OGH vom 22.09.2020, 17Ob9/20b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Dr. C***** S*****, Rechtsanwalt, als Insolvenzverwalter in der Insolvenz über das Vermögen der E*****gesellschaftmbH, *****, wegen 17.320,32 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 54/20v-12, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Schuldnerin trat im Jahr 2008 der klagenden Bank zur Sicherung aufgenommener Kredite global ihre bestehenden und zukünftigen Forderungen ab. Die Abtretung wurde über die Jahre in der OffenenPostenListe der Schuldnerin ersichtlich gemacht, nicht hingegen bei den Debitorenkonten (Kundenkonten). Die letzte OPListe wurde am erstellt.
Die Schuldnerin stellte im Juni 2019 erbrachte Leistungen einer Genossenschaft in Rechnung. Im Brieffuß der Rechnung fand sich kleingedruckt im Anschluss an die UID und die Firmenbuchnummer, die Bankverbindung sowie den Gerichtsstand der Satz „Sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen zed. an V***** AG gem. GZV “. Nachdem über das Vermögen der Schuldnerin im Juli 2019 das Konkursverfahren eröffnet worden war, zahlte die Genossenschaft zur Begleichung der Rechnung den Klagebetrag an den Insolvenzverwalter.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage vom Insolvenzverwalter unter Berufung darauf, dass sie jeweils einen Absonderungsanspruch habe, zum einen den Klagebetrag und zum anderen die Feststellung, dass alle Forderungen der Schuldnerin gegen deren Kunden aus werkvertraglichen Lieferungen und Leistungen, über die von Ende Mai 2019 bis zur Insolvenzeröffnung Rechnung gelegt worden sei, ihr wirksam abgetreten worden seien und ihr zustünden.
Der Beklagte trat der Klage unter anderem mit der Begründung entgegen, die Abtretung sei mangels hinreichenden Publizitätsaktes unwirksam.
Das Berufungsgericht bestätigte das klageabweisende Ersturteil. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und ließ die Revision nicht zu.
Die Klägerin begründet die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision zum einen damit, dass der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht zu entscheiden gehabt habe, ob die Anbringung des Abtretungsvermerks auf der OPListe alleine ausreiche, um das Publizitätserfordernis für die Sicherungszession zu erfüllen. Zum anderen erhebt die Zulassungsbeschwerde den Vorwurf, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die betreffende Passage in der Fußzeile der Rechnung sehr wohl eine ausreichende Drittschuldnerverständigung sei.
Rechtliche Beurteilung
Mit beidem wird keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
1. Die Sicherungszession kommt – wovon auch die Klägerin ausgeht – nur unter Einhaltung der für die Pfandrechtsbegründung vorgeschriebenen Publizitätsform zustande. Die erforderliche Publizität kann durch einen Vermerk in den Geschäftsbüchern des Schuldners (dazu Pkt 2) oder durch Verständigung des Drittschuldners (dazu Pkt 3) erzielt werden (vgl RISJustiz RS0032577; RS0011386; 3 Ob 204/05d; 5 Ob 20/15z [Pkt 1.2]). Die beiden Möglichkeiten werden nach der neueren Rechtsprechung als gleichwertig beurteilt, weshalb auch ein buchführungspflichtiger Zedent wie die schuldnerische GmbH eine Sicherungszession mittels Drittschuldnerverständigung wirksam vornehmen könne (A. Heidinger in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2016] § 1392 Rz 26 f mwN).
2. Nach ständiger Rechtsprechung muss im Fall einer mittels elektronischer Datenverarbeitung abgewickelten Buchführung (wie sie hier unstrittig vorliegt) zwecks Erreichung der erforderlichen Publizität der bei den einzelnen Kundenkonten über die Zession gesetzte Buchvermerk auch in der offenen-Posten-Liste betreffend die offenen Kundenforderungen aufscheinen, wenn eine solche OPListe geführt wird (5 Ob 2155/96i; 6 Ob 256/99m; 7 Ob 84/07i; 3 Ob 155/10f [Pkt II.1] mwN; vgl auch RS0108639). Dies ist im Einklang mit der Literatur dahingehend zu verstehen, dass jedenfalls auch ein Vermerk in den einzelnen Kundenkonten erforderlich ist (Karollus, ÖBA 1998, 395 [Glosse zu 5 Ob 2155/96i]; zust Sailer,Aktuelle Rechtsprobleme des Mobiliarpfandes, ÖBA 2011, 211 [216]). Führt der Zedent – wie hier die Schuldnerin – Kundenkonten und OP-Listen, müssen daher Zessionsvermerke in beiden aufscheinen (so ausdrücklich und unter Bezugnahme auf den betreffenden Rechtssatz Neumayr in KBB6 [2020] § 1392 ABGB Rz 7). Die von der Klägerin vertretene Ansicht, es müsse ausreichen, wenn die Abtretung auf der OP-Liste ersichtlich ist, scheitert daran, dass diesfalls die Buchführung widersprüchlich ist und zudem nicht die OPListe, sondern die Kundenkonten Teil der eigentlichen Buchhaltung sind und diese folglich der primäre Ort zur Verzeichnung der Forderung bzw ihrer Abtretung sind (so auch Riedler, „Babylonische“ Verwirrung um den Publizitätsakt bei der Sicherungszession? ÖBA 2003, 415 [424]; Apathy in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht IX2 [2011] Rz 5/29, 32; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2011] § 1392 ABGB Rz 77).
Die relevierte Rechtsfrage kann somit bereits auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung, die zudem von der herrschenden Lehre gebilligt wird, eindeutig beantwortet werden. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RS0042656 [T48]).
3. Dass bei der Sicherungszession zu ihrer Gültigkeit die Publizitätsbestimmungen der Pfandbestellung einzuhalten sind, hat den Zweck, dass die Gläubiger des Sicherungsgebers das Ausscheiden der abgetretenen Forderung aus dem Haftungsvermögen verlässlich erkennen können (RS0115472; 3 Ob 34/14t). Diese Erkennbarkeit soll – abseits eines Buchvermerks – nach bisheriger Rechtsprechung grundsätzlich durch die Verständigung des Drittschuldners herbeigeführt werden, bei dem sich die Gläubiger erkundigen könnten (RS0115472 [T1]). Der „wissende“ Drittschuldner könne potenzielle Gläubiger des Sicherungszedenten informieren, wenn diese bei ihm als verlässliche Auskunftsquelle Erkundigungen einholen (9 Ob 9/18s [Pkt 6.2]).
Eine bloß zufällige Kenntnis des Drittschuldners von der Abtretung ist unter Publizitätsgesichtspunkten wegen des hier nicht objektivierbaren Zeitpunkts der Kenntnisnahme aber auch nach der Rechtsprechung nicht ausreichend (6 Ob 319/01g). Zufällige Kenntnis liegt auch im Fall einer nicht offenkundigen, sondern versteckten Drittschuldnerverständigung vor, die der Drittschuldner als solche eben nur mehr oder weniger zufällig erkennen kann. Die Auslegungsfrage, ob eine Erklärung als (nicht versteckte) Drittschuldnerverständigung anzusehen ist, entzieht sich wie andere Auslegungsfragen in der Regel aufgrund ihrer Einzelfallbezogenheit generellen Aussagen und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt, die vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (vgl 8 ObA 16/19i [Pkt 1.3] mwN). Die Ansicht des Berufungsgerichts, die in Rede stehende Passage in der Rechnung sei nicht als deutlich verständliche Nachricht über die Tatsache einer Forderungsabtretung anzusehen, ist angesichts ihrer Situierung im kleingedruckten Brieffuß, in dem in der Regel (nur) die Geschäftsangaben des Unternehmens und dergleichen stehen, keine aufzugreifende Fehlbeurteilung.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0170OB00009.20B.0922.000 |
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