 132/00h-56, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die geltend gemachte Nichtigkeit liegt nicht vor. Zwar releviert die Revision zutreffend, dass die Ausführungen des Berufungsgerichtes auf S 70 Abs 2 seines Urteiles, wonach die Prämie von zwei Monatsgehältern nicht zu berücksichtigen sei, mit der Darstellung der Berechnung im folgenden Absatz, in dem zwei Monatsgehälter an Sonderprämie in die Berechnung miteinbezogen werden, in einem Widerspruch zu stehen scheinen. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass ja vom Erstgericht insgesamt sechs Monatsgehälter an Prämien der Abfertigung zugrundegelegt wurden, und zwar einerseits die am Jahresende 1992 und 1993 ausbezahlten freiwilligen "Tantiemen" im Sinne des § 6 Abs 3 des Dienstvertrages in Höhe von drei Monatsgehältern, ferner jene für 1994 in Höhe eines Monatsgehaltes, die in Form einer Kompensation mit den Rückforderungsansprüchen der Beklagten gewährt wurde, und letztlich die Sonderprämie in Höhe von zwei Monatsgehältern im Zusammenhang mit der Übergabe der Geschäftsleitung (laut Punkt 3 der Beil ./C). Da der Kläger sich auf die für die Jahre 1992 und 1993 gewährten "Tantiemen" gar nicht gestützt hat, hat das Berufungsgericht im Ergebnis nachvollziehbar diese auch seiner Berechnung der Abfertigungsansprüche nicht zugrundegelegt. Der Kläger hat sich bei der Darstellung seiner Abfertigungsnachforderung auch ausdrücklich darauf bezogen, dass die Prämien der letzten drei Jahre im Umfange von 1/36igstel miteinzubeziehen seien. Die Einbeziehung der Sonderprämie (Punkt 3 Beil./C) gesteht die Beklagte sogar ausdrücklich zu; auch auf jene für 1994 hat der Kläger Bezug genommen ( vgl das Vorbringen des Klägers AS 31 sowie die AS 11 Beil./C ./4). Ob dieses Vorbringen des Klägers als ausreichend erachtet werden kann, stellt keine Rechtsfrage iSd § 46 Abs 1 ASGG dar (vgl RIS-Justiz RS0042828 aber auch RS0043003).
Die im Folgenden von der Beklagten relevierten Probleme der Begrenzung des Abfertigunganspruches des Klägers entsprechend Punkt 4 der Beil ./C sowie der Heranziehung der durch Kompensation geleisteten Prämie für 1994 in die Abfertigungsberechnung stellen sich gar nicht mehr. Der Zuspruch des Berufungsgerichtes übersteigt ohnehin nicht die in der Beil ./C allein unter Berücksichtigung der Sonderprämie von zwei Monaten genannten S 2,954.812,50 (vgl auch S 71 des Urteiles des Berufungsgerichtes; im Übrigen dazu, dass die Abgrenzung von Wissens- oder Willenserklärung regelmäßig keine Rechtsfrage iSd § 502 ZPO darstellt (RIS-Justiz RS0113306, RS0042776).
Soweit sich die Beklagte gegen den Zuspruch der Sonderprämie wendet und releviert, dass hier einem Dritten - dem Aufsichtsrat der Beklagten - bei der Leistungsbestimmung ein weitreichendes Ermessen eingeräumt worden sei, ist ihr schon entgegenzuhalten, dass der Aufsichtsrat kein "Dritter", sondern jedenfalls hier ein für die Vertretung gegenüber dem Kläger zuständiges Organ der Beklagten ist (vgl § 30 l GmbHG, Reich-Rohrwig Das österreichische GmbH-Recht2, 720; Koppensteiner GmbH-Gesetz § 30 l Rz 1 und 2; ua; vgl ferner RIS-Justiz RS0059926 = SZ 59/55 = RdW 1986, 210 = GesRZ 1986, 152 = NZ 1987, 349).
Die Sonderprämie wurde als Entgelt ohne Festlegung einer besonderen Arbeitsleistung oder eines besonderen Leistungserfolges für den Fall vereinbart, dass der Kläger seine Geschäftsführertätigkeit bis , insbesondere im Zusammenhang mit der Übergabe der Geschäfte an den neuen Geschäftsführer, "nach den Vorstellungen des Aufsichtsrates" ausübt. Diese Vorstellungen des Aufsichtsrates wurden dem Kläger im Wesentlichen nur dahin bekanntgegeben, dass der Kläger bis zuletzt ordnungsgemäß tätig sein und sich um eine positive Aufnahme der Übergabe bei den Medien und den Mitarbeitern bemühen sollte. Dann könne der Kläger "sicher" mit der Prämie rechnen. Besondere, über den normalen Arbeitsvertrag hinausgehende Verpflichtungen wurden damit für den als Geschäftsführer im Marketingbereich tätigen Kläger also nicht festgelegt. Im Ergebnis handelt es sich also um eine Art "Wohlverhaltensprämie" für den heiklen Übergangszeitraum. Dass der Aufsichtsrat dabei über die Ausschüttung und Ausschöpfung der Prämie entscheiden sollte ist im Wesentlichen vor dem Hintergrund der Streitigkeiten über die Entscheidungsbefugnis zur Anordnung der Auszahlung verschiedener Gehaltsbestandteile des klagenden Geschäftsführers zu verstehen. Ein besonderes Ermessen wurde dem Aufsichtsrat damit aber nicht eingeräumt, vielmehr sollte der Kläger die Prämie ja "sicher" erhalten. Daher kann die Parteienabsicht keinesfalls darin gelegen sein, dass die Beklagte ohne Bekanntgabe besonderer Vorgaben im Nachhinein nach freiem Ermessen bestimmt, ob dem Arbeitnehmer der Anspruch auf die Sonderprämie zusteht oder nicht. Dann wäre der Arbeitnehmer gerade bei Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber auf "Gedeih und Verderb" ausgeliefert. Regelmäßig sind aber vertragliche Vereinbarungen so zu interpretieren, dass sie sich nicht als einseitige Interessendurchsetzung darstellen ( vgl RIS-Justiz RS0017818 mwN= 1 Ob 683/88, 9ObA 51/93, 9 ObA 344/93). Eine eindeutige gegenteilige Festlegung findet sich in der Vereinbarung auch nicht, vielmehr sollte die Sonderprämie dem Kläger bei Erfüllung der Voraussetzungen ja "sicher" zustehen. Schon dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von den von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu 8 ObA 80/98t (= ARD4955/55/98), bei der ein Rechtsanspruch ausdrücklich ausgeschlossen war, jener zu 4 Ob 135/80 (= DRdA 1982/17 = Arb 9984), bei der es überhaupt an einer konkreten Zusage mangelte, jener zu 8 ObA 2207/96h (= JBl 1997, 473 = Arb 11.538), bei der es nur darum ging, dass sich der Arbeitgeber für die Zukunft ausdrücklich eine Änderung des Provisionssystems vorbehalten hatte, und auch jener zu 8 Ob A 220/95 (= ZAS 1995/21 = DRdA 1996/13 uva), in der es um eine "dynamische Verweisung" ging.
Ob der Anspruch auf die "Wohlverhaltensprämie" unter Berücksichtigung der konkreten Vereinbarung entstanden ist, stellt eine Beurteilung im Einzelfall dar. Eine grobe Fehleinschätzung durch die Vorinstanzen kann hier nicht angenommen werden. Der Kläger hat nachgewiesen, dass er seine Arbeitsleistungen bis zuletzt erbrachte. Nach den Feststellungen hat er auch Aktivitäten gesetzt, um eine positive Aufnahme der Übergabe der Geschäfte in der Fachpresse zu bewirken. Weitere besondere Arbeitspflichten oder Leistungserfolge waren nicht vorgegeben. Es wäre daher an der Beklagten gelegen, nachzuweisen, inwiefern es an einem "Wohlverhalten" des Klägers gemangelt habe. Dass es bei der Übergabe der Geschäftsführung eines lang gewachsenen Unternehmens mit zahlreichen älteren Mitarbeitern an einen erst 32-jährigen neuen Geschäftsführer zum Ausscheiden verschiedener Mitarbeiter kommen kann, ist dem Kläger nicht anzulasten. Ein konkreter Verstoß gegen die dem Kläger auferlegte Genehmigungpflicht durch den Aufsichtsrat bei Vorauszahlungen über 5 Mio S pro Vertrag war ebenfalls nicht nachweisbar, weil festgestellt wurde, dass die konkrete Vorauszahlung jedenfalls für mehrere Verträge vorgenommen wurde.
Im Übrigen releviert die Revision noch Mängel des Berufungsverfahrens, die nicht vorliegen (§ 510 Abs 3 ZPO) sowie nicht überprüfbare Fragen der Beweiswürdigung.
Im Ergebnis zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG auf. Geht es doch im Wesentlichen um die Auslegung von ganz spezifischen vertraglichen Vereinbarungen im Einzelfall (vgl RIS-Justiz RS0044298).