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OGH vom 19.06.2006, 8ObA46/06g

OGH vom 19.06.2006, 8ObA46/06g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter gemäß § 11a Abs 3 ASGG in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Pero D*****, 2. Ljubomir L*****, 3. Milan P*****, 4. Vjekoslav L*****, 5. Mile B*****, alle vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei „T***** GmbH in Liquidation, ***** vertreten durch Mag. Martin R*****, Rechtsanwalt in Wien, als bestellter Notliquidator gemäß §§ 15a, 92 GmbHG, wegen insgesamt 19.956 EUR sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 190/05w-14, womit über Rekurs der Kläger der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 15 Cga 178/05p-9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Revisionsrekurs wird, soweit er den Erst- bis Drittkläger betrifft, nicht Folge gegeben.

Die darauf entfallenden Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

2. Der Revisionsrekurs wird, soweit er den Viert- und Fünftkläger betrifft, zurückgewiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung des Viert- und Fünftklägers wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom zu 28 Se 262/04i wurde über das Vermögen der beklagten GmbH mangels Kostendeckung der Konkurs nicht eröffnet. Am wurde die Rechtskraft dieses Beschlusses bekanntgegeben. Im Firmenbuch findet sich der Vermerk „Die Gesellschaft ist infolge rechtskräftiger Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 39 FBG aufgelöst". Eine Löschung der Beklagten im Firmenbuch ist bisher nicht erfolgt.

Als Liquidatorin ist eine ehemalige handelsrechtliche Geschäftsführerin eingetragen.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , 75 Fr 6670/04t wurde Mag. Martin R***** gemäß § 15a GmbHG zum Notgeschäftsführer bestellt, weil eine Zustellung unter der Adresse der Geschäftsführerin (und nunmehrigen Liquidatorin) nicht bewirkt werden konnte.

Mit ihren am 23. 9. (Erst- und Zweitkläger), 28. 9. (Drittkläger), 2.

11. (Viertkläger) und 3. 11. (Fünftkläger) 2005 eingelangten Klagen machen die Kläger Entgeltforderungen aus ihrem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, das durch Arbeitgeberkündigung beendet worden sei, geltend.

Über die Klagen des Erst- bis Drittklägers erließ das Erstgericht der Beklagten auch zugestellte und von ihr beeinspruchte Zahlungsbefehle. Die Beklagte, deren Notgeschäftsführer darauf verwies, dass er nun als Notliquidator gemäß §§ 15a, 92 GmbHG einzuschreiten habe, wendet in seinen den Erst- bis Drittkläger betreffenden Einsprüchen unter anderem Verfall der geltend gemachten Ansprüche ein. Das Erstgericht trug dem Erst- bis Drittkläger nach Verbindung der Verfahren mit Beschluss vom auf, im Hinblick auf den Umstand, dass die Gesellschaft der Beklagten vor Klageeinbringung aufgelöst worden sei, ergänzendes Vorbringen zu erstatten, widrigenfalls die Klage zurückgewiesen werde.

Der Erst- bis Drittkläger brachten dazu vor, dass eine GmbH mit Auflösung nicht ende. An die Auflösung schließe sich das Stadium der Liquidation. Die Beklagte sei daher nach wie vor parteifähig. Im Übrigen gebe es keine Anhaltspunkte, völlige Vermögenslosigkeit anzunehmen.

Das Erstgericht wies sämtliche Klagen von Amts wegen zurück, nachdem es auch die vom Viert- und Fünftkläger eingeleiteten Verfahren mit den bereits verbundenen Verfahren von Erst- bis Drittkläger verbunden hatte. Es erachtete die Parteifähigkeit der Beklagten für nicht gegeben: Gemäß § 39 FBG sei eine in das Firmenbuch einzutragende Gesellschaft mit Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst, mit welchem ein Konkurs mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens nicht eröffnet werde. Die Löschung der Firma einer GmbH habe nur deklarative Bedeutung. Mit der Vollbeendigung sei die Gesellschaft aber als solche erloschen. Bis zum Beweis des Gegenteils sei davon auszugehen, dass die Kapitalgesellschaft vermögenslos sei. Einen solchen Beweis des Gegenteils hätten die Kläger nicht erbracht. Das Rekursgericht gab dem dagegen von den Klägern erhobenen Rekurs Folge, hob den Beschluss des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund auf. Es erklärte den Revisionsrekurs für zulässig.

Werde eine beklagte Kapitalgesellschaft während eines anhängigen Prozesses gelöscht, sei im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 71/175 das bisherige Verfahren (nur) dann für nichtig zu erklären, wenn der Kläger nicht die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft anstrebe. Diese Erwägungen hätten auch dann zu gelten, wenn die Gesellschaft im Firmenbuch noch nicht gelöscht sei, die Kläger jedoch die Einleitung und Fortsetzung des Verfahrens anstrebten.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs der Beklagten bezüglich der den Viert- und Fünftkläger betreffenden Rekursentscheidung ist unzulässig:

Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0039200; zuletzt 6 Ob 222/04x) steht dem Beklagten ein Rechtsmittel gegen den Beschluss, mit dem das Rekursgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über eine vom Erstgericht vor Streitanhängigkeit zurückgewiesene Klage aufträgt, nicht zu. Im Vorprüfungsverfahren entfaltet eine gerichtliche Entscheidung gegenüber der als beklagten Partei angeführten Person noch keine bindende Wirkung. Dieser Grundsatz gilt für alle a-limine Zurückweisungen von Klagen (7 Ob 714/88; 3 Ob 69/92 uva). Die Klagen des Viert- und Fünftklägers wurden bisher der Beklagten noch nicht zugestellt. Mangels Anwendbarkeit des § 521a Abs 1 Z 3 ZPO war auch die Revisionsrekursbeantwortung des Viert- und Fünftklägers zurückzuweisen ( siehe auch 6 Ob 222/04x).

2. Der Revisionsrekurs der Beklagten bezüglich der den Erst- bis Drittkläger betreffenden Rekursentscheidung ist zulässig, weil es einer Klarstellung dahin bedarf, dass eine Auflösung einer Gesellschaft zufolge Ablehnung der Konkursereröffnung mangels Masse (§ 39 FBG) erst dann zum Verlust der Parteifähigkeit der Gesellschaft führt, wenn die Eintragung der Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch erfolgt. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt:

Gegen eine vollbeendete und damit nicht parteifähige Gesellschaft kann kein Prozessrechtsverhältnis begründet werden. Die Fortsetzung eines anhängigen Passivprozesses der Gesellschaft trotz Vollbeendigung setzt voraus, dass ein Prozessrechtsverhältnis bereits zuvor begründet wurde (RIS-Justiz RS0109397, zuletzt 8 ObA 47/04a uva). Allerdings wirkt nach herrschender Ansicht die Löschung nur deklarativ. Die Gesellschaft besteht solange fort, als noch Aktivvermögen vorhanden ist. Fehlt es an einem Aktivvermögen, endet die Rechtspersönlichkeit der GmbH mit der amtswegigen Löschung (RIS-Justiz RS0050186; zuletzt 6 Ob 13/06i).

Dieser Fall liegt hier allerdings nicht vor: Vielmehr wurde die beklagte Gesellschaft mit Rechtskraft jenes Beschlusses aufgelöst, mit welchem der Konkurs mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens nicht eröffnet wurde. Diese Auflösung der Gesellschaft gemäß § 39 FBG ist jedoch nicht mit deren (bisher nicht erfolgter) Löschung zu verwechseln: Vielmehr berührt die Auflösung einer GmbH nach völlig herrschender Auffassung ihre Rechtssubjektivität nicht (Kostner-Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung5 Rz 741; Koppensteiner GmbHG² § 84 Rz 5, 27, § 93 Rz 9; Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, Firmenbuchgesetz § 39 Rz 2; zur AG siehe Berger in Doralt/Nowotny/Kalls, AktG § 203 Rz 9; 3 Ob 24/95; 6 Ob 19/01i; 6 Ob 250/02m; 6 Ob 262/02a; 8 ObA 26/04p). Der Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft tritt somit nur dann ein, wenn beide Voraussetzungen (Vermögenslosigkeit; Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch) kumulativ verwirklicht sind, wobei die Voraussetzung der Vermögenslosigkeit einer bereits amtswegig gelöschten GmbH im Firmenbuch bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird (8 ObA 47/04a; 9 ObA 95/02i mwN).

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes bedarf es somit keiner Übertragung der vom verstärkten Senat 8 ObA 2344/96f = SZ 71/175 entwickelten Rechtssätze auf den vorliegenden Fall: Diese Rechtssätze beziehen sich darauf, dass eine beklagte Kapitalgesellschaft während eines anhängigen Prozesses gelöscht wird. Davon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall dadurch, dass eine Löschung bisher nicht erfolgt ist und aus den dargelegten Gründen mit der Auflösung der Gesellschaft gemäß § 39 FBG der Verlust ihrer Rechtsfähigkeit nicht verbunden ist.

Die Entscheidungen 8 Ob 197/02g, 1 Ob 153/02k und 7 Ob 242/03v stehen mit der zitierten herrschenden Auffassung nur scheinbar in Widerspruch: Die darin enthaltenen Aussagen (siehe auch 4 Ob 281/04h, dort allerdings war bereits vor Rekurserhebung die amtswegige Löschung erfolgt), dass es keinen wesentlichen Unterschied mache, ob eine Gesellschaft gemäß § 40 FBG gelöscht oder gemäß § 39 FBG aufgelöst werde, stellen nicht die Parteifähigkeit der bloß aufgelösten, aber noch nicht gelöschten Gesellschaft in Frage. Vielmehr beziehen sich diese Ausführungen darauf, dass aus Wertungsgründen dem Kläger auch dann, wenn eine Gesellschaft nach Klageeinbringung gemäß § 39 FBG aufgelöst wurde, die Möglichkeit gegeben werden muss, von der Fortsetzung eines für ihn wegen Vermögenslosigkeit der beklagten Gesellschaft sinnlos gewordenen Prozesses abzustehen. Jedenfalls dann, wenn die Auflösung einer Gesellschaft gemäß § 39 FBG - wie hier - vor Klageeinbringung erfolgte, bedarf es keiner Gewährung eines Wahlrechtes an den Kläger im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 71/175. Vielmehr steht es in diesem Fall dem Kläger auch ohne Bemühung der in SZ 71/175 entwickelten Grundsätze ohnedies frei, die aufgelöste, aber noch nicht gelöschte und somit noch rechts- und parteifähige Gesellschaft zu belangen oder von einer Klageführung Abstand zu nehmen.

Aus den dargelegten Gründen war dem Revisionsrekurs gegen die den Erst- bis Drittkläger betreffende Rekursentscheidung im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens betreffend Erst- bis Drittkläger gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO: Die Klagezurückweisung durch das Erstgericht erfolgte von Amts wegen. Ein Zwischenstreit liegt somit nicht vor.