OGH vom 24.05.2017, 9ObA153/16i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und Werner Krachler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Verband der österreichischen Landes-Hypothekenbanken, Brucknerstraße 8, 1040 Wien, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Antragsgegner Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier, Alfred Dallinger Platz 1, 1034 Wien, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_Innen GmbH in Wien, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Es wird festgestellt, dass die vom Geltungsbereich des Kollektivvertrags für die Angestellten der österreichischen LandesHypothekenbanken erfassten Arbeitgeber im Anwendungsbereich der Bestandschutzregel des § 25 des Kollektivvertrags die Kündigung bei Vorliegen betriebsbedingter Gründe im Sinn des § 25 Z 1 des Kollektivvertrags unabhängig davon wirksam aussprechen können, ob ein Sozialplan erstellt wurde und der Betriebsrat dem Sozialplan zugestimmt hat.
Text
Begründung:
Die Kollektivvertragsfähigkeit der Parteien ergibt sich aus § 4 Abs 2 ArbVG. Beide sind daher im Sinn des § 54 Abs 2 erster Satz ASGG als Parteien des besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.
Unstrittig sind vom Gegenstand des Rechtsstreits auf Arbeitgeberseite und auf Arbeitnehmerseite jeweils zumindest drei Personen betroffen.
§ 25 des Kollektivvertrags für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken (im Folgenden: KV) lautet:
„Erweiterter Kündigungsschutz
Dienstnehmer, die nicht in ein unkündbares Dienstverhältnis übernommen wurden und deren Dienstverhältnis durch Kündigung seitens der Bank zu einem Zeitpunkt enden würde, an dem sie das 45. Lebensjahr vollendet und bereits 18 Jahre in der Bank verbracht haben, können nur schriftlich und mit Angabe eines der nachstehenden Kündigungsgründe gekündigt werden:
1. Aus betriebsbedingten Gründen, wie Rationalisierungsmaßnahmen, Fusion, Ausgliederung, Umorganisation, Änderung des Arbeitsumfanges oder der Arbeitsbedingungen ist eine Kündigung dann möglich, wenn ein Sozialplan erstellt wurde und der Betriebsrat dem Sozialplan zugestimmt hat.
2. Aus persönlichen Gründen bei mindestens zwei aufeinanderfolgenden negativen Beurteilungen, zwischen denen mindestens 6 Monate liegen müssen. Die Beurteilungssysteme der Banken müssen insbesondere nachstehende Punkte enthalten:
- Die Beurteilung erfolgt in zumindest vier Abstufungen.
- Im Zuge des Beurteilungsverfahrens ist ein strukturiertes Mitarbeitergespräch zu führen.
- Mit der Beurteilung sind gegebenenfalls Förderungen für den Dienstnehmer zu verbinden.
- Gegen eine negative Beurteilung, das ist eine Gesamtbeurteilung mit der schlechtesten Abstufung, kann der Dienstnehmer berufen.
3. Wegen eines dienstlichen oder außerdienstlichen Verhaltens, das die betrieblichen Interessen erheblich berührt (zB im Sinn des § 51) sofern nicht eine Entlassung in Frage kommt.
4. Wenn der Dienstnehmer zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses bereits das in der gesetzlichen Pensionsversicherung für die Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters vorgeschriebene Anfallsalter erreicht hat oder die Voraussetzungen aus den Versicherungsfällen der Berufsunfähigkeit/Invalidität erfüllt. Die Bestimmungen der §§ 101, 105 ArbVG und § 25 AngG bleiben durch die vorstehenden Regelungen unberührt.“
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass die vom Geltungsbereich des KV erfassten Arbeitgeber im Anwendungsbereich der Bestandschutzregel des § 25 des KV die Kündigung bei Vorliegen betriebsbedingter Gründe iSd § 25 Z 1 des KV unabhängig davon wirksam aussprechen können, ob ein Sozialplan erstellt wurde und der Betriebsrat dem Sozialplan zugestimmt hat. Er bringt vor, § 25 Z 1 des KV sei mangels entsprechender Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nichtig. § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG erlaube den Kollektivvertragsparteien die Regelung der gegenseitigen, aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Davon umfasst seien jedoch nur jene Inhalte, die typischerweise in Arbeitsverträgen enthalten seien. Es komme dabei nicht bloß darauf an, dass eine bestimmte Sachfrage regelmäßig Gegenstand arbeitsvertraglicher Vereinbarungen sei, sondern müsse dies auch auf die konkrete Ausgestaltung der Regelung zutreffen. Zwar seien Beendigungsfragen und Bestandschutzregeln typischer Arbeitsvertragsinhalt, dies treffe jedoch auf die Ausgestaltung der konkreten Regelung, dass eine Kündigung nur möglich sei, wenn zuvor ein Sozialplan vereinbart worden sei, nicht zu.
Darüber hinaus seien die betriebsfassungsrechtlichen Befugnisse des Betriebsrats im ArbVG abschließend geregelt. § 25 Z 1 des KV enthalte eine unzulässige und damit unwirksame Ausweitung dieser Befugnisse, weil der Betriebsrat durch Nichtzustimmung zum Sozialplan betriebsbedingte Kündigungen verhindern könne. Nach dem Wortlaut wäre selbst nach Festsetzung eines Sozialplans im Wege der Zwangsschlichtung keine Arbeitgeberkündigung möglich. Dabei sei es nicht von Relevanz, dass der Abschluss von Sozialplänen in die Befugnis des Betriebsrates falle, da nicht nur die Neuschaffung von Mitwirkungsrechten, sondern auch deren Ausweitung, indem andere (strengere) Rechtsfolgen an die Mitwirkungsrechte geknüpft würden, unzulässig sei. Auch aus § 2 Abs 2 Z 5 ArbVG sei nichts anderes abzuleiten. Diese Bestimmung erlaube nur die Erweiterung der Mitwirkungsbefugnisse bei der Durchführung eines Sozialplans. Die hier zu beurteilende Bestimmung des KV betreffe aber ausschließlich das Zustandekommen eines Sozialplans bzw die Rechtsfolgen seines Nichtzustandekommens.
Auch könne ein Sozialplan nicht in allen Fällen der Betriebsbedingtheit der Kündigung abgeschlossen werden, sondern nur in den Fällen des § 109 Abs 1 Z 1 bis 6 ArbVG, sofern diese wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich brächten. In allen übrigen Fällen wäre durch den KV eine unmögliche und daher rechtlich unerfüllbare Bedingung festgesetzt.
Der Antragsgegner bestritt und brachte vor, dass gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG nach der Judikatur jedenfalls das geregelt werden könne, was zum typischen, wesentlichen und regelmäßig wiederkehrenden Inhalt eines Arbeitsverhältnisses gehöre. Eine Erweiterung des Kündigungsschutzes für spezifische Arbeitnehmergruppen sei daher ein zulässiger und rechtskonform gestalteter Inhalt eines Kollektivvertrags. Aus § 25 Z 1 KV ergebe sich, dass sich die Kollektivvertragsparteien am Tatbestandskatalog des § 109 Abs 1 ArbVG orientiert hätten. Es müsse sich daher um entsprechend weitreichende Maßnahmen handeln, die auch den Abschluss eines Sozialplans rechtfertigten. § 2 Abs 2 Z 5 ArbVG ermögliche weiters die Regelung von Mitwirkungsbefugnissen von Arbeitnehmern bei der Durchführung von Sozialplänen durch Kollektivvertrag. Gerade die Auflösung von Dienstverhältnissen älterer Arbeitnehmer stelle den Kernbereich von Sozialplanregelungen dar. Nach der vorliegenden Bestimmung müsse einer betriebsbedingten Kündigung ein Sozialplan vorgelagert sein. Dabei bestehe in jedem Fall die Möglichkeit der Anrufung der Schlichtungsstellen. Umfasst seien nur Konstellationen, in denen der Abschluss eines Sozialplans zulässig sei. Die konkret zu beurteilende Regelung sei daher durch das ArbVG gedeckt.
Rechtliche Beurteilung
Der vorliegende Antrag ist zulässig und berechtigt:
1. Der zulässige Inhalt eines Kollektivvertrags ergibt sich aus § 2 ArbVG.
1.1. Die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG bezüglich der gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer umfasst als zulässigen Inhalt kollektivvertraglicher Normen nach ständiger Rechtsprechung nur den typischen, wesentlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Inhalt eines Arbeitsvertrags (RIS-Justiz RS0033579), wozu auch Regelungen über die Beendigung von Dienstverhältnissen gehören (RIS-Justiz RS0050933; Mosler/Felten in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 25 [2015] § 2 Rz 52; Marhold/Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht II2, 60; Schrammel, Die Sozialpartner als Normsetzer, in FS Raschauer 521 ua).
Auf die in der Literatur gelegentlich geäußerte Kritik an dieser von der Rechtsprechung verwendeten einschränkenden Formulierung muss hier nicht eingegangen werden, da auch nach den von diesen Autoren vertretenen Definitionen Beendigungs- und Bestandschutzregeln jedenfalls von der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien umfasst sind. So gehen Mosler/Felten (in Gahleitner/Mosler, Arbeits-verfassungsrecht 25 [2015] § 2 Rz 49) davon aus, dass die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien dort endet, wo kein spezielles Bedürfnis nach einer verbindlichen Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen mehr besteht. Nach Strasser (in Strasser/Jabornegg/Resch, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, § 2 Rz 30) ist der typische Inhalt des Arbeitsverhältnisses gemeint, also genau das, was nach der Verkehrsauffassung, der übereinstimmenden Auffassung der beteiligten Verkehrskreise, kurz der Übung des redlichen Verkehrs in der betreffenden Branche, regelmäßig unter den gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechten und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer verstanden wird.
1.2. Handelt es sich aber um eine Materie, die ihrer Art nach die Voraussetzungen für eine Inhaltsnorm erfüllt, sind die Kollektivvertragsparteien entgegen der Ansicht des Antragstellers inhaltlich nicht auf „typische Ausgestaltungen“ dieser Materie beschränkt, vielmehr sind auch neuartige, atypische oder unübliche Regelungen zulässig (vgl Firlei, Mitbestimmung durch Inhaltsnormen?, FS Floretta 476), da sonst den Kollektivvertragsparteien die Möglichkeit genommen wäre, auf Veränderungen oder Notwendigkeiten der Arbeitswelt durch entsprechende, einzelvertraglich noch nicht übliche Regelungen zu reagieren und damit auf die Vertragsverhältnisse der von ihnen vertretenen Parteien gestalterisch einzuwirken.
2. Zu prüfen ist allerdings, ob in der hier zu beurteilenden Kollektivvertragsnorm eine grundsätzlich zulässige Inhaltsnorm unzulässig mit einer Erweiterung betrieblicher Mitbestimmungs- oder Mitwirkungs-möglichkeiten verknüpft wird.
2.1. Der Oberste Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Bestimmungen des ArbVG im Allgemeinen zwingenden, und zwar regelmäßig absolut (zweiseitig) zwingenden Charakter haben und daher durch kollektive oder privatautonome Rechtsgestaltung nicht abgeändert werden können (vgl die umfassende Darstellung der diesbezüglichen Literatur und Judikatur in 8 ObA 12/04d; weiters Jabornegg in FS Strasser [1983], Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht 367 f mwN; ders, Grenzen kollektivvertraglicher Rechtssetzung und richterliche Kontrolle, JBl 1990, 205 ff). Das hat insbesondere für die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft in den Bestimmungen des ArbVG über die Betriebsverfassung zu gelten. Es muss nämlich davon ausgegangen werden, dass das ArbVG, das die Belegschaftsbefugnisse derart speziell, fein differenziert und je nach Materie besonders abgestuft geregelt hat, eine endgültige, durch autonome Regelung grundsätzlich nicht abänderbare Ordnung schaffen wollte (9 ObA 31/04f mwN). Es stellt eine grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers dar, welche Mitverantwortung er einem vom Gesetz in spezifischer Weise gerade im Hinblick auf die übertragenen Aufgabenstellungen konstituierten Organ – dem Betriebsrat – bei der Gestaltung des Betriebsgeschehens überantwortet und mit welchen Verantwortungen er dieses Organ nicht belasten will. Ist doch als Kehrseite zusätzlicher Mitbestimmungsrechte auch die Frage nach der Pflichtbindung bei der Ausübung dieser Rechte und die Verantwortlichkeit dafür zu stellen und stehen die Organisation und die übertragenen Aufgabenstellungen regelmäßig in einer Wechselbeziehung (8 ObA 12/04d).
2.2. Selbst unter Zugrundelegung des Doppelcharakters kollektivvertraglicher Regelungen in Personalangelegenheiten, die einerseits die wechselseitigen Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers und andererseits die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats betreffen, wird in den zweiseitig zwingenden Charakter der Normen des Arbeitsverfassungsgesetzes eingegriffen. Bei den Normen über die Rechtssetzungbefugnis der Kollektivvertragsparteien handelt es sich um einheitliche, unteilbare Normen, sodass nicht nur ein Teil (nämlich die Inhaltsnorm), sondern ihr gesamter Inhalt durch die den Kollektivvertragsparteien verliehene Rechtssetzungsbefugnis derart gedeckt sein muss, dass sie sich widerspruchsfrei in das System der Regelung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrats einfügen lassen (9 ObA 606/92 mwN). Mitwirkungsrechte, die durch die den Kollektivvertragsparteien erteilte Normsetzungsbefugnis nicht gedeckt sind, verstoßen gegen absolut zwingende Normen des ArbVG. Sie sind daher nichtig. So wurden bereits wiederholt in Kollektivverträgen vorgesehene Zustimmungen bzw Anhörungsrechte des Betriebsrats zu Kündigungen als unwirksam erachtet (9 ObA 606/92; 8 ObA 276/94; 9 ObA 110/95; 8 ObA 269/95; 9 ObA 133/95; 8 ObA 290/95). Auch in Betriebsvereinbarungen vorgesehene Zustimmungsrechte des Betriebsrats zu Kündigungen bzw der Verzicht auf das Recht, eine Kündigung anzufechten, wurden als nichtig angesehen (8 ObA 338/99k; 8 ObA 79/03p).
Allgemein ist davon auszugehen, dass Regelungen in Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, nach denen eine gesetzlich vorgesehene Stellungnahme des Betriebsrats arbeitsvertragsrechtlich stärkere Wirkung entfalten soll, als das Gesetz selbst dies vorsieht, dann, wenn diese Ausweitung der Rechte des Betriebsrats vom Gesetz nicht gedeckt ist, gegen die zwingenden Normen des ArbVG verstoßen.
2.3. Im vorliegenden Fall wird in § 25 Z 1 KV die Zulässigkeit der Kündigung der dort genannten Arbeitnehmer vom Vorliegen eines Sozialplans abhängig gemacht, dem „der Betriebsrat zugestimmt hat“. Auch wenn nach der Formulierung dieser Bestimmung das Vorliegen des Sozialplans scheinbar nur eine objektive Tatbestands-voraussetzung darstellt, bewirkt dies mittelbar eine Erweiterung der Rechte des Betriebsrats, die sich aus § 97 Abs 1 Z 4 iVm § 109 ArbVG in Zusammenhang mit dem Abschluss von Sozialplänen ergeben. Zwar sieht § 109 Abs 3 ausdrücklich vor, dass bei Betriebsänderungen, die mit der Kündigung von Arbeitnehmern verbunden ist, die Betriebsvereinbarung auf die Interessen älterer Arbeitnehmer besonders Bedacht zu nehmen hat. Daraus ergibt sich aber kein Sperrrecht des Betriebsrats gegen Kündigungen älterer Arbeitnehmer durch Verweigerung des Abschlusses eines Sozialplanes. Selbst wenn man die Regelung im KV dahin interpretiert, dass keine Zustimmung des Betriebsrats vorausgesetzt wird, sondern Kündigungen auch nach einer erzwungenen Betriebsvereinbarung durch Entscheidung der Schlichtungsstelle zulässig sind, ermöglicht die Regelung durch Verweigerung einer Zustimmung zum Sozialplan durch den Betriebsrat diesem eine zeitliche Verzögerung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers, was ebenfalls keine Deckung im ArbVG findet.
2.4. Soweit der Antragsgegner auf § 2 Abs 2 Z 5 ArbVG verweist, wonach Kollektivverträge Art und Umfang der Mitwirkungsbefugnisse der Arbeitnehmerschaft bei Durchführung von Maßnahmen gemäß Z 4 und von Maßnahmen im Sinn des § 97 Abs 1 Z 9 ArbVG, daher bei Durchführung von Sozialplänen einräumt, lässt sich auch daraus eine Zulässigkeit der hier zu beurteilenden Kollektivvertragsbestimmung nicht ableiten. Mit „Art“ ist die Intensität (Information, Anhörung, Beratung, minderheitliche Mitentscheidung, gleichberechtigte Mitentscheidung) und mit „Umfang“ sind die Fragenbereiche des Sozialplans gemeint, auf die sich die Mitwirkung beziehen soll. „Bei der Durchführung“ heißt, dass in Bezug auf alle oder auf einige der im jeweiligen Sozialplan vorgesehenen Maßnahmen Beteiligungsrechte der Belegschaftsorgane vorgesehen werden können (Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [2002], § 2 Rz 46). § 25 Z 1 KV ermöglicht den Betriebsparteien aber nicht, in der Betriebsvereinbarung weitergehende Mitwirkungsbefugnisse oder Rechte zu vereinbaren, sondern macht die Zulässigkeit der Kündigung durch den Arbeitgeber vielmehr vom Vorliegen einer Betriebsvereinbarung nach § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG abhängig. Damit bietet auch § 2 Abs 2 Z 5 ArbVG keine Grundlage für die Erweiterung der dem Betriebsrat durch diese Bestimmung eingeräumten Befugnisse.
2.5. Die in der kollektivvertraglichen Regelung vorgesehene Abhängigkeit der Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers vom Vorliegen eines Sozialplans und der Zustimmung des Betriebsrats zu diesem Sozialplan ist daher wegen Verstoßes gegen zwingende Bestimmungen des ArbVG nichtig.
3.1. Ist eine (kollektiv-)vertragliche Regelung gesetzwidrig, so ist primär der Schutzzweck der Verbotsnorm dafür maßgebend, ob die gesamte Regelung nichtig ist oder von der Restgültigkeit der übrigen Bestimmung auszugehen ist (vgl 9 ObA 2264/96y). In § 878 zweiter Satz ABGB ist der Grundsatz festgelegt, dass dann, wenn aus dem Vertrag nichts anderes hervorgeht, der von der Unmöglichkeit nicht betroffene Teil des Vertrags aufrecht bleibt. Dabei ist zuerst ausgehend vom tatsächlichen bzw subsidiär dem hypothetischen Parteiwillen zu ermitteln, ob die Parteien auch ohne den unmöglichen Teil kontrahiert hätten, und wenn sich dies nicht feststellen lässt und der verbleibende Teil als selbständiges Rechtsgeschäft denkbar ist, von der Restgültigkeit auszugehen (9 ObA 193/05f mwN).
3.2. In der Entscheidung 8 ObA 276/94 hat der Oberste Gerichtshof zu einer Regelung, die eine Mitwirkung des Betriebsrats an Kündigungen definitiv gestellter Arbeitnehmer vorsah, ausgeführt, dass die Kündigungsbestimmungen des Kollektivvertrags als notwendiges Gegenstück zur grundsätzlichen Einschränkung des Kündigungsrechts des Dienstgebers bezüglich definitiv Angestellter durch den Kollektivvertrag anzusehen seien. Es sei davon auszugehen, dass die Arbeitgeberseite diesen kollektivvertraglichen Kündigungsschutz nur unter der Voraussetzung zugestanden habe, dass ihr die Kündigungsmöglichkeit in den ihr aus personenbezogenen oder betrieblichen Gründen als erforderlich erachteten Fällen gewahrt bleibe. Führe daher die Nichtigkeit der im Kollektivvertrag getroffenen Verfahrensregeln zu einer Nichtigkeit auch des die jeweiligen materiellen Voraussetzungen für die Kündigung normierenden Teils und damit zum völligen Entfall dieser Kündigungsmöglichkeiten, wäre damit die Gültigkeit des kollektivvertraglichen Kündigungsschutzes insgesamt in Frage gestellt, da der Arbeitgeberseite nicht unterstellt werden könne, dem Definitivum auch ohne Einräumung dieser wesentlichen Kündigungsmöglichkeiten zugestimmt zu haben. Aus der Sicht der Arbeitnehmerseite erscheine hingegen die Aufrechterhaltung des Definitivums unter Einräumung bestimmter Kündigungsgründe auch ohne Beibehaltung der dem Betriebsrat und Dritten durch den Kollektivvertrag eingeräumten Mitwirkungsrechte günstiger als der völlige Entfall des Definitivums.
3.3. Diese Argumente können auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Die Regelung des § 25 KV sieht für ältere, langjährig im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer eine Kündigungsmöglichkeit für den Arbeitgeber nur unter den dort genannten Kündigungsgründen, darunter auch aus betriebsbedingten Gründen, vor. Auch im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber dem erweiterten Kündigungsschutz nur unter Einräumung dieser – ohnehin sehr eingeschränkten – Kündigungsmöglichkeiten zugestimmt hätte. Andererseits entspricht es den Interessen der Arbeitnehmer, diesen Kündigungsschutz unter Einräumung bestimmter Kündigungsgründe auch ohne erweiterte Mitwirkung des Betriebsrats aufrecht zu erhalten.
4. Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass Kündigungen von Dienstnehmern, die nicht in ein unkündbares Dienstverhältnis übernommen wurden und deren Dienstverhältnis durch Kündigung seitens der Bank zu einem Zeitpunkt enden würde, an dem sie das 45. Lebensjahr vollendet und bereits 18 Jahre in der Bank verbracht haben, aus den im KV genannten betriebsbedingten Gründen unabhängig davon möglich sind, ob ein Sozialplan erstellt wurde und der Betriebsrat dem Sozialplan zugestimmt hat.
Dem Feststellungsantrag nach § 54 Abs 2 ASGG war daher stattzugeben.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00153.16I.0524.000 |
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